Titel: | Wassernutzung, Abwässerung und Industrie. |
Autor: | Eckstein |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 6 |
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Wassernutzung, Abwässerung und
Industrie.
Von Dr. jur. Eckstein,
Berlin-Wilmersdorf.
ECKSTEIN: Wassernutzung, Abwässerung und Industrie.
Das preußische Wassergesetz vom 7. April 1913 hat einschneidende Veränderungen
nur für die Rechte am öffentlichen Gewässer vorgenommen, während die
Rechtsverhältnisse an den übrigen Gewässern, am Grundwasser usw. im wesentlichen wie
früher geblieben sind. Die nicht öffentlichen Gewässer sind auch für die Industrie
von geringerer Bedeutung. Diese Rechtsverhältnisse weiter auszuführen, würde hier zu
weit führen, es genügt der allgemeine Grundsatz, daß der Eigentümer eines nicht
öffentlichen Gewässers ebenso wie der Grundeigentümer in der Verfügung über das
Wasser unbeschränkt ist. Nur dort kennt das bisherige wie das neue Recht Grenzen, wo
das Interesse der Allgemeinheit es dringend erfordert.
Ganz anders bei öffentlichen Gewässern, d.h. bei eigentlichen Wasserläufen und bei
Teichen und Seen, die einen Abfluß oder Durchfluß haben und sich daher besonders zur
gewerblichen und industriellen Nutzung eignen.
Die natürlichen Wasserläufe erster Ordnung – das sind die im Wassergesetz besonders
bezeichneten größeren Wasserläufe, Ströme, Flüsse usw. – und mit hier nicht
interessierender Einschränkung auch die übrigen Wasserläufe sind dem gemeinen
Gebrauch bis zu einer bestimmten Grenze freigegeben. Jedermann darf sie, wenn
dadurch andere nicht benachteiligt werden, benutzen, darf ihnen auch Wasser
zuführen, nicht dagegen verunreinigtes Wasser, also nicht Abwässer, außer, wenn sie
als reines Wasser anzusehen sind, wobei ganz geringe Verunreinigungen nicht in
Betracht kommen. Wird dabei das Maß des nach Gemeingebrauch Ueblichen überschritten,
so ist der Wasserpolizeibehörde Anzeige zu erstatten, damit diese unter Umständen
Gelegenheit zum Einschreiten hat. Die Wasserentnahme ist nur für die eigene
Haushaltung und Wirtschaft gestattet, also nicht zur gewerblichen und industriellen
Verwertung (vgl. § 25 WG.).
Viel weiter gehen die Rechte der Eigentümer des Wasserlaufes, das heißt der
Wasserlaufanlieger (vgl. §§ 7/8 WG.), sie sind sogar unbeschränkt, soweit nicht das
Gesetz besondere Schranken setzt. Solche Schranken bestehen aber gerade hinsichtlich
der gewerblichen und industriellen Wassernutzung. Insbesondere ist nach § 40 WG.
beschränkt: Das Recht, das Wasser zu gebrauchen und zu verbrauchen oder abzuleiten,
Wasser oder andere flüssige Stoffe – damit sind also besonders die Abwässer
getroffen – unmittelbar oder mittellbar einzuleiten und den Wasserspiegel zu
verändern, insbesondere durch Stauanlagen. Diese Beschränkungen bezwecken den Schutz
der übrigen Anlieger und Interessenten, wie es des Näheren in den §§ 41 bis 45 WO.
ausgeführt ist.
Für Gewerbe und Industrie ist besonders der § 41 wichtig: Es darf durch die Benutzung
nicht zum Nachteil anderer die Vorflut verändert noch das Wasser verunreinigt, der
Wasserstand nicht so verändert werden, daß andere in der Ausübung ihres Rechts am
Wasser beeinträchtigt oder fremde Grundstücke beschädigt werden, schließlich darf
die einem anderen obliegende Unterhaltung des Wasserlaufs oder seiner Ufer nicht
erschwert werden. Geringfügige Nachteile bleiben aber außer Betracht. Abgeleitetes
Wasser muß in der im § 43 WO. näher bezeichneten Weise wieder so zurückgeleitet
werden, daß andere Interessenten durch die Ableitung keinen Nachteil haben.
Die Verunreinigung oder auch nur die Gefährdung der Verunreinigung durch feste Stoffe
ist durch die §§ 19 ff. besonders verboten.
Schließlich bestimmt der § 22 – und das ist für unsere Frage die einschneidenste
Bestimmung – daß die Errichtung oder wesentliche Veränderung von Anlagen in
Wasserläufen erster und zweiter Ordnung (die kleinen Wasserläufe dritter Ordnung bleiben also
außer Betracht, können aber durch Polizeiverordnung den anderen Wasserläufen in
dieser Beziehung gleichgestellt werden) der Genehmigung der Wasserpolizeibehörde
unterliegen, das ist je nach der Art des Wasserlaufs der Regierungspräsident,
Landrat oder die Ortspolizeibehörde (vgl. § 342 WG.).
Von dieser wasserpolizeilichen Genehmigung, die auch nur auf wasserpolizeilichen
Interessen fußt, ist die etwa erforderliche gewerbepolizeiliche Genehmigung einer
gewerblichen oder industriellen Anlage nach § 16 GO. unabhängig, und es kann wohl
vorkommen, daß die eine Behörde die Genehmigung erteilt, die andere sie versagt.
Wer nicht Eigentümer eines Wasserlaufes ist und nicht vom Eigentümer sein Recht
herleitet (z.B. Nießbraucher, wohl auch Pächter usw.) darf einen Wasserlauf nur
benutzen, wenn ihm das Benutzungsrecht besonders verliehen ist. Ein Gleiches gilt,
wenn der Eigentümer von seinem Rechte in einer Weise Gebrauch machen will, die an
sich den oben ausgeführten Beschränkungen unterliegt.
Das Gesetz geht von dem durchaus richtigen Gedanken aus, daß die Eigentumsgrundsätze
und die Grundsätze über die dem Eigentum ähnlichen oder gleichstehenden dinglichen
und ähnlichen Rechte nicht überspannt werden dürfen, wie es nach bürgerlichem Recht
in Hinsicht auf das Grundstücksrecht hier und da der Fall ist. In weitestem Maße
soll Gewerbe und Industrie, Landwirtschaft, Fischerei usw. geschützt werden, und
eine Förderung dieser Interessen ist oft nicht anders möglich als unter
Hintenanstellung der Interessen anderer. Wenn jeder Berechtigte verbieten könnte,
daß er durch Verunreinigung von einem Gewässer, durch Ableitung usw. auch nur im
geringsten beeinträchtigt wird, so könnte ein großer Teil unseres industriellen und
gewerblichen Verkehrs stillstehen.
Das Gesetz sieht mit Recht von einer gesetzlichen Feststellung irgendwelcher
Grundsätze ab, weil kein Gesetz imstande ist, sich den Forderungen des
wirtschaftlichen Verkehrs in allen seinen Feinheiten und Veränderlichkeiten
anzupassen, und zielt also auf eine Art von Billigkeitsrecht ab, auf eine
gegenseitige Interessenabwägung und einen Interessenschutz nach Maßgabe der
Bedeutung dieser Interessen.
Jedermann hat einen Anspruch auf Erteilung eines Nutzungsrechtes an einem Wasserlauf,
soweit sein Interesse gegenüber etwa entgegenstehenden Interessen Dritter als
wichtig genug angesehen werden kann. Es kann nach § 46 WG. durch Verleihung erworben
werden: Das Recht, das Wasser gewerblich und industriell zu benutzen und abzuleiten,
es zu stauen oder sonst den Wasserspiegel zu verändern, unabhängig von den
Schranken, die die §§ 41/45 wie oben ausgeführt, dem Eigentümer setzen, ferner das
Recht, Hafen und Stichkanal anzulegen, sowie Anlegestellen mit baulichen
Vorrichtungen von größerer Bedeutung herzustellen.
Die Verleihung ist nach § 49 zu versagen oder von Auflagen oder Bedingungen
abhängig zu machen, wenn der beabsichtigten Benutzung des Wasserlaufs Rücksichten
des öffentlichen Wohles entgegenstehen, oder wenn durch die Benutzung ein in
Aussicht genommener Ausbau des Wasserlaufs erschwert wird. Einige weitere verwandte
Beschränkungen in Hinsicht auf bestimmte Wasserläufe, Teiche usw. können hier nicht
im einzelnen aufgeführt werden.
Die Verleihung ist nach § 50 ferner zu versagen, wenn jemand durch die beantragte
Verleihung in seinem Recht der Wassernutzung beeinträchtigt wird, und diese
Beeinträchtigungen nicht durch besondere Vorrichtungen usw. verhindert werden
können, und der Interessent der Verleihung widerspricht. Sein Widerspruch ist aber
unerheblich, wenn das durch Verleihung zu schützende Unternehmen anders nicht
zweckmäßig oder nur übermäßig kostspielig durchgeführt werden kann, und der zu
erwartende Nutzen des Unternehmers den Nachteil des Widersprechenden erheblich
übersteigt. Läßt sich die Schädigung oder Beeinträchtigung durch geeignete
Vorrichtungen abwenden, die mit dem Unternehmen vereinbar und wirtschaftlich
gerechtfertigt ist, so ist die Verleihung mit einer entsprechenden Auflage zu
verbinden. Hinsichtlich der Einzelheiten muß auf § 50 WG. verwiesen werden.
Ist von der beabsichtigten Benutzung eine Verunreinigung des Wasserlaufs zu erwarten,
so darf die Verleihung nur unter Vorbehalt erhöhter Anforderungen in bezug auf
Reinigung der Abwässer erteilt werden (§ 47, Absatz III).
Die Verleihung erfolgt dauernd oder auf Zeit (§ 47, Absatz II). Das Gesetz will damit
die etwaigen zukünftigen Interessen schützen, und es unmöglich machen, daß ein
einmal verliehenes Recht später dauernd von dem Berechtigten zum Nachteil anderer
geltend gemacht werden kann, falls man bei der Verleihung den Nachteil nicht hat
übersehen können.
Die Verleihung wird daher vielfach zeitlich begründet werden, und zwar je nach dem
Interesse, das zu berücksichtigen ist, nach dem Maß der Möglichkeit späterer
Schädigungen, nach der Wichtigkeit dieser Schädigungen selbst, nach der Bedeutung,
den Kosten usw. des Unternehmens selbst, das natürlich durch eine sehr kurz
begrenzte Verleihungsfrist nicht wirtschaftlich in Frage gestellt werden darf.
Andererseits hat die Verleihung so weitgehende Wirkungen, daß der Berechtigte nunmehr
ähnlich geschützt ist wie der Eigentümer in Hinsicht auf ein Grundstück oder
Konzessionsberechtigte in Hinsicht auf die gewerbliche Konzession. Nur in ganz
seltenen Fällen kann eine Verleihung zurückgenommen werden, wobei der Berechtigte
noch zu entschädigen ist (§ 84 WG.).
Das Verleihungsverfahren ist zu einem Interessen-Regelungsverfahren vor dem
Bezirksausschuß ausgebaut, wobei Dritte in weitestgehendem Maße Gelegenheit haben,
ihre Interessen geltend zu machen. Es ist durch einen Instanzenzug (Beschwerde bei
dem Landeswasseramt, zum Teil auch Verfahren vor dem ordentlichen Gericht) zu einem regelrechten
Rechtsverfahren gestaltet, das teils mit dem Patenterteilungsverfahren, teils mit
dem gewerblichen Konzessionsverfahren eine gewisse Aehnlichkeit hat, und dessen
Einzelheiten hier nicht näher ausgeführt werden können.
Zum Schutze der Interessen derjenigen gewerblichen und industriellen Unternehmer, die
nicht in der Lage sind, einen Wasserlauf unmittelbar zu benutzen, hat das Gesetz
besondere Vorschriften unter dem Kapitel Zwangsrechte erlassen (§ 330 ff.).
Kann der Eigentümer eines Grundstücks sein oberirdisch außerhalb eines Wasserlaufes
abfließendes Wasser durch Anlagen auf seinem Grund und Boden nicht oder nur mit
unverhältnismäßigen Kosten abführen, so ist er berechtigt, von den Eigentümern der
unterhalb liegenden Grundstücke die Aufnahme des Wassers ohne Entschädigung zu
verlangen. Diese sind aber, wenn die Weiterleitung mit Kosten verbunden ist, nur bei
überwiegendem Interesse des Unternehmers zur Aufnahme verpflichtet und dann schadlos
zu halten. Ebenso kann nach § 332 zum Zwecke der Wasserbeschaffung und der
Abwässerbeseitigung die Duldung der Durchleitung von Wasser verlangt werden;
unreines Wasser muß aber, wenn sonst die Gefahr einer Benachteiligung besteht, in
geschlossenen wasserdichten Leitungen geleitet werden.
In ähnlicher Weise sind nach § 331 WG. zugunsten eines Unternehmens, das die
Entwässerung von Grundstücken, die Beseitigung von Abwässern oder die bessere
Ausnutzung einer Triebwerksanlage bezweckt, die Wasserlaufeigentümer und die
Eigentümer der sonst beteiligten Grundstücke zur Duldung einer Wasserregulierung
verpflichtet. In diesen Fällen kann aber der beteiligte Grundstückeigentümer
verlangen, daß der Unternehmer den betreffenden Teil des Grundstücks, den er
für seine gewerblichen oder industriellen Zwecke gebraucht, gegen Entschädigung
erwirbt (also eine Art von Zwangskauf; und wenn der Rest des Grundstücks sonst
entwertet wird, ist sogar das ganze Grundstück zu erwerben (§ 336).
Ebenso wie ein Unternehmer von Entwässerungs- oder Abwässerungsanlagen fremde
Grundstücke für seine Zwecke benutzen kann, so ist er auch berechtigt, falls schon
andere Ableitungsanlagen bestehen und es durch besondere Zweckmäßigkeitserwägungen
und die Interessenabwägung geboten ist, fremde Anlagen zu benutzen, wobei eine Art
Gemeinschaftsverhältnis entsteht (§ 339).
Die Regelung dieser Zwangsrechte erfolgt in einem Verfahren, das dem
Verleihungsverfahren ähnlich und im § 340 WG. genauer geregelt ist.
Diejenigen Rechte, die beim Inkrafttreten des Gesetzes bestanden und diejenigen
Wasseranlagen, die vor dem 1. Januar 1913, auch ohne einen besonderen Rechtstitel
errichtet oder begonnen sind, unterliegen im wesentlichen dem bisherigen Recht. Für
sie bestimmt der § 379 WG: Die Rechte, einen Wasserlauf zu benutzen, Wasser aus- und
Abwässer einzuleiten usw. (§§ 46, 40 WG.) und einige weitere hier nicht
interessierende Rechte, sofern sie auf besonderem Titel beruhen, bleiben
aufrechterhalten. Die Rechtmäßigkeit einer Anlage, die schon am 1. Januar 1902
bestanden hat, wird vermutet. Aber auch hier ist eine wichtige Grenze gezogen: Die
Verunreinigung des Wassers ist unzulässig, wenn sie über das gemeinübliche Maß
hinausgeht. In diesen Fällen muß, wie oben ausgeführt, die besondere Verleihung
nachgesucht werden.