Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Eckstein |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 226 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Die Pflicht des Maschinenbestellers zum Deckungskauf.
Wenn der Besteller einer Maschine vom Lieferanten im Stich gelassen wird, so kann er
natürlich das ganze Geschäft hinfällig sein lassen, oder sich mit einer späteren
Lieferung zufrieden geben, außerdem Vergütung für Verzugschaden verlangen.
In den meisten Fällen aber wird der Besteller die nicht gelieferte Maschine unbedingt
benötigen und er würde, wenn er sich nicht anderweitig die Maschine verschafft,
einen großen Schaden erleiden. Ist er unter diesen Umständen verpflichtet, sie
sich anderweitig zu beschaffen, oder darf er abwarten, daß der Schaden entsteht, und
dann von dem Lieferanten Schadenersatz verlangen?
Während für den umgekehrten Fall, nämlich für den Fall, daß jemand eine Waare
verkauft hat und der Käufer sie nicht abnimmt, das Handelsgesetzbuch im § 373
eingehende Vorschriften hat, sind für unseren Fall keine Bestimmungen
vorgesehen.
Es bleibt daher bei den allgemeinen Bestimmungen, insbesondere bei der
grundlegenden Bestimmung über den Vertrag, nach der beide Parteien Versatz und grobe
Fahrlässigkeit zu vertreten haben. Es besteht also keine gesetzliche Pflicht, im
Interesse des säumigen Lieferanten die Entstehung eines Schadens zu verhüten, indem
der Besteller sich durch einen Deckungskauf sichert.
Trotzdem muß man annehmen, daß eine solche Pflicht besteht. Durch den Abschluß eines
Vertrages werden zwischen den Parteien nicht nur diejenigen Pflichten und Rechte
begründet, die unmittelbarer Gegenstand des Vertrages sind, d.h. Lieferung, Ort der
Lieferung, Zeit der Lieferung, Zahlung des Entgeltes, Verzinsung des Entgeltes bei
Zahlungsverzug usw., sondern es werden viel weitergehende Rechte und Pflichten
begründet. Die Parteien, die zueinander in einem Vertragsverhältnis stehen, stehen
gleichzeitig auch zueinander in einem Vertrauensverhältnis, und so wie der Lieferant
dem Besteller gegenüber verpflichtet ist, dessen Interessen nach jeder Richtung hin
wahrzunehmen, so wird man auch umgekehrt, wenngleich dieser Fall selten ist, den
Besteller in gleicher Weise für verpflichtet halten müssen, für die Interessenten
des Lieferanten zu wirken.
Der Besteller muß damit rechnen, daß dem Lieferanten ein großer Schaden entsteht,
wenn er, der Besteller, die Möglichkeit eines Deckungskaufes versäumt, wenn er
sieht, daß der Lieferant nicht das Seinige tut, um ihm die Maschine zu verschaffen.
Er muß dann also damit rechnen, daß der Lieferant seinerseits erwartet, der
Besteller werde sich anderweitig sichern.
In diesem Falle darf der Besteller nicht zusehen, wie der Schaden, den er später von
dem Lieferanten ersetzt verlangen kann, immer größer wird, sondern er muß nach
Kräften dafür sorgen, daß der Schaden nach Möglichkeit vermindert wird. Die Pflicht
zum Deckungskauf ist folglich eine Vertragspflicht, und die Verletzung würde als
eine Verletzung der Vertragspflicht anzusehen sein, die denjenigen, der diese
Pflicht verletzt, dem anderen Teile gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet. Mit
anderen Worten: Wenn der Besteller einer Maschine die Gelegenheit zu einem
Deckungskauf versäumt, wenn er sich nicht durch einen Deckungskauf sichert und
dadurch den Schaden größer werden läßt, als er sonst geworden wäre, so hat er den
gesammten entstandenen Schaden mit verschuldet, insoweit er den normaler Weise
entstandenen Schaden übersteigt.
Es liegt hier das sogenannte Rechtsverhältnis des mitwirkenden Verschuldens vor, das
nach § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dahin geregelt ist, daß der Schaden in
angemessener Weise auf beide Parteien verteilt wird, je nach dem Maße, nach dem sie
an der Entstehung des Schadens Schuld haben. Der Lieferant, der in Verzug gekommen
ist, hätte also in solchen Fällen nur den Schaden in der Höhe zu ersetzen, wie er
entstanden wäre, wenn der Besteller die Gelegenheit eines Deckungskaufs benutzt
hätte.
So hat auch kürzlich das Reichsgericht entschieden, daß einen Käufer, der beim
Nichtliefern seines Lieferanten sich nicht eindeckt, mitwirkendes Verschulden
trifft, und daß er nur einen Teil des Schadens von dem Lieferanten ersetzt
verlangen kann (vgl. Juristische Wochenschrift 1910 S. 448).
In welcher Weise ist der Besteller zur Vornahme des Deckungskaufs verpflichtet?
Wenn oben ausgeführt, daß der Deckungskauf im Interesse des Verkäufers, der vor der
Entstehung eines zu großen Schadens behütet werden soll, geschieht, so darf dieser
Grundsatz doch nicht kritiklos allgemein erweitert werden. Der Käufer, der sich
durch einen Deckungskauf sichert, handelt im eigenen Interesse, nicht ausschließlich
im Interesse des Verkäufers. Er deckt sich, um sich selbst vor einem weiteren
Schaden zu schützen, ganz unabhängig davon, ob und mit welchem Erfolge er diesen
Schaden vom Lieferanten ersetzt verlangen kann.
Die Pflicht zur Interessenwahrnehmung besteht ausschließlich in der Pflicht zur
Ausübung des Deckungskaufs überhaupt. Die Art, wie der Deckungskauf zu erfolgen hat,
steht nicht unter diesem selben Gesichtspunkt. Der Deckungskäufer kann die
Interessen seines Lieferanten unberücksichtigt lassen, nur arglistig oder fahrlässig
verletzen dürfte er sie nicht.
Dieser Grundsatz ist in der Rechtsprechung auch allgemein anerkannt (vgl. z.B. die
Reichsgerichtentscheidung Juristische Wochenschrift 1897 S. 243 und Entscheidungen
Bd. 15 S. 72).
Hat zum Beispiel der Käufer nach zwei Seiten hin Gelegenheit zum Deckungskauf, und
ist die eine Gelegenheit für seinen Verkäufer, der ja zum Ersatz des Schadens
verpflichtet ist, wesentlich günstiger als die andere Möglichkeit, so darf der
Deckungskäufer trotzdem nach der anderen Möglichkeit greifen, wenn er hier die
größere Zuversicht einer rechtzeitigen Lieferung hat, während er nach der anderen
Richtung hin im Zweifel wäre.
Andererseits hat er aber die allgemeine Pflicht, den Deckungskauf überhaupt im
Interesse des säumigen Verkäufers vorzunehmen, das wirkt auch zurück auf die Art,
wie der Deckungskauf zu erfolgen hat. Ist die Pflicht, den Deckungskauf vorzunehmen,
eine Pflicht, im Interesse des Verkäufers einen weiteren Schaden zu verhüten, so muß
auch der Deckungskauf selbst nach Treu und Glauben vor sich gehen; er muß so
erfolgen, daß der Lieferant, der zum Ersatz des Schadens verspflichtet ist, in
möglichst geringem Maße zu leiden hat.
Der Deckungskäufer muß daher so vorgehen, wie es dem redlichen Handelsverkehr
entspricht, wie es von einem ordentlichen Kaufmann verlangt werden kann. Wie gesagt,
braucht der Deckungskäufer sein eigenes Interesse nicht in den Hintergrund treten zu
lassen. Wo aber eigene Interessen garnicht geschädigt werden können, da wird er auch
das Interesse des Verkäufers wahrnehmen müssen. Mit anderen Worten: Er hat die
Pflicht, so weit es ihm zuzumuten ist, die günstige Gelegenheit zu einem
Deckungskauf wahrzunehmen.
Es kann ihm natürlich nicht zugemutet werden, wer weiß wie viel Kraft darauf zu
verwenden, um zu untersuchen, welche Gelegenheit zum Deckungskauf für ihn die günstigere
wäre. Er braucht nur das zu tun, was einem redlichen Geschäftsmann zugemutet werden
kann.
Ist es aber offenbar, daß ein bestimmter Kauf unvernünftig wäre, so darf er diese
Gelegenheit eines Deckungskaufes nicht wahrnehmen, so lange ihm eine andere
Gelegenheit offensteht (vgl. Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Bd. 25 S.
6).
Dr. jur. Eckstein.