Titel: | Die Entwicklung der technischen Physik in den letzten 20 Jahren. |
Autor: | W. Hort |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 167 |
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Die Entwicklung der technischen Physik in den
letzten 20 Jahren.
Von Ingenieur Dr. W. Hort, Berlin-Siemensstadt.
(Fortsetzung von S. 108 d. Bd.)
HORT: Die Entwicklung der technischen Physik in den letzten 20
Jahren.
V. Technische
Hydrodynamik.
1. Die Verwendung und Beherrschung der Wasserkräfte in der Maschinen- und Bautechnik
hat im Laufe einer Entwicklung vieler Jahrhunderte heute einen hohen Grad der
Ausdehnung und Vollkommenheit erreicht.
Das im Laufe dieser Entwicklung auf Grund von Versuchen und. Beobachtungen gesammelte
Tatsachenmaterial nebst den daraus gezogenen Folgerungen bildet den Inhalt der
technischen Hydraulik und Hydromechanik.
Es besteht kein allgemeines Uebereinkommen über die Abgrenzung dieser beiden
Wissenszweige, die mannigfache Berührung miteinander haben. Nach neuerer
Gepflogenheit scheint aber die Hydraulik mehr das bautechnische, die Hydromechanik
dagegen das maschinentechnische Anwendungsgebiet zu umfassen.
Zwei Lehrbücher von Ph. ForchheimerPh. Forchheimer.
Hydraulik. Leipzig 1914. und H. LorenzH. Lorenz. Techn. Hydromechanik. München und
Berlin 1910. haben neuerdings diese beiden Gebiete eingehend
behandelt.
Der technischen Betrachtungsweise unseres Gegenstandes steht die mathematisch-theoretische Hydrodynamik gegenüber, die, in
ihren Anfängen natürlich ebenfalls auf der Beobachtung aufbauend, seit der
Formulierung der EulerschenL. Euler. Principes
généraux du mouvement des fluides. Berlin. Hist. de l'Acad. 11
(1755). hydrodynamischen Grundgleichungen
mehr und mehr sich in einer den praktischen Aufgaben abgewandten Richtung entwickelt
hat.
Hiermit wird keineswegs ein abfälliges Urteil über die theoretische Hydrodynamik
beabsichtigt. Es mag im Gegenteil besonders darauf hingewiesen werden, daß ihre
aus den Eulerschen Gleichungen fließenden
Ergebnisse, wie die HelmhollzschenH. Helmholtz. Ueber
Integrale der hydrodynamischen Gleichungen, welche den Wirbelbewegungen
entsprechen. Journ. f. Math. 55 (1858).
Wirbelsätze oder die Bewegung
starrer Körper in idealen Flüssigkeiten, ebenso wie die Ausdehnung der Eulerschen Gleichungen auf zähe FlüssigkeitenG. G. Stokes. On the theories of the internal friction
of fluids in motion, and the equilibrium and motion of elastic solids. Camb.
Phil. Soc. Trans. 8 (1845). in bekannte LehrbücherZ.B. Föppl und Lorenz. der technischen Mechanik
Aufnahme gefunden haben. Auch dürfte eine Darstellung der theoretischen Hydrodynamik
etwa nach Lamb,H.
Lamb. Lehrbuch der Hydrodynamik. Leipzig
1907. in welcher Anwendungen auf kosmische
Erscheinungen (Ebbe und Flut) zur Sprache kommen, auch für den
wissenschaftlich strebenden Ingenieur viele Anregungspunkte bieten.
Wir werden im folgenden untersuchen, inwiefern lange Zeit hindurch die theoretische
Hydrodynamik in ihren Ergebnissen keine unmittelbare Möglichkeit der Anwendung auf
bautechnische oder maschinentechnische Probleme bot und welche neueren Ansätze dazu
vorliegen, sie in Einklang mit dem praktischen Tatsachenmaterial zu bringen und
weiter zu entwickeln.
2. Die stationären Strömungen (gleichförmige und
ungleichförmige) in Röhren und offenen Wasserläufen beanspruchen von altersher einen
besonders breiten Raum auf dem Gebiete der Hydraulik. Sie werden behandelt auf Grund
der BernoullischenD.
Bernoulli. Hydrodynamica. Argentorati 1738 S.
11.
Stromfadentheorie.
In Abb. 11 sei s s
ein Stromfaden und A B eine
Stromröhre, die von den zu s
s benachbarten Fäden gebildet wird. Für die Querschnitte F und die mittleren Geschwindigkeiten U in ihnen gilt die Kontinuitätsgleichung
F U = Konstante (1)
Diese Gleichung ist mit großer Annäherung für nicht
zusammendrückbare Flüssigkeiten stets richtig, so lange die Flüssigkeit den
durchströmten Querschnitt ausfüllt.
Die Kontinuitätsgleichung ist schon sehr frühzeitig erkannt worden und gehört seit
Euler zu den hydrodynamischen Grundgleichungen der
idealen Flüssigkeiten, allerdings hier in der Form einer partiellen
Differentialgleichung:
\frac{\partial\,v_x}{\partial\,x}+\frac{\partial\,v_y}{\partial\,y}+\frac{\partial\,v_z}{\partial\,z}=0 (2)
Die drei übrigen Gleichungen lauten:
\frac{d\,v_x}{d\,t}=-\frac{g}{\gamma}\,\frac{\partial\,p}{\partial\,x}+q_x
\frac{d\,v_y}{d\,t}=-\frac{g}{\gamma}\,\frac{\partial\,p}{\partial\,y}+q_y
\frac{d\,v_z}{d\,t}=-\frac{g}{\gamma}\,\frac{\partial\,p}{\partial\,z}+q_z
(3)
wo nach Abb. 12 bedeuten: vx, vy, vz die
Komponenten der Geschwindigkeit am Orte x, y, z, p den Druck im Raumelement dx,
dy, dz, qx, qy,
qz die Komponenten einer von einer
äußeren Volumkraft herrührenden Beschleunigung des Massenelements \frac{\gamma}{g}
dx, dy, dz. Es ist die Aufgabe der theoretischen
Hydrodynamik, vx, vy, vz und
p aus den Gleichungen (2) und (3) bei gegebenen
Anfangs- und Randbedingungen und bekanntem qx, qy, qz als Funktionen von x, y, z, t zu ermitteln.
Textabbildung Bd. 332, S. 168
Abb. 11.
Textabbildung Bd. 332, S. 168
Abb. 12.
Weiter hat Bernoulli für die Bewegung in einem Stromfaden,
die unter Einfluß der Schwere erfolgt, die Beziehung aufgestellt:
\frac{p}{\gamma}+z+\frac{v^2}{2\,g}=\mbox{Konstante}=\frac{p_1}{\gamma}+z_1+\frac{{v_1}^2}{2\,g} (4)
wo nach Abb. 13
p den Druck im betrachteten Stromfadenpunkte, v die Stromgeschwindigkeit daselbst, z die Tiefenlage des Punktes unter einem beliebig
angenommenen Horizont, y das spezifische Gewicht des
Wassers bedeuten.
Dieser Bernoullische Ansatz, welcher nichts anderes als
die Unveränderlichkeit der Gesamtenergie des einzelnen
Wasserteilchens bei stationärer Bewegung ausspricht, ist auch aus den Eulerschen Grundgleichungen als Integral ableitbar,
worauf wir hier indes nicht eingehen.
Mit der Erfahrung stimmt allerdings der Bernoulli sehe
Ansatz nicht überein. Schon die Verwendung der Stromgeschwindigkeit des einzelnen
Wasserteilchens; die nicht beobachtbar ist, zwingt zu einer Aenderung des Ansatzes
durch Einführung der mittleren Stromgeschwindigkeit des endlichen Querschnitts F
U=\frac{1}{F}\,\int\,v\,d\,F\ .\ .\ .\ .\ .\ . (5)
Wegen der praktisch ungleichmäßigen Verteilung von v über den Querschnitt (wenn wir die Stromröhre jetzt
als von festen Wänden umschlossen, also als wirkliches Rohr voraussetzen) kann U nur unter Hinzunahme eines Korrektionsfaktors a in die Bernoullische
Gleichung eingeführt werden:
H=\alpha\,\frac{U^2}{2\,g}+z+\frac{p}{\gamma}=\mbox{Konstante}\ .\ . (6)
Wesentlicher ist aber die Erfahrung, daß die hydraulische Druckhöhe
H bei wirklichen Flüssigkeiten in Richtung der Bewegung
abnimmt, welcher Tatsache man durch Einführung der Widerstandshöhe
\zeta\,\frac{U^2}{2\,g} Rechnung trägt. Man schreibt demzufolge:
\alpha\,\frac{U^2}{2\,g}+z+\frac{p}{\gamma}+\zeta\,\frac{U^2}{2\,g}=\mbox{Konstante}\ . (7)
Der Ermittelung der Konstanten a
und besonders des Widerstandskoeffizienten ξ ist eine
außerordentlich große Zahl von Versuchen gewidmet worden, ja man kann sagen, daß
ihre Erörterung und Auswertung zu Formeln möglichst großer Allgemeingültigkeit den
größten Teil der älteren Hydraulik ausmachte.
Textabbildung Bd. 332, S. 168
Abb. 13.
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Abb. 14.
Trotz der praktischen Wichtigkeit dieser Ansätze konnte man nicht sagen, daß damit
irgend etwas zur wissenschaftlichen Aufhellung der eigentlichen Strömungsvorgänge
beigetragen worden wäre. Einen Schritt vorwärts in dieser Richtung tat die
Einführung des Zähigkeitsbegriffs in die Theorie der
idealen Flüssigkeiten.
Mit Zähigkeit bezeichnet man die Uebertragung von Schubspannungen zwischen
Flüssigkeitsschichten, die sich relativ zueinander bewegen. Sei in der Abb. 14 ein Bündel von Stromlinien gezeichnet, so
wird, längs einer Stromlinie a b vom Flüssigkeitsteil
A auf B eine
Schubspannung übertragen, deren Größe auf den cm2
Trennungsfläche x\,\frac{\partial\,v}{\partial\,n} kg beträgt, wo x den Zähigkeitskoeffizienten oder die Reibungsziffer (auch
Zähigkeitsmodul, Viskosität usw.), \frac{\partial\,v}{\partial\,n} das Quergefälle der Geschwindigkeit bedeutet. Die Schubspannung ist so
gerichtet, daß die rascher fließende Schicht die langsamere zu beschleunigen
sucht.Diese Auffassung von
der Zähigkeit hatte schon J. Newton. Phil. nat. princ. math. 3. A. London
1726.
Die Anwendung dieses Ansatzes auf die Strömung in einem Rohr setzt zunächst das
Vorhandensein rein ausgeprägter Stromlinien, somit eine sogenannte Laminarbewegung voraus.
Textabbildung Bd. 332, S. 169
Abb. 15.
Findet in der Abb. 15 in dem Rohrstück A B (kreisförmigen Querschnitts) eine Abb. 15. solche stationäre Laminarströmung statt, so
liefert die Vergleichung der an einem Zylinder des Radius x und der Länge dl wirkenden Kräfte den
Ansatz
x^2\,\pi\,d\,p=2\,x\,\pi\,d\,l\,\frac{d\,v}{d\,x}\,x\ .\ .\ .\ . (8)
Auf der linken Seite dieser Gleichung steht die an den
Endflächen des Zylinders angreifende von der Druckdifferenz d p herrührende Verschiebungskraft, auf der rechten Seite die im
Zylindermantel 2 x π d l wirkende von der Zähigkeit
herrührende Widerstandskraft; da die Bewegung stationär sein soll, müssen die beiden
Kräfte gleich sein. Es folgt aus diesem Ansatz durch Integration, da an der Rohrwand
(für x = r) v = 0 sein muß:
v=\frac{r^2-x^2}{4\,x}\,\frac{d\,p}{d\,l} (9)
und hieraus durch eine weitere Integration die
Durchflußmenge:
Q=\int_{o}^{r}\,2\,\pi\,x\,v\,d\,x=\frac{r^4\,\pi}{8\,x}\,\frac{d\,p}{d\,l}\ .\ .\ . (10)
Dies ist die Poiseuillesche
Gleichung. Ersetzt man noch die Größe \frac{Q}{\pi\,r^2} durch die mittlere
Strömungsgeschwindigkeit Uy so findet sich das aufzuwendende Druckgefälle
\frac{d\,p}{d\,l}=\frac{8\,x}{r^2}\,U\ .\ .\ .\ .\ . (11)
Integriert man nochmals über die Rohrlänge l und dividiert durch das spezifische Gewicht γ, so erhält man den Druckhöhenverlust
h=\frac{p}{\gamma}=\frac{8\,x\,l}{\gamma\,r^2}\,U\ .\ .\ .\ . (12)
Durch zahlreiche Versuchea) J. L. M.
Poiseuille. Ueber das Strömen von Flüssigkeiten durch Kapillarröhren. Mem.
div. Savants. Paris 19 (1846).b) G. Q. Stokes. On the effect of the internal friction of fluids on the
motion of Pendulums. Camb. Phil. Soc. Trans. 9 (1851). ist
erwiesen, daß dieses Gesetz der Proportionalität des Druckhöhenverlustes mit
der Stromgeschwindigkeit bei einem und demselben Rohr richtig ist bis zu einem Grenzwert der Geschwindigkeit U1. Wird U
weiter gesteigert, so wird h einer höheren Potenz von
U proportional,Ueber diese Tatsache geben zahlreiche Versuche Rechenschaft, deren
Literatur in der Hydraulik von Forchheimer eingehend besprochen ist.
Insbesondere: M. H. Darcy. Recherches expérimentales rélatives au mouvement
de l'eau dans les tuyaux. Mem. Div. Sav. 15 (1858). H. Bazin. Recherches
hydrauliques sur l'écoulement de l'eau. Mém. Div. Sav. 19 (1865).
bis von einem weiteren Grenzgeschwindigkeitswerte U2 ab h sehr
angenähert dem Quadrat von U proportional ist.
Diese Verhältnisse werden besonders deutlich, wenn man statt h die Größe \frac{h}{l\,U} betrachtet. Dann gilt:
\frac{h}{l\,U}=k_1;\ 0\,<\,U\,<\,U_1
\frac{h}{l\,U}=k\,U^{\mu};\ U_1\,<\,U\,<\,U_2
\frac{h}{l\,U}=k_2\,U;\ U_2\,<\,U
. . (13)
wo k1,
k, k2 von der Rohrbeschaffenheit abhängige
Konstante, μ eine Zahl > 1 bedeutet.
Textabbildung Bd. 332, S. 169
Abb. 16.
Nach einem Versuch von Sapph-SchoderTrans. Am. Soc. Civ.
Eng. 1903 (51). besteht für dies Verhalten von \frac{h}{l\,U} ein
Bild nach Abb. 16.
Es ist das Verdienst besonders von Osborne Reynolds,London. An experimental investigation of the
Circumstances, which determine, whether the Motion of Water shall be Direct
or Sinous. Phil. Trans. 174 (1883). für die physikalische Deutung
dieser Erscheinung gesorgt zu haben. Nach Reynolds ist
die Laminarbewegung für U
< U1 die stabile Bewegungsform in dem betrachteten Rohr. Steigt U über U1, so
wird die Laminarströmung labil. Durch die rasche Strömung beginnen zunächst die an
der Wand haftenden Flüssigkeitsteilchen sich loszureißen und unregelmäßig
schwingungsartige Seitenbewegungen auszuführen, die bei um so niedriger
Stromgeschwindigkeit U1
einsetzen, je rauher die Wandung ist. Diese turbulenten
Bewegungen greifen schließlich mit steigender Geschwindigkeit auf die ganze
strömende Masse über, bis bei U2 der Zustand völliger Turbulenz
erreicht ist.
Zur theoretischen Erklärunga) Lord Rayleigh. On the Stability or Instability of
certain fluid Motions. Proc. Lond. Math. Soc. 11 (1880). 19 (1887), 27
(1895). On the Question of the Stability of the flow of Fluids. Phil. Mag.
(5) 34 (1892).b) W. Thomson. Rectilinear Motion of Viscous Fluid
between two Parallel Planes. Phil. Mag. (5) 24 (1887).c) O. Reynolds. On the dynamical Theory of
incompressible Viscous Fluids. Phil. Trans. A. 186. (1894).d) H. A. Lorentz. Heber den Widerstand einer
Flüssigkeit in einer zylindrischen Röhre. Amst. Versl. 6 (1897).e) Hahn, Herglotz, Schwarzschild. Ueber das
Strömen des Wassers in Röhren und Kanälen. Z. f. Math, und Phys. 1905 S.
411.f) Boussinesq. Théorie de l'écoulement
tourbillonant I. Paris 1907. der Turbulenz aus den hydrodynamischen Grundgleichungen sind eine Reihe von
Untersuchungen angestellt worden, ohne daß es gelungen wäre, die Frage völlig
aufzuhellen.
So sind wir bezüglich der Werte der Konstanten kl, k, k2, μ. sowie der Grenzgeschwindigkeiten
U1 und U2 auf Versuche
angewiesen.
Für die obere Grenzgeschwindigkeit gilt ein empirischer Ansatz von Reynolds, der bei
glatten kreisförmigen Rohren lautet
U_2=\frac{x\,.\,k}{\mu\,d}\ .\ .\ .\ .\ .\ . (14)
Hier bedeutet: x den Zähigkeitskoeffizienten in kg ∙
m– 2 sec, μ die
spezifische Masse in kg ∙ m– 4 sec2, d den
Rohrdurchmesser in m, k eine Konstante, die eine reine
Zahl ist und für Wasser den Wert 1900 bis 2000 hat.
Eine genauere Darstellung der mit der Wasserbewegung und ihren Widerständen
zusammenhängenden Fragen bietet v. MisesR. v. Mises.
Elemente der techn. Hydromechanik. Leipzig 1914. B. G. Teubner.
in seinen Elementen der technischen Hydrodynamik, während R. BielR. Biel. Mitt. über Forschungsarbeiten des Vereins
deutscher Ingenieure Nr. 44 (1907). die neueren Versuche
zusammengestellt und zu Widerstandsformern im Sinne der Poiseuille-Reynoldsschen Theorie ausgewertet
hat.
Durch L. PrandtlL.
Prandtl. Ueber Flüssigkeitsbewegung bei sehr
kleiner Reibung. Verh. d. 3. Int. Math. Kongr. zu Heidelberg. 1904 S.
484. ist die Theorie der nicht-reibungsfreien Flüssigkeiten mit
einem neuen Gedanken bereichert worden, durch den besonders die Erscheinungen der
Wirbelbildung beim Strömen an Hindernissen entlang ihre Erklärung fanden. Prandtl unterscheidet zwischen dem „freien Teile“
der strömenden Flüssigkeit, in welchem die Reibung als klein vorausgesetzt wird, von
der am Hindernis sich bildenden „Grenzschicht“, deren Verhalten infolge des
in ihr stattfindenden starken Geschwindigkeitsabfalles wesentlich durch die Reibung
beeinflußt wird. Die Grenzschicht wird besonders dann von Bedeutung, wenn etwa
mit einer Zunahme des Rohrquerschnitts in Richtung der Strömung eine Drucksteigerung
und damit eine Verzögerung der Bewegung verbunden ist. Da die Drucksteigerung und
die Verzögerung sich gleichmäßig über den Querschnitt einschließlich der
Grenzschicht verteilen, so wird in letzterer die Strömungsgeschwindigkeit schneller
kleiner werden als im freien Teile der Flüssigkeit.
Es wird demnach in einem gewissen Punkte Geschwindigkeitsumkehr stattfinden und damit
die freie Strömung sich von der Grenzschicht ablösen. In der Abb. 17 ist diese Vorstellung skizziert und auch der
mit der Ablösung verbundene Wirbel angedeutet.
Textabbildung Bd. 332, S. 170
Abb. 17.
Eine theoretische Analyse des Prandtlschen Gedankens ist
von BlasiusBlasius. a) Grenzschichten in Flüssigkeiten mit
kleiner Reibung. Dissertation. Göttingen 1907. b) Laminare Strömung in
Kanälen wechselnder Breite. Z. f. Math. u. Phys. 1910 S. 225.
vorgenommen worden, wobei insbesondere der Punkt des Ablösungsbeginnes A berechnet und an Beispielen Uebereinstimmung der
Rechnung mit den Prandtlschen Versuchen gezeigt werden
konnte. Neuere Versuche von HochschildHochschild. Ueber
Strömungsvorgänge in erweiterten und verengten Kanälen. Mitt. über
Forschungsarbeiten d. V. d. I. Nr. 114 (1912). bringen weiteren
Bestätigungsstoff.
Eine Arbeit von RubachRubach. Ueber die Entstehung und Fortbewegung des
Wirbelpaares hinter zylindrischen Körpern. Mitt. über Forschungsarbeiten Nr.
185 (1916). aus der neuesten Zeit gehört bereits mehr in das
Gebiet der Bewegung von Körpern in Flüssigkeiten, über welches weiter unten zu
berichten sein wird.
An technischen Anwendungen der stationären Parallelströmung erwähnen wir die Theorie
der StrahlapparateZeuner. Vorlesungen über die Theorie der Turbinen. Leipzig
1899. und des Druckluftflüssigkeitshebers.H. Lorenz. Die
Arbeitsweise und Berechnung der Druckluftflüssigkeitsheben Z. d. V. d. I.
1909. Hinsichtlich der ersteren verweisen wir auf die Darstellung
bei Zeuner, während über letzteren H. Lorenz eine Untersuchung veröffentlicht hat.
(Fortsetzung folgt.)