Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Eckstein |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 324 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Der Schutz gegen Unrichtigkeit fremder
Patentschriften. A erwirkt ein Patent und eine Patentschrift, in der
gewisse Vorzüge und Abweichungen von einer verwandten Erfindung eines B
hervorgehoben werden. Die Folge ist, daß in dem Interessentenkreise auf Grund dieser
Patentschrift sich das Interesse der Erfindung des A zuwendet und von der des B
abwendet, so daß der wirtschaftliche Wert der Erfindung des B wesentlich
beeinträchtigt werden kann.
Sind die Angaben der Patentschrift richtig, so ist eben die Erfindung B von der
Erfindung A überholt, der Wertverlust der Erfindung B liegt in der Natur der Sache,
und B muß sich damit abfinden. Wie aber, wenn diese Angaben nicht völlig der
Wahrheit entsprechen, wenn gegenüber der Erfindung des A immer noch Vorzüge der
Erfindung des B bleiben, die in der Patentschrift nicht zum Ausdruck kommen, so daß
die Patentschrift zur Irreführung der Interessentenkreise geeignet ist?
Es wäre hart für B, sollte ihm hiergegen kein Rechtsschutz zustehen.
Selbstverständlich hat er dann einen Schadensanspruch gegen A, wenn dieser arglistig
gehandelt hat, aber mit diesem sehr hypothetischen Anspruch ist ihm in der Praxis
nicht viel gedient; einmal sind solche Fälle nicht gar so häufig gegenüber den
gutgläubigen Fällen, und dann ist der Nachweis eines Handelns wider besseres Wissen
oft sehr schwer. Das Rechtsgefühl verlangt nach einem weiteren Schutze.
Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Cassel (Entscheidungen der
Oberlandesgerichte Bd. 28 S. 53) scheint dem Geschädigten jeden Rechtsschutz zu
versagen. Es führt aus, daß der Patentanmelder ja nur den Entwurf einer
Patentschrift einreicht, daß das Patentamt nach freiem Ermessen diesen Entwurf
verwerte, und sodann die Patentschrift von sich aus verfaßt, daß sie somit
Gegenstand eines öffentlich rechtlichen Aktes und damit der Verfügung Privater
entzogen wird.
Dieser Satz ist an sich unbestreitbar, und es kann sein, daß durch eine unsachgemäße
Fassung des Klageantrages in diesem besonderen Falle die Klage gegen den
Patentinhaber mit Recht abgewiesen ist. Die weitere Tatsache aber, daß das Gericht
nicht in anderer Weise Schutz gewährt, nicht selbst die Stellung eines richtigen
Antrages veranlaßt und nicht einmal den Weg gewiesen hat, wie der geschädigte
Erfinder zu seinem Recht kommt, spricht dafür, daß das Gericht überhaupt keinen
Schutz für gegeben hält, und diesem Standpunkt muß widersprochen werden.
Zweifelhaft mag es sein, ob bei bloßer Fahrlässigkeit ein Schadensanspruch gegen den
Erfinder A gegeben ist. Das Bürgerliche Recht schützt im § 823 nur die fahrlässige
Schädigung durch Verletzung bestimmter Rechtsgüter, und die Rechtsprechung neigt
dazu, ob mit Recht ist sehr fraglich, jede allgemeinere Vermögensschädigung durch
bloße Fahrlässigkeit ohne Rechtsschutz zu lassen, und die Schädigung des Erfinders B
muß, gleichviel, ob seine Erfindung durch ein Patent oder Gebrauchsmuster geschützt ist oder
nicht, als bloße allgemeine Vermögensschädigung, nämlich als Beeinträchtigung der
wirtschaftlichen Ausnutzbarkeit der Erfindung angesehen werden.
Das bezieht sich aber nur auf die Erwirkung der Patentschrift. Erlangt A nachträglich
Kenntnis von der Unrichtigkeit der Patentschrift, und nutzt er weiterhin diese von
ihm selbst erwirkte Patentschrift für sich aus, so liegt in dieser Fortsetzung der
Ausnutzung trotz des Bewußtseins der Schädigung des B eine sittenwidrige
Geltendmachung von Befugnissen und eine sittenwidrige Schädigung des B, die nunmehr
zum Schadensersatz gemäß § 826 BGB verpflichtet.
Allerdings kann ihm nicht zugemutet werden, die Patentschrift überhaupt nicht mehr zu
verwenden, zumal er überhaupt auf die Verbreitung der Patentschrift keinen
entscheidenden Einfluß hat, wohl aber kann er eine Berichtigung der Patentschrift
erwirken, und auf diese Weise eine weitere Schädigung des B verhindern. Die
Schädigung des ß besteht in der Existenz der unrichtigen oder irreführenden
Patentschrift, der Schadensersatz kann durch Beseitigung dieser unrichtigen
Patentschrift geleistet werden, und es hat darum doch wohl der Geschädigte einen
Anspruch auf Veranlassung der Berichtigung durch die Stellung der geeigneten Anträge
beim Patentamt.
Ob der Geschädigte selbst beim Patentamt eine Berichtigung veranlassen kann, kann
dahingestellt bleiben, jedenfalls erreicht er auf Grund eines Antrages oder
Einverständnisses des A sein Ziel weit schneller und sicherer als durch den
unmittelbaren Versuch der Veranlassung der Berichtigung beim Patentamt. Es kann also
unbedenklich einer Klage des Geschädigten gegen den Patentinhaber auf Veranlassung
der Berichtigung stattgegeben werden.
Ist dagegen der Patentinhaber an der Unrichtigkeit der Patentschrift nicht schuld,
und ist die Unrichtigkeit vielmehr auf das Patentamt selbst zurückzuführen, so
braucht er nichts zu veranlassen, und der Geschädigte kann sich dann nur an das
Patentamt selbst wenden.
Dr. jur. Eckstein.