Titel: | Zur Geschichte der Gleichstromdampfmaschine. |
Autor: | Ferdinand Strnad |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 117 |
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Zur Geschichte der
Gleichstromdampfmaschine.
Von Ferdinand Strnad in
Berlin.
STRNAD: Zur Geschichte der Gleichstromdampfmaschine.
In Dinglers polytechn. Journal 1915 S. 15, 51, 88 und 141 wurde die Frage
angeschnitten, wem die Erfinderschaft der sogenannten
„Gleichstromdampfmaschine“ zukomme.
Gleichstromdampfmaschinen nennt man solche, bei denen der Ein- und Austritt des
Arbeitsdampfes an die einander gegenüberliegenden Hubenden des Zylinders verlegt
sind. Der „Gleichstrom“ kommt am übersichtlichsten in der einfachwirkenden
Maschine zum Ausdruck, doch ist es naheliegend, zwei solche einfachwirkende
Maschinen zu einer doppeltwirkenden Gleichstromdampfmaschine zu vereinigen. Liegt
der Austritt in der Mitte, ist er also gemeinschaftlich für beide einander
entgegengesetzt gerichtete Maschinenseiten, so kann die Auslaßsteuerung durch den
entsprechend lang gebauten Arbeitskolben geschehen, wie dies durch die deutsche
Patentschrift 6470 vom 15. Februar 1879 von Joh. Mich.
Hack in Hamburg bekannt geworden ist. Da diese Patentschrift beim deutschen
Patentamte „ausverkauft“ ist, so soll sie nachstehend einschließlich der
Abbildungen Fig. 1 und
2 wiedergegeben
werden.
Der Inhaber dieser Patentschrift ist demnach, solange nicht etwa eine noch ältere
Quelle aufgedeckt wird, als der Erfinder des sogenannten „Gleichstromes“ bei
Dampfmaschinen anzusehen, bei welchem die Richtungsumkehr des Arbeitsdampfes im
Arbeitszylinder vermieden ist, wenn auch das Wort „Gleichstromdampfmaschine“
bekanntlich eine Prägung des bekannten Zivilingenieurs Prof. Stumpf in Berlin ist.
Verlegt man dagegen die Austrittstellen des Dampfes nach außen, und den Dampfzutritt
in die Mitte, so kommt man zu einer Anordnung nach Art der deutschen Patentschrift
86408 vom 11. August 1895 von John Smith Raworth in
Streatham (England). Abgesehen von der Verwendung der für hochüberhitzten Dampf
weniger geeigneten Korlißschieber verdient eine solche einfachwirkende
Verbund-Gleichstromdampfmaschine volle Beachtung, weil sie etwa halb so große
Schubkräfte im Gestänge bedingt als die doppeltwirkende einstufige Maschine,
und das Ueberströmrohr (Aufnehmer) zwischen beiden Zylindern eine bequeme und
einwandfreie Dampfentnahme gestattet. (Auch die deutsche Patentschrift 103 179 vom
28. Juli 1898 von Fritz Dürr in Berlin bringt eine
einstufig wirkende Verbunddampfmaschine.)
Einen Nachfolger findet die Konstruktion von John Smith
Raworth in der deutschen Patentschrift 224287 der Firma Kühnle, Kopp & Kausch
A.-G. vom 19. Mai 1909, welche die Korlißschieber durch Ventile ersetzt.
Die Hacksche Maschine zeigt bereits die Verwendung eines
Teiles vom Auspuffdampf für Nebenzwecke und die Auffüllung des schädlichen Raumes
durch den Restdampf, wobei der Einlaßschieber als Hilfsauslaßsteuerung dient.
In dem Sinne, wie die von Stumpf vorgeschlagene
Bezeichnung es ausdrückt, die rasch allgemein anerkannt wurde, ist der
„Gleichstrom“ das hervorstechendste Merkmal der im wesentlichen längst
bekannten Dampfmaschinenbauart, und Joh. Mich. Hack in
Hamburg fällt das Erstgeburtsrecht zu und nicht, wie irrtümlich behauptet
wurde,s. Z. d. V. d. I.
1909 S. 1561, Zuschrift von Ed. Winkler. dem Inhaber der
britischen Patentschrift 2132 vom Jahre 1886 von Leonard
Jennet Todd.
Schon die deutsche Zeitschrift „Zivilingenieur“ 1886 bringt einen Bericht von
Pröll über „schnellaufende Dampfmaschinen“,
der eine Dampfmaschine von Westinghouse mit durch die
Kolben gesteuerten Auslaßschlitzen, also mit „Gleichstrom“, bespricht und auf
Tafel XXIX in Zeichnung vorführt. Diese Konstruktion dürfte demnach noch älter sein
als die Toddsche.
Erwähnt sei hier nebenbei auch die deutsche Patentschrift 125773 vom 29. Mai 1898
(System Serpollet in Paris). Schon die deutsche
Patentschrift 42886 vom 2. August 1887 bringt den Vorschlag von Friedr. Wiske in Barmen, statt des langen Arbeitskolbens
in
PATENTSCHRIFT
1879. – No. 6470 – Klasse 14.
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JOH. MICH. HACK IN HAMBURG.
Dampfcylinder mit in seiner Längenmitte angebrachtem, vom
Arbeitskolben verschließbaren Dampfaustritt.
Patentirt im Deutschen Reiche vom 15. Februar 1879 ab.
Die in der beiliegenden Zeichnung veranschaulichte Dampfmaschine unterscheidet
sich von anderen Ausführungen dadurch, daß der Dampfcylinder in der Mitte einen
besonderen Austrittskanal für den Rückdampf außer den üblichen Dampfein- und
Austrittskanälen besitzt. Dieser neu hinzugekommene Austrittskanal wird indessen von
keinem von außen bewegten Steuerungsmechanismus beeinflußt, sondern es geschieht die
erforderliche Regulirung des Dampfaustrittes durch den die Arbeit verrichtenden
Kolben selbst.
Diese eigenthümliche Anordnung des Dampfaustrittskanales, welche dem zur Wirkung
gekommenen Rückdampf gestattet, während der Dauer des Hubwechsels durch den
vollständig geöffneten, verhältnißmäßig weiten Austrittskanal zu entweichen, soll
dazu dienen, eine Herabminderung des schädlichen Gegendruckes auf der jedesmaligen
Dampfaustrittsseite des Kolbens ohne Anwendung complicirter Steuerungsmechanismen
herbeizuführen. Um den beabsichtigten Zweck zu erreichen, ist es erforderlich, den
Dampfcylinder doppelt so lang als den einfachen Hub herzustellen und den
Arbeitskolben entweder so hoch wie eine Hublänge anzufertigen, oder, wie gezeichnet,
zwei Kolben in entsprechendem Abstande zu wählen.
In dem Aufriß, Fig. 1,
der gezeichneten Dampfmaschine befinden sich die Kolben auf der Mitte ihres Weges,
in dem Grundriß, Fig. 2,
in einer Endstellung, in welcher der Schieber s1 den Dampfeintrittskanal l1 um die Länge der Voreilung geöffnet
hat, und auf der entgegengesetzten Seite der Rückdampf größtentheils durch den
mittleren Austrittskanal a0 entwichen ist, so daß auf dieser Seite des Kolbens höchstens der
Atmosphärendruck der Arbeit des frischen Dampfes entgegenwirkt. Der Austrittskanal
a0 bleibt noch eine
kurze Zeit nach vollendetem Hubwechsel geöffnet, bis er von dem Kolben p2 geschlossen wird.
Der alsdann noch auf dieser Seite des Kolbens befindliche Rückdampf wird in
bekannter Weise durch den Dampfeintrittskanal l2 unterhalb des Schiebers s2 wieder zum Austrittskanal geleitet.
Kurz vor vollendetem Kolbenhub hat inzwischen der zweite Kolben p1 den mittleren
Dampfaustrittskanal a0
passirt, der Schieber s2 beginnt den Dampfeintrittskanal zu öffnen, und es wiederholt sich die
Dampfvertheilung für die zweite Periode einer Kurbelumdrehung in der vorhin
beschriebenen Weise.
Ganz besonders geeignet ist nach Ansicht des Erfinders die vorliegende Art der
Dampfvertheilung auch bei Dampfmaschinen mit Condensation, insofern als man den
durch den mittleren Austrittskanal a0 entweichenden Rückdampf zu Heizungszwecken
benutzen kann und alsdann nur den für diesen Zweck nicht absorbirten Dampf durch die
Kanäle a1 und a2 zur Condensation
leitet. Es wird bezweckt, durch diese Einrichtung den Bedarf an Condensationswasser
bedeutend herabzumindern, wodurch erreicht wird, daß die Kaltwasserpumpen sowohl als
auch die Luftpumpen bedeutend kleiner als sonst üblich angelegt werden können und
auf diese Weise die Mehrkosten für den Dampfcylinder und den unter Umständen
erforderlichen zweiten Dampfkolben mindestens compensirt werden, während die
Nutzbarmachung eines Teiles der Wärme aus dem Rückdampf und die Ersparnisse an
Condensationswasser direct die Betriebskosten ermäßigt.
PATENT-ANSPRUCH:
Die Construction eines Dampfcylinders an Dampfmaschinen derart, daß ein Theil des
Rückdampfes durch einen in der Mitte des Dampfcylinders angebrachten und vom
Arbeitskolben regulirten Kanal, der übrige Theil durch die in üblicher Weise
angebrachten Dampfvertheilungsorgane entweichen kann, in der Weise und für den
Zweck, wie im wesentlichen durch Zeichnung und Beschreibung erläutert ist.
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Hierzu 1 Blatt Zeichnungen.
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der Mitte des Zylinders einen gesteuerten Auslaßschieber anzubringen, der bei
jedem Hube zweimal öffnet und dem eigentlichen Gleichstrom in der Wirkung sehr nahe
kommt. Später brachte die britische Patentschrift 12066 vom Jahre 1909 der
Ingenieure Alex. Schultz und Emanuel Posmourny in Königrätz (Böhmen) den Ersatz des mittleren
Auslaßschiebers durch ein gesteuertes Ventil.
Die von H. Dubbel in D. p. J. 1915 auf S. 51 erwähnte
belgische Patentschrift 110187 vom 29. Mai 1894 von A. Rateau bringt nach obigem gegenüber der Hackschen Maschine vom 15. Februar 1879 im wesentlichen nichts Neues, obwohl
mit Recht hervorgehoben wird, daß Rateau bereits die
„Verminderung der Eintrittskondensation“ als wesentlichen Vorteil erkannt
und ausgesprochen hat.
Textabbildung Bd. 331, S. 119
JOH. MICH. HACK IN HAMBURG.Dampfcylinder mit in seiner Längenmitte
angebrachtem, vom Arbeitskolben verschließbaren Dampfaustritt.
Eine wesentliche Verbesserung durch gleichzeitige Heranziehung von vier wichtigen
Punkten, – nämlich: starker Dampfüberhitzung, hoher Spannung, kleinstem
schädlichen Raum und größtmöglicher Verdichtung – wurde durch die Patentschrift
164956 vom 20. Juni 1903 von Franz Horn in Lübeck
(Deckname für Karl Schmid in Landsberg a. W.)
bekannt.
Diese Patentschrift stellt die Anpassung des bekannten Gleichstromgedankens an die
Forderungen des hochüberhitzten Dampfes, und zwar in der einfachsten Form der
einstufig arbeitenden Maschine, so überzeugend und klar vor Augen, daß sie als ein
Markstein in der Geschichte der Gleichstromdampfmaschine anzusehen ist. Die
Hinzufügung der altbekannten strömenden Deckelheizung stellt sich als naheliegende
Zugabe dar.
Zum Beweise sei das Wesentliche der Beschreibung hier wiedergegeben:
„Vorliegende Erfindung betrifft eine Einrichtung an einem einseitig wirkenden
Dampfmotor zur Ausnutzung hoher Dampfspannungen bzw. hoher Dampftemperaturen in
einem Zylinder. Bekanntlich leiden alle Einzylindermaschinen an dem Uebelstande
der sogenannten Wärmewanderung, der Zylinderlauf nimmt im Beharrungszustand eine
mittlere Temperatur an, welche naturgemäß wegen der längeren Dauer der
Auspuffperiode stets der Auspufftemperatur näher liegt als der
Frischdampftemperatur. Die mittlere Temperatur der Zylinderwand gibt nun dem
einströmenden Frischdampf Veranlassung zur Kondensation, trocknet aber den Dampf
während der Expansions- und der Auspuffperiode. Diese Erscheinung ist
hinlänglich bekannt und führte zur Konstruktion der Drei- und
Vierzylindermaschinen, bei denen die Wärmewanderung infolge der gleichmäßigeren
Temperaturverhältnisse innerhalb der einzelnen Zylinder geringer ausfallen. Zur
Verminderung des schädlichen Einflusses dieser Wärmewanderungen hat man
neuerdings hochgradige Ueberhitzung des Arbeitsmittels angewendet, wodurchdie mittlere
Wandungstemperatur gehoben wird und der mit Wärmeüberschuß einströmende Dampf
keine Gelegenheit zur Kondensation findet. Die hohe mittlere Temperatur der
Wandungen läßt jedoch keine feuchte Expansion zu; man kann oft beobachten, daß
aus solchen mit Heißdampf arbeitenden Maschinen der Abdampf überhitzt entweicht,
was durchaus unwirtschaftlich ist. Es sind auch in der Praxis mit
Heißdampfmaschinen nur dort wirklich große Erfolge erzielt (4 kg Dampf p. PS i.
d. Std.), wo der Expansion im Heißdampfzylinder eine weitere im kühleren Mittel-
und Niederdruckzylinder folgte, also wieder nur bei
Mehrfachzylindermaschinen.
Aus allem geht aber hervor, daß ein Zylinderlauf weder zu warm noch zu kalt sein
darf; ein vollkommener Zylinder muß in jedem Augenblick sich der jeweiligen im
Zylinder herrschenden Temperatur genau anpassen.
Textabbildung Bd. 331, S. 120
Abb. 3.(Entnommen der deut. Patentschr. 164956)
Die vorliegende Erfindung bezweckt nun eine möglichste Annäherung an diesen
vollkommenen Zylinder, und es ist eine derartige Einrichtung in der Zeichnung
dargestellt.“
Diese Zeichnung ist in Abb. 3 dargestellt.
Weiter heißt es:
„Es empfiehlt sich, die Bohrung im oberen Teile etwas enger zu halten, da hier
infolge größerer Erwärmung die Ausdehnung stärker ist. Die einseitig wirkende
Maschine erhält 0,1 bis 0,2 Füllung, der Dampf wird durch ein im Deckel
angeordnetes Ventil zugeleitet, der Auspuff erfolgt durch einen in der Höhenlage
des unteren Totpunktes gelegenen Kanal, welcher durch zahlreiche Bohrungen mit
dem Zylinderinnern in Verbindung steht und durch Ueberlauf des Kolbens gesteuert
wird. Die Maschine arbeitet also mit etwa 95 v. H. Kompression, was bei der
folgenden Betrachtung der Vorgänge wesentlich ist.
Zum Verständnis der Wirkungsweise sei hier erwähnt, daß für die Vorgänge der
Wärmewanderung nur die innere, vom Dampf berührte Metallschicht in Frage kommt,
da die Temperaturschwankungen schnell erfolgen und ein tiefes Eindringen der
Wärme daher nicht möglich ist. Ferner sei erwähnt, daß einerseits die
Dampftemperatur von oben nach unten hin schnell abnimmt, andererseits die
Kompressionstemperatur von unten nach oben hin schnell anwächst.“
Und weiter: „Hierin liegt aber gerade die Annäherung an den vollkommenen
Zylinder, indem der Zylinder, weil die Wärmeleitung in den Wandungen parallel
zur Achse verhindert ist, sich besser als die aus einem Stück bestehenden
Zylinder der jeweilig herrschenden Temperatur anpassen kann. Unerwähnt darf
nicht bleiben, daß diese Annäherung in der Hauptsache nur durch die umfangreiche
Kompression erzielt werden kann; ein derartiger Zylinder mit langer
Auspuffperiode und kleiner Kompression würde sich viel ungünstiger
verhalten.“
Daß der Erfinder sich von der praktisch undurchführbaren Idee schwer trennen kann
„den Zylindermantel in eine größere Anzahl einzelner Ringe zu teilen“,
ändert nichts daran, daß der Kern der neuen Gleichstromdampfmaschine hier in klarer
Weise beschrieben, also vorweggenommen ist. Gerade dieser kleine Irrweg hat Gutes
geschaffen, indem dadurch auf die Bedeutung der sogenannten „Wärmewanderung“
aufmerksam gemacht wurde, die richtig angewendet einen ausschlaggebenden Erfolg
bedeutet. Man war gewöhnt, die „Wärmewanderung“ als etwas Verlustbringendes
anzusehen, was nur für die veraltete, heute als „Wechselstromdampfmaschine“
bezeichnete Bauart Anwendung finden kann. Bei der Karl
Schmidschen Bauart ist der Dampf, der vom heißen nach dem kalten
Zylinderende wandert, wie in einen warmen Pelz gekleidet; sie stellt eine
Mantelheizung mit abnehmender Temperatur dar.
Daß Karl Schmid in seiner Patentschrift 164956 zunächst
der so wichtigen Deckelheizung keine Beachtung schenkt, erklärt sich leicht aus
seinem Bestreben, den Dampf mit der praktisch möglichen, höchsten Ueberhitzung in
die Maschine zu bringen, wobei die stillschweigende Voraussetzung nicht überrascht,
daß der „Wärmeüberschuß“ des hochüberhitzten Dampfes für die vorteilhafte
Verwertung auch in der einstufigen Maschine ausreichen möchte, den
Feuchtigkeitsniederschlag zu verhindern. Daß Schmid,
Landsberg, sich besonders der Entwicklung der einseitig wirkenden
Gleichstromdampfmaschine gewidmet und darin Mustergültiges geleistet hat, ist
bekannt. Am 10. Juli 1909 erschien in der Z. d. V. d. Ing. ein Aufsatz von E. Rösler: „Die Gleichstromdampfmaschinen-Bauart Stumpf“.
Stumpf bedient sich aller der von Karl Schmid der Oeffentlichkeit geschenkten Erkenntnis und stellt zwei
solcher (einfachwirkender) Maschinen zu einer doppeltwirkenden zusammen. Während bei
der längst bekannten doppeltwirkenden Bauart bisher möglichst mit dem Maschinenhube
gespart wurde, wird hier der bei liegenden Maschinen allgemein verwendete längere
Hub beibehalten und dadurch ein ungewöhnliches Aussehen erzielt. Außerdem wird die
„neue“ Maschine mit der durch die Patentschrift 143466 vom 4. September
1901 von Blumenthal, Berlin, bekannt gewordenen
Steuerungsanordnung versehen, bei der ein auf der Maschinenwelle sitzendes Exzenter
vermittels Schwinghebels eine Kurvenschubstange betätigt, die parallelachsig über
dem Dampfzylinder angeordnet ist, was eine Ungleichheit der vorderen und hinteren
Zylinderfüllung bei Erwärmung des Zylinders zur Folge hat.
Rösler erklärt ganz richtig: „Mit der
Gleichstromdampfmaschine wird vor allem die Betriebsicherheit und wirtschaftlich
günstigste Ausnutzung hochüberhitzten Dampfes von hoher Spannung bezweckt“,
(wie es ja Karl Schmid schon bekannt gegeben hat). Damit
wird auf die vom praktischen Standpunkte ausschlaggebende Eigenschaft der
Gleichstromdampfmaschine hingeleitet, daß die Kolbenringe bei jedem Hube mit dem
kalten Teile des Dampfzylinders in ausgiebige Berührung kommen und infolgedessen
andererseits die zeitweilige Berührung mit dem heißen Zylinderende vertragen, ohne
daß das Schmieröl sich so zersetzt, daß die Ringe sich verkleben würden. Um dies zu
erreichen, muß die Laufbüchse des Zylinders ungeheizt bleiben, während das Kopfende
des Zylinders so kräftig als möglich geheizt wird.
Verstärkt wird die Kühlung der Kolbenringe dadurch, daß am äußeren Umfange des
Kolbens die Kühlung von der Kondensation her (durch die Zylinderwandung) wirkt und
den Ringen zu gute kommt. Man hat das spöttisch als „kalten Umschlag“
bezeichnet, doch beweist das nur Mangel an Verständnis, denn die Kolbenringe müssen
unbedingt gekühlt werden, während man die Stirnseiten des Kolbens ebenso heizen kann
wie die Zylinderdeckel (s. D. R. G. M. 455610 vom 7. Februar 1911 von Strnad und deutsche Patentschrift 257676 vom 15. Januar
1912 der Deutschen Maschinenfabrik A.-G., Duisburg).
Würde man den Zylindermantel heizen, so würde sich die Erfahrung wiederholen, die an
der bekannten Kerchove-Dampfmaschines. Z. d. V. d. Ing. 1903 S. 1281: M. Schröter und Dr.-Ing. A. Koob. gemacht wurde, wobei die mit Mantelheizung
versehene Maschine bei hoher Ueberhitzung ein verblüffend gutes Ergebnis aufweist,
was sich einige Stunden lang während des Versuches aufrecht erhalten läßt, aber für
den Dauerbetrieb unbrauchbar ist.
Wenn die von Karl Schmid bekannt gegebenen, von Stumpf mit praktischem Blick erkannten und mit Erfolg
verwerteten Verbesserungen der alten Gleichstromdampfmaschine anfangs heftig
bekämpft wurden, so liegt dies zum Teil an dem Mißtrauen, das stets dem das
Vorhandene bedrohenden Neuartigen entgegengebracht wird, und zum Teil an der für
unser Empfinden etwas zu „amerikanischen“ Reklame bei der Einführung. Die Stumpfsche Hilfsvorstellung, bei welcher der Arbeitsdampf
in getrennten Schichten von trockenem und immer nässer werdendem Dampf dargestellt
wird, ist nicht wissenschaftlich, die schematische Darstellung des Zylinders, bei
der alle zum Betriebe einer Maschine nötigen Nebenteile weggelassen werden, und der
Vergleich von einstufigen mit vierstufigen Arbeitsdiagrammen, wobei die ersteren mit
kleinstem schädlichen Raum, hoher Ueberhitzung und kleinstem Gegendruck, die
letzteren aber mit sehr großen schädlichen Räumen, Sattdampf und schlechtem Vakuum
gedacht sind, erinnern zu sehr an die bekannte Anpreisung
„Schnellbetrieb“.
Die „strömende Heizung des Dampfzylinders“ wurde schon von Watts. C. Matschoß: „Die Entwicklung der
Dampfmaschine“, 1. Bd. S. 347: „Wattsche Dampfmaschine 1776“. eingeführt. Hier war
sie noch nicht lebensfähig, denn der Zuleitungsdampf, der selbst gesättigt oder
schon feucht, einen Teil seiner Eigenwärme hergeben soll, um den Arbeitsdampf zu
verbessern, kann diesen Zweck nicht erfüllen.
Die „strömende Deckelheizung“, und zwar mit getrennten Ein- und
Auslaß-Korliß-Schiebern im Deckel, finden wir in der deutschen Patentschrift 10192
vom 27. Mai 1879 von George Henry Corliss. Dieser Umstand
scheint in Vergessenheit geraten zu sein, da man sich meist begnügt, auf die spätere
Ausnutzung derselben Schieberanordnung von Farcot in
Paris zu verweisen, der mit Einzylindermaschinen solcher Bauart vorzügliche
Ergebnisse erzielte.
Die guten Ergebnisse der Gleichstromdampfmaschine hatten zur Folge, daß von
gegnerischer Seite behauptet wurde, man könne mit getrennten Ein- und Auslaßorganen
und gewöhnlichen kurzen Zylindern das Gleiche erzielen. Erreicht wurde dies bisher
nicht, oder nur annähernd, und der Abstand dürfte noch deutlicher hervortreten, wenn
die anfangs an der Gleichstromdampfmaschine begangenen Fehler vermieden werden.
Daß sorgfältig hergestellte Kolbenschieber (auch „Kolbenventile“ genannt) auch
im hochüberhitzten Dampf gute Dienste leisten, ist durch die Kerchove-Maschine bewiesen, und zwar auch bei der für heutige Ansprüche
entschieden veralteten Anordnung im Zylinderdeckel, die den Dampfkolben schwer
zugänglich macht. Dabei wurde allerdings mäßige Kompression angewendet.
Kein glücklicher Griff von Stumpf war es,
Doppelsitzventile im Deckel anzuordnen, der durch die hohe Kompression einer
stoßweise ansteigenden und abnehmenden Temperatur von 600 bis 700° C ausgesetzt ist,
die eine Verzerrung der Wandungen zur Folge hat. Der erfahrene Konstrukteur weiß,
daß schon bei Anwendung von Sattdampf zwei in verschiedenen Ebenen liegende
Ventilsitze niemals gleich dicht sind (woran auch die Spielerei mit sogenannten
„elastischen“ Ventilen kaum etwas ändern dürfte), und ein annähernd
befriedigendes Ergebnis ist erfahrungsgemäß nur mit einem Ventilkorbe zu erreichen,
der das Ventil vom Zylinderkörper möglichst unabhängig macht. Durch Weglassung des
Ventilkorbes erzielt man lediglich ein einfacheres Aussehen auf der Zeichnung.
Da es genügend bekannt ist, daß man die Ventile auch am Zylinder selbst mit kleinstem
schädlichen Raum unterbringen kann, so bevorzugen erfahrene Firmen diese Anordnung,
und zwar um so mehr, als sich bei ausgeführten Gleichstromdampfmaschinen gezeigt
hat, daß die Maschine bei voller Kompression stößt, wenn der schädliche Raum kleiner
als etwa 2½ v. H. ausgeführt wird. Da eine Hilfssteuerung für Rückführung der
Restdampfmenge (bei dauernder Arbeit mit Auspuff) doch stets vorhanden sein sollte,
so hat man dann die Möglichkeit, den schädlichen Raum wirklich auf das äußerste einzuschränken,
wenn man gleichzeitig die Kompression ein wenig heruntersetzt.
Bessere Dichtheit ergibt das „Tellerventil“, wobei für kleine Ausführungen ein
Sitz genügt, während bei größeren Maschinen zwei Sitze in einer Ebene zu empfehlen
sind.
Ein weiterer Mißgriff von Stumpf war die Anwendung der
bekannten Zuschalträume für die Vergrößerung der schädlichen Räume bei Arbeit mit
Auspuff. Diese Einrichtung wurde von mir seinerzeit als „Notbehelf für
vorübergehende Anwendung“ bekannt gegeben,s. Z. d. V. d. Ing. 1900 S. 30.
welchen Zweck sie vollständig erfüllt hat. Dagegen ist der Dampf verbrauch mit
zusätzlichem schädlichen Raum so groß, daß gute Firmen den Bau von
Gleichstromdampfmaschinen mit zusätzlichem schädlichen Raum für dauernde Arbeit mit
Auspuff ablehnen.
In Amerika wurden von den Dickson Lokomotive Works
Lokomotiven nach Gleichstromsystem gebaut, bei denen die Kolbenschiebersteuerung
zugleich als Hilfsauslaßsteuerung dient (s. Railroad-Gazette vom 5. August 1898 und
14. Juni 1901, „Erfindung von William F. und Eugene W. Cleveland“s. auch Glasers
Annalen 15. September 1912. S. 103. Prof. Obergethmann, „Die Lokomotiven auf der Weltausstellung in
Brüssel“.. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß diese
Lokomotiven wesentlich sparsamer arbeiten als die mit unnötig großem schädlichen
Raum.
Der sogenannten „abgestuften“ Heizung dürfte ein Vorteil kaum
nachgewiesen werden können, sie kommt nur für Sattdampf in Betracht, macht den
Zylinder viel schwerer und teuerer, und die Wirkung kann durch die schon bewährte
„Wärmewanderung“ viel besser erreicht werden.
Die Wirkung der doppeltwirkenden Gleichstromdampfmaschine käme noch besser zur
Geltung, wenn die Baulänge des Zylinders noch etwas größer gehalten würde, wobei
jede Kolbenringreihe in ihrer besonderen Laufbüchse arbeiten könnte und das
Ausbohren des Zylinders wesentlich erleichtert wäre.
Eine besondere Beachtung verdient, wie schon oben erwähnt wurde, die einfachwirkende
zweistufige Gleichstromdampfmaschine.
Die Prioritätsfrage dürfte nach Obigem dahin zu entscheiden sein, daß Joh. Mich. Hack in Hamburg der Erfinder der
Gleichstromdampfmaschine ist, während A. Rateau schon auf
die Verminderung der Eintrittskondensation aufmerksam gemacht, jedoch erst Karl Schmid in Landsberg a. W. wirklich aufklärend
gewirkt hat. Auch die Stumpfsche geschäftliche Ausnutzung
hat anregend gewirkt und dadurch mittelbar den Fortschritt gefördert. Bei neueren
Konstruktionen tritt das Bestreben zutage, schwere Versündigungen gegen die
Grundsätze der technischen Wärmelehre zu vermeiden, z.B. den heißen Zuleitungsdampf
und den kalten Auspuffdampf durch denselben Kanal zu führen oder das Ein- und
Austrittsventil unmittelbar nebeneinander oder gar in demselben Raum
unterzubringen.