Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Eckstein |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 131 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Die Kriegsnotverordnung über die Geschäftsaufsicht zur
Abwendung des Konkurses. Bereits am 10. August 1914 hatte der Bundesrat zum
Schütze der durch den Krieg in Not geratenen Schuldner durch eine Notverordnung eine
Geschäftsaufsicht eingeführt, durch die der Schuldner vor dem vollständigen Ruin
geschützt werden sollte. Im Laufe der langen Dauer des Krieges hat sich diese
Verordnung nicht als völlig ausreichend erwiesen. Die Verhältnisse sind zum Teil zu
verwickelt geworden und verlangen nach einem Abschluß. Um diesen neu hervortretenden
Forderungen des Verkehrs gerecht zu werden, hat der Bundesrat diese Verordnung durch
eine neue Notverordnung vom 14. Dezember 1916 ersetzt, die bereits mit dem 25.
Dezember in Kraft getreten ist und die bisherige einfache Geschäftsaufsicht in
weitgehendem Maße ausgestaltet und die Geschäftsaufsicht zu einer Art
Konkursverfahren ausbaut, nur daß alle Schroffheiten des bisherigen
Konkursverfahrens vermieden werden und das ganze Verfahren die Form eines
friedlichen Ausgleichsverfahrens annimmt.
Voraussetzung für eine Geschäftsaufsicht ist eine Zahlungsunfähigkeit – bei einigen
juristischen Personen genügt bloße Ueberschuldung -, die infolge des Krieges
veranlaßt ist, falls Aussicht besteht, daß die Zahlungsunfähigkeit oder
Ueberschuldung nach Wegfall der Kriegsverhältnisse behoben oder der Konkurs durch
Uebereinkommen mit den Gläubigern, insbesondere durch das unten mehr zu erörternde
Zwangsvergleichsverfahren abgewendet wird.
Von dem Verfahren werden fast alle Schulden betroffen, die bis zur Einleitung der
Aufsicht entstanden sind. Ausgenommen sind wie beim ordentlichen Konkursverfahren
Ansprüche auf Aussonderung (insbesondere Eigentumsansprüche auf Herausgabe), ferner
Ansprüche auf abgesonderte Befriedigung (insbesondere auf Grund von Pfandrechten),
ferner die nach Konkursrecht bevorrechtigten Forderungen (insbesondere
Gehaltsforderungen, Steuern usw.). Ferner sind ausgenommen Ansprüche aus einem
gegenseitigen Vertrage (insbesondere Kauf-, Werk-, Pachtvertrage usw.), wenn sie zur
Zeit der Anordnung der Geschäftsaufsicht von beiden Teilen noch nicht oder nicht
vollständig erfüllt waren. Für diese Fälle ist ein besonderes Rücktrittsrecht
vorgesehen, von dem unten noch die Rede sein wird.
Die Forderungen, die nach Einleitung der Geschäftsaufsicht entstanden sind, werden
überwiegend von dem Verfahren nicht betroffen, nämlich alle diejenigen, die der
Schuldner zur Fortführung des Geschäftes oder zu einer bescheidenen Lebensführung
des Schuldners und seiner Familie auf sich genommen hat, sowie die weiteren
Verbindlichkeiten, die er mit Zustimmung der Aufsichtsperson eingegangen ist.
Die übrigen nach der Einleitung der Geschäftsaufsicht entstandenen Schulden fallen
dagegen in das Verfahren.
Die Wirkung der Einleitung der Geschäftsaufsicht reicht bei weitem nicht so weit wie
die eines Konkurses, insbesondere erwerben die Gläubiger kein pfandähnliches
Beschlagsrecht an dem Vermögen des Gemeinschuldners; dieser selbst verliert auch
nicht die Verfügung über sein Vermögen, er wird vielmehr nur einer oder mehreren vom
Gericht zu bestellenden Aufsichtspersonen unterstellt, die ihn zu unterstützen und
überwachen haben und die Geschäftsführung übernehmen oder einer anderen Person
übertragen können. Die Regel wird jedenfalls sein, daß der Schuldner selbst in der
bisherigen Weise sein Geschäft fortführt.
Das Verfahren dient dazu, mit den vorhandenen Mitteln, so weit sie nicht zur
Fortführung des Geschäftes und zu einer bescheidenen Lebensführung des Schuldners
und seiner Familie erforderlich sind, die Gläubiger, auch die außerhalb des
Verfahrens stehenden, zu befriedigen; die Reihenfolge der Befriedigung bestimmt die
Aufsichtsperson nach den konkursrechtlichen Vorschriften, von denen das Gericht
jedoch Abweichungen zulassen kann.
Auf die Gläubiger hat die Einleitung des Aufsichtsverfahrens die Wirkung, daß Arreste
und Zwangsvollstreckungen, sowie grundbuchmäßige Sicherungen unzulässig sind. Die
Verjährung ihrer Ansprüche ist für die Dauer des Krieges gehemmt. Das Recht zur
Aufrechnung mit Gegenforderungen ist, soweit die Gegenforderung nach Anordnung der
Geschäftsaufsicht entstanden oder erworben ist, unwirksam.
Eine der notwendigsten Forderungen des Verkehrs bei einem verschuldeten
Vermögensstand ist die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung schwebender
Rechtsverhältnisse. Aehnlich den Vorschriften über das Konkursverfahren kann der
Schuldner bei gegenseitigen Verträgen (Kauf-, Werkvertrag usw.) ermächtigt werden,
die Erfüllung abzulehnen, falls dies für die Geschäftsaufsicht zweckdienlich ist und
für den Gläubiger nicht unverhältnismäßig nachteilig. Der Gläubiger kann dann wegen
Nichterfüllung Schadensersatz verlangen, diese Schadensforderung nimmt aber an dem
Verfahren teil.
Nach den gleichen Grundsätzen kann das Personal entlassen werden. Der
Schadensanspruch des vorzeitig entlassenen Angestellten dürfte jedoch, wie seine
Gehaltsforderung, bevorrechtigt sein.
Miet- und Pachtverhältnisse können unter Innehaltung der gesetzlichen Frist vorzeitig
gekündigt werden. Auch der Vermieter und Verpächter erlangt durch die vorzeitige Kündigung einen
Schadensanspruch, verliert aber insoweit sein gesetzliches Pfandrecht.
Beantragt ein Schuldner die Anordnung der Geschäftsaufsicht, so hat er ein
Gläubigerverzeichnis, eine übersichtliche Vermögensaufstellung und, falls er
Kaufmann ist, die letzte Bilanz beizufügen. Auch von ihm selbst bestrittene
Ansprüche sind aufzuführen.
Die Gläubiger, die von dem Verfahren nicht betroffen werden, sollen getrennt
aufgeführt werden. Die Forderungen, für die abgesonderte Befriedigung beansprucht
werden kann, sollen in Höhe des mutmaßlichen Ausfalls angegeben werden.
Die Vermögensaufstellung soll sämtliche Vermögensgegenstände mit Wertangabe anführen.
Die Forderungen sind nach Betrag und Schuldgrund anzugeben. Die Beweismittel,
Nebenrechte (Pfandrechte usw.) und Namen und Wohnort der Schuldner sind
hinzuzufügen.
Erachtet das Gericht die Voraussetzungen für eine Geschäftsaufsicht für vorliegend,
so bestellt es eine Aufsichtsperson, an deren Stelle auf Wunsch der Beteiligten eine
andere Person zu setzen ist. Die Aufsichtsperson, die sämtlichen Beteiligten
verantwortlich ist und der Gerichtsaufsicht untersteht, hat den Geschäftsbetrieb des
Schuldners tunlichst aufrecht zu erhalten, eine Vermögensschmälerung zu vermeiden,
die Ursache der Zahlungsunfähigkeit zu ermitteln, die Geschäftsverhältnisse zu
prüfen und über sie dem Gericht zu berichten.
Neben der Aufsichtsperson kann das Gericht einen Gläubigerbeirat bestellen, der die
Aufsichtsperson zu unterstützen und zu beraten hat.
Von einschneidendster Bedeutung sind die Vorschriften über einen Zwangsvergleich zur
Abwendung des Konkurses.
Ein Zwangsvergleich kann nur geschlossen werden auf Antrag des Schuldners, der einen
bestimmten Vergleichsvorschlag vorzulegen hat mit der Angabe, wie die Befriedigung
der Gläubiger und ihre etwaige Sicherstellung erfolgen soll. Ein nochmaliges
Vermögensverzeichnis, abgestellt auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrages
(eventl. genügt ein Nachtrag), sowie die schriftlichen Zustimmungserklärungen der
zum Abschluß des Vergleiches nach Zahl und Forderungssumme erforderlichen Mehrheit
der Gläubiger sind beizufügen.
Voraussetzung für einen Zwangsvergleich ist, daß die Mehrzahl der beteiligten
Gläubiger dem Vergleich zustimmen und die Gesamtsumme der Forderungen der
zustimmenden Gläubiger wenigstens dreiviertel der Gesamtforderungen ausmacht.
Bei einem bloßen Stundungsvergleich und bloßem Zinsenerlaß genügt die Hälfte dieser
Gesamtsumme. Der Vergleich kann nur auf Erlaß oder Stundung oder beides gerichtet
sein und im übrigen nur Bestimmungen über die Sicherung ihrer Durchführung
enthalten. Er muß den Gläubigern gleiche Rechte gewähren. Ausnahmen können mit
Zustimmung der Mehrzahl der zurückgesetzten Gläubiger vom Gericht bewilligt
werden.
Sind die formellen Voraussetzungen erfüllt, so kann das Gericht den Antrag nur
zurückweisen, wenn der Schuldner vertrauensunwürdig ist. Im übrigen hat es einen
Vergleichstermin anzuberaumen und sämtlichen Gläubigern den Vergleichsvorschlag
mitzuteilen.
Die Gläubiger brauchen in dem Vergleichstermin nicht vertreten zu sein. Ihre
Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag können sie auch schriftlich abgeben.
Wird von den Gläubigern der Zwangsvergleich angenommen, so bedarf er noch der
Bestätigung des Gerichtes. Die Bestätigung ist zu versagen, wenn sich der Schuldner
erheblicher Pflichtwidrigkeiten oder Verletzungen von Gläubigerinteressen schuldig
gemacht, den Vergleich durch Begünstigung eines Gläubigers oder sonst in unlauterer
Weise zustande gebracht hat, ferner wenn die Vermögenslage des Schuldners so
verworren ist, daß sich ein Urteil über den Vergleich ohne zeitraubende Ermittlungen
nicht ermöglicht, wenn der Vergleich den gemeinsamen Interessen der beteiligten
Gläubiger widerspricht, oder wenn er den Gläubigern nicht mindestens 20 v. H.
gewährt und dieses Ergebnis auf Unredlichkeit des Schuldners zurückzuführen ist. Im
Falle bloß leichtsinnigen Verhaltens des Schuldners ist das Gericht in letzterem
Falle zur Verwerfung des Vergleichs befugt.
Ein Gläubiger kann den Zwangsvergleich anfechten, wenn er durch Betrug zustande
gebracht ist und er seine Interessen nicht vorher wahrnehmen konnte, oder wenn ein
Gläubiger, der von dem Verfahren nicht betroffen ist und in dem Vermögensverzeichnis
nicht aufgeführt ist, durch den Vergleich geschädigt wird.
Im übrigen gelten im wesentlichen dieselben Bestimmungen wie im Konkursrecht.
In einigen Schlußvorschriften werden noch Sonderbestimmungen getroffen über die
Geschäftsaufsicht gegenüber einem Nachlaß oder eingetragenen Genossenschaft usw.
Dr. jur. Eckstein.