Titel: | Deutsche Schrift. |
Autor: | Paul Sahlmann |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 7 |
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Deutsche Schrift.
Von Ingenieur Paul
Sahlmann, Berlin.
SAHLMANN: Deutsche Schrift.
Wenn auch ein Ende des Krieges noch nicht abzusehen ist, wenn auch die
Umstellung von der Kriegswirtschaft auf die Friedenswirtschaft noch die Lösung
mancher schwierigen Aufgabe nötig machen wird, so beschäftigt man sich doch schon
heute in weiten Kreisen der deutschen Industrie mit der kommenden Friedensarbeit.
Ohne die Bedeutung des heimischen Marktes zu verkennen, denkt man hauptsächlich über
die Mittel und Wege nach, die erforderlich sein werden, um den Absatz im Auslande
wieder zu gewinnen. Man weiß, daß es nicht einmal leicht sein wird, sich in den
befreundeten und verbündeten Staaten den Markt zu sichern und ist darauf gefaßt, daß
das Zurückdrängen des wirtschaftlichen Gegners auf den neutralen, besonders den
überseeischen Märkten schwere Kämpfe kosten wird. Daß die deutsche Industrie und der
deutsche Handel leistungsfähig und kräftig genug sein werden, jeden Wettbewerb stand
zu halten, daran dürfte in Deutschland selbst niemand ernstlich zweifeln. Mag auch
eine mehrjährige Unterbindung des Verkehrs Deutschland gegenüber anderen, vom Kriege
weniger schwer betroffenen Industriestaaten benachteiligt haben, so ist doch zu
erwarten, daß eine überlegt durchgeführte Werbearbeit ihm den verlorenen Markt
zurückgewinnen wird, zumal wenn diese in der Leistungsfähigkeit der deutschen
Industrie den nötigen Rückhalt hat.
Diese Werbearbeit wird aber in gewisser Weise leichter sein als früher. In der Zeit
ihrer Entwicklung konnten deutsche Industrieerzeugnisse zunächst nur durch
Vermittlung eingeführter Industriestaaten den Weg ins Ausland finden und sie
sind oft genug, noch bis in die letzte Zeit hinein, unter der Flagge dieser Staaten
dorthin gegangen. Erst mit der Zeit und begünstigt durch die als vernichtendes
Kampfmittel gedachte englische Vorschrift, die durch die Worte „Made in
Germany“ gekennzeichnet ist, ist die deutsche Industrie selbständiger im
Auslande aufgetreten. Heute werden ihre Erzeugnisse dort bereits vermißt. Hat man
auch unter dem Zwange der Verhältnisse zu anderen greifen müssen, hat man sich
häufig genug auch an diese gewöhnt, so wartet man doch mit einer gewissen Spannung
darauf, daß und wie deutsche Erzeugnisse wieder erscheinen werden. Sie brauchen
nicht mehr unter irgend einer Maske aufzutreten, sondern können sich getrost als
deutsche zeigen und gleichsam ausrufen: „Hier sind wir und so sind wir!“ Daß
sie genügend Beachtung finden, dazu werden die verdoppelten Anstrengungen der
Eindringlinge in die deutschen Absatzgebiete schon mithelfen.
Dieser Umstand, der die Werbetätigkeit für die deutsche Industrie erleichtert, sollte
gleichzeitig Veranlassung sein, nun alles abzustreifen, was an die frühere
Abhängigkeit von anderen Industrieländern erinnert. Dazu gehört nicht zum wenigsten
der Gebrauch fremder Sprachen und Schriften. Bisher waren Drucksachen für das
Ausland, Preislisten, Beschreibungen, Empfehlungen, Aufschriften auf Packungen,
Gebrauchsanweisungen usw. je nach dem Bestimmungslande in englischer oder
französischer Sprache
gehalten. Wollte man ein übriges tun, so wandte man wohl auch die Sprache des
Bestimmungslandes an. Trat daneben einmal die deutsche Sprache auf, so galt es als
selbstverständlich, daß sie in lateinischen Schriftzeichen gedruckt sein mußte.
Heute hat die deutsche Industrie das englische oder französische Aushängeschild
nicht mehr nötig. Warum soll sie es nicht beseitigen, gerade jetzt, wo die
Gelegenheit günstig ist? Deutsche Drucksachen auch für das Ausland sollte die Regel
sein und wenn das nicht ausreichend ist, deutsch und die
fremde Landessprache. Die deutsche Sprache sollte aber überall angewendet werden uni
selbstverständlich auch die deutsche Schrift, damit man schon von weitem erkennt:
Das ist deutsches Erzeugnis, das stammt aus dem Lande, dessen Volk im Kampfe gegen
die Welt siegreich durchgehalten hat, dessen Industrie auch in langen, schweren
Kriegsjahren auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit geblieben ist.
Wird bei der Wiedergabe von Firmenbezeichnungen, von Namen, bei gedruckten
Briefköpfen, Rechnungen usw., auf Packungen, in Druckschriften, kurz, überall wo
sich Gelegenheit bietet, die deutsche Schrift an Stelle der bisher benutzten
lateinischen verwendet, so sind die Firmen, die diese Schriften benutzen, die
Erzeugnisse, die sie tragen, leicht als deutsche zu erkennen. Abgesehen von den
nordischen Staaten, in denen die gleichen Schriftzeichen heute noch größere
Verbreitung haben, sind ja in den Industrieländern die Zeichen der deutschen
Druckschrift, wenn auch nicht unbekannt (man vergleiche zum Beispiel die Köpfe der
Zeitungen „Times“ und „Temps“), so doch durchaus ungebräuchlich. Ob es
nach dem Kriege noch möglich sein wird, das mit lateinischen Lettern gedruckte
„Made in Germany“ weiter als Kennzeichen deutscher Waren zu benutzen,
steht dahin, ganz abgesehen davon, daß es heute schon von Firmen des feindlichen
Auslandes benutzt wird, um deutschen Ursprung ihrer Waren vorzutäuschen. Die
allgemeinere Anwendung der deutschen Schrift kann uns aber das Ausland so schnell
nicht nachmachen, selbst wenn es wollte.
Unter deutscher Schrift im Sinne dieser Ausführungen sind alle diejenigen
Druckschriften zu verstehen, die in den Listen und Druckproben der
Schriftgießereien und Druckereien als Frakturschriften bezeichnet werden. So
verschieden sie auch in Schnitt und Charakter sind, so weit sie sich auch im
einzelnen den Grundformen der lateinischen Schrift nähern oder von diesen entfernen,
eigentümlich ist ihnen allen, daß bei den kleinen Buchstaben stets, bei den großen
vielfach die weichen Rundungen durch Winkel und Ecken ersetzt sind. Im übrigen ist
die Auswahl unter ihnen so groß, daß jede Industriefirma etwas ihr Zusagendes
darunter finden kann, ohne auf die charakteristischen Eigentümlichkeiten der
deutschen Druckschrift verzichten zu müssen.
Wohl ist vor dem Kriege mit mancherlei Gründen ein Feldzug gegen die deutsche Schrift
auch in Deutschland geführt worden. Wer aber berücksichtigt, daß die Anwendung
deutscher Schriftzeichen im Auslande eine Reklamewirkung haben kann, die weit besser
ist, als die des oft versteckt angebrachten „Made in Germany“ jemals sein
konnte, der wird schon aus diesem Grunde für die Erhaltung und Pflege der deutschen
Schrift eintreten. Wort und Bildmarken zur einheitlichen Kennzeichnung deutscher
Erzeugnisse, über deren Festsetzung sich zudem nur sehr schwer eine Einigung
erzielen lassen würde, können nachgemacht oder es können an ihrer Stelle zum
Verwechseln ähnliche Marken zu Täuschungszwecken verwendet werden. Deutsche Schrift
dagegen wird auch den Käufern deutscher Erzeugnisse bald etwas Vertrautes sein und
in Ländern, in denen die lateinische Schrift seit Jahrhunderten eingeführt ist, so
leicht nicht nachgemacht werden.
Deshalb sollte sich die deutsche Industrie rechtzeitig entschließen, die
Reklamewirkung der deutschen Schrift nach Möglichkeit auszunutzen, um so mehr, als
dadurch der Absatz im Inlande in keiner Weise beeinträchtigt wird. Deutsche Schrift
gehört auf deutsche Erzeugnisse, deutsche Sprache in alle Auslandsdrucksachen neben
die Sprache des Einfuhrlandes, wenn schon eine fremde Sprache notwendig ist.
Englisch und Französisch als Sprache der Druckschriften in Ländern, die ihre eigene
Landessprache haben, sind eben so wenig angebracht wie lateinische Schriftzeichen
dort, wo besser deutsche stehen könnten.