Titel: | Wirtschaftliche Stahlerzeugung mittels neuer Vergasungsmethoden. |
Autor: | Schömburg |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 549 |
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Wirtschaftliche Stahlerzeugung mittels neuer
Vergasungsmethoden.
Von Ingenieur Schömburg in
Essen.
SCHOEMBURG: Wirtschaftliche Stahlerzeugung mittels neuer
Vergasungsmethoden
Es ist heute eine Tatsache, daß vor allem die außerhalb der großen
Industriebezirke liegenden Stahlformgießereien und Stahlwerke ohne ausreichende
Verarbeitungs- und Verfeinerungsbetriebe nur dann dauernde Gewinnaussichten haben,
wenn sie – außer einer gewissen Mindesterzeugung, sagen wir 50000 t jährlich – ihr
Heil in der Herstellung eines Stahls von entweder hoher Festigkeit bei großer
Dehnung oder von extraweichen Qualitäten suchen. Hierzu muß aber noch die
wirtschaftlichste Ausnutzung des gegebenen Brennstoffs unter gleichzeitiger
Gewinnung von Nebenprodukten kommen.
Zu diesen Bestrebungen gehören in erster Linie die Anwendung solcher Martin-Verfahren, welche bei hohem Ausbringen die
Gewinnung einer wertvollen, hochprozentigen Schlacke (20 M bis 23 M 0/00 kg)
ermöglichen, fernerhin diejenigen neuen Vergasungssysteme, welche auch bei
minderwertiger Kohle, Koks usw. unter Ausnutzung der Ofenabhitze die nutzbare
Abscheidung möglichst aller organisch gebundenen Bestandteile des Brennstoffs
gestatten. Darin liegt für viele und besonders abseits liegende Stahlwerke, die nach
dem Schrott-Roheisen-Verfahren arbeiten müssen, das zunächst noch einzige Mittel zur
Verbilligung ihrer Gestehungskosten. Daß nicht immer die rein metallurgischen Zwecke
des Prozesses mit solchen Nebenabsichten in Harmonie zu bringen sind, braucht wohl
nicht näher erörtert zu werden; trotzdem aber sind wir in vereinzelten Fällen dem
Ideal des Betriebsmannes: „Brennstoffverbrauch und
Betriebsgewinn sollten direkt proportional sein!“ ziemlich nahe.
Allerdings erst in der Theorie!
Die gesonderte geographische Lage in Verbindung mit den örtlichen Brennstoffpreisen
und den anfänglich meist fehlenden wirtschaftlichen Syndikatsverbindungen drängen
heute in erster Linie „Outsider“ von selbst zu ähnlichen Bestrebungen.
Trotz der scharfen Wettbewerbsverhältnisse auf dem ständig wachsenden Markt der
Stahlerzeugung sind auch in den letzten Jahren eine Anzahl solcher isoliert
stehender kleiner Werke geboren worden, die ihre Kinderkrankheiten nach der
wirtschaftlichen Seite mit mehr oder weniger Glück überstanden haben. Hierher gehört
z.B. das Torgauer Stahlwerk für Stahlformguß, das Eisen- und Stahlwerk Mark bei
Witten/Wengern u.a., ferner die im Lauf d. J. in Betrieb kommende Oesterreichische Stahl-Industrie in Brüx für
Walzfabrikate usw. – alles Werke, welche teils auf Wassergas-, teils auf
Braunkohlengasbetrieb angewiesen sind. Aber auch für Hütten mit Steinkohlenvergasung
kann speziell das hier am Schluß beschriebene Verfahren von größerer Bedeutung
sein.
Wassergas läßt sich bekanntlich sowohl aus Hüttenkoks als
auch aus Gaskoks herstellen. Letzterer ist, da die Gaswerke in ihrer Kokserzeugung
nicht vom Koksmarkt, sondern von der Gaserzeugung abhängen, in vielen Fällen
billiger als Zechenkoks; für den Generatorbetrieb ist seine Härte und Dichte
vollkommen ausreichend. Bei 9 bis 11 v. H. Aschegehalt hat er einen Heizwert von rd.
7000 WE. Der Betrieb des Torgauer Stahlwerks hat gezeigt,
daß man bei 75 bis 80 v. H. Wirkungsgrad des Gaserzeugers auf eine Gasausbeute von 2
m3 für 1 kg vergasten Koks rechnen kann. Der
Heizwert des Gases beträgt bei 50 v. H. Wasserstoff und 40 v. H. Kohlenoxydgehalt
rd. 2600 WE., für 1 m3, wobei sich der Betrieb
durchaus einfach und gefahrlos gestaltet. Auch der Martin- Ofen wird einfacher, da –
wie bei Heizung durch Koksofengas – die Gaskammern in Wegfall kommen können. Der
große Wasserstoffgehalt, der naturgemäß ein sehr leichtes Gas bedingt, hat bei
entsprechender Konstruktion der Luftkammern, Züge und des Herdgewölbes keine
nachteiligen Folgen auf die Ofenhaltbarkeit, auch nicht auf die metallurgischen Reaktionen des
Bades. Das Gas ist infolge seiner gleichmäßigen Beschaffenheit und Reinheit für den
Martinbetrieb sehr geeignet; eine einfache Reinigung,
gute Kühlung und ev. nachherige Trocknung ist natürlich erforderlich, schon um den
mitgerissenen Wasserdampfgehalt usw. abzuscheiden. Der geringe Prozentsatz an
Kohlensäure beeinflußt bei den Herdtemperaturen von 1800 bis 2000° den Abbrand in
günstiger Weise und verringert durch die Intensität des Verbrennungsprozesses die
Chargendauer. Letztere beträgt bei dem sauren 15 t-Ofen des Torgauer Werkes etwa vier bis fünf Stunden einschl. Vergießen, wobei der
Einsatz etwa 80 bis 85 v. H. Roheisen und 10 bis 12 v. H. Schrott beträgt; der
fertige Stahlguß bleibt hierbei dünnflüssig bis zum Ende der Charge. Hierbei soll
sich der reine Brennstoffverbrauch an vergastem Koks auf nur 14 bis 15 v. H.
belaufen, wozu allerdings noch der Koksbedarf für die Dampferzeugung kommt.
Rechnerisch beträgt dieser rd. 4 kg Dampf für 1 kg vergasten Koks und ließe sich zum
Teil durch die Abhitze des Ofens unter Verwendung künstlichen Zuges erzeugen.
Es muß hierzu bemerkt werden, daß auf Grund der dort vorliegenden Betriebsergebnisse
die Herstellung von Wassergasstahl unter besonderen Verhältnissen größere Beachtung
verdient. Man ist übrigens in Torgau auch dazu übergegangen, die Glüh- und
Trockenöfen mit gutem betriebstechnischen Erfolg für die Gefügebildung des Materials
durch Wassergas zu beheizen, wozu letzteres durch die Reinheit und Gleichmäßigkeit
seiner Zusammensetzung, also der Erhaltung gleich hoher Temperatur, für die
Glühzwecke besonders geeignet zu sein scheint. Mit Rücksicht darauf, daß die
Gestehungskosten des Torgauer Werkes wegen der geringen
Erzeugungsmenge heute noch nicht die endgültigen sein können, bedeutet jedenfalls
der bis jetzt erzielte Erfolg einen weiteren, wirtschaftlichen Fortschritt in der
heiztechnischen Durchführung des Martinprozesses. Die genannte Anlage ist daher auch
inzwischen vergrößert worden.
Einschließlich des Koksverbrauches für die Dampferzeugung wird sich die
Gesamtbrennstoffmenge auf rund 21 v. H. für die Tonne Ausbringen stellen, sich also
in mindestens gleicher Höhe halten wie bei der Steinkohlenvergasung, wenn keine
Abhitzeverwertung vorgesehen ist. Schon hierin liegt daher der wirtschaftliche
Vorteil für das Werk, da sich natürlich mit Hinsicht auf die großen Frachtkosten der
Preis der Gaserzeugersteinkohle ganz wesentlich teurer als Koks, auf etwa rd. 20 M,
stellen wird. Bei Anlage eines Abhitzekessels dürfte man meines Erachtens in der
Lage sein, den Gesamtdampfbedarf eines 15 t-Ofens, etwa 1600 bis 1800 kg stündlich,
in beinahe ganzer Größe durch die Abgase zu erzeugen, sicherlich aber ¾ desselben in
einem Kessel von 140 bis 160 m2 Heizfläche.
Hiermit würde der Brennstoffverbrauch auf ~ 17 v. H. für die Tonne Ausbringen
sinken, was bei 15 M Kokspreis einem Aufwand von ~ 2,60 M entspräche gegenüber 3,20
M bis 3,40 M beim Steinkohlenbetrieb mit ungefähr demselben Kohlenpreis. Für
die Betriebskosten des künstlichen Zuges sind alsdann an elektrischer Energie noch
etwa 20 bis 25 Pf. für die Tonne Stahl aufzuwenden, so daß sich die Ersparnisse
also, überschlägig gerechnet, auf 50 bis 60 Pf. belaufen würden.
Was die Braunkohlenvergasung anbelangt, so sind
bekanntlich seit einigen Jahren verschiedene deutsche und österreichische Stahlwerke
mit ebenfalls gutem Erfolg zu derselben übergegangen, und zwar werden fast durchweg
Braunkohlenbriketts mit einem Wärmewert von 4500 bis 5100 WE und 10 bis 16 v. H.
Wassergehalt vergast. Der Verbrauch stellt sich hierbei bei einem 30 bis 40 t-Ofen
auf 35 bis 40 v. H., was bei einem Brikettpreis von 10 M einem Aufwand von 3,50 M
bis 4 M für die Tonne Stahl entspricht. Die Gasausbeute beträgt 2,4 bis 3 m3 für 1 kg Brikettdurchsatz, der Heizwert des
ziemlich wasserdampfhaltigen Gases 1200 bis 1400 WE für 1 m3. Verschiedene rheinische Hütten arbeiten der
Preisverhältnisse halber auch mit gemischtem Kohleneinsatz, halb Steinkohle, halb
Braunkohlenbriketts, so daß es mit Hilfe dieses Mischgases möglich ist, die
Brennstoffkosten noch unter der vorangegangenen Höhe zu halten. Zu empfehlen ist es
jedenfalls dann, den Durchmesser des Generators nicht zu groß zu wählen, damit die
durch Kern- und Randgas bedingte Mischung nicht zu sehr in ihrer Zusammensetzung
wechselt.
In neuester Zeit tritt nun hinzu, ebenso wie im Anschluß an die Vergasung
minderwertiger Steinkohlen- und Koksabfälle, sowie von Rohbraunkohle, die Gewinnung von den Vergasungs-Nebenprodukten, insbesondere des im Brennmaterial organisch gebundenen
Stickstoffes als Ammoniumsulfat und des Teers. Die Methoden hierfür fußen im
Hauptgrundzug auf dem bekannten Gedanken des Mondgas –
Verfahrenss. D. p. J. S. 41 d
Bandes. und bezwecken eine Verringerung des Gaspreises, also der
Gestehungskosten des Stahles, durch Vergasung billiger Kohle und Verkauf namentlich
des hochwertigen Sulfats. Der gewöhnlichen Wärme- oder Kraftanlage als solcher wird
daher noch ein zweiter Betrieb für die Herstellung der Nebenprodukte angegliedert,
derart, daß das Ganze wärme-technisch und wirtschaftlich auf das gemeinsame Konto
des Stahlwerks bewertet werden muß.
Daß es hierbei auf ein paar Prozent Wirkungsgrad bei der Vergasung nicht ankommen
kann, liegt auf der Hand; indessen muß man sich – soweit wir jetzt die Sache
übersehen – vor Verallgemeinerungen hüten; um die Methode durch Mißerfolge nicht zu
diskreditieren. Der Schlüssel zur Rentabilität liegt für einzelnstehende Werke in
folgenden Punkten:
1. Art, Stickstoffgehalt und örtlicher Preis des Brennstoffs,
2. Grundbelastung der Anlage und Gleichmäßigkeit der Beanspruchung, d.h.
Ausnutzungsfaktor der Heiz- bzw. Kraftgaszentrale,
3. Größe des Frischdampfzusatzes, bzw. wärmetechnische Ausbildung der Teile und
Verwertung der Vergasungswärme des Generators und der Ofenabhitze bzw. der
Kühlwasser- und Abgaswärme bei Maschinenbetrieb.
Fast alle heute in Betrieb befindlichen Anlagen dieser Art in England, Böhmen
und bei uns sind als Vergasungszentralen für Maschinengas, speziell für die
chemische Industrie mit ihrer guten Dauerbelastung ausgeführt und erst in neuester
Zeit ist man dem analogen Heizgasbetrieb für die Martin- und Wärmöfen der
Hüttenwerke nähergetreten.
Für die gemischten Werke lag das System von vornherein in den meisten Fällen abseits;
für solche, die organisch außerdem mit Zechenkokereien verbunden waren, ist die
wirtschaftliche Anwendungsmöglichkeit der verschiedenen Nutzgase ihrer
Verarbeitungsprozesse ohnedies kompliziert genug. Hierzu kamen auch die Bedenken
über die Zweckmäßigkeit des Gases bei den metallurgischen Schmelzzwecken. Heute
stößt man sich dabei weniger an dem Wasserstoffgehalt des Gases von 20 bis 28 v. H.,
der ja beim Koksofen- und Wassergas noch weit größer, 50 v. H. und mehr, ist, als
vor allen Dingen an dem höheren Wasserdampf- und Kohlensäuregehalt des Mondgases,
wodurch infolge seines geringen Wärmewerts von 1300 bis 1450 WE für 1 m3 die Intensität des Verbrennungsprozesses
geschwächt, die metallurgischen Reaktionen verzögert, der Abbrand vergrößert und die
Stahlqualität als Produkt all dieser Faktoren verschlechtert werden würde. Der
Verlauf des Prozesses bedingt es nun, daß der Gehalt an Wasserstoff, Wasserdampf und
Kohlensäure (10 bis 16 v. H.) um so größer wird, je kleiner der Gehalt an Kohlenoxyd
(20 bis 11 v. H.) ist; es wird also außer radikaler Trocknung des Gases auf die
richtige Führung und Arbeitstemperatur im Gaserzeuger (etwa 500 bis 650 °) ankommen,
um ein für Schmelzzwecke geeignetes Gas zu erhalten. Es liegen in dieser Hinsicht
noch wenig für den praktischen Hüttenbetrieb brauchbare Betriebsangaben vor, da die
Erfahrungen mit Koksofen- und Wassergas naturgemäß auf Mondgas nicht übertragbar
sind. Im allgemeinen wird man auch bei gemischten Betrieben und Kohlenzechen eher
dazu übergehen, die Koksöfen mit dem Mondgas der minderwertigen Kohlen und Abfälle
zu vergasen, so daß das gesamte Destillationsgas, rd. 300 m3 für die Tonne Trockenkohle, zu Stahl- und
Walzwerksheizzwecken, sowie für Maschinenbetrieb verfügbar wird.
Es ist nun kein Zweifel, daß es auch gelingen wird, für Schmelzprozesse ein
geeignetes Gas im Dauerbetrieb bei Vergasung auf Nebenprodukte zu erzielen; für ein
deutsches Hüttenwerk Baroper Walzwerk (Heizgasanlage für
Martin- und Wärmöfen) ist bereits eine solche Anlage nach System Lymm in Ausführung. In dieser Betriebsweise liegt nun
gerade für einzeln stehende Werke u. U. ein großer
wirtschaftlicher Vorteil, der meines Erachtens nicht wegen der hohen Anlagekosten
bei Seite geschoben werden darf, ähnlich wie es wohl mit der Anlage von
Abdampfturbinen für Dynamo- oder Gebläseantrieb aus diesem Grunde leider geschieht.
Man kann ja in zweifelhaften Fällen – und bei Abdampfanlagen ist es wiederholt in
dieser Weise durchgeführt worden – der liefernden Firma den Bau einer
Vergasungszentrale mit Nebenproduktengewinnung unter der Bedingung übertragen,
daß diese Firma die Anlagekosten trägt und letztere ratenweise aus den
Betriebsersparnissen durch die Nebenprodukte bezahlt werden. Bei vorsichtiger
Rechnung und ev. sachgemäßer Trennung der Kostenanteile liegt hierin für beide Teile
kein wirtschaftliches Risiko, auch nicht für den Betrieb, wenn man sich letzten
Falles die Betriebsweise auf normales Generatorgas durch kleinere, technische
Veränderungen vorbehält.
In den Drehrost-Generatoren lassen sich bei angepaßter Betriebsführung alle möglichen
Kohlensorten auf Mondgas vergasen; es sind z.B. Anlagen für Mischungen von
Steinkohlen- und Braunkohlenbriketts, minderwertige Sorten, für Koksabfälle und
Rohbraunkohlen in Betrieb. Entsprechende Konstruktion des Gaserzeugers mit Hinsicht
auf Querschnitt, Kühlung, Ascheförderung, Höhe des Winddrucks usw. ist natürlich
Voraussetzung; Gaserzeuger für bituminöse Kohlen und Lignite erfordern andere
Behandlung und Konstruktion als solche für gasarme Brennstoffe. Man hat z.B.
Anlagen, welche bei einem Stickstoffgehalt des Brennstoffs von 0,8 bis 1,3 v. H.
eine Ausbeute an Ammoniumsulfat von 68 bis 77 v. H. erzielen; das sind bei einem 20
bis 25 prozentigen Salz also 20 bis 45 kg Sulfat für die Tonne Brennstoff, die nach
Abzug der Schwefelsäurekosten bei dem heutigen Preis des Sulfats von 270 M 0/00 kg einen Wert
von etwa 6 M bis 11 M darstellen. Man erkennt, daß dieser Betrag ungefähr ½ bis ¾
des Kohlenpreises ausmacht unter der Voraussetzung, daß ein besonders großer
Extraaufwand an Dampfkohle nicht erforderlich ist. In der Gleichmäßigkeit der
Belastung würde alsdann der Schlüssel der Rentabilität liegen; eine gute Belastung
aber ist ja im Martinbetrieb mit mehreren Oefen stets vorhanden. 1 m3 gewöhnliches Generatorgas aus Steinkohlen
erzeugt kostet sonst 0,35 bis 0,40 Pf. an Brennstoff, während es sich bei Vergasung
auf Nebenprodukte zu 0,18 bis 0,1 Pf. – ohne Berücksichtigung der Anlagekosten –
erzeugen ließ. Dieser Umstand aber läßt diese Vergasungsweise von ganz allgemeiner
Bedeutung für die Stahlerzeugung erscheinen!
Für ein kleineres Stahlwerk, wie etwa das eingangs genannte österreichische Stahlwerk
in Brüx, mit einer täglichen Rohstahlerzeugung von 200 t durch zwei basische
Martinöfen ä 25 t Fassung würden sich bei Verfeuerung einmal von einer Rohbraunkohle
mit 30 v. H. Wassergehalt und 3000 WE bei 0,8 v. H. N =
Gehalt und das andere Mal von einer Steinkohle mit 7200 WE und 1,2 v. H. N Verhältnisse ergeben, wie sie aus nachstehender
Tabelle hervorgehen.
Bei Steinkohlen-Vergasung ohne Gewinnung der Nebenprodukte stellt sich heute der
entsprechende Wert für Reihe 27 auf 4,40 M bis 4,75 M für die Tonne Stahl. Die
beiden letzten Reihen geben also die eigentlichen Vergleichswerte zu den
entsprechenden Zahlen bei gewöhnlicher Vergasungsweise; aus ihnen ersieht man z.B.
für Steinkohle bei sonst gleichen Verhältnissen mit 20 bis 22 v. H. Kohlenverbrauch,
daß die Ersparnisse in den Gestehungskosten des
Rohstahls
Reihe
Braunkohle 5–M
Steinkohle 14.–M
1
Verbrauch an Schmelzkohle/1 t Stahl
85 v. H. = 850 kg
auf Rohkohle bezogen
24 v. H. = 240 kg
Durchschnitt
2
Verbrauch an Dampf kohle/1 t Stahl
50 v. H.= 500 kg
60 v. H. der Schmelzkohle
2,4 v. H. = 24 kg 10 v. H.
der Schmelzkohle
3
Gesamtverbrauch an Kohle/1 t Stahl
135 v. H.
–
26.4 v. H
–
4
Gesamtverbrauch im Jahr (330 Tage)
89000 t
davon Schmelzgas 56100 t
17430 t
davon Schmelzgas 15840 t
5
Kohlekosten für 1 t Stahl
6,75 M
–
4,20 M
–
6
Gesamtkohlekosten im Jahr
445000 M
inkl. Dampfkohle
244000 M
inkl. Dampfkohle
7
Gesamtstahlerzeugung im Jahr
66000 t
–
66000 t
–
8
Generatoren in Betrieb
5
a 35 t Durchsatz/24 Std.
4
12 ÷ 15 t Durchs in 24 Std. jed.
9
Gasausbeute für 1 kg Kohle
1,4 m3
auf Rohkohle bezogen
4,1 m3
–
10
Wärmewert von 1 m3 Gas
1400 WE
ηg = 65 v. H.
1370 WE
ηg = 78 v. H.
11
Gesamte Gasmenge im Jahr
78500000 m3
an Schmelzgas
64944000 m3
an Schmelzgas
12
Wirkungsgrad der Gesamtanlage
~ 41 v. H.
–
~ 70 v. H.
aus Reihe 4 und 11
13
Sulfatausbeute vom N-Gehalt der Kohle
70 v. H.
–
75 v. H.
–
14
Sulfatausbeute für 1 t Kohle
20 kg
auf Rohkohle bezogen
40 kg
–
15
Einnahme an Sulfat im Jahr
302000 M
1120 t ä 270 M
171000 M
633 t ä 270 M
16
Teerausbeute für 1 t Kohle
100 kg
–
50 kg
–
17
Einnahme an Teer im Jahr
112000 M
5600 t ä 20 M
15800 M
792 t ä 20 M
18
Ausgabe für Schwefelsäure im Jahr
38100 M
1120 t ä 34 M
21500 M
633 t ä 34 M
19
Summe der Rein-Einnahme im Jahr
375 900 M
–
165 300 M
Reihe (15 + 17 – 18)
20
Ersparnisse nach Abzug der Dampfkohle
211000 M
–
143000 M
Reihe 19 – 2
21
Anlagekosten der Generatorenanlage
600000 M
einschl. Nebenprodukten-anlage, Gebäude
usw.
500000 M
komplett
22
Für Tilgung und Verzinsung
84000 M
–
70000 M
14 v. H.
23
Reparaturen, Wasser, Licht usw.
20000 M
–
18000 M
–
24
Löhne auf Doppelschicht
37000 M
24 Mann
32000 M
20 Mann
25
Summe der Jahresausgaben
210000 M
Reihe 6+22+23+24–19
198700 M
Reihe 6+22+23+24–19
26
Preis von 1 m3 Schmelzgas
~ 0,27 Pf.
–
~ 0,31 Pf.
–
27
Gesamte Brennstoffquote für 1 t Rohstahl
~ 3,20 M
auf Gaspreis berechnet
3,05 M
auf Gaspreis berechnet
mindestens 1,50 M für die Tonne betragen. In der
Zahlenaufstellung ist Braunkohle zugrunde gelegt, obgleich man mit Hinsicht auf die
umständlichere Trocknung und Generatorführung besser Braunkohlenbriketts anwenden
wird; es ist also zu berücksichtigen, daß Betriebsergebnisse der Praxis, wonach z.B.
die Gasausbeute 2 m3 für 1 kg Trockenkohle
beträgt, auf Rohkohle ungerechnet werden müssen. Aus diesem Grund ist auch die
zugrunde gelegte Zahl von 85 v. H. für den Ofenkohleverbrauch eine nur angenäherte.
Zur Reihe 2, Dampfkohle für den Vergasungsprozeß und für
die erforderliche Betriebskraft, ist zu bemerken, daß man bei dem kühl gehenden
Braunkohlengenerator und dessen geringer Gastemperatur nicht mit Ausnutzung der
Eigenwärme rechnen kann, höchstens mit der Ofenabhitze. Nach den mir zur Verfügung
stehenden Unterlagen wird man bei 30 v. H. Wassergehalt mit etwa 2 kg Dampf für 1 kg
Rohkohle bei etwa 72 v. H. Kesselwirkungsgrad rechnen müssen, was ungefähr 0,6 kg
Zusatzkohle = 60 v. H. entspricht. Bei Steinkohle ist eine Zusatzkohlenmenge von 10
v. H. = ~ 0,8 kg Dampf für 1 kg Kohle angenommen; der Rest von etwa 1,7 kg Dampf
kann bei den hohen Vergasungstemperaturen durch Eigenwärme erzeugt werden; ev. steht
ja auch hier die gesamte Ofenabhitze zur Verfügung. Der Dampf soll möglichst zuvor
Gebläse und Wascher treiben und ist dann der erhitzten Luft beizumischen.
Für die Anlagekosten, Reihe 21, die sich für die
vollständige Gaserzeugeranlage nebst Ueberhitzer, Sulfatwascher, Gaskühler, Gebläse,
Pumpen, Rohrleitungen, Ascheförderung, Kesseln, Gebäude usw. verstehen, hatte ich
nur wenig positives Material an Hand; sie dürften jedoch in der angegebenen Höhe dem
billigeren Vergasungs- und Gewinnungssystem Lymm mit
stehenden Apparaten ungefähr entsprechen (s. a. „Stahl und Eisen“ 1914, Nr.
14). Für Braunkohlenbetrieb schätze ich die Kosten schon infolge der schwierigeren
Trocknung etwas höher. Ein schwankender Posten im Betrieb wird im letzteren Fall die
Teerausbeute bleiben; man kann übrigens auch den
Rohteer auf Teeröl verarbeiten und letzteres für die Kesselheizung heranziehen. Wie
wesentlich ferner die Wirtschaftlichkeit der Gesamtanlage bei Braunkohlenbetrieb von
den Kosten der Rohkohle abhängt, zeigt vor allem der geringe Wirkungsgrad von 41 v.
H.; lediglich der hohe Sulfatpreis bewirkt hier den Ausgleich bei großen, gut
belasteten Anlagen.
Der Absatz an Sulfat wird aber aller Voraussicht nach ein
sehr weitgehender bleiben, so daß der heutige Weltpreis – abgesehen von den üblichen
periodisch-zeitlichen Schwankungen – auch in absehbarer Zeit nicht allzuviel
nachgeben dürfte. Die Ergiebigkeit der natürlichen Salpetervorkommen nimmt
bekanntlich ziemlich schnell ab, trotzdem steigt die Gesamterzeugung an Salpeter.
Deutschland verbraucht allein rd. 800000 t im Werte von etwa 170 Mill. M, wovon die
chemische Industrie allein rd. ⅕ für Säureherstellung benutzt. Seit 1910 ist der Preis und seit
1907 die Erzeugung für die beiden Stickstoffträger, zu welchen in neuester Zeit noch
der Luftstickstoff als Kalksalpeter getreten ist, ständig gestiegen. Aber auch durch
letzteren wird schwerlich eine Preisbeeinflussung bzw. eine Beschränkung der
landwirtschaftlichen Absatzmöglichkeiten eintreten. Auch der geplante Neubau einer
Sulfatanlage der Badischen Anilin- und Sodafabriken nach
dem Luftzersetzungsverfahren von Prof. Haber für 130000 t
Jahresproduktion wird zunächst nur Einwirkung haben auf die Salpetereinfuhr. In
dieser Hinsicht kann daher eine weit geringere Erzeugung am Gesamtbedarf des Sulfats
durch Stahlwerke oder Kraftgaszentralen nicht von Einfluß sein, beträgt sie doch
z.B. je nach Kohle nur 1 bis 1,8 v. H. der Stahlerzeugung eines größeren Werkes.
Im übrigen aber darf – das sei zum Schluß nochmals wiederholt – nicht nur der
Wunsch nach Nebenprodukten der Vater des Grundgedankens solcher und ähnlicher
Anlagen sein, insofern, als die Ausbeute daran gegenüber dem metallurgischen Prozeß
in den Vordergrund geschoben wird. Grundgedanke muß die Stärkung unserer Industrie
gegenüber dem Ausland bleiben, schon, um in solch trüben Zeiten wie heute, einen
wirtschaftlichen Vorsprung zu haben am Auslandsmarkt. Zu dem Zwecke aber ist es – um
die Worte des Geh. Baurats Beukenberg vom „Phönix“
auf der letzten Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute zu
gebrauchen – nötig, daß gerade auf dem wärmetechnischen Gebiet
die Vertreter der Wissenschaft und der Praxis immer Hand in Hand
arbeiten.