Titel: | Der Diamantenabbau in Deutsch-Südwestafrika. |
Autor: | Goldberg |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 531 |
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Der Diamantenabbau in
Deutsch-Südwestafrika.
Von Ingenieur Goldberg in
Bln.-Lichterfelde.
GOLDBERG: Der Diamantenabbau in Deutsch-Südwestafrika
Seitdem 1908 die ersten Nachrichten von Diamantenfunden in Deutsch-Südwest durch
die Presse gingen, ist das Interesse weiter Kreise für den neuen kolonialen
Erwerbszweig nicht mehr erloschen, und die zahlreichen Wandlungen, welche die
Diamantengewinnung seit jener Zeit durchgemacht hat, sind im Mutterlande mit reger
Teilnahme verfolgt worden. Trotzdem gibt es in Deutschland, auch in technischen
Kreisen, nur wenige, die das Bild des heutigen Gewinnungssystems kennen und Einblick
in den wohlorganisierten und technisch weitentwickelten Abbau gewonnen haben.
Schon die im Laufe des Betriebes erreichten Förderziffern beweisen, daß es sich hier
um ein großangelegtes Unternehmen handelt, das die Hauptstütze des wirtschaftlichen
Lebens der Kolonie ausmacht. Die Gesamtdiamantenproduktion des Schutzgebietes von
1908 bis 1913 wird auf 4693321 Karat im Werte von 151926000 M veranschlagt. Von
dieser Summe sind mindestens 40 v. H., also rund 60300000 M an direkten Steuern an
den Fiskus gezahlt worden, eine Summe, welche der ganzen Kolonie zugute kommen
konnte und die allein ⅔ der gesamten Einnahmen Deutsch-Südwests ausmachte. Daneben
haben die Einfuhrzollabgaben eine nicht unwesentliche Steigerung erfahren, die auf
Rechnung der Diamantenförderung gesetzt werden muß, und der Ort Lüderitzbucht
verdankt seine fast einzigdastehende rapid schnelle Entwicklung allein der
Entdeckung der Edelsteinfelder in seiner Nähe.
Die Entdeckungsgeschichte selbst darf als hinreichend bekannt vorausgesetzt werden,
ebenso, daß über die Herkunft der im Wüstensande gefundenen Steine noch immer keine
Gewißheit besteht. Das diamantenführende Gebiet erstreckt sich nördlich und südlich
von Lüderitzbucht längs der Küste auf ungefähr 500 km und ist durchweg Wüste,
gefürchtet durch ihre Wasser- und Vegetationslosigkeit, ihre Sandstürme und
nächtlichen Seenebel, überschüttet mit Steinen und Klippen. Die ganze Strecke ist
wahrscheinlich früher vom Meere bespült gewesen, welches langsam zurückwich und
dabei seine Absätze an Sand und Kiesen auf Strandterrassen zurückließ. Dabei sind
wahrscheinlich die feineren Bestandteile weiter hinausgespült worden, während die
schwereren und nicht zerstörbaren, hauptsächlich Achate und Diamanten
zurückgeblieben sind. Ihre Ablagerung hat ungefähr um die Braunkohlenzeit
stattgefunden.
Die diamantenführenden Sandschichten sind von ganz verschiedener Mächtigkeit, sie
schwanken zwischen mehreren Millimetern bis zu einigen Metern, wodurch die
Verwendung mechanischer Hilfsmittel, z.B. Bagger zu ihrer Abtragung sehr erschwert
wird. Die Größe der einzelnen Steine ist verschieden, doch sind sie meist klein.
Durchschnittlich gehen 5 bis 6 auf ein Karat oder 25 bis 30 auf ein Gramm. Es haben
sich aber auch, besonders in den neuen Feldern von Pomona und Bogenfels solche
bis zu 33 Karat gefunden.
Der Abbau liegt in den Händen verschiedener Gesellschaften, die sich meist alle aus
einzelnen Schürffeldbelegern zusammengeschlossen haben, welche rechtzeitig einsahen,
daß ein gemeinsames Vorgehen im allgemeinen Interesse läge, besonders da es sehr
schwer hielt, nach dem ersten Ansturm auf die Felder die Rechte der einzelnen
Besitzer klarzustellen. Die Einnahmen der einzelnen Fördergesellschaften variieren
auffallend, was seinen Grund darin hat, daß bis vor kurzem eine Bruttosteuer auf den
Diamanteneinnahmen lag, bei der die Betriebsunkosten unberücksichtigt blieben. Sa
kam es, daß einzelne Gesellschaften, wie z.B. die Koloniale
Bergbaugesellschaft m. b. H. und die Diamanten-Pachtgesellschaft D. K. G. bei einem Stammkapital von 100500 M
ihre Betriebsanlagen im Werte von 4 Millionen Mark aus Betriebsüberschüssen
bestreiten und noch Dividenden bis zu 3800 v. H. auszahlen konnten, während andere
Gesellschaften 175 v. H. oder 30 v. H. zahlten, die Deutsche
Diamanten-Gesellschaft m. b. H. dagegen 1911 sogar mit einem Verlust von
146000 M arbeitete.
Seit Ende des Jahres 1912 ist die erwähnte Bruttosteuer in eine Nettosteuer
umgewandelt worden, die von den meisten Gesellschaften, besonders von denen, welche
mit hohen Betriebskosten zu rechnen haben, als Erleichterung empfunden wird.
Hiernach haben die Förderer 66 v. H. des Verkaufserlöses, vermindert um 70 v. H. der
hauptsächlichsten Unkosten zu tragen, weitere 2 v. H. gehen als Verwertungsgebühr an
die Diamantenregie. Diese auch jetzt noch ziemlich hohe Besteuerung, welche manche
Förderer, besonders die im Norden von Lüderitzbucht zur Einstellung des Abbaues
veranlaßte, hat jedoch weniger Aufregung und böses Blut verursacht, als die vom
damaligen Staatssekretär Dernburg veranlaßte Kaiserliche
Verordnung vom 16. Januar 1909, worin sämtliche Förderer gezwungen wurden, die von
ihnen gewonnenen Diamanten einer dazu eingesetzten Diamantenregie zur Verwertung zu
übergeben. Daß die hierzu eingesetzte Kommission aus 18 Firmen, von denen nur drei
direktes Interesse an der Förderung hatten, nicht immer eine glückliche Hand bei
dem, wie schon von vornherein erkannt werden mußte, wenig dankbaren Geschäft hatten,
beweist der Umstand, daß seit 1912, wo es den Förderern nach langen Kämpfen gelang,
Beteiligung an der Regie zu gewinnen, günstigere Preise erzielt werden. Nachdem, wie
dies längst erstrebt war, ein Wettbewerb für den Kauf der deutschen Diamanten
veranstaltet wird, stiegen die Preise um 12 bis 18 M pro Karat oder um rund 49 v. H.
bei ungefähr gleicher Durchschnittsgröße der Steine.
Diese von außen kommenden Schwierigkeiten waren jedoch nicht die einzigen, mit denen die
Diamantenförderer zu kämpfen hatten. Es gab in dieser pflanzenlosen, und vor allem
wasserlosen Wüste genug Hindernisse, denen nur mit Hilfe der modernen Technik
siegreich begegnet werden konnte. Bei allen Gesellschaften war, da überall ähnliche
Verhältnisse herrschten, der Werdegang der ziemlich gleiche. Zu den ersten
Erfordernissen gehörte einerseits die Beschaffung billigeren Betriebswassers und
andererseits erleichterter Transportverhältnisse. Das durch die Bahn von
Lüderitzbucht beschaffte Trinkwasser kostete auf der Station Kolmannskuppe, dem dem
Diamantenfeld nächstgelegenen Haltepunkt der Staatsbahn, 15 M pro m3, während sich der Preis heute auf 11 M
vermindert hat. Aber sogar das zu Betriebszwecken erforderliche Salzwasser mußte mit
6 M pro m3 bezahlt werden. Auf den nördlichen
Diamantenfeldern, deren Entwicklung noch im Anfangsstadium steht, liegen die
Verhältnisse auch heute noch ähnlich, jedoch noch viel ungünstiger. Maultiere und
Kamele tragen das nötige Wasser herbei, das auch zur Tränkung dieser Tiere verwendet
werden muß, obgleich es auf vielen Feldern noch 80 bis 100 M pro m3 kostet.
Heute sind die südlichen Diamantenfelder fast durchweg mit Druckwasserleitungen und
Pumpstationen versehen, desgleichen sorgen Destillierungsanlagen für die Beschaffung
einwandfreien Trinkwassers. Die Koloniale
Bergbau-Gesellschaft hat z.B. eine 30 km lange Druckwasserleitung mit
Pumpstation für eine Leistung von 1000 m3 pro Tag
ins Leben gerufen, und die anderen Abbauunternehmer besitzen ähnliche, wenn auch
meist kleinere Anlagen.
Ebenso sind die Transportverhältnisse durch den Bau von Feldbahnen mit 600 mm breitem
Schienenstrang erleichtert worden, die zumeist an der Station Kolmannskuppe Anschluß
an die Staatsbahn besitzen. Eine solche Bahn ist bis zu einer Länge von 70 km
ausgebaut worden, wodurch eine direkte Verbindung der südlichen Diamantenfelder (Pomona-Gesellschaft) und der Landungsstellen
Elisabethbucht-Prinzenbucht mit Lüderitzbucht gewährleistet wird. Der Betrieb auf
dieser Bahn wurde anfänglich durch Maultiere aufrecht erhalten, bei weiterer
Ausdehnung jedoch Deutzer Benzol-Lokomotiven von 17 und
30 PS und benzolelektrische Lokomotiven von 75 PS in den Dienst gestellt, da
Dampfmaschinen bei der Süßwasserarmut und dem Holzmangel der Gegend nicht in Frage
kommen konnten.
Für elektrische Kraft und Beleuchtung auf den Feldern sorgt die Lüderitzbuchter Elektrizitätsgesellschaft, welche 1911 ein
Elektrizitätswerk errichtete, das elektrische Kraft in Form von Drehstrom mit einer
Spannung von 30000 Volt, der an den Betriebsstellen umtransformiert wird, in die
Felder sendet.
Infolgedessen werden neuerdings fast alle Maschinen der Gesellschalten mittels
elektrischer Kraft betrieben. Diese Maschinen sind insofern sehr interessant, weil
sie frei von ausländischen Vorbildern in bewußter Anpassung an die eigenartigen
Verhältnisse Deutsch-Südwests entstanden sind. Die Gewinnung der deutschen Diamanten
aus dem Wüstensande war eine so ganz von dem bisher vorkommenden Diamantenabbau
abweichende, daß die zunächst aus Südafrika eingeführten technischen Hilfsmittel
sich als mehr oder minder unbrauchbar erwiesen. Vom einfachsten Aufsuchen mit der
Hand, das fast überall den Anfang des Betriebes darstellte, ging man zum
Handwaschbetrieb über, gebrauchte dann ferner Handsetzmaschinen, von denen sich die
eine aus einer Lüderitzbuchter Schlosserei stammende als recht brauchbar erwies und
noch erweist, und gelangte endlich zu modernen, maschinellen Anlagen. Bei den
größeren Gesellschaften spielt sich heute der Abbau folgendermaßen ab:
Die Sandmassen werden durch Bagger (Löffel- und Eimerbagger) gelöst und teils durch
Feldbahnen in Verbindung mit Drahtseil bzw. Hängebahnen oder durch Baggereimerketten
oder aber unter Ausschaltung jedweder menschlicher Arbeit durch Gurtbecherwerke,
Torpedoschütteirinnen und Transportschnecken der Aufbereitungsanlage zugeführt.
Diese Aufbereitungsanlagen sind verschiedener Natur. So besitzt z.B. die Koloniale Bergbau-Gesellschaft eine Anlage zur
Rohsandverarbeitung für eine tägliche Leistung von 1500 m3 Rohsand, welche der Firma Friedr. Krupp, Grlisonwerk, entstammt, während die Diamanten-Pacht-Gesellschaft eine solche für 750 m3 Leistung pro Tag von der Maschinenbau-Anstalt Humboldt, Köln-Kalk, besitzt. Eine andere
Gesellschaft verfügt über eine Aufbereitungsanlage, welche sich in Sieberei und
Wäsche teilt. In ersterer arbeiten als Sieb- und Klassierwerke sogen. Plansichter,
die den Rohsand in taube Grobabgänge, Waschkies, Feinkorn und Flugsand trennen. Zehn
Harzer Setzmaschinen arbeiten in der Wäsche mit Stoßkolben und festem Sieb, auf
denen die diamanthaltigen, festen Konzentrate zum Absatz gelangen. Die
Wasserzirkulation in der Wäsche geschieht durch Zentrifugalpumpe unter Einschaltung
großer Klärsümpfe, mit Entwässerungsvorrichtung. Die Leistung der Anlage ist auf 450
m3 Rohsand und 90 m3 Waschkies täglich berechnet. Zur Bedienung der
ganzen Anlage inkl. Heranschaffung des Rohsandes und Beseitigung der Abfälle sind 6
Weiße und 40 bis 50 Farbige erforderlich.
Den meisten Anklang und die weiteste Verbreitung hat jedoch eine Maschine gefunden,
welche den Dipl.-Ing. Schiechel von der Metallbank und Metalllurgischen Ges. A.-G. in Frankfurt
a. M. zum Erfinder hat und welche direkt an Ort und Stelle ausgeprobt und vollendet
wurde. Diese Aufbereitungsmaschine besteht aus mehreren Separatoren, die mittels
Wasser und Luft die Setzarbeit verrichten. Sie haben einen Durchmesser von 50 cm und
bestehen aus vielen nebeneinander angeordneten Töpfen. Bei den neueren
Konstruktionen, die in ihrer Art kaum mehr übertroffen werden können, werden die
Abgänge aus der ersten Separatorenreihe noch in einer zweiten erneut
durchgearbeitet, so daß ein Verlust von höchstens 1 v. H. entsteht. Nur die
Heranschaffung des Sandes bereitet bei diesen Anlagen noch Schwierigkeiten. Eine Schiechel-Anlage von 100 m3 Waschgutleistung braucht noch immer eine Sandaufbereitungskolonne von 100 bis 150
Mann. Verbunden mit der Anlage ist meistens eine Kugelmühle, wo das grobe Geröll
zermahlen wird. Die Deutsche Diamanten-Gesellschaft
besitzt außerdem in Lüderitzbucht eine elektromagnetische Anlage nach dem
Wetherill-Verfahren, in welcher die bereits durchsuchten Konzentrate nochmals
bearbeitet werden.
Zur Beseitigung der Abgänge stehen Bleichertsche Haldenbahnen zur Verfügung, oder
aber sie werden im Wasserstrom entfernt. Die meisten Gesellschaften besitzen
außerdem Reparaturwerkstätten, in denen erstklassige Werkzeugmaschinen mit
Benzolmotorenantrieb arbeiten.
Für das Personal ist gleichfalls in ausreichender Weise gesorgt. Beamtenwohnhäuser,
Lazarette, Messen stehen zur Verfügung. Löhne und Verpflegung der weißen und
farbigen Bediensteten verschlingen ziemlich hohe Summen, für die südlichen Felder
der Deutschen Diamanten-Gesellschaft repräsentierte der
Fleischbedarf, der durch regelmäßige Schlachtviehzuführung durch die Wüste gedeckt
wird, einen Wert von 73365 M im Jahre 1912. Auf den Feldern befinden sich eigene
Schlächtereien und Bäckereien. Die Löhne für weiße Arbeiter schwanken zwischen 8 und
12 M pro Arbeitstag, zudem wird ein Verpflegungsgeldzuschuß von 3,50 M für den
Kalendertag, freies Wasser, freie Wohnung, freie ärztliche Behandlung und
Medikamente, Zuschuß zu Lazarettkosten und freier Transport gewährt. Andere
Gesellschaften haben die Verpflegung der weißen Beamten ganz übernommen.
Bedeutend ungünstiger liegen die Verhältnisse auf den nördlichen Diamantfeldern,
welche sich viel ärmer zeigen, als die südlichen, zudem sie weiter von Lüderitzbucht
entfernt liegen und viel schwieriger zu erreichen sind. Infolgedessen zeigte es
sich, daß eine Bearbeitung dieser Felder bei der hohen Besteuerung nur unter
beträchtlichen Verlusten möglich sei, und aus diesem Grunde wurde der bereits
begonnene Abbau auf vier Jahre gänzlich unterbrochen, nachdem bereits rund 2 Mill. M
für Schürfgebühren, Belegungskosten usw. verausgabt waren. Erst jetzt wieder hat
sich eine Gruppe von Johannisburger Finanzleuten zusammengeschlossen und sucht das
Unternehmen neu zu beleben. Sie beschäftigt sich zurzeit mit dem Bau einer Bahn,
welche ihren Anfang bei der Landungsstelle Konzeptionsbucht nimmt, auch die im Bau
befindliche Wasserleitung hat hier ihren Ausgangspunkt. Mit der Förderung ist auch
bereits begonnen worden, und es werden Förderziffern von 2000 bis 3000 Karat pro
Monat gemeldet. Bei der schon erwähnten, veränderten Steuergrundlage ist bei
derartigen, bleibenden Förderziffern ein, wenn auch nicht allzu großer Gewinn immer
möglich. Da die nördlichen Felder bei ihrer Abgelegenheit auch noch nicht gründlich
untersucht worden sind, so sind angenehme Ueberraschungen auch noch möglich, was den
unerschrockenen Unternehmern zu gönnen wäre.
Zum Schluß möge eine Zusammenstellung der Förderziffern während der verlaufenen
Betriebsjahre folgen. Die Produktion belief sich auf:
1908
38275
Karat
im
Werte
von
1142000 M
1909
483266
„
„
„
„
14416000 „
1910
846895
„
„
„
„
22670000 „
1911
773308
„
„
„
„
19798000 „
1912
1051777
„
„
„
„
30882000 „
1913
ca. 1500000
„
„
„
„
63018000 „
Im Interesse der tatkräftigen Förderer und des ganzen Schutzgebietes ist dem
Diamantenabbau Deutsch-Südwests eine weitere und noch lange anhaltende
Konjunktursteigerung zu wünschen.