Titel: | Aus der Geschichte der technischen Museen. |
Autor: | Heinrich Pudor |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 37 |
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Aus der Geschichte der technischen
Museen.
Von Dr. Heinrich Pudor
in Leipzig.
PUDOR: Aus der Geschichte der technischen Museen.
Das älteste und berühmteste technische Museum ist das Conservatoire des arts et métiers in Paris, das
im Jahre 1795 gegründet wurde, indem es die Sammlungen des Mechanikers Vaucanson, die dieser im Jahre 1782 dem König Ludwig den
Sechzehnten vermacht hatte, in sich aufnahm. Kleinere derartige Sammlungen hatte
vorher auch schon die Akademie der Wissenschaften besessen; eine geschichtliche
Studie über derartige Sammlungen enthalten die älteren Auflagen des Kataloges des
Conservatoire. Mit der Zeit wurde dieses zu einer umfassenden Darstellung der
geschichtlichen Entwicklung aller auf mechanisch- und chemisch-technischer Grundlage
beruhenden französischen Industrie ausgestaltet. Zu Hilfe kam hierbei besonders der
Umstand, daß der pädagogische Gesichtspunkt von Anfang an in den Vordergrund
gestellt wurde und die Sammlungen als Hilfsmittel des Unterrichts dienten, derart,
daß wichtige Lehrstühle mit dem Conservatoire verbunden waren. Dazu kam, daß diese
Sammlungen in hervorragender Weise experimentellen Zwecken auf dem Gebiete der
Mechanik, Physik, Chemie und des Maschinenwesens dienten. Beispielsweise ging die
vorzügliche Arbeit über die mechanischtechnischen Eigenschaften der Hölzer von
Chevandier und Wertheim aus diesen Versuchsanstalten hervor. Diese Ergänzung wurde
dem Conservatoire indessen erst im Jahre 1902 zuteil. Bald wurde es zugleich zum
Sitz einer Zentralanstalt für technisches Prüfungswesen. Mit Recht hat man das
Conservatoire dem Louvre gegenübergestellt; wie jenes für die Kunst, ist dieses für
die Technik ein „Nationaldenkmal des französischen Volksgeistes“ (Hofrat Wilhelm ExnerIn der
Einleitung seiner Monographie über das technische Museum für Industrie und
Gewerbe in Wien, die bei der vorliegenden Arbeit zum Teil als Unterlage
diente.; für die Vermehrungen der Sammlungen sind jährlich 75000
Frs. ausgesetzt.
Eine weit spätere Schöpfung – auch das Brüsseler Musée de l'Industrie wurde schon
1826 gegründet – ist die als nächst berühmtestes technisches Museum in Betracht
kommende „Maschinen- und Erfindungsabteilung“ des South Kensington-Museums in
London, im Jahre 1884 gegründet und hervorgegangen aus mehreren Sammlungen,
nämlich dem ein Jahr früher gegründeten Patentmuseum, dem Museum für
Maschinentechnik, einer Sammlung, von verschiedenen Ausstellungen herrührend, und
einer Stiftung der Firma James Watt & Co. of Soho, Birmingham, aus dem Besitz der Nachkommen
des Erfinders der Dampfmaschine. Im Gegensatz zum Pariser Conservatoire des arts et
métiers ist die technische Abteilung des South Kensington Museums auf die
mechanische Technik und das Erfindungswesen beschränkt. Von den 53 Gruppen sind 12
der Geschichte der Dampfmaschine gewidmet. Die erste Klasse enthält viele
hervorragende Beispiele der ersten Versuche, den Dampf für motorische Aufgaben
nutzbar zu machen. Diese Abteilung beginnt mit den Zeichnungen jener Vorläufer der
Maschine, die in den Lehrbüchern der Physik und Mechanik als interessante Apparate
abgehandelt werden. Jene des Hero aus Alexandria (um 130 v. Chr.) wird als erste
rotierende Dampfmaschine, jene des Salomon de Caus als direktwirkende
Wasserhebemaschine (um das Jahr 1624) aufgefaßt. Diesen folgen Zeichnungen der
Maschinen von Thomas Savary, Guillaume Amontons, Denis Papin,
Newcomen, Leupold.Die nach der englischen Quelle Leupold zugeschriebene Maschine ist wohl eine Papinsche Erfindung, die der erstere bloß
mitgeteilt hat; das behauptet wenigstens Delaunay
in seinem „Cours élémentaire“, dem hierin mehr Glauben beizumessen
sein dürfte.
Den Erfindungen James Watts (1736 bis 1819), der die
Dampfmaschine aus einer bloß zum Wasserheben geeigneten Bergwerkmaschine in einen
universell verwendbaren Motor verwandelte und als erster den selbständigen
Kondensator erfand, verdankt die heutige Großindustrie ihre wesentliche Grundlage.
Die „James Watt-Collektion“ wurde „durch andere
Erwerbungen vermehrt, so daß heute das Kensington-Museum nicht weniger als 40
Maschinen, Modelle und Zeichnungen besitzt, die die Leistungen Watts auf diesem einen Gebiete vorführen. Das
sind wahre Reliquien, sie lassen Watt als einen Menschen von seltener
Begabung und großer Energie erkennen. Und doch litt auch er unter Vorurteilen; so
widerstrebte er, wie von einem Aberglauben befangen, der Anwendung hochgespannten
Dampfes, die heute eminent vorherrscht. Diese Sammlungen von Wattschen Arbeiten verdienen gewiß „das Interesse der ganzen gebildeten
Welt“.
Zwischen James Watt und George
Stephenson stehen Richard Trevithick
(Hochdruckdampfmaschine aus dem Jahre 1802, Lokomotive aus dem Jahre 1803), der
Franzose Cugnot (Dampfwagen aus dem Jahre 1769), Watts Assistent Murdoch
(Dampfwagenlokomotive aus dem Jahre 1784) und W. Hedley
(„Puffing Billy“ aus dem Jahre 1813).
George Stephenson konstruierte im Jahre 1825 die
Lokomotive Nr. 1 für die Eisenbahn Stockton-Darlington, die erste in der Welt für
Personentransport benutzte Lokomotive, die Verfasser im Jahre 1889 auf der
Weltausstellung in Paris in der „Exposition rétrospective du travail“ sehen
konnte.
Entscheidend für die Entwicklung der Lokomotive war die Erfindung des Röhrenkessels,
der im Jahre 1827 von Marc Séguin in Lyon erstmals in
Anwendung gebracht wurde. Ueber ihn weiß indessen das South Kensington-Museum nichts
zu berichten. Möglich, daß Stephenson, dessen Rocket-Lokomotive bei dem Preisausschreiben der
Liverpool-Manchester Eisenbahngesellschaft im Jahre 1829 obsiegte, selbständig auf
die Idee des Röhrenkessels kam.
Aus der Marineabteilung des South Kensington-Museums ist besonders die vollständige
Darstellung der Geschichte der Schiffsschraube zu erwähnen, aus der Textilabteilung
die Entwicklung der maschinellen Baumwollspinnerei, die für die industrielle
Entwicklung Englands ausschlaggebend wurde. Erfinder der Krempel-Spinnmaschine ist
der Engländer Richard Arkwright (Cardingmaschine aus dem
Jahre 1769). Auch dem für die Entwicklung der maschinellen Weberei bedeutsamen Jacquard ist im South Kensington-Museum ein Saal
eingeräumt. Fernere Abteilungen sind der Elektrotechnik, der Papierindustrie, der
Metall- und Holzbearbeitung gewidmet. Die weiteren Säle zeigen mit ihrem
Sammelsurium untereinander gewürfelter technischer Neuerungen, daß die
wissenschaftliche Methodik und Systematik auf dem Gebiete der technischen
Erfindungen noch zu wünschen übrig läßt. Von Einzelheiten sei die Feuerspritze von
R. Newshaw, patentiert 1721 bis 1725, Nasmyths Dampfhammer (Modell 1839), Modell der
hydraulischen Presse von Bramah, die Original-Nähmaschine
von Patrick Bell 1826 erwähnt.
An dritter Stelle darf unter den hervorragendsten technischen Museen der Welt das am
28. Juni 1903 unter dem Vorsitz des damaligen Prinzen Ludwig im Festsaal der königl.
bayerischen Akademie der Wissenschaften in München gegründete „Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und
Technik“ genannt werden, später einfach als „Deutsches
Museum“ bezeichnet. Die Gründung ebenso wie die Entwicklung erfolgte
rasch und zugleich zielsicher. Am 1. Mai 1903 hatte Baurat Dr. Oskar Miller, Sohn des berühmten Erzgießers Miller, als Vorsitzender des bayerischen Bezirksvereins deutscher
Ingenieure den Antrag gestellt, in München ein historisches Museum für die
Errungenschaften deutscher Technik zu errichten, und legte seinen Plan am 5. Mai
1903 einer auserlesenen Gesellschaft vor, die sogleich ein vorbereitendes Komitee
ernannte. Kommerzienrat G. Krauß spendete 100000 M, und
der Prinzregent stellte das seitherige Gebäude des Bayerischen Nationalmuseums zur
Verfügung; als Grundstock der Sammlungen diente die von Pettenkofer in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften angelegte
Vereinigung von Apparaten und Instrumenten aus dem Gebiet der angewandten
Naturwissenschaften. Die Leitung des Museums wurde in die Hände des Antragstellers,
Baurat von Millers, des Rektors der Technischen
Hochschule Dr. Walther von Dyck und des Prof. Dr. Karl von Linde gelegt; ihnen trat zur Seite Wilhelm von Siemens, Röntgen, Rieppel, Diesel, Schröter u.a. Die weitere Entwicklung des deutschen
Museums darf im wesentlichen als bekannt vorausgesetzt werden.
Neben dem deutschen Museum in München erwähnen wir die technologischen Sammlungen der
technischen Hochschulen Deutschlands, besonders von Hannover und Dresden, das
germanische Museum und bayerische Gewerbemuseum in Nürnberg, die Sammlungen der
Großherzoglichen Badischen Gewerbehalle in Karlsruhe, das Kgl. Verkehrs- und
Baumuseum in Berlin und besonders das Musterlager in
Stuttgart. Letzteres ist der Initiative des Präsidenten der Zentralstelle
für Gewerbe und Handel, Ferdinand von Steinbeis, zu
danken, der im Jahre 1849 in Paris mustergültige Produkte zur Erweiterung der
bereits bei der Zentrale bestehenden Gewerbemuster-Sammlungen kaufte – König Wilhelm
von Württemberg genehmigte im Jahre 1850 die Errichtung eines Musterlagers als eines
technischen Museums zum Zwecke der Gewerbeförderung.Vgl. Ferdinand von
Steinbeis. Sein Leben und Wirken 1807 bis 1893. Eine Gedenkschrift
von Dr. Fr. Müller mit einem biographischen
Begleitwort von Dr. R. Piloty, Tübingen. Verlag
der Lauppschen Buchh., Tübingen. Vgl. ferner: Die Elemente der
Gewerbeförderung nachgewiesen an der belgischen Industrie von Ferd. von Steinbeis 1853. Auf den
folgenden Ausstellungen, besonders in München 1854 und in Paris 1855 sorgte Steinbeis für Vermehrung der Sammlungen, in denen 1854
die erste Nähmaschine Platz fand. Nachdem die Aufstellung von Maschinen, Motoren,
Arbeitsmaschinen usw. größere Räume erforderlich gemacht hatte, wurde die große
Haupthalle des neuen Landes-Gewerbemuseums, die König-Karl-Halle hinzugenommen. Auf
der zweiten Londoner Ausstellung 1862 wurde als erste Dampfmaschine eine Lokomobile
von 2½ Pferdekräften angekauft, welche zugleich die Arbeitsmaschinen in Gang zu
setzen hatte. Im Juli 1868 wurde die von dem Amerikaner Lamb erfundene Handstrickmaschine erworben. Gleichzeitig baute Robert Mayer unter der Beihilfe von Steinbeis' seinen kalorischen Kraftmesser auf Grund des
von ihm entdeckten Gesetzes der Aequivalenz von Wärme und mechanischer Arbeit. Der
betreffende Apparat wurde von R. von Mayer dem
Stuttgarter Musterlager überwiesen und ging dann in den Besitz des deutschen Museums
über. Im Jahre 1874 wurde der erste Deutzer Gasmotor erworben, im folgenden Jahre
eine Pariser Gramme-Maschine, an der der Elektrotechniker Schuckert seine ersten magnetoelektrischen Beobachtungen machte. Auf
Anregung Steinbeis' wurde dann dem Stuttgarter
Musterlager nach dem Vorbilde des Brüsseler Musée de l'Industrie ein chemisches
Untersuchungslaboratorium angegliedert.
Wir kommen nunmehr zu dem an vierter Stelle erwähnenswertesten „Technischen Museum für Industrie und Gewerbe in
Wien“. Seine Vorstufen gehen bis auf das Jahr 1810 zurück, in dem der
bei der neuorganisierten k. k. niederösterreichischen Fabrikinspektion als erster
Kommissar bestellte Stephan Edler von Kees anfing, eine
Mustersammlung gewerblicher, namentlich österreichischer Fabrikationszweige unter
dem Namen eines „Technischen Kabinetts“ zustande zubringen.Vgl. „Darstellung des Fabrik- und
Gewerbewesens im österr. Kaiserstaat“, vorzüglich in technischer
Beziehung, herausgegeben von St. Edler von Kees,
Wien, bei Anton Strauß 1820. Erster Teil die Beschreibung der
Rohmaterialien, zweiter Teil Beschreibung der Fabrikate. Mit einem
vollständigen Grundriß der Technologie. Ferner: „Systematische
Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufakturen
und des gegenseitigen Bestandes derselben“ von St. Edler von Kees und W. C. W. Blumenbach, Wien, Carl Gerold, 1829/30. Im Jahre 1815
wurde das k. k. Polytechnische Institut in Wien eröffnet und für die Lehrkanzel für
Technologie Prof. Altmütter genommen, der die für die
mechanische Technologie berühmte Werkzeugsammlung anlegte. Aus dem Polytechnischen
Institut ging Karl Karmarsch hervor, der die mechanische
Technologie zur Wissenschaft erhob und an die Polytechnische Hochschule in Hannover
berufen wurdeDr. Karl Karmarsch, Geschichte der Technologie seit
der Mitte des 18. Jahrhunderts, München 1872., ähnlich wie der
Professor der Mechanik und des Maschinenbaues Redtenbacher nach Karlsruhe ging.
Anläßlich der Wiener Weltausstellung des Jahres 1873 war Hofrat Wilhelm Exner betraut worden, eine sogenannte additionelle Ausstellung der
Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs zu organisieren, die er vergebens als
Grundstock für ein technisches Museum beisammenzuhalten suchte. Ein zweibändiges
Sammelwerk darüber ist bei Wilhelm Braumüller
erschienen.Beiträge zur
Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs von der Mitte des 18.
Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Herausgegeben von der Generaldirektion der
Weltausstellung 1873 in Wien. Redigiert von Prof. Dr. Wilh. Franz Exner.Auch das von dem Baron Schwarz-Senborn mit Gustav
Leon und Franz Edler von Rosas angefangene „Athenäum“ scheiterte. Erst im Jahre 1890 wurde
anläßlich der Jubiläumsfeier des 50-jährigen Bestandes des Niederösterreichischen
Gewerbevereins auf Grund eines von dem Freiherrn von
Banhans erstatteten Berichtes der Beschluß gefaßt, ein Museum für die Geschichte der österreichischen Arbeit ins
Leben zu rufen und dem k. k. Technologischen Gewerbemuseum anzugliedern. Obwohl der
Unterrichtsminister den Plan unterstützte, ergab die Subskription nur 35000 Gl., so
daß sich der Niederösterreichische Gewerbeverein gezwungen sah, die seitherigen
Sammlungen dem Technologischen Gewerbemuseum zu übertragen, bei dessen
Verstaatlichung sie in Staatsbesitz übergingen. Nebenbei wurde aber der Plan eines
Museums der österreichischen Staatsbahnen weiter verfolgt und das im Entstehen
begriffene Museum der österreichischen Staatsbahnen erweiterte sich zu einem Oesterreichischen Eisenbahnmuseum, das im Kopfgebäude des
Westbahnhofes untergebracht ist. Ferner wurde ein selbständiges Post- und Telegraphenmuseum in bescheidenem Maßstabe
errichtet und im Arkadengebäude des Praters installiert. Endlich wurde auf Anregung
des Ministerialrates Dr. Franz Migerka ein Gewerbehygienisches Museum, ebenfalls in kleinem Umfange,
eingerichtet. Auf Veranlassung Prof. Dr. Exners beschloß
eine an das Kuratorium des K. K. Technologischen Gewerbemuseums in Wien in der
Sitzung vom 22. November 1905 gerichtete Eingabe, der Regierung die Vereinigung der
vier bestehenden technischen Museen nahezulegen. Daraufhin wurde der Plan einer
Kaiser-Jubiläumsausstellung Wien 1908 fallen gelassen und statt dessen auch
regierungsseitig die Errichtung eines bleibenden Museums für Technik, Industrie und
Gewerbe zum Gedächtnis des Regierungsjubiläums des Kaisers anempfohlen. Die
Regierung stellte eine Million Kronen zur Verfügung und als das Kuratorium eine
staatliche Subvention von zwei Millionen Kronen forderte, stellte sie die Gewährung
einer staatlichen Subvention im Betrage von 30 v. H. des Gesamtaufwandes des
Museums, in maximo 1500000 Kr. unter gewissen Bedingungen in Aussicht. Es wurde ein
Komitee gebildet, dem unter andern Arthur Krupp, Paul Ritter
von Schoeller, die Kommerzienräte Heinrich
Vetter und August Dank, Sektionschef Dr. Wilhelm Exner, Generaldirektor Georg Günther und Prof. Karl Schlenk beitraten.
Dieses konstituierte sich am 25. Juni 1907 und wählte Arthur
Krupp zum Obmann. Der Gemeinderat sprach seine Geneigtheit aus, einen Teil
der sogenannten „Spitzackergründe“ in Penzing als Baugrund für das Museum zu
geben und eine Million Kronen als Beitrag der Stadt Wien zu den Baukosten zu
bewilligen. Der genannte Bauplatz umfaßt 36000 m2,
also etwa ebensoviel als die Kohleninsel in München.