Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Eckstein |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 83 |
Download: | XML |
Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Kauf einer Maschine „wie besehen“. Der
Maschinenlieferant ist oft nicht in der Lage, die Haftung für Mängel der Maschine zu
übernehmen, weil er vielleicht selbst von seinem Lieferanten zweifelhaft bedient
worden ist, oder weil es sich um eine gebrauchte Maschine handelt. Es kommt aber
darauf, ob er einen Mangel verschuldet hat oder überhaupt kennt, nicht an, er
haftet, wenn er nicht ausdrücklich die Mängelhaftung ausschließt.
Andererseits ist für ihn der Abschluß sehr erschwert, wenn er auf einem Ausschluß der
Mängelhaftung besteht, weil er bei dem Besteller leicht die Vorstellung erweckt,
es müsse sich um eine minderwertige Maschine handeln, und er habe mit größter
Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß sich bald Mängel herausstellen werden, für
die der Lieferant sich seiner Haftung entziehen will. So kommen dabei leicht
Klauseln zustande, deren Auslegung zweifelhaft ist, und durch die der Lieferant sich
unter Umständen große Nachteile verursacht.
Bei der Auslegung solcher Klauseln ist zu berücksichtigen, daß das Gesetz von der
Haftung des Lieferanten ausgeht und nur zuläßt, daß die Haftung ausgeschlossen wird.
Der Ausschluß der Haftung ist somit als der Ausschluß der Anwendung einer
gesetzlichen Bestimmung anzusehen, und es hat darum derjenige den Beweis dieses Ausschlusses zu
führen, der diesen Ausschluß zu seinen Gunsten geltend macht; mit anderen Worten:
bleibt es zweifelhaft, ob ein Ausschluß anzunehmen ist, oder nicht, so hat der
Lieferant als beweisfällig den Nachteil zu tragen und die gesetzlich bestimmte
Haftung auf sich zu nehmen.
Im Handelsverkehr ist die Klausel „wie besehen“
„nach Besicht“, „wie Besicht“ oder in ähnlicher Fassung sehr häufig,
und auch in Maschinenlieferungs-Verträgen findet sie sich nicht selten. Im
Handelsverkehr ist aber bei der Auslegung solcher Klauseln auch die Verkehrssitte zu
berücksichtigen; und dafür wiederum ist entscheidend, daß beim gewöhnlichen
Warenhandel meist der Fachmann an den Fachmann liefert, und die Feststellung
etwaiger Mängel durch den Käufer nicht nur erschöpfend, sondern auch verhältnismäßig
leicht möglich ist.
Mit Recht nimmt daher die Rechtsprechung an, daß in der Klausel „wie besehen“,
die Vereinbarung enthalten ist, daß der Lieferant den Verkäufer verpflichten will,
nicht nur nach der Lieferung die Ware zu prüfen, wozu das Gesetz ihn ja schon
verpflichtet, sondern diese Prüfung schon vorher vorzunehmen, gerade um späteren
Ansprüchen nicht mehr ausgesetzt zu sein. Die Klausel hat daher nach herrschender
Rechtsprechung (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 7. 10. 04. Das Recht
1902 S. 43 und Reichsgericht vom 13. 3. 13. Leipziger Zeitschrift für deutsches
Recht 7 S. 858, vgl. auch Staub HGB. § 360 Anm. 5) den Inhalt, daß eine Haftung für
äußerlich bei der Besichtigung erkennbare Mängel ausgeschlossen wird, aber auch nur
für diese Mängel, während im übrigen die gesetzliche Haftpflicht unberührt
bleibt.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Rechtsprechung diese Grundsätze auch für
Maschinenverträge zur Anwendung bringt; zweifelhaft bleibt die Frage aber
jedenfalls; denn die Verhältnisse bei der Maschinenlieferung liegen meist doch
wesentlich anders als bei der gewöhnlichen Warenlieferung.
Ist die Lieferung allerdings ein gewöhnliches Handelsgeschäft, eine Lieferung des
Fabrikanten oder Händlers an den Händler, so ist die Uebertragung der eben
ausgeführten Grundsätze unbedenklich; handelt es sich aber um eine Lieferung anderer
Art, insbesondere um die Lieferung einer Maschine für einen industriellen,
gewerblichen, landwirtschaftlichen Betrieb usw., so mag das Geschäft zwar im
einzelnen Falle als Handelsgeschäft im Sinne des Handelsgesetzbuches anzusehen sein,
seine wirtschaftlichen Grundlagen sind aber doch anders als bei der handelsmäßigen
Warenlieferung. Der Besteller ist meist nicht ein Fachmann, und die Besichtigung hat
nicht notwendig den Inhalt, etwaige Mängel festzustellen, sondern die Maschinen auf
ihre Brauchbarkeit für den bestimmten Betrieb, für den sie geliefert werden sollen,
zu prüfen.
Mag der Lieferant bei der Klausel auch ausbedingen wollen, daß die Haftung
eingeschränkt sein soll, so braucht der Besteller diese Klausel nicht notwendig so
aufzufassen; es kann ja auch die Klausel nur zur näheren Bezeichnung der Maschine
dienen, und als Zusicherung, daß die Maschine genau so geliefert wird, wie sie bei
der Besichtigung gewesen ist, und es ist daher im einzelnen Falle sehr zweifelhaft,
ob durch eine solche Klausel ein Ausschluß der Haftung tatsächlich zustande gekommen
ist. Es ist in solchen Fällen zur Klarlegung der Rechtslage ein ausdrücklicher
Haftungsausschluß kaum entbehrlich.
Dr. jur. Eckstein.