Titel: | Zuschriften an die Redaktion. |
Autor: | R. Vater |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 177 |
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Zuschriften an die Redaktion.
(Ohne Verantwortung der Redaktion.)
Zuschriften an die Redaktion.
Die mit „spezifisch“ gebildeten
physikalischtechnischen Fachausdrücke.
In den Sitzungen der „Rheinisch-Westfälischen Gesellschaft für die exakten
Wissenschaften“ vom 11. Januar und 12. April 1916 in Essen berichtete
Professor Kahle-Bochum über die Vorschläge, die in Band
330 von Dinglers polytechnischem Journal zur Ausmerzung einiger mit
„spezifisch“ gebildeten physikalischen Fachausdrücke gemacht worden sind.
Die Anregung ist ausgegangen von Geheimrat Professor Vater in Berlin, der folgende Abänderungen vorschlug (S. 306 und 307):
Spez. Volumen = Kilogramm-Volumen (kg-Vol.),
Spez. Druck = Quadratmeter-Druck (qm-Druck),
Spez. Gewicht = Kubikmeter-Gewicht (cbm-Gew.) oder
Liter-Gewicht (lit-Gew.),
Spez. Dampfmenge = Trockendampfgewicht,
Spez. Wärme = Ein-Grad-Wärme (1°-Wärme).
Zu diesen Vorschlägen hat sich S. 385 Geheimrat Prof. Dr. Scheel in Berlin-Dahlem dahin geäußert, daß er in denjenigen Fällen den
Zusatz „spezifisch“ beibehalten wissen möchte, in denen er auf eine
Materialeigenschaft hinweist, also bei spezifischem Gewicht, spezifischer Wärme und
spezifischem Leitungswiderstand. Dagegen seien Ausdrücke wie spezifischer Druck und
spezifische Drehzahl (einer Turbine) abzulehnen, da sie mit den verwendeten Stoffen
keinerlei Beziehungen ergäben. In demselben Sinne spricht sich Seite 423 Professor
Dr. K. Schreber in Aachen aus, der schon seit 1905 in
seinen Vorlesungen den unklaren Ausdruck „Spezifische Dampfmenge“ durch
„Trockenheitszahl“ ersetzt hat, deren Ergänzung zu 1 dann die
„Nässezahl“ des Dampfes bildes.
Der Berichterstatter weist darauf hin, daß die Bezeichnung „spezifisch“ in allen Fällen ganz unzulänglich ist, denn das Material,
dessen Eigenart gekennzeichnet werden soll, werde doch immer noch hinzugefügt, und
damit sei das Flickwort „spezifisch“ überflüssig gemacht. Das Bezeichnende
und Wichtige für alle diese Ausdrücke sei vielmehr, daß in allen Fällen eine gewisse
Einheit zugrunde gelegt werde, worauf die betreffende
physikalische Eigenschaft bezogen werde, z.B. beim spez. Gew. das ccm, bei der spez.
Wärme das g und 1°. Diese Einheit habe Vater bei
seinen Vorschlägen hinzugefügt und dadurch die Begriffe klargestellt. Die von ihm
gewählten Einheiten, Kilogramm, Quadratmeter, Kubikmeter und Liter seien wohl für
die Technik geeignet, dagegen würde es für wissenschaftliche Untersuchungen
vorzuziehen sein, die Zahlen auf das C-G-S-System zu beziehen und überall das Gramm
und das Zentimeter zugrunde zu legen. Er schlägt vor, deshalb die Einheit ganz
wegzulassen und zu schreiben:
Spez. Gewicht = Raumeinheit-Gewicht,
Spez. Wärme = Gewichtseinheit-Wärme 1°,
Spez. Volumen = Gewichtseinheit-Raum,
Spez. Druck = Flächeneinheit-Druck,
Spez. elektr. Widerstand = Würfelwiderstand.
Bei dem letzten Ausdruck war die Erklärung bisher um so
verwickelter, da zwei Einheiten verschiedener Länge dabei in Frage kamen, nämlich
als Länge das m und als Querschnitt das qmm. Daneben hat man aber bereits in der
Wissenschaft sich auf eine Einheit, das ccm, beschränkt,
was die Bezeichnung „Würfelwiderstand“ rechtfertigen würde.
Von einem Mitgliede der Gesellschaft wurde an den vom Berichterstatter gemachten
Vorschlägen bemängelt, daß es beim Sprechen grammatisch möglich sei, den Ausdruck
„Einheit“ sowohl mit dem ersten, wie dem letzten Hauptwort zu verbinden,
so daß statt eines Raumeinheit-Gewichtes sich ein Raum-einheitgewicht ergäbe, was
keinen Sinn hat. Es wäre also besser, den Ausdruck „Einheit“ an die Spitze
der Wörter zu setzen und zu schreiben „Einheitraumgewicht“. Damit würde auch
der Vorschlag Vaters ergänzt, wenn man schreibe: 1°-Wärme
des Einheitsgewichtes.
Von dem stellvertretenden Vorsitzenden, Dipl.-Ing. Reisner-Essen, wurde ferner darauf hingewiesen, daß die Ausmerzung der
Ausdrücke mit dem Zusatz „spezifisch“ jedenfalls schon deshalb auf große
Schwierigkeiten stoßen würde, weil dieselben meistens international geworden
seien.
Wie nun aus den sechssprachigen „illustrierten technischen Wörterbüchern von Deinhardt und Schlomann“ zu ersehen ist, gibt es über 25 mit „spezifisch“
gebildete physikalisch-technische Fachausdrücke, von denen zum Teil die
allgemein bemängelte Tatsache gilt, daß in ihnen der Zusatz „spezifisch“
nicht auf eine Materialeigenschaft hinweist, also
gegenstandslos ist. Allerdings befinden sich unter den fremdländischen auch bereits
Ausdrücke, die auf die gewählte Einheit hinweisen, z.B. pressure per unit area,
pression unitaire, pression de portée par unité de surface, also gerade bei dem
Ausdruck, an dem überhaupt nichts „spezifisches“ zu entdecken ist. Aber auch
bei anderen viel gebrauchten Ausdrücken hat man das ewige „Spezifisch“ als
schleppend empfunden und gebraucht gravity neben specific density, conductivity
neben specific electric conductance, resistivity (résistivité) neben specific
electric resistance. Unüberwindliche Schwierigkeiten würden also der Ausmerzung des
ungeeigneten Ausdruckes „spezifisch“ auch in den anderen Fällen wohl nicht
entgegenstehen, und es wäre zu begrüßen, wenn die wertvollen Anregungen Vaters nicht ungehört verhallten.
Professor Kahle.
Aus den Sitzungsberichten der „Rheinisch-Westfälischen Gesellschaft für die
exakten Wissenschaften“ habe ich zu meiner Freude ersehen, daß meine
Anregungen bezüglich möglichster Ausmerzung des häßlichen Wortes „spezifisch“
auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Ich möchte es absichtlich unterlassen, mich
über die in den Sitzungsberichten angeführten Vorschläge zu äußern, da die
Angelegenheit wohl noch im Fluß ist. Nur eine kurze Feststellung sei mir gestattet:
Auf Grund des infolge meiner Anregung entstandenen Gedankenaustausches, hatte ich
meinen damaligen Vorschlag „qm-Druck“ selber fallen gelassen und dafür auch
meinerseits sehr bald den in dem Sitzungsbericht angeführten Ausdruck
„Flächeneinheitsdruck“ gewählt. In meinem bereits fertig gedruckten, in
Kürze erscheinenden Bändchen „Technische Wärmelehre“ der Sammlung „Aus
Natur und Geisteswelt“ (Leipzig, B. G. Teubner) ist dieser Ausdruck an
Stelle des sonst üblichen „spezifischen Druckes“ durchweg angewendet.
R. Vater.