Titel: | Die Hausrohrpostanlage im neuen Geschäftsgebäude der Nordstern-Versicherungs-Gesellschaften in Berlin-Schöneberg am Nordsternplatz. |
Autor: | Kasten |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 102 |
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Die Hausrohrpostanlage im neuen Geschäftsgebäude
der Nordstern-Versicherungs-Gesellschaften in Berlin-Schöneberg am
Nordsternplatz.
Von Baurat Kasten in
Berlin.
KASTEN: Die Hausrohrpostanlage usw.
Einleitung.
In jedem geordneten Geschäftsbetriebe ist die Führung und der Gebrauch von Akten
nicht zu umgehen. Sie dienen zum Sammeln von Dokumenten und Schriftstücken, und zwar
solchen, deren Wert und Gebrauch sich auf einen längeren Zeitraum erstreckt.
Schriftstücke, die ohne bleibenden Wert sind, sollten den Akten fern bleiben. Das
Aufbewahren der sich aus dem laufenden Geschäftsbetriebe ergebenden Schriftstücke
ist besonders in großen Unternehmungen notwendig, teils um dem Aufsichtsbeamten an
Hand der Akten die Aufsicht über die ordnungsmäßige Erledigung des schriftlichen
Verkehrs zu ermöglichen, teils um in die betreffende Dienststelle neu Eintretende
das Einarbeiten zu erleichtern und dem Gedächtnis des in einer Stelle schon
Beschäftigten zu Hilfe zu kommen.
Bei den Behörden besteht daher das Bestreben, die Akten so zu führen, daß die
Bearbeitung jeder schwebenden Angelegenheit jedem in die Sache neu Eingeführten
möglich ist. Es ergibt sich daraus meist ein ziemlich umfangreicher Bestand an
Akten.
Zur besseren Uebersichtlichkeit werden in jedem Betriebe Akten, die den allgemeinen
Dienst- und Geschäftsbetrieb, und solche, die einzelne Gegenstände behandeln,
geführt (Acta generalia und spezialia nach dem alten Bureaukratenlatein). Bei den
Behörden muß darauf Bedacht genommen werden, daß die Zahl der Einzelakten nicht zu
groß wird, denn sonst ist das Auffinden von Schriftstücken („Vorgängen“ in
der Bureaukratensprache genannt) wegen des Ineinandergreifens der einzelnen
Dienstzweige sehr schwierig.
Die Akten der Behörden werden fortlaufend geführt und mit der Jahreszahl des Beginns
bezeichnet. Die Stärke der Bände ist durch die Handlichkeit begrenzt und dem
Ermessen des Registrators überlassen.
In dem Betriebe einer Versicherungsgesellschaft, der uns im Folgenden
beschäftigen wird, ergeben sich außer den Akten über den allgemeinen
Geschäftsbetrieb eine große Anzahl Einzelakten, und zwar wird für jeden
Versicherungsfall ein besonderes Aktenstück angelegt. Sie weichen aber nicht nur
hinsichtlich ihres Umfanges und ihrer Zahl, sondern auch ihrer Benutzungsweise von
den Akten der Behörden ab.
Bei den Behörden werden die Akten bei einer Dienststelle erheblich länger gebraucht;
das Ineinandergreifen der Dienstzweige führt oft dazu, daß ein Aktenstück von dem
einen zum nächsten und zuweilen noch weiteren Beamten wandert, ohne die Registratur
zu berühren. Es kommt daher vor, daß Aktenstücke auf lange Zeit im Umlauf
bleiben.
Bei einer Versicherungs-Gesellschaft ergibt sich schon aus dem Vorhandensein der in
sich abgeschlossenen Aktenstücke, daß für jeden Fall jedes nur von einem Beamten für
eine Erledigung und zumeist auch nur kurze Zeit gebraucht wird. Es wird von ihm
daher stets von dem Archiv angefordert und nach Benutzung durch ihn und die sonst
noch in Betracht kommenden Dienststellen dorthin zurückgesandt werden.
Hiermit steht die in neuerer Zeit oft erörterte Frage in engem Zusammenhange, ob es
praktischer ist, die Akten auf die einzelnen Dienststellen zu verteilen und ihnen
die Führung zu übertragen, oder Akten einer ganzen Abteilung oder einer Behörde zu
einem Sammelarchiv zu vereinigen.
In den Zentralbehörden sind bis jetzt noch die früher allgemein üblichen
Sammelregistraturen vorhanden. In den Bezirksbehörden findet man dagegen schon
häufig eine Verteilung durchgeführt, daneben aber auch noch Sammelregistraturen.
In den Aufsichts- und Betriebsbehörden, z.B. den Betriebs- und Maschinenämtern der
Eisenbahnverwaltung, den Postämtern usw. sind dagegen die wenig umfangreichen Akten bei den
einzelnen Dienststellen untergebracht.
Es geht daraus hervor, daß es sich dabei hauptsächlich um eine Raumfrage handelt.
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Abb. 1.Büchse
Will man Sammelarchive anlegen, die vor der Verteilung der Akten auf die
Dienststellen bei größerer Anzahl der letzteren zweifellos große Vorteile (leichte
Uebersicht, bessere Behandlung durch geübtes Registraturpersonal usw.) bietet, so
sind zeitraubende und kostspielige Botengänge erforderlich. Wenn sich diese durch
billigere und schneller arbeitende Fördereinrichtungen ersetzen lassen, so steht der
Einrichtung eines Sammelarchivs für ein Verwaltungs- und Geschäftsgebäude nichts
mehr im Wege.
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Abb. 2.Berechnung des Rohrbogens
Das Archiv der drei Nordstern-Lebensversicherungs-Gesellschaften in Berlin-Schöneberg
ist in dem für Bureauzwecke nicht geeigneten unteren Dachgeschoß, dem eigentlichen
Dachboden, untergebracht. Dabei können die einzelnen Abteilungen nicht senkrecht
über den zugehörigen Bureaus gelegt werden, so daß man, abgesehen von den zwischen
den einzelnen Bureauabteilungen erwünschten Verbindungen, nicht mit den nur in
senkrechter Richtung fördernden und allgemein üblichen Aktenaufzügen auszukommen
vermag, sondern entweder diese durch eine wagerecht fördernde Einrichtung
ergänzen muß, wenn man nicht ein die Aufgabe in der vollkommensten Weise lösendes
Fördermittel, das sowohl zur senkrechten wie zur wagerechten Förderung geeignet ist,
anwenden will.
Aktenaufzüge würden sich durch Förderbänder ergänzen lassen, die aber zum handlichen
Be- und Entladen in Tischhöhe geführt werden müssen und daher die Arbeitsräume
versperren. Die für solche Aufgaben in der Fördertechnik ausgeführten
raumbeweglichen Becherwerke sind wegen ihres Geräusches für ein Bureauhaus nicht
verwendbar.
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Abb. 3.Verschluß der Büchse
Das einzige Fördermittel, bei dem sich wagerechte und senkrechte Förderstrecken ohne
verwickelte Uebergangseinrichtungen beliebig aneinander reihen lassen, ist die
Rohrpost. Auch lassen sich mit ihr die an die Feuersicherheit zu stellenden
Anforderungen am leichtesten erfüllen, weil die Rohre fest in die Wände und Decken
eingemauert werden. Der Forderung des geräuschlosen Betriebes läßt sich mit ihr am
leichtesten entsprechen. Das Treibmittel, die Luft, läßt bei richtiger Ausgestaltung
der Apparate und Rohre einen geräuschlosen Betrieb leicht durchführen. Das einzige
Geräusch, das die Arbeiten in den Bureaus stören würde, geht von dem Gebläse aus,
das aber durch richtige Aufstellung in einem geeigneten Kellerraum und durch eine
richtig durchgeführte Isolierung, die hier vollkommen gelungen ist, von den
Arbeitsräumen ferngehalten werden kann.
Die Apparate lassen sich so ausbilden, daß sie, wenn Wert darauf gelegt wird, ohne
Bedenken in den Arbeitsräumen aufgestellt werden können.
Vor allen anderen Fördermitteln hat die Rohrpost den großen Vorzug, daß auf den
Beförderungsstrecken keine der Abnutzung und Wartung unterworfenen Teile vorhanden sind. Alle
beweglichen Teile sind auf die Apparate an den Rohrenden beschränkt, die das
Bedienungspersonal stets vor Augen hat. Bei richtiger Bedienung ist deren Abnutzung
sehr gering, während die Fahl röhre mit der Zeit innen glatter werden und ihre
Abnutzung, soweit von einer solchen überhaupt zu reden ist, die Betriebsverhältnisse
verbessert.
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Abb. 4.Empfangs- und Absendeapparat
Die Beförderung von Aktenstücken zwingt zur Vergrößerung des Rohrdurchmessers, der
bei den üblichen Hausrohrpostanlagen in den Geschäftshäusern zwischen 40, 65 und 75
mm wechselt und nur selten bis 100 mm hinaufgeht.
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Abb. 5.Querschnitt durch die Tür
Es wurde nach dem größten, 1500 bis 2000 g wiegenden Aktenstück ein Rohrdurchmesser
von 150 mm gewählt. Daraus ergab sich ferner die Unmöglichkeit, die
Horizontalstrecken und die Uebergangsbögen in den Zwischengeschossen unterzubringen.
Hierzu eignete sich der obere Dachboden (Spitzboden) am besten, der für die
Unterbringung der Fahrrohre Platz genug bot.
Die Rohrführung für ein Fahrrohr ergibt sich hieraus von selbst. Das Rohr steigt
zunächst senkrecht an, geht dann mit einem Bogen in die im Spitzbogen verlegte
wagerechte Strecke und mit einem gleichen Bogen in die senkrecht zur zweiten Station
abfallende Strecke über (vgl. auch das Schaltbild, Abb.
6). Aus dieser Rohrführung und dem großen Rohrdurchmesser ergibt sich
ferner nicht nur die Konstruktion der Apparate mit senkrechter Empfangs- und
Absendekammer, sondern auch die Betriebsweise.
Für die Ausführung mußte ein ganz neuer Entwurf aufgestellt werden, weil die bei
einem Wettbewerb eingereichten Entwürfe auf den üblichen, bei kleinen Anlagen gut
bewährten, hier aber nicht anwendbaren Verfahren beruhten.
Beispielsweise war die von den meisten Bewerbern vorgesehene Klappe zum Auswerfen der
Patronen, wie sie bei Saugluftrohrnetzen möglich ist, hier wegen der Größe und des
Gewichts nicht brauchbar. Auch der bei Hausrohrpostanlagen gut eingeführte Betrieb
mit dauernd im Fahrrohr strömender Luft war schon wegen des durch den großen
Rohrdurchmesser bedingten Luftverbrauchs nicht zu benutzen.
Wenn auch das Treiben von großen Büchsen durch ein Fahrrohr keine besonderen Schwierigkeiten macht,
und auch der auf eine große Fläche wirkende Triebdruck zum Heben der Büchsen in der
ansteigenden Rohrstrecke ausreicht, so erschien es hier doch zur Verminderung des
Luftverbrauchs ratsam, eine Betriebsweise zu wählen, bei der der Druck der Treibluft
bei Beginn der Beförderung am größten ist. Die Saugluft wirkt nun wegen des
Spannungsabfalles im Rohre beim Absenden, also auf den ansteigenden Strecken, wo die
größte Arbeit zu leisten ist, am schwächsten und auf den abfallenden Strecken, wo
die Büchse gebremst werden muß, am stärksten. Die Druckluft wirkt dagegen in
Uebereinstimmung mit der Beförderungsarbeit bei Beginn der Fahrt am kräftigsten.
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Abb. 6.Schaltbild im Aufriß. (Die neben den Stationsnummern eingetragenen
Zahlen geben die Fahrrohrlänge und die Fahrzeit in Sekunden an)
Als am zweckmäßigsten und wirtschaftlichsten war demnach der Betrieb mit Druckluft,
und zwar in je einem Fahrrohr hin und zurück anzusehen. Die Druckluft ermöglichte
es, den Fall der Büchsen durch einen Luftbuffer geräuschlos abzubremsen. Daß eine
Betriebsweise, bei der die Luft nur während der Beförderung verbraucht wird,
billiger arbeitet als eine mit dauernd strömender Treibluft, bedarf keines
Beweises.
Die Bestandteile einer mit Druckluft betriebenen Rohrpost, nämlich die Gebläse, die
Luftverteilungsrohre, die Apparate, Fahrrohre und Büchsen sind so einfach, teilweise
auch als so bekannt vorauszusetzen, daß die Beschreibung kurz sein kann.
Die wichtigsten Teile einer Rohrpost sind die Büchsen und die Apparate.
Die Form und Größe der Büchsen richtet sich nach dem zu befördernden Gegenstande, und
zwar nach dem mit den größten Abmessungen und mit dem größten Gewicht. Das Gewicht
des größten Aktenstückes war hier zu 2000 g anzunehmen, der nutzbare Laderaum
für das zusammengerollte Aktenbündel zu 120 × 400 mm. Bei dem Rohrdurchmesser von
150 mm bleibt zwischen dem Mantel der Büchse und der Rohrwandung ein Spielraum von
13 mm. Zur Abdichtung und Verminderung der Reibung ist die Büchse (Abb. 1) mit zwei Manschetten (Treibringen) versehen.
Aus der Länge, dem Durchmesser und der Gestalt der Büchse ergibt sich der kleinste
Bogenhalbmesser nach Abb. 2 zu 3,0 m.
Besondere Aufmerksamkeit erfordert ein sicherer und leicht zu handhabender Verschluß.
Um den Laderaum nicht zu verengen, müssen seine Befestigungsteile so wenig Platz wie
möglich einnehmen, dabei aber doch genügend kräftig sein, um der oft unsachgemäßen
Behandlung durch das technisch ungeschulte Bedienungspersonal widerstehen zu
können.
Der Verschluß (Abb. 3) besteht aus einer an der Büchse
befestigten Klappe mit einer Verriegelung. Der Riegel ist so geformt, daß er bei
geöffneter Stellung über den Rand der Büchse hinausragt. Daraus ergibt sich, daß
keine Büchse mit unverriegeltem Deckel in das Fahrrohr eingeführt werden und der
Verschluß sich während der Fahrt nicht öffnen kann. Der Verschlußdeckel trägt
außerdem noch die zur Kennzeichnung der Empfangsstelle dienende Einstellvorrichtung,
die aus einer drehbaren Scheibe mit der Nummer der Stationen und einer Raste mit
Pfeil besteht.
Die der Abnutzung unterworfenen Teile sind leicht auswechselbar; zu diesen gehört
auch der am Kopfende angebrachte Filzbuffer, der aus zwei Teilen zusammengesetzt
ist.
Die Form des Filzbuffers entspricht dem zum Abbremsen der letzten lebendigen Kraft
der Büchse im Empfangsapparat (Abb. 4) angebrachten Buffer.
Aus der schon erläuterten Betriebsweise folgt, daß die Apparate sowohl zum Senden
wie zum Empfangen benutzt werden; daraus ergibt sich auch ihre Konstruktion.
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Abb. 7a.Schaltbild im Grundriß
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Abb. 7b.Schaltbild im Grundriß
Beim Absenden muß die Büchse leicht eingeführt und in dem Apparat gelagert
werden können.
Die Treibringe müssen den Querschnitt gut abdichten, damit keine Luft vorbeiströmen
kann und der Druck der Treibluft voll für die Beschleunigungsarbeit ausgenutzt wird.
Beim Empfangen muß die von der Büchse verdrängte Vorluft abströmen und der Fall der
Büchse aufgefangen und so abgebremst werden, daß kein störendes Geräusch entsteht
und die Büchse nicht beschädigt und zusammengestaucht wird.
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Abb. 8.Rohrposteinzelstation offen, mit eingeladener Büchse
Am kräftigsten und geräuschlosesten wirkt ein Luftbuffer, der sich beim
Druckluftbetrieb sehr einfach durch Ableiten der Vorluft oberhalb der Empfangskammer
(Abb. 4) bilden läßt. Während die Büchsen
oberhalb der Kammertür das Rohr vollkommen abschließen und die zwischen dem Boden
des Apparates und der Abzweigung der Vorluft eingeschlossene Luft als vollkommener
Buffer wirkt, wird die Wirkung, sobald die Büchse die als einfache drehbar
ausgebildete Kammertür erreicht hat, dadurch abgeschwächt, daß die Tür mit ihrem
Vorsprung das Rohr nicht völlig abdichtet (Abb. 5).
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines weiteren mechanisch wirkenden Buffers am
Boden des Apparates, der gleichzeitig mit einem die Ankunft und das Absenden der
Büchsen durch Lampen anzeigenden Kontakt verbunden ist.
Nach dem Schaltbild im Aufriß (Abb. 6) sind die
Stationen nicht unmittelbar miteinander verbunden, sondern verkehren über eine
Sammelstelle miteinander.
Das Schaltbild stellt die Abwicklung der Mittelebene des Gebäudes dar, das nach Abb. 7 einen dreieckigen Grundriß hat.
Es sind im ganzen 26 Stationen vorhanden, die größtenteils zur Vereinfachung der
Rohrführungen zu sechs Reihen von zwei bis fünf Apparaten vereinigt sind.
Abb. 7 zeigt die Verteilung der Apparate und
Stationsreihen auf dem Grundriß des Gebäudes.
Die Stationen einer Reihe sind übereinander etwas versetzt angeordnet, um die
Fahrrohre ohne Bogen abwärts führen zu können. Auch die Treibluft- und Vorluftrohre
steigen ohne Bogen senkrecht empor, so daß die Anschlußrohre für die Zuführung der
Treibluft und die Ableitung der Vorluft zu den Apparaten an den Stationen einer
Reihe in jedem Stockwerk verschieden lang sind. Diese Rohrführung wurde durch die
Konstruktion des Gebäudes sehr erleichtert. Die Zwischenwände bestehen nämlich aus
Pfeilern mit dazwischen gespannten Füllwänden. Die dadurch gebildeten Nischen
reichten zur Unterbringung des Apparates, der zu den unteren Stationen führenden
Fahrrohre und des Treibluft- und Vorluftrohres bei der obersten Station einer aus
fünf Stationen bestehenden Reihe gerade noch aus. In den Stationen sind nur die
Apparate (Abb. 8) sichtbar, die übrigen Rohre sind
durch eine Verkleidung, die aus einer dünnen Wand besteht, verdeckt.
Entsprechend der Zahl der Stationen enthält die im oberen Geschoß aufgestellte
Zentrale 26 Apparate, die in vier Reihen aufgestellt sind, von denen zwei mit dem
zwischen ihnen freigelassenen Bedienungsgang in Abb.
9 zu erkennen sind.
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Abb. 9.Blick in die Zentrale
Die Fahrrohre bestehen aus schmiedeeisernen Rohren, die mit straff über die Enden
gezogenen Muffen verbunden sind. Trotz der günstigen räumlichen Verhältnisse waren
beim Bau des Fahrrohrnetzes mancherlei Hemmnisse zu überwinden. Wegen der großen
Zahl der aus der Zentrale aufsteigenden Rohre (Abb.
10) konnte die Decke erst nach dem Einbau der Rohre gespannt werden. Der
Spitzboden bot zwar reichlichen Raum für die Unterbringung der Rohre; wegen des
dreieckigen Grundrisses der bebauten Fläche waren auch zahlreiche wagerechte Bogen
anzulegen. Ueber den in der Nähe der Zentrale gelegenen Stationsreihen zeigt die
Rohrführung (Abb. 11) ein recht verwickeltes
Bild.
Damit die Uebergangsbogen nicht zu tief in das darunterliegende Archiv hinabreichen (Abb. 12), sind die Bogen nach Abb. 6 und 11 überhöht.
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Abb. 10.Rohrführung oberhalb der Zentrale im Dachgeschoß. 26 Fahrrohre, 3
Druckluft- und 3 Vorluftrohre
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Abb. 11.Rohrführung oberhalb der Stationsreihe VI
Die Stationen sind zwar nach Abb. 13 mit einer
Signaleinrichtung versehen, die das Besetztsein eines Rohres mit einer roten, die
Ankunft einer Büchse mit einer grünen Lampe anzeigt; um durch beliebiges Abstellen
der Treibluft für einen sparsamen Luftverbrauch zu sorgen, ist eine selbsttätige von
der eintreffenden Büchse betätigte Abstellvorrichtung nach Abb. 14 angebracht. Sie wird von dem unter dem Boden des Apparates
angebrachten Kontakt (Abb. 4) durch einen Magneten
betätigt, der in demselben Stromkreis liegt, wie die grün bzw. rot leuchtende
Ankunftssignallampe (Abb. 14). Der Magnet bewegt
einen Steuerkolben, der Treibluft unter den Luftschieber treten läßt und diesen in
die Abschlußstellung verschiebt (Abb. 14b).
Die Maschinenanlage.
Der bei einer mit Druckluft arbeitenden Rohrpost stark wechselnde Luftverbrauch
erfordert eine Regelung der Maschinenleistung, die außerdem sich der wechselnden
Benutzung anpassen muß. Die bekannten von einem Kontaktmanometer gesteuerten
selbsttätigen Ein- und Ausschaltevorrichtungen haben bei deren geringem Spielraum,
der sich aus dem niedrigen Druck der Arbeitsluft ergibt, den Nachteil, daß das
Gebläse nur immer sehr kurze Zeit zur Ruhe kommt und fortgesetzt ein- und
ausgeschaltet werden muß. Darunter leidet die Anlaßvorrichtung und auch die
Wirtschaftlichkeit wird herabgesetzt, weil der zur Beschleunigung des Gebläses
aufzuwendende Strom bei größeren Maschinen nicht unbeträchtlich zunimmt. Eine von
einem Kontaktmanometer gesteuerte Schaltung hat ferner den Nachteil, daß der Druck
der Treibluft
während der Anlaufzeit sehr stark sinkt. Der Einschaltekontakt wird, wie es in der
Natur der Sache liegt, berührt, wenn die Rohrpost besonders stark benutzt wird.
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Abb. 12.Rohrbogen im Archiv
Ein Absinken der Spannung läßt sich zwar durch Aufspeichern
von Luft in Behältern verringern, doch läßt sich ein ausreichender Speicherraum in
einem Geschäftshause meist nicht unterbringen. Jedenfalls sollte man, wie es hier
geschehen ist, die Luftbehälter an der Stelle des größten Luftverbrauchs, also in
der Nähe der Zentrale und der Stationsreihen, aufstellen (Abb. 6).
Um den Betrieb für alle Fälle sicher zu stellen, ist außer der Betriebsmaschine ein
Aushilfsgebläse gleicher Leistung vorgesehen. Das erstere läuft dauernd,
während das zweite durch ein Kontaktmanometer nach Bedarf zugeschaltet wird. Das
dauernd laufende Gebläse ist, um die Treiblufterzeugung sofort wirksam wieder beim
Verbrauch bis auf den niedrigsten Luftdruck aufnehmen zu können, mit einer
Umschaltung versehen, durch die das Druckrohr von Leerlauf und Vollast umgeschaltet
wird (Abb. 15).
Die sehr einfache und sicher wirkende Vorrichtung besteht aus dem in das Druckrohr
eingeschalteten Kolbenschieber und einem vom Druck der Treibluft unmittelbar
beeinflußten Steuerschieber, der, um eine gewisse Unempfindlichkeit zu erreichen,
durch eine Raste in seinen beiden Endstellungen gesichert wird.
Die Anlage hat, trotzdem zur vorherigen Erprobung ihrer teilweise neuen und für den
Betrieb besonders entworfenen Teile keine Zeit zur Verfügung stand, vom Beginn des
Betriebes an sicher gearbeitet. Die Bedienung der Apparate und die Handhabung der
Büchsen ist so einfach, daß selbst in der ersten Betriebszeit von der noch
ungeschulten, technisch nicht vorgebildeten Bedienung nur selten Störungen durch
falsche Handgriffe verursacht worden sind.
Die Bedienung und Wartung der Gebläseanlage erstreckt sich in der Hauptsache auf den
elektrischen Teil; der mechanische Teil hat nur wenige Abnutzungs- und
Schmierstellen. Diese beschränken sich auf die eingekapselten Zahngetriebe und die
durchweg als Ringschmierlager ausgebildeten Lager der Gebläse und des
Antriebmotors.
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Abb. 13.Schaltung der Signale
Die Bedienungsvorschrift umfaßt außer den bekannten und allgemein giltigen
Vorschriften für den elektrischen Teil nur Vorschriften für das Einschalten bei
Beginn und das Ausschalten bei Beendigung der täglichen Betriebszeit. Beim
Einschalten werden die selbsttätigen Schaltvorrichtungen probiert.
Die Anlagekosten belaufen sich auf etwa 100000 M, davon entfallen rund 30000
M auf die Fahrrohre, 38000 M auf die Apparate, 12000 M auf die Maschinenanlage und
der Rest auf die Zubehörteile (Luftrohre, Signale, Büchsen usw.).
Im Vergleich zu anderen Fördervorrichtungen sind die Anlagekosten mit Rücksicht auf
den Umfang der Anlage als sehr mäßig anzusehen.
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Abb. 14a.Abstellvorrichtung
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Abb. 14b.Schnitt durch die Abstellvorrichtung
Wie schon erwähnt, stand zur Herstellung der Anlage nur eine kurze Zeit, etwa sieben
Monate, zur Verfügung, von der ein erheblicher Teil (drei Monate) in den
Kriegsanfang fiel. Daß die Anlage trotz allem in dieser kurzen Zeit hergestellt
worden ist, ist der Erbauerin, der Firma Paul Hardegen
& Co. in Berlin, als anerkennenswerte Leistung
anzurechnen, zumal, wenn man bedenkt, daß rund 1950 m Fahrrohr mit rund 155 Bogen
und Biegungen zu verlegen und 52 Apparate, die mit 9000 m Signalleitungen verbunden
sind, aufzustellen waren.
Mehr noch als die Bauausführung ist das bis jetzt vorliegende Betriebsergebnis von
der Ungunst der Zeiten beeinflußt worden. Ausgenommen sind die Stromkosten, die sich
bei einem Satz von 16 Pf./KWS (Gleichstrom) auf 2400 M für ein Betriebsjahr und auf
8 M für einen Betriebstag belaufen. Hierfür werden täglich rund 900 Büchsen
befördert, so daß für eine Büchse im Durchschnitt 5,55 Wattstunden zum Preise von
0,88 Pf. aufzuwenden sind. Das wirtschaftliche Ergebnis wird noch günstiger werden,
wenn die Anlage, deren Leistung sich um das Doppelte steigern ließe, voll benutzt
sein wird. Zurzeit ist der Anteil der Leerlaufsarbeit noch ziemlich groß.
Bei der günstigen Belastung, die ein Rohrpostgebläse wegen seiner Benutzung an den
Tagesstunden für den Stromlieferer hat, kann man im günstigen Falle, d.h. beim
Anschluß an ein großes Drehstromwerk mit einem erheblich niedrigen Strompreis
rechnen.
Die Rohrpost hat sich auch in diesem Falle als ein sehr wirtschaftlich arbeitendes
Fördermittel gezeigt und den viel verbreiteten Irrtum widerlegt, daß die Umsetzung
der elektrischen Kraft in Treibluft, wie sie die Rohrpost verlangt,
unwirtschaftlicher sei, als der unmittelbare elektrische Antrieb anderer
Fördermittel (z.B. von Aufzügen, Förderbändern und Seilposten).
Der große Umfang der Rohrpost im Nordstern-Hause und ihr großer Rohrdurchmesser legt
nur die Frage nahe, ob sie nicht wegen ihrer ungewöhnlichen Abmessungen und
Benutzungsweise als eine Einzelerscheinung anzusehen ist. Die bisherigen
Betriebsergebnisse, die sich, soweit sie den Geschäftsbetrieb durch die
Beschleunigung im Aktenverkehr günstig beeinflussen, nicht durch Zahlen erfassen
lassen, sind indes als so günstig anzusehen, daß man in allen Geschäftsbetrieben mit
einer großen Zahl von Einzelakten, hauptsächlich also bei allen Behörden und
Unternehmungen des Versicherungsbetriebes, sei es nun Alters-, Invaliden-, Lebens-,
Unfallversicherung usw., sich ihrer mit Vorteil bedienen wird.
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Abb. 15.Umschaltevorrichtung
Die baulichen Schwierigkeiten lassen sich bei Neubauten leicht überwinden. Zum
Unterbringen der wagerechten Strecken der Fahrrohre wird man bei der Bevorzugung des
Steildaches in der neuzeitlichen Baukunst stets Platz finden.
Auch der nachträgliche Einbau wird in den meisten Versicherungsgebäuden entgegen
aller baulichen Hemmnisse möglich sein, wenn man weniger hohe Ansprüche an die Raumwirkung stellt, als
dies in dem auf einer hohen künstlerischen Stufe stehenden Nordsternhause mit Recht
geschehen ist.
Das Verkleiden der zur Aufnahme der Fahrrohre dienenden Nischen mit Wänden, die in
der Ebene der Zwischenwände und daher als deren Fortsetzung erscheinen, ist nur bei
einem Bau von der Konstruktion des Nordsternhauses möglich, es liegt aber nichts im
Wege, die Rohre in vorhandenen Gebäuden vor den Wänden zu verlegen; die Verkleidung
an dem Apparat einer Stationsreihe würde dann als eine mehr oder weniger breite
Pfeilervorlage erscheinen.
Zum Schluß seien noch einige Angaben über die Abmessungen der Anlage gemacht:
Leistung jedes der beiden Gebläse 13 bis 15 m3/Min.,
Kraftbedarf 10 PS,
Umlaufzahl in der Minute 170 bis 200,
Luftspannung im Mittel 1500 mm WS,
Länge der Fahrrohre 1942 m,
Durchmesser der Fahrrohre 150 mm,
Laderaum der Büchse 400 × 120 mm,
Leergewicht der Büchse 1400 g,
Größtes Gewicht einer vollen Büchse 5400 g,
Zahl der täglich beförderten Büchsen 900 bis 1000.
Die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit ist 8 m/Sek.; die kürzeste Strecke von 24 m
der Station 1 wird in drei Sekunden, die längste der Station 17 in 17 Sekunden, also
mit 10 m/Sek., zurückgelegt. Die Länge der Rohre und die Fahrzeit ist in dem
Schaltbild (Abb. 6) bei jeder Einzelstation
eingetragen. Beispielsweise erfordert die Uebermittlung einer Büchse von der Station
1 zu Station 17 an Fahrzeit 20 Sekunden. Bei der Durchschnittslänge von etwa 70 m
ist zwischen zwei Einzelstationen eine Fahrzeit von 18 Sekunden aufzuwenden. An
Kürze der Fahrzeit wird die Rohrpost von keinem anderen Fördermittel im
Austausch von Schriftstücken innerhalb eines Gebäudes übertroffen.
Inhaltsübersicht.
Aus der Aufgabe und Benutzungsweise der Akten bei den Behörden und größeren
Unternehmungen werden die Gründe für und gegen die Anlage von Sammelarchiven oder
Verteilung der Akten auf die einzelnen Dienst- und Geschäftsstellen erläutert.
Aus der Art und Benutzungsweise der Akten einer Versicherungsgesellschaft wird die
Einrichtung eines Sammelarchivs begründet. Zur Verbindung des Archivs mit den
einzelnen Stellen sind Fördermittel, und zwar neben den senkrecht fördernden
Aktenaufzügen noch solche für eine wagerechte Beförderung erforderlich.
Es wird sodann behandelt:
1. Die Begründung der Wahl einer Rohrpost und Auswahl der Betriebsweise mit Druckluft
und Hin- und Zurückbeförderung in einem Fahrrohr aus den für eine Hausrohrpost
benutzbaren Betriebsweisen.
2. Die Entwicklung der Konstruktion der Büchse aus der Größe und dem Gewicht der
Aktenstücke und der Konstruktion der Apparate aus der Betriebsweise und der Form der
Büchse.
3. Die Schaltung und Ausführung des Rohrnetzes. Apparatgruppen in der Zentrale und
Einzelapparate der Stationsreihen. Kennzeichnende Stellen des Rohrnetzes.
4. Die Beschreibung der Maschinenanlage. Begründung der elektrisch und mechanisch
betätigten Regelung aus der Betriebsweise.
5. Zum Schluß werden Angaben über die Anlage- und Betriebskosten gemacht, und
Hinweise über die weitere Benutzung von Aktenrohrposten gegeben, sowie die
Hauptabmessungen angegeben.