Titel: | Rechts-Schau. |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 13 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Technik und Warenumsatzsteuer. Das
Warenumsatzsteuergesetz unterwirft einer Besteuerung von eins auf Tausend die Summe
aller Zahlungen, die ein Gewerbetreibender im Laufe eines Kalenderjahres für die im
Betriebe seiner inländischen Niederlassung gelieferten Waren erhalten hat. Jeder
Gewerbebetrieb untersteht damit der Besteuerung, nicht etwa nur die Kreise der
Kaufleute (Händler); unerheblich ist es, ob jemand eine Ware als solche erwirbt und
weiter handelt oder ob er sie selbst aus Rohstoffen oder aus Halbfabrikaten erzeugt;
Industrie, Handel, Gewerbe sind einander völlig gleichgestellt.
Aber nicht alle Geschäfte eines gewerblichen Betriebes sind steuerpflichtig, sondern
nur die Warenlieferungsgeschäfte. Das ist für die Technik, insbesondere für die
Maschinenindustrie von besonderer Wichtigkeit, weil sich viel Aufträge nicht als
Warenlieferungen erweisen, sondern als sogenannte Werkverträge. Die Rechtslage wird
dadurch noch verwickelter, daß ein großer Teil technischer Aufträge weder reine
Lieferungsnoch reine
Werkverträge sind, sondern in der Mitte stehen (Werklieferungsvertrage).
Der Lieferungsvertrag unterscheidet sich von dem Werkvertrage dadurch, daß er eine
fertige oder herzustellende Ware zum Gegenstande hat, die als solche den Besitzer
wechselt, ohne daß eine besondere Arbeitsleistung für den Vertrag wesentlich ist.
Bei dem Werkvertrag dagegen steht die Arbeitsleistung als solche im Vordergrunde,
jedoch nicht in der Weise, deß es wie beim Dienstvertrag auf die Aufwendung an
Arbeit ankommt, sondern auf das Produkt der Arbeit, das übrigens nicht immer
körperlicher Art zu sein braucht (z.B. Transport einer Maschine, Begutachtung der
Leistungsfähigkeit einer Anlage usw.). Reine Werkverträge sind: Veränderungen und
Ausbesserungen von Maschinen und technischen Anlagen, Montageaufträge, Bearbeitung
von Materialien, bei denen die technische Leistung an sich Gegenstand des Vertrages
ist, ohne sich mit einer Lieferung zu verbinden.
Werklieferungsverträge haben zunächst eine reine Werkleistung zum Gegenstande, an die
sich dann aber die Lieferung knüpft; Herstellung von Gegenständen und deren
Lieferung. Hierher gehören die zahllosen Aufträge zur Konstruktion einer Maschine
oder Anlage für bestimmte Zwecke nach bestimmten Anordnungen des Bestellers.
Juristisch genommen steht die Werkleistung im Vordergrunde, und juristisch müssen
diese Verträge daher auch als Werkverträge angesprochen werden; wirtschaftlich
genommen ist die Werkleistung nur vorbereitende Maßnahme, während es den Parteien
nur auf die Lieferung selbst ankommt. Diese Verträge werden darum auch vom
bürgerlichen Recht im wesentlichen dem Kaufrecht unterstellt und zutreffend
Werklieferungsverträge genannt.
Wie verhält sich nun das Warenumsatzsteuergesetz zu diesen Vertragsarten?
Auch für das Warenumsatzsteuergesetz steht die wirtschaftliche Bedeutung der Verträge
im Vordergrunde, und es werden darum die Werklieferungsverträge ausdrücklich den
Warenlieferungen gleichgestellt und genauer dahin bestimmt: Den Warenlieferungen
stehen Lieferungen aus Werkverträgen gleich, wenn der Unternehmer das Werk aus von
ihm zu beschaffenden Stoffen herzustellen verpflichtet ist, und es sich hierbei
nicht bloß um Zutaten oder Nebensachen handelt.
Besondere Schwierigkeiten machen die technischen Verträge, die in der Lieferung von
Maschinen oder technischen Anlagen bestehen, die aber gleichzeitig in Grundstücke
oder Gebäude einzumontieren sind (ähnlich bei der Lieferung von Ersatzteilen, die in
eine schon bestehende Maschine oder Anlage einzufügen sind). Die Tatsache, daß die
zu liefernden Gegenstände, Maschinen, Anlagen usw. Bestandteile einer anderen Sache
werden sollen, schließt die Tatsache eines Lieferungsvertrages nicht aus.
Auch wenn der Unternehmer die Einmontierung übernimmt, kann sehr wohl der Vertrag im
wesentlichen ein Lieferungsvertrag sein, der durch die Nebenverpflichtung der
Einmontierung zu einem gemischten Vertrage wird, ohne seinen Charakter als
Lieferungsvertrag zu verlieren. Sowie aber die Einmontierung Hauptbestandteil des
Vertrages ist und es den Parteien auf Herstellung einer betriebsfertigen Maschine
oder Anlage ankommt, dann ist die Lieferung der noch nicht einmontierten und damit
unfertigen Sache nur eine Vorbereitungshandlung, mag sie an Wert auch die Kosten der
Einmontierung weit übertreffen.
Auf das Wertverhältnis kommt es nicht entscheidend an, sondern auf das Interesse der
Parteien, und spricht dieses dafür, in der Einmontierung nicht nur eine
Nebenverpflichtung, sondern die eigentliche Vertragserfüllung zu sehen, so ist der
Vertrag ein Werkvertrag und nicht ein Werklieferungsvertrag. Für die Beurteilung ist
dabei wohl am entscheidendsten, ob eine wesentliche Verbindung mit dem Grund und
Boden oder Gebäude oder einer anderen Anlage erforderlich ist – der bloße Anschluß
an eine Triebwelle oder an ein elektrisches Kabel würde natürlich nicht ausreichen –
und ob die Verbindung auf eine beträchtliche Zeit gewollt ist und ob die Maschine
oder Anlage unabhängig von der Einfügung in den dafür bestimmten Ort nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten selbständige Bedeutung hat, insbesondere in jeden
anderen Betrieb paßt und die Loslösung von dem Aufstellungsort ohne ungewöhnliche
Schwierigkeiten und Kosten möglich ist. Die Grundsätze über die Eigenschaft als
wesentliche Bestandteile sind dabei wohl im weitestgehenden Maße zu berücksichtigen,
ohne jedoch allein entscheidend zu sein.
Nach diesen Grundsätzen sind die Zahlungen für gelieferte Maschinen, technische
Anlagen usw. zu versteuern. Bei den gemischten Verträgen – Lieferung nebst
Einmontierung – die durch die Nebenverpflichtung nicht zu reinen Werkverträgen
werden, ist von dem Gesamtpreis, wenn die Kosten der Einmontierung nicht besonders
vereinbart sind, ein angemessener Teil des Preises als Entgelt für den reinen
Werk-Nebenvertrag in Abzug zu bringen.
Der Gewerbetreibende ist befugt, an Stelle der Zahlungen für gelieferte Ware auch die
Ware nach Maßgabe des vereinbarten Preises zu versteuern. Das hat dann den Vorteil,
daß die eingehenden Zahlungen für Lieferungen aus Verträgen, die vor dem 1. Oktober
1916 geschlossen sind, nicht mit versteuert werden müssen, aber auch den Nachteil,
daß sie steuerpflichtig sind, unabhängig von dem tatsächlichen Eingange des
vereinbarten Preises.
Die Steuer auf Grund früherer Verträge hat der Unternehmer als Lieferant zu
entrichten, er ist aber berechtigt, den Lieferungspreis um den Betrag der Steuer zu
erhöhen und damit die Steuer auf den Besteller abzuwälzen, ohne daß dieser wegen der
Preiserhöhung zum Rücktritt befugt ist.
Dr. jur. Eckstein.
Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige. Auf der am
26. September 1916 in Berlin abgehaltenen 7. Hauptversammlung der Vereinigung
beeidigter Sachverständiger der Provinz Brandenburg e. V.
wies der Schriftführer, Beratender Ingenieur V. B. I. Kurt
Perlewitz, auf die Handhabung und verschiedene Auslegung der neuen
Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige seitens der Gerichte hin. Besonders
gibt die Handhabung des § 3 Abs. 2 (schwierige Sachprüfung) und des § 4 Abs. 1
(Bewilligung des „üblichen Preises“) häufig zu Beschwerden Anlaß. So werden
zum Beispiel die „Gebührenordnung der Architekten und Ingenieure“ bzw. deren
Stundensätze von 20 bzw. 5 M von manchen Gerichten noch immer nicht als „üblicher
Preis“ anerkannt, obwohl diese Sätze seit 28 Jahren bestehen und heute von
60000 Mitgliedern zahlreicher technischer Vereine und Verbände als Norm anerkannt
sind, die nicht nur von Sachverständigen im privaten Verkehr gefordert, sondern auch
von Firmen, welche sachverständige Beratung in Anspruch nehmen, an Sachverständige
bezahlt wird. Diese ablehnende Haltung der Gerichte ist um so weniger zu verstehen,
als der Justiz-Ministerialerlaß vom 24. November 1915 als „üblichen Preis“
ausdrücklich diejenige Vergütung bezeichnete, die der Sachverständige für seine
Leistung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens im freien Verkehr beanspruchen
könnte.
Der Vortragende gab zu den einzelnen Streitpunkten Winke für zweckmäßige Formen
der Begründungen von Forderungen und Beschwerden, die sich in der Praxis bereits
bewährt haben, und führte eine Reihe wichtiger Entscheidungen höherer Instanzen an,
auf welche sich Sachverständige berufen können.
Zum Teil tragen die Sachverständigen selbst Schuld an der ungleichmäßigen Behandlung
der Gebührenrechnungen durch die Gerichte, da viele in Unkenntnis ihrer rechtlichen
Ansprüche zu geringe Sätze fordern und dadurch bei den Gerichten den Anschein
erwecken, als seien diese niedrigen Sätze im privaten Verkehr die Norm und die
höheren Sätze (5 M pro Stunde) Ausnahmepreise. Hier macht sich der fehlende
Zusammenschluß aller beeidigten Sachverständigen zur Wahrung ihrer Interessen schwer
fühlbar. Die Vereinigung beeidigter Sachverständiger und
der Verband Deutscher Gutachterkammern (Geschäftsstelle
Berlin-Friedenau, Canovastr. 4) sammeln Unterlagen in Sachen der Gebührenordnung,
stehen Sachverständigen mit Auskünften und Ratschlägen zur Verfügung und vertreten
die Interessen der Sachverständigen gegenüber den Justizbehörden. Auch weist die
Geschäftsstelle Privaten und Behörden Sachverständige aller Fachgebiete aus allen
Teilen Deutschlands kostenlos nach.