Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Eckstein |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 97 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Der Abschluß technischer Verträge durch den
Fernsprecher. Wenn über einen technischen Auftrag, eine Maschinenbestellung
usw. durch Vorverhandlungen, Kostenanschläge usw. Vorbereitungen getroffen sind, so
kommt es nicht selten vor, daß zur Beschleunigung des endgültigen Vertragsschlusses
der Fernsprecher in Anspruch genommen wird.
Das Bürgerliche Gesetzbuch berücksichtigt zwar in einigen Bestimmungen die
moderne Technik und das moderne Verkehrswesen, überläßt es aber im großen ganzen der
Rechtswissenschaft, auf die durch das Telephon und den Telegraphen angegebenen
Willenserklärungen die auf mündlichen oder Briefverkehr zugeschnittenen Bestimmungen
sinngemäß anzuwenden.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es in den allgemeinen Bestimmungen, daß jemand, der
einem anderen die
Schließung eines Vertrages überträgt, an den Antrag gebunden ist, außer, wenn er die
Bindung ausgeschlossen hat, daß aber der Antrag erlischt, wenn er dem Antrag
gegenüber nicht rechtzeitig angenommen wird (§§ 145, 146 BGB).
Ueber die Rechtzeitigkeit des Zuganges einer Willenserklärung und über die Zeitdauer,
für die man an seinen Antrag gebunden ist, bestimmt der § 147:
„Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Das gilt
auch von einem mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachten Antrag.
Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen
werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen
Umständen erwarten darf.“
Das Gesetz geht also grundsätzlich davon aus, daß ein Ferngespräch wie eine
persönliche Unterredung zwischen zwei Anwesenden angesehen werden soll. Allerdings
heißt es im Gesetz, daß ein Antrag unter Anwesenden nur sofort angenommen werden
kann. Was ist unter sofort zu verstehen?
Auch unter Anwesenden wird man unter sofortiger Annahme natürlich nicht eine Annahme
verstehen müssen, die Schlag auf Schlag auf das Angebot erfolgt, vielmehr muß man
die fragliche Gesetzesbestimmung dahin auffassen, daß demjenigen, dem ein Angebot
gemacht wird, zum mindesten eine kurze Ueberlegungsfrist gegeben ist, während
welcher er sich über den Inhalt des Angebots klar werden kann. Das geht natürlich
nicht so weit, daß ihm Zeit gelassen werden muß, sich die Einzelheiten über die
Vorteile und Nachteile des Angebots genau zu erwägen. In solchem Falle müßte er sich
eine Ueberlegungsfrist ausbedingen. Man wird daher bei einer mündlichen Offerte
unter Anwesenden nur eine verhältnismäßig geringe Zeit je nach der Kompliziertheit
des Antrages gewähren müssen, in einem Falle einige Minuten, in anderen Fällen, wenn
es sich insbesondere um die Beurteilung technischer Fragen handelt, vielleicht bis
zu einer Stunde.
Dasselbe muß natürlich auch gelten vom Telephonverkehr, nur kommt hinzu, daß man beim
Telephonverkehr nicht ständig verbunden bleibt. Erfordert das Angebot, um
vollständig seinem Inhalt nach erfaßt zu werden, eine gewisse Ueberlegungsfrist, so
bleibt die rechtliche Spannung zwischen den beiden Parteien unberührt, falls die
telephonische Verbindung vorläufig abgebrochen wird, damit sie nach Einschätzung
über das Angebot wieder hergestellt wird. Ein telephonisch Angerufener hat daher das
Recht, sich nicht sofort am Telephon zu erklären, sondern nach Ablauf einer
angemessenen Frist, wiederum etwa einige Minuten, in komplizierten Fällen etwa eine
Stunde, seine Antwort zu erteilen. In diesem Falle gelten die ganze Zeit über die
beiden Personen trotz der vorübergehenden telephonischen Trennung doch als anwesend,
und der Offerent ist auch diese Zeit über an sein Angebot gebunden.
Muß die Antwort des Antraggegners auf demselben Wege erfolgen wie das Angebot?
Hierüber hatte das Oberlandesgericht Stuttgart sich kürzlich zu entscheiden gehabt,
in einem Falle, in dem einem Sozius ein Angebot telephonisch gemacht worden war, und
dieser erklärt hatte, er wolle seinen anderen Sozius fragen und sich dann
entscheiden. Die Sozii entschieden sich zur Annahme und teilten die Annahme
telegraphisch, nicht also telephonisch, mit: Nach Eingang des Telegramms erklärte
der Offerent, sich nicht für gebunden zu erachten.
Die Entscheidung dürfte zu billigen sein. Wenn das Gesetz sagt, daß die Erklärung
sofort erfolgen muß, so hat es als normalen Fall natürlich im Auge das Angebot unter
Anwesenden. Wenn das Gesetz die Fernsprechverhandlungen den Verhandlungen unter
Anwesenden gleichsetzt, so nimmt es damit an, daß wie bei Anwesenden der mündlichen
Frage die mündliche Antwort erfolgt, bei Telephonierenden auf die telephonische
Frage auch die telephonische Antwort gehört.
Hätte das Gesetz die länger währende telegraphische Antwort der telephonischen
gleichsetzen wollen, so hätte es eines besonderen gesetzlichen Anspruches bedurft.
Ohne eine solche besondere gesetzliche Bestimmung muß man dagegen annehmen, daß der
telephonisch Angefragte verpflichtet ist, seine Entscheidung auch telephonisch
mitzuteilen; daß aber eine telegraphische Antwort, zwar als eine sehr schleunige
Antwort, vielleicht auch als eine sofort abgesandte Antwort, nicht aber als eine
sofort erteilte Antwort angesehen werden kann.
Die Bindungsfrist läuft also in dem Moment ab, in dem die telephonische Antwort hätte
einlaufen können.
Erklärt der Offerent sein mangelndes Einverständnis mit der verspätet eingegangenen
Annahme der Offerte nicht, so könnte durch sein Schweigen das Recht auf Ablehnung
erlöschen, denn die verspätete Annahme einer Offerte gilt als neuer Antrag (§ 150
BGB), und der diesem Angebot zugrunde liegende Vertrag kann durch Annahme zustande
kommen, ohne daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht,
wenn nämlich eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist (§
151 BGB).
So liegt es in einem derartigen Falle. Wer ein telephonisches Angebot telegraphisch
annimmt, muß damit rechnen, daß der Antragsgegner mit dieser telegraphischen Annahme
einverstanden ist, auch wenn die Unverzüglichkeit der Erklärung um eine geringe
Zeitspanne nicht gewahrt ist. Er braucht nun eine nochmalige Erklärung des
ursprünglichen Offerenten nicht zu erwarten. Er kann annehmen, daß durch die
verspätete Annahme der Offerte der Vertrag zwar nicht zustande gekommen sei, daß er
aber diese unwirksame Annahme seiner Offerte selbst wieder als Offerte ansehen oder
annehmen wolle, und nur bei mangelndem Einverständnis auf eine ausdrückliche
Erklärung zu rechnen habe, und es würde also in einem solchen Falle durch Schweigen
der Vertrag nachträglich zustande kommen.
Dr. jur. Eckstein.