Titel: | Betriebsversuche mit Leistungszählern und registrierenden Belastungsanzeigern. |
Autor: | Böttcher |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 657 |
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Betriebsversuche mit Leistungszählern und
registrierenden Belastungsanzeigern.
Von Ingenieur Böttcher in
Hamburg.
(Schluß von S. 598 d. Bd.)
BOETTCHER: Betriebsversuche mit Leistungszählern und
registrierenden Belastungsanzeigern.
Ausführungsform II des
registrierenden Belastungs-Anzeigers mit Achsenreglern.
Bei Maschinen mit Achsenreglern – es sind dieses vorwiegend Dampfmaschinen – stehen
die Einlaßorgane (Kolbenschieber oder Ventile) in der Weise in Abhängigkeit vom
Regler, daß diese in bekannter Weise gleichzeitig Exzentrizität und Voreilungswinkel
des die Einlaßorgane betätigenden Exzentriks verstellt, derart, daß bei größter
Leistung größte Exzentrizität und kleinster Voreilungswinkel und bei kleinster
Leistung (Leerlauf) kleinste Exzentrizität und größter Voreilungswinkel eingestellt
wird. Die an das Exzentrik angeschlossene Exzenterstange wird also bei
Höchstleistung der Maschine den größten Ausschlag und bei kleinster Leistung
(Leerlauf) den kleinsten Ausschlag, und zwar um stets die gleiche Mittellage
ausführen. Der Belastungsanzeiger Form II registriert den mit der Belastung der
Maschine wechselnden Ausschlag des Antriebgestänges der Hochdruckeinlaßorgane. Der
Apparat zeigt folgende Einrichtung (Abb. 18): Die im
Gehäuse gelagerte Achse E trägt an einem Ende den fest
aufgeklemmten Antriebhebel B, welcher bei A in der später erläuterten Weise mit dem
Antriebgestänge der Hochdruck-Einlaßorgane verbunden wird. Ist diese Verbindung in
der richtigen Weise ausgeführt, so macht der Anschlußpunkt A den jeweils gleichen Ausschlag wie das betreffende Gestänge, d.h. bei
größter Belastung der Maschine den größten Ausschlag, bei kleinster Belastung
(Leerlauf) den kleinsten Ausschlag, und zwar um eine und dieselbe Mittellage. Der
Anschlußzapfen A des Hebels B ist in einem Schlitz verstellbar. Die Achse E hat eine Rückdrehfeder C, der Antrieb des
Hebels B kann demnach durch eine einfache Zugschnur
erfolgen. Außer dem Hebel B und der Feder C sitzt auf der Achse E
noch ein zweiter Hebel Z), welcher an seinem äußeren Ende einen Anschlagstift T trägt.
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Abb. 18.
Parallel zur Achse E ist die
Achse E gelagert. Sie trägt einen Hebel G, welcher unter der Einwirkung des Anschlagstiftes T des Hebels D steht und
von diesem in eine Stellung gedrückt wird, welche dem jeweils größten
Ausschlagwinkel B entspricht. Der Hebel G ist auf der Achse F
festgeklemmt, also zwangläufig mit ihr verbunden. Neben dem Hebel G
trägt diese Achse F ein Schneckenrad R, das mittels der eingeschalteten Räderübersetzung vom
Sperrad M aus durch die am Antriebhebel B befindliche Schaltklinke L derart angetrieben wird, daß es die Achse F
der Wirkung des Anschlagstiftes T entgegen stets wieder
in die der Mittellage des Antriebhebels B entsprechende
Lage zurückzudrehen bestrebt ist. Da das Schneckenrad R
nicht fest, sondern nur durch den von der Feder S
erzeugten Reibungsschluß auf der Achse F sitzt, so wird
die rückdrehende Wirkung der Schaltklinke L stets durch
die ihr entgegengesetzt gerichtete Wirkung des Anschlagstiftes T aufgehoben, was zur Folge hat, daß der Hebel G praktisch in derjenigen Lage stehen bleibt, welche
dem jeweiligen, durch den gerade vorhandenen Belastungszustand der Maschine
bedingten Ausschlag des Antriebhebels B des Apparates
entspricht.
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Abb. 19.
Die Stellung des Hebels G wird durch den gleichfalls auf
der Achse F sitzenden Schreibhebel H in bekannter Weise auf die Schreibtrommel K übertragen und registriert. Das Gewicht J dient zur Ausbalancierung des
Schreibhebelgestänges.
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Abb. 20.
Vor der Aufstellung des Apparates an der Maschine mache man sich zunächst durch
wiederholtes Ziehen an der Antriebsschnur mit der Wirkungsweise des Apparates
vertraut. Durch die Wirkung der Rückdrehfeder C in
Verbindung mit einem Anschlag hat der Hebel B eine
bestimmte Ruhelage (Abb. 18), in welcher er von der
senkrechten Mittellage aus etwa 45° nach rechts liegt. Zieht man wiederholt an der
Schnur Z derart, daß der Hebel B stets durch seine senkrechte Mittellage hindurchgeht, so wird jedesmal
beim Gang von links nach rechts die Schaltklinke L die
Schreibfeder N um ein kleines Stück nach abwärts
schalten. Bei wiederholtem, geringem Ausschlage des Hebels B wird die Feder allmählich bis zum unteren Rande der Trommel nach abwärts
gedrückt, so daß praktisch die Federstellung am unteren Rande der
Schreibtrommel dem kleinsten Ausschlag, die Federstellung am oberen Rande dem
größten Ausschlag des Antriebshebels B entspricht. Der
Anschluß der Antriebsschnur an den Hebel B muß,
einerlei wie der Apparat an der Maschine aufgestellt wird, stets so angeordnet sein,
daß der Schnurlauf wagerecht liegt. Der Anschluß der Schnur an das
Steuerungsgestänge ist von örtlichen Verhältnissen abhängig, er erfolgt zweckmäßig
in der Nähe der Ventile oder Schieber selbst, weil das Gestänge dort vorwiegend
Längsbewegung und nur geringe Querbewegung ausführt. Die Abb. 19, 20 und 21 stellen für einige typische Fälle den Anbau des Apparates an Maschinen
dar, und zwar Abb. 19 für eine gewöhnliche
Ventilmaschine mit Achsenregler auf der Steuerwelle, Abb.
20 für eine Lokomobile und Abb. 21 für
eine Gleichstromdampfmaschine. Der Hebel B ist mit
einem radialen Schlitz ausgeführt, um seinen zulässigen Maximalanschlag, der im
Betriebe nicht mehr als 30° nach jeder Richtung betragen soll, dem Hub des
Steuergestänges bei größter Maschinenbelastung anzupassen. Die Feststellung dieses
größten Hubes des Steuerungsgestänges wird zweckmäßig bei langsamem Lauf der
Maschine mit stark gedrosseltem Absperrventil durch Messung festgestellt.
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Abb. 21.
Für die Beurteilung der mit dem Belastungsanzeiger genommenen Diagramme ist es
wesentlich, zu berücksichtigen, daß beim Anlassen und Abstellen der Maschine infolge
der Drosselung des Dampfes durch das Absperrventil der Antriebshebel B seinen größten Ausschlag aufweisen muß, so daß das
Diagramm während der Arbeitspausen in die Linie größter Belastung übergeht.
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Abb. 22.
Abb. 22 gibt ein typisches Betriebsdiagramm einer
Dampfmaschine mit veränderlicher Belastung. Während der Zeit von ½9 bis 9 Uhr und
von 12 bis 1 Uhr hat die Maschine gestanden; desgleichen vor 6 Uhr morgens und nach
6 Uhr abends.
Als Beispiele der praktischen Verwendung seien folgende angeführt: Beispiel 1: Die normale
Betriebsbeanspruchung einer Tandem-Walzenzugmaschine sollte mit Rücksicht auf
vorzunehmende Betriebserweiterungen ermittelt werden; insbesondere war die Frage zu
beantworten, ob die Möglichkeit bestand, die betreffende Maschine durch neu
aufzustellende Arbeitsmaschinen weiter zu belasten.
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Abb. 23.
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Abb. 24.
Einfache Indizierungen hätten im vorliegenden Falle nicht zum Ziele geführt, weil
einerseits die Indizierungen stets Einzelwerte der Maschinenbelastung schafft, nie
aber ein Bild über deren Gesamtverlauf, andererseits aber die Auswertung des
eventuell genommenen überaus umfangreichen Diagramm-Materials viel zu lange Zeit in
Anspruch genommen hätten. Es wurde der Belastungsanzeiger (Ausführungsform für
Achsenregler) an die Maschine angesetzt und zunächst mit der 12-Stundentrommel das
Diagramm (Abb. 23) erhalten. Dieses gab zunächst
Aufschluß darüber, daß während der einzelnen Stiche die Maschinenleistung voll
ausgenutzt war (Triowalzwerk mit Schwungrad). Es sollte nun weiter festgestellt
werden, auf welche Zeitbeträge sich jeweils die Verzögerungsperioden des
Schwungrades erstreckten. Zu diesem Zwecke wurde eine Trommel mit einstündigem
Umlauf aufgesetzt und das Diagramm (Abb. 24)
erhalten. Es gibt in schlagender Deutlichkeit über die Verzögerungs- und
Beschleunigungsvorgänge Aufschluß und führte durch genauere Betrachtung zu dem
Schluß, daß die Maschine durch weitere Arbeitsmaschinen nicht mehr belastet werden
durfte, daß ferner auch die von dritter Seite vorgeschlagene Ergänzung der
Schwungradmassen zu einem Fehlschlage hätten führen müssen. Hervorzuheben ist, daß
der ganze Versuch in einem Tage erledigt werden konnte, das abschließende Urteil
über die vorliegenden Verhältnisse lag bereits am Abend des Versuchstages vor.
Beispiel 2: In einem Mahlwerk, welches von zwei parallel auf die Transmission
arbeitenden Lanzschen Lokomobilen mit Achsenregler
betrieben wurde, war die Ansicht entstanden, daß infolge allmählicher Erweiterung
des Betriebes die Maschinen zu schwach geworden seien. Diese Frage sollte eingehend
geprüft werden.
Es wurde, ohne daß es dem Mühlenbetrieb bekannt wurde, an jede der Lokomobilen ein
Belastungsanzeiger angesetzt, und 14 Tage lang Diagramme unter gleichzeitiger
Beobachtung des Mühlenbetriebes entnommen. In Abb.
25 und 26 ist von jeder Maschine ein
Tagesdiagramm wiedergegeben. Die Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, daß durch
unrichtige Einstellung der Aufgabevorrichtungen zeitweise die Maschinen bis an die
Grenze ihrer Leistungsfähigkeit beansprucht werden, daß aber dieser Ueberlastung
durch entsprechende Betriebsdispositionen vorgebeugt werden konnte. Besonderes
Interesse bietet beim Vergleich der Diagramme beider Lokomobilen die Aehnlichkeit
der Belastungskurve.
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Abb. 25.
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Abb. 26.
An allen Stellen, an denen der Apparat zur Aufstellung gelangte, hat er sich glänzend
bewährt, besonders die Ausführungsform für Achsenregler hat eine offensichtliche
Lücke ausgefüllt, weil es bislang kein Mittel gab, den Belastungszustand von Maschinen mit
Achsenreglern überhaupt zu beobachten, geschweige denn zu registrieren. Gerade aber
die Registrierung der Belastung in Form von Diagrammstreifen bietet als Ergänzung
des Maschinenjournals ein Kontrollmittel von bislang unerreichter Schärfe und Treue,
das in keinem modernen Betriebe fehlen sollte.
Man hat bisweilen eingeworfen, daß der Apparat mit einer Vorrichtung ausgestattet
sein müsse, welche die Admissionsspannung der Maschine verzeichnet, weil häufig der
Kesseldruck sinkt, und dann die Maschine auf maximale Füllung gelangt, so daß dann
der Apparat Vollast anzeige, während sie in Wirklichkeit nicht vorliegt. Die
Erfahrung hat gelehrt, daß diese Verteuerung des Apparates nicht erforderlich ist;
wenn in einem Betriebe häufiger der Kesseldruck sinkt, so ist die Maschine schon bei
geringer Belastung an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, und das eben
soll der Apparat anzeigen. Beobachtet der Betriebsleiter die Ueberlastung der
Maschine an der Form des Tagesdiagramms, so wird er der Ursache sofort nachgehen
und, falls als solche das Wegsinken des Kesseldruckes erkannt ist, Abhilfe
schaffen. An den Stellen wo dies nicht ohne weiteres gelingt, kann dann ein
registrierendes Manometer angebracht werden; zweckmäßig also stets unabhängig vom
Belastungsanzeiger. Ein Zusammenarbeiten von registrierendem Manometer mit dem
Belastungsanzeiger empfiehlt sich aus dem angeführten Grunde nicht.
Aus dem Wesen der vorbeschriebenen Apparate geht hervor, daß sie nicht nur für
stationäre Kraftanlagen jeder Art (außer Dampfmaschinen, Gas- und Oelmaschinen aber
auch Dampfturbinen und Wasserturbinen), sondern insbesondere auch für Lokomotiven
und Schiffsmaschinen zum Zweck dauernder Beobachtung des Belastungszustandes
wertvolle Dienste zu leisten imstande sind. Ist auch die Verwendung für diese Zwecke
noch wenig bekannt, die Erfahrung wird erweisen, daß auch auf diesen Gebieten
Resultate von bislang ungeahnter Schärfe und Beweiskraft erzielt werden, die
Einblicke in die Arbeitsvorgänge in einer Weise gestatten, welche der allgemeinen
Erkenntnis und Wirtschaftlichkeit gleichzeitig dient auf der Grundlage
wissenschaftlicher Wahrheit.