Titel: | Resonanz bei Treibriemen. |
Autor: | P. Stephan |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 296 |
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Resonanz bei Treibriemen.
Von Professor P. Stephan, Altona.
STEPHAN: Resonanz bei Treibriemen.
Manche Treibriemen laufen auffällig unruhig und rutschen auf der kleineren
Scheibe beständig hin und her; der Uebelstand steigert sich bei stark und häufig
wechselnder Belastung bisweilen bis zum Abfallen des Riemens von den Scheiben.
Gewöhnlich wird die Ursache in allen möglichen Nebenumständen gesucht, und
tatsächlich wird sie auch sicher verstärkt durch die ungleiche Dehnung einzelner
Riementeile, so daß er an der balligen Scheibe ungleichmäßig anliegt, oder durch die
schiefe Stellung der beiden Wellen gegeneinander. Die eigentliche Ursache liegt
jedoch tiefer. Sie ist eingehend von Röhrich in der
Zeitschrift für Mathematik und Physik 1912 untersucht worden, ohne daß die Arbeit in
den beteiligten Fachkreisen Beachtung gefunden hat. Die betreffende Rechnung möge
deshalb zum Teil hier mit geringen Verbesserungen wiederholt und an einem Beispiel
durchgeführt werden.
Es sei
D1
= 3,5 m der äußere Durchmesser der Schwungradriemenscheibe einer
Dampfmaschine,
D1' = 3,35 m der Schwerpunktdurchmesser
des Schwungringes,
G1' = 3000 kg das auf den
Schwerpunktdurchmesser bezogene Gewicht des Schwungrades,
g = 9,81 m • sek–2 die Erdbeschleunigung,
J1
das Trägheitsmoment der Antriebscheibe,
M1
das wechselnde Antriebmoment der Dampfmaschine zu einem bestimmten Zeitpunkt t,
R1
= ½ D1 der
Halbmesser der Antriebscheibe,
n1
= 125 die Drehzahl des Schwungrades,
N1
= 185 PS die Nutzleistung der Dampfmaschine,
D2
= 0,7 m der Durchmesser der Riemenscheibe einer Dynamomaschine,
D2
= 0,62 m der Schwerpunktdurchmesser des Ankerringes der Dynamo,
G2' = 715 kg das auf den
Schwerpunktdurchmesser bezogene Gewicht des Ankers einschließlich der
Riemenscheibe,
J2
das Trägheitsmoment der angetriebenen Scheibe,
M2
das gleichbleibende widerstehende Moment der Dynamomaschine,
R2
= ½ D2 der
Halbmesser der angetriebenen Scheibe,
n2
= 540 die Drehzahl der Dynamo,
N2
= 115 KW die Nutzleistung der Dynamo,
η2
= 0,905 der Wirkungsgrad der Dynamo,
F = 30 • 0,6 cm2 der mittlere Querschnitt des über beide
Scheiben gelegten Treibriemens,
α = 1 : 5000 cm2/kg die mittlere Dehnungsziffer bei der in
Frage kommenden Belastung für einen „Prima“ eichenlohe gegerbten
Treibriemen aus Leder,
l = 5,323 m die freie Länge der
Riementrümer zwischen den beiden Scheiben,
ω1
= 3,656 der auf der Antriebscheibe vom Riemen umfaßte Winkel in Bogenmaß,
ω1' = 0,0444 der sogenannte Auspreßwinkel
auf der Antriebscheibe,
ω2
= 2,627 der auf der Dynamoscheibe vom Riemen umfaßte Winkel,
ω2' = 0,455 der Auspreßwinkel auf der
angetriebenen Scheibe,
Ψ = 0,951 eine
Berichtigungszahl,
σ1
die Zunahme der Riemenspannung im gezogenen Trum gegenüber der bei ruhendem
Trieb,
σ2
die Abnahme der Riemenspannung im losen Trum gegenüber der bei ruhendem
Trieb.
Dann berechnen sich die Trägheitsmomente beider Wellen zu
J_1=\frac{{G_1}'}{g}\cdot\left(\frac{{D_1}'}{2}\right)^2=\frac{3000}{9,81}\cdot\left(\frac{3,35}{2}\right)^2=858\
\mbox{mkg}\cdot\mbox{sek}^2
J_2=\frac{{G_2}'}{g}\cdot\left(\frac{{D_2}'}{2}\right)^2=\frac{715}{9,81}\cdot\left(\frac{0,62}{2}\right)^2=7\
\mbox{mkg}\cdot\mbox{sek}^2
das mittlere Antriebmoment der Dampfmaschine zu
M_{1m}=\frac{716,2\cdot N_1}{n_1}=\frac{716,2\cdot 185}{125}=1152\
\mbox{mkg},
das widerstehende Moment der getriebenen Welle zu
M_2=\frac{974\cdot N_2}{n_1\cdot \eta_2}=\frac{974\cdot 115}{540\cdot
0,905}=230\ \mbox{mkg},
die Spannungänderungen im Betriebe bei Drehung der Welle
1 um einen kleinen Winkel \overline{\omega_1} und der zugehörigen
Drehung der Welle 2 um den kleinen Winkel \overline{\omega_2}
zu
\sigma_1=\frac{R_1\,\overline{\omega_1}-R_2\,\overline{\omega_2}}{\alpha\,l_1}
\sigma_2=\frac{R_1\,\overline{\omega_1}-R_2\,\overline{\omega_2}}{\alpha\,l_2}
Hier bedeuten l1, l2 die reduzierten Trumlängen:
l_i=l+R_i\,{\omega'}_i+\frac{\Psi}{2}\,R_i\,(\omega_i-{\omega'}_i)
die den Zahlenwert
l_1=5,323+1,75\cdot 0,0444+0,951\cdot \frac{1}{2}\cdot 1,75\cdot
3,612=8,408\ \mbox{m},
l_2=5,323+0,35\cdot 0,455+0,951\cdot \frac{1}{2}\cdot 0,35\cdot
2,172=5,843\ \mbox{m},
annehmen.
Die Differentialgleichungen der Bewegung lauten dann:
J_1\cdot\frac{d^2\,\overline{\omega_1}}{dt^2}
=+\ M_1-F\,(\sigma_1+\sigma_2)\cdot R_1
=+\ M_1-\frac{F\cdot R_1}{\alpha}\cdot
(R_1\,\overline{\omega_1}-R_2\,\overline{\omega_2})\cdot\left(\frac{1}{l_1}+\frac{1}{l_2}\right),
J_2\cdot\frac{d^2\,\overline{\omega_2}}{dt^2}
=-\ M_2+\frac{F\cdot R_2}{\alpha}\cdot
(R_1\,\overline{\omega_1}-R_2\,\overline{\omega_2})\cdot\left(\frac{1}{l_1}+\frac{1}{l_2}\right),
Nach Trennung der Variablen beschränken wir die Untersuchung auf die eine der beiden
Gleichungen, weil ja nur die Bewegungsverhältnisse der Welle 2 zu untersuchen sind.
Dann erhalten wir für die Winkelbeschleunigung
u=\frac{d^2\,\overline{\omega_2}}{dt^2} die
Differentialgleichung mit
\frac{d^2u}{dt^2}+B_1\cdot u=B_2\cdot M_1-B_2\cdot
M_2\,\frac{R_1}{R_2}
mit
B_1=\frac{1}{\alpha}\cdot F\,{R_1}^2\cdot
\left(\frac{1}{l_1}+\frac{1}{l_2}\right)\cdot\left(\frac{1}{J_1}+\frac{1}{J_2}\cdot
\frac{{R_2}^2}{{R_1}^2}\right).
B_2=\frac{1}{\alpha}\cdot F\cdot R_2\cdot R_1\cdot
\left(\frac{1}{l_1}+\frac{1}{l_2}\right)\cdot \frac{1}{J_1\cdot J_2}.
Das veränderliche Antriebmoment der Welle 1 kann nun mit beliebiger Genauigkeit durch
eine Fouriersche Reihe angenähert werden. Ist T1 sek die
Periodendauer der Aenderung von M1, so lautet die Reihe
M_1
={M_1}^0+{M_1}'\cdot \mbox{cos}\,\left(\frac{2\,\pi
t}{T_1}+\beta_1\right)+{M_1}''\cdot \mbox{cos}\,\left(\frac{4\,\pi
t}{T_1}+\beta_2\right)+...
={M_1}^0+\Sigma\,{M_1}^{(i)}\cdot \mbox{cos}\,\left(\frac{2\,\pi
t}{T_1}\cdot i+\beta_1\right).
Die Lösung der obigen Differentialgleichung zweiter Ordnung ohne die Störungsfunktion
auf der rechten Seite ist:
u={C_1}'\cdot\mbox{cos}\,t\sqrt{B_1}+{C_2}'\cdot\mbox{sin}\,t\sqrt{B_1}.
Mit Berücksichtigung der Störungsfunktion erhält man
hieraus
u={C_1}'\cdot \mbox{cos}\,t\sqrt{B_1}+{C_2}'\cdot
\mbox{sin}\,t\sqrt{B_1}+\frac{B_2}{B_1}\cdot \left({M_1}^0-M_2\cdot
\frac{R_1}{R_2}\right)
+\Sigma\,{M_1}^{(i)}\cdot
\mbox{cos}\,\left(\frac{2\,i\,\pi\,t}{T_1}+\beta_i\right)\cdot
\frac{B_2}{2\,\left(B_1-\left(\frac{2\,i\,\pi}{T_1}\right)^2}\right)
und dann durch nochmalige Integration als
Winkelgeschwindigkeit w der Welle 2 zu einer beliebigen
Zeit t zwischen 0 und T1
w=C_1\cdot \mbox{sin}\cdot
t\sqrt{B_1}-C_2\cdot\mbox{cos}\,t\sqrt{B_1}+\frac{B_2}{B_1}\cdot\left({M_1}^0-M_2\cdot\frac{R_1}{R_2}\right)\cdot
t
+\Sigma\,\frac{{M_1}^{(i)}\cdot
B_2\cdot\frac{T_1}{2\,\pi\,i}}{2\,\left(B_1-\left(\frac{2\,\pi\,i}{T_1}\right)^2}\right)}\cdot
\mbox{sin}\,\left(\frac{2\,i\,\pi\,t}{T_1}+\beta_i\right)+C.
Hierin ist C = w0 die zur Zeit 0
bestehende Winkelgeschwindigkeit. Das dritte Glied der Gleichung verschwindet für
den Beharrungszustand, der allein in Frage kommen soll, da natürlich für den
Unterschied der beiden Riemenspannkräfte die Beziehung
F\cdot (\sigma_1-\sigma_2)=\frac{{M_1}^0}{R_1}=\frac{M_2}{R_2}
gelten muß. Die ersten beiden Glieder stellen die
Eigenschwingungen der Welle 2 dar, deren Amplituden C1 und C2 nur klein sein können und die durch die
Lagerreibung und sonstigen Widerstände schnell gedämpft werden. Das Summenglied
enthält die erzwungenen Schwingungen. Nach Wiedereinsetzung der Werte von B1 und B2 geht somit die obige
Gleichung für den Beharrungszustand über in
w=w_0+\Sigma\,\frac{{M_1}^{(i)}T_1\,\mbox{sin}\,\left(\frac{2\,i\,\pi\,t}{T_1}+\beta_1\right)}{4\,\pi\,i\,k},
wo der Faktor des Nenners
k=\frac{J_1\,R_2}{R_1}+\frac{J_2\,R_1}{R_2}-\left(\frac{2\,\pi\,i}{T_1}\right)^2\,\frac{\alpha\,J_1\,J_2}{F\,R_1\,R_2}\
\frac{l_1\,l_2}{l_1+l_2}
gesetzt ist.
Die Schwankungen in der Winkelgeschwindigkeit, also auch der Ungleichförmigkeitsgrad
der getriebenen Welle werden sehr groß, sobald sich für irgend ein ganzzahliges i der Nennerwert k der
Null nähert. Im Fall, daß der Nenner gleich Null wird, tritt Resonanz der
Schwingungen auf, die unter allen Umständen vermieden werden muß.
Die Bedingung für die Resonanz läßt sich schreiben
\left(\frac{1}{l_1}+\frac{1}{l_2}\right)\cdot
\left(\frac{1}{J_1\cdot\left(\frac{R_2}{R_1}\right)^2}+\frac{1}{J_2}}\right)\cdot
{R_2}^2=\frac{\alpha}{F}\cdot\left(\frac{2\,\pi\,i}{T_1}\right)^2.
Für das gewählte Beispiel muß demnach sein mit T_1=\frac{60}{115}=0,522\
\mbox{sek}:
\left(\frac{1}{8,408}+\frac{1}{5,843}\right)\cdot
\left(\frac{5^2}{858}+\frac{1}{7}\right)\cdot 0,35^2\lessgtr
\frac{\left(\frac{2\cdot\pi}{0,522}\right)^2\cdot i^2}{5000\cdot 30\cdot
0,6},
0,00612\gtrless 0,00161\cdot i^2 oder
3,80<1\cdot 2^2
Die Verhältnisse des betreffenden Triebes sind also recht
ungünstig, da er nur noch etwa 5 v. H. von der Resonanz in der zweiten Harmonischen
entfernt ist.
Eine Verbesserung ist nur auf zwei Wegen möglich. Nicht zum Ziel führt die
Veränderung der Periodendauer T1 etwa dadurch, daß man die Antriebsmaschine etwas
langsamer laufen läßt und dafür die Riemenscheibe der getriebenen Welle entsprechend
verkleinert, denn das Verhältnis beider Seiten der obigen Ungleichung wird dadurch
nur unwesentlich beeinflußt, weil nur das Uebersetzungsverhältnis R2 : R1 eine entsprechende
Aenderung erfährt und alles andere unverändert bleibt. Man kann also nur die den
Riemen betreffenden Größen F und α ändern. Bekanntlich formt auch oft das Auflegen eines
stärkeren Riemens den unruhigen Lauf in einen hinreichend ruhigen um; allerdings
würde im Fall des Beispiels eine Verstärkung um ½ mm das Uebel nur verschlimmern,
und erst eine Vergrößerung der Riemendicke um 1½ mm würde eine geringe Verbesserung
bewirken. Einfacher und billiger ist es, statt eines naß vorgestreckten
„Prima“ lohgaren Riemens einen aus dem dehnbareren Kernleder oder
Chromleder von gleicher Stärke zu nehmen oder auch einen wesentlich steiferen
Baumwolltuchriemen. Es ist also zur Vermeidung der Resonanz durchaus nicht nötig,
einen elastischeren Riemen zu wählen, wie häufig angenommen wird, sondern ein
steiferer, sogar ein Stahlband ist oft vorteilhafter.
Ueber die Größe des Ungleichförmigkeitsgrades der getriebenen Welle wird aus der
vorstehenden Rechnung keine Angabe erhalten. Röhrich hat
die fragliche Ermittlung für ein bestimmtes Beispiel durchgeführt, doch ist das
Verfahren leider so umständlich, daß es für die Zwecke der technischen Praxis
unbrauchbar ist. Es genügt auch für die meisten Fälle zu wissen, daß bei
hinreichendem Abstand von der Resonanz der Ungleichförmigkeitsgrad sicher kleiner
ist als der der treibenden Welle, oft nur halb so groß. Dagegen sollte die Prüfung,
ob der betreffende Riementrieb hinreichend weit von der Resonanz entfernt ist, bei
größeren schnellaufenden Trieben immer vorgenommen werden.