Titel: | Die Entwicklung der technischen Physik in den letzten 20 Jahren. |
Autor: | W. Hort |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 183 |
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Die Entwicklung der technischen Physik in den
letzten 20 Jahren.
Von Ingenieur Dr. W. Hort, Berlin-Siemensstadt.
(Fortsetzung von S. 170 d. Bd.)
HORT: Die Entwicklung der technischen Physik in den letzten 20
Jahren.
3. Die Theorie der Turbinen hat seit Eulersa)
L. Euler. Recherches sur l'effet d'une machine
hydraulique, proposée par M. Segner, Professeur à
Göttingue. Hist. de l'Ac. Roy. Berl. 1750.b) Application de la machine hydraulique de M. Segner. Hist. de l'Ac. Berl. 1751.c) Théorie plus complette des machines, qui sont mises en mouvement par la
réaction de l'eau. Hist. de l'Ac. Berl. 1754. Zeiten bis vor
kurzem ihre Gestalt nicht wesentlich geändert.
Ihre Grundannahmen entlehnt sie zunächst der oben erwähnten Theorie der Strömung in
Rohren, nämlich die Kontinuitätsgleichung und die Energiegleichung der Bernoullischen Stromfadentheorie.
Weiterhin liefert die Dynamik der Relativbewegung einer Masse in einem bewegten Raum
die Eulersche Momentengleichung:
\frakfamily{M}=\frac{G}{g}\,[\omega\,({r_3}^2-{r_4}^2)+r_3\,v_3\,\cos\,\beta_3-r_4\,v_4\,\cos\,\beta_4] (15)
wo G das sekundliche
Wassergewicht und ω die Winkelgeschwindigkeit eines um
die Z-Achse rotierenden Kanals bedeuten, während r3, r4, v3, v4, ß3, ß4 aus der Abb. 18 zu
entnehmen sind.
Diese Formel nimmt für Achsialturbinen (Abb. 19), bei
denen die Kurve a b auf einem Zylindermantel um die
Achse Z Z liegt, mit r3 = r4 = r, die einfachere
Gestalt an:
\frakfamily{M}=\frac{G}{g}\,r\,(v_3\,\cos\,\beta_3-v_4\,\cos\,\beta_4)\ .\ .\ . (16)
Für Radialturbinen dagegen lautet sie:
\frakfamily{M}=\frac{G}{g}\,(u_3\,r_3-u_4\,r_4)\ .\ .\ . (16a)
wo u3 = ω r3
+ v3 cos ß3 und u4 = ω r4
+ v4 cos ß4 die tangentialen
Komponenten der Ein- und Austrittsgeschwindigkeit am Laufrade bedeuten.
Nach Multiplikation mit ω ergibt sich die Leistung der
Wasserbewegung
L=ω\,\frakfamily{M} (17)
Diesen letzteren Ansatz verbindet man mit der Energiegleichung für die Bewegung des
Wassers zwischen Ober- und Unterspiegel der Turbinenanlage (Abb. 20):
G\,h=\frac{G}{2\,g}\,[{U_2}^2\,(1+\zeta)-{U_1}^2]+\omega\,\frakfamily{M}+R_s\ . (18)
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Abb. 18.
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Abb. 19.
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Abb. 20.
in welcher Rs einen
Stoßverlust bedeutet, der eintritt, wenn die weiter unten folgenden Gleichungen (20)
nicht erfüllt sind, während der Widerstandskoeffizient
ξ dem mit dem Durchfluß des Wassers durch die Turbine
verbundenen Reibungsverlust Rechnung tragen soll.
Wir haben sonach zwei Gleichungen, zu denen noch die Kontinuitätsgleichungen für den
Eintritt und Austritt am Laufrade sowie im Ober- und Unterspiegel hinzukommen:
F_1\,U_1=F_3\,v_3\,\sin\,\beta_3=F_4\,v_4\,\sin\,\beta_4=F_2\,U_2=\frac{G}{g} (19)
Es ist ohne weiteres klar, daß mit diesen Ansätzen für die Berechnung der Unbekannten
M, ω, r3, r4, v3, v4, ß3,
ß4, U1, U2, F1, F2, F3, F4, den gegebenen
Größen G und h die
Möglichkeit willkürlicher Festsetzungen offen bleibt.
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Abb. 21.
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Abb. 22.
Um letztere zu beschränken, greift man zu den Bedingungen des stoßfreien Austritts
des Wassers aus dem LeitDas Leitrad ist von
L. Euler erfunden worden. Siehe die Arbeit unter
Fußnote 217c. und Laufrade (Abb.
21 und 22):
Austritt aus dem Laufrad:c3 cos a3
– v3 cos ß3
– u3 =
0c3
sin a3 – v4 sin ß3 = 0Austritt aus dem Leitrad:c4 cos a4 – v4 cos ß4
– u4 =
0c4
sin a4 – v4 sin ß4 = 0
(20)
welches Mittel jedoch bei weitem noch nicht hinreicht, um alle
für die Ausführung einer Turbine nötigen Größen restlos zu bestimmen.
Es gelingt mit Hilfe der angeführten Ansätze, die Arbeitsgleichung der Turbine in die
Form zu bringen:
2\,g\,h=\omega^2\,({r_3}^2-{r_4}^2)+2\,\omega\,\frac{G}{\gamma}\,\frac{r_3\,\mbox{tg}\,\left(\frac{3}{2}\,\pi+\beta_3\right)}{F_3}+\frac{G^2}{\gamma^2\,F^2} (20a)
die als Charakteristik der Turbine
bezeichnet und zur Untersuchung der Betriebsverhältnisse benutzt wird.
Darüber hinaus geben unsere Gleichungen insbesondere über die Gestaltung der
Kranzquerschnitte der Turbinenräder sowie über die Schaufelform keinen Aufschluß.
Auch bleibt der eigentliche Strömungsverlauf in der Turbine unerörtert.
Ferner haftet der ganzen Theorie der Gebrauch des Widerstandskoeffizienten ξ an, welcher in Wirklichkeit für jeden Uebergang aus
einem Element der Turbine in das andere (Zulauf, Leitrad, Laufrad, Saugrohr)
gesondert in Ansatz gebracht werden muß und die fortgesetzte Vornahme zahlreicher
Versuche notwendig macht.
Diese der alten TheorieDer weitere Ausbau dieser Theorie ist zu
verdanken:a) M. Poncelet. Sur la théorie des effets
mécaniques de la turbine Fourneyron. Comptes rendus t. VII. 1838.b) Combes, Recherches théoriques et experimentales
sur les roues à reaction ou à tuyaux. Paris 1843.c) Redtenbacher. Theorie und Bau der Turbinen und
Ventilatoren. Mannheim 1844 und 1860.d) Weisbach. Lehrbuch der Ingenieur- und
Maschinenmechanik. 5. A. 1870–99. Weisbach ist in
erster Linie die umfassende Erforschung und Anwendung der
Widerstandskoeffizienten zu verdanken, die von italienischen, französischen
und deutschen Hydraulikern (unter letzteren Eytelwein) eingeführt waren.e) Eine abschließende Darstellung der älteren Turbinenforschung bietet G. Zeuner, Vorlesungen über Theorie der Turbinen.
Leipzig 1899. zweifellos anhaftenden Mängel haben nicht
verhindert, daß die Turbinenkonstruktion bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf einen
hohen Stand der Vollkommenheit gebracht wurde, worüber die in den großen Werken über
die WasserturbinenA. Pfarr. Die Turbinen für Wasserkraft betrieb.
Theorie und Konstruktion. 2. A. 1912. und in den
FachzeitschriftenZ.B. Zeitschr. f. d.
ges. Turbinenw. und Z. d. V. d. I. mitgeteilten Ausführungen
Rechenschaft ablegen.
Immerhin trat im Laufe dieser Entwicklung das Bedürfnis, die überkommene Theorie zu
vervollständigen, zutage und äußerte sich zunächst in genauerer Erörterung und
Prüfung der für die praktische Turbinenberechnung nach obigem notwendigen
willkürlichen Festsetzungen der Gestalten der Kranzquerschnitte und Schaufeln sowie
im Zusammenhang hiermit, der Geschwindigkeits- und Druckverteilung. So entstand eine
in zahlreichen Zeitschriftartikeln und Büchern sich kund tuende, öfter als graphisch bezeichnete Turbinentheorie,a) Speidel und Wagenbach.
Ueber Francis-Turbinenschaufelung. Z. d V. d. I. 1899 S.581.b) Bashus. Zur Konstruktion der Laufräder der
Radialturbinen. Z. d. V. d. I. 1901 S. 1602.c) Kaplan. Neues Verfahren zur Berech, u. Konstr.
d. Francis-Turbinenschaufel. Z. f. d. ges. Turbinenw. 1905 H. 8 u. 9.d) Escher. Die Schaufelung der Francisturbinen.
Schw. Bauz. 45 (1905).e) Thomann. Die Wasserturbinen. Stuttg. 1908.f) Herrmann. Die graph. Theorie der Turbinen und
Kreiselpumpen. Berlin 1900.g) Camerer. Neue Diagramme zur Turbinentheorie.
Berlin 1902.Hierher gehört auch als besonders bemerkenswert:h) Prásil. Konforme Abbildung der Drehungsflächen
der Strömung auf einen Kreisring. Schw. Bauztg. 48 (1906). die
zweifellos
interessant und praktisch wichtig ist, aber eben deshalb nichts prinzipiell neues
bieten konnte, weil sie lediglich mit den überkommenen Anschauungen weiter
arbeitete.
Bei dieser Sachlage griff zunächst Prásila) F. Prásil. Ueber
Flüssigkeitsbewegungen in Rotationhohlräumen. Schw. Bauztg. 41 (1903).b) F. Prásil. Technische Hydrodynamik. Berlin
1913. 1903 die Frage der Wasserströmung in Turbinen auf einem
völlig neuen Wege an, indem er den Begriff der achsensymmetrischen Strömung
einführte und auf die Eulerschen Gleichungen zurückging,
die er auf Zylinderkoordinaten transformierte.
Unter einer achsensymmetrischen Strömung versteht man nach Abb. 23 einen Vorgang, bei dem Rotationsflächen um die Z-Achse
existieren, die von kongruenten Bahnen der Flüssigkeitsteilchen gebildet werden.
Textabbildung Bd. 332, S. 185
Abb. 23.
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Abb. 24.
Zur Gewinnung der Eulerschen Gleichungen in
Zylinderkoordinaten knüpfen wir an Abb. 24 an, in
welcher an dem Massenelement
d\,m=\frac{\gamma}{g}\,r\,d\,r\,d\,z\,d\,\varphi\ .\ .\ .\ . (21)
die Achsial-, Radial- und Tangentialkomponenten der
Geschwindigkeit vz,
vr, vt angreifen. Führen wir weiter die den vorhandenen
Volum- oder Massenkräften entsprechenden Beschleunigungskomponenten qr
qt , qz ein, so erhalten wir
mit Hilfe einer hier nicht weiter mitzuteilenden Transformationsentwicklung die
gesuchten Gleichungen:
\frac{d\,v_r}{d\,t}-\frac{{v_t}^2}{r}=-\frac{g}{\gamma}\,\frac{\partial\,p}{\partial\,r}+q_r
\frac{d\,v_t}{d\,t}+\frac{v_r\,v_t}{r}=-\frac{g}{\lambda}\,\frac{\partial\,p}{r\,\partial\,\varphi}+q_t
\frac{d\,v_z}{d\,t}=-\frac{g}{\lambda}\,\frac{\partial\,p}{\partial\,z}+q_z
. (22)
sowie die Kontinuitätsgleichüng
\frac{\partial\,(v_r\,r)}{\partial\,r}+\frac{\partial\,(v_t\,r)}{r\,\partial\,\varphi}+\frac{\partial\,(v_z\,r)}{\partial\,z}=0\
.\ .\ . (23)
Der Bau dieser Gleichungen ist demjenigen der gewöhnlichen Eulerschen Gleichungen in kartesischen Koordinaten durchaus analog; es
kommen bei ihnen lediglich die von der Rotation herrührenden Glieder =\frac{{v_t}^2}{r} und
+\frac{v_r\,v_t}{r} in den ersten beiden Gleichungen hinzu.
Diese Gleichungen wurden von Prásil zunächst benutzt,
um den Strömungsvorgang im Saugrohr der Turbinen zu
untersuchen, der ohne weiteres als achsensymmetrisch zu betrachten ist.
Wie sich aus der Abb. 23 ergibt, kann in diesem Falle
eine Abhängigkeit der Bewegung von der q-Koordinate
nicht bestehen und die Gleichungen vereinfachen sich, nach Auflösung der totalen
Differentiationen, nach der Zeit für stationäre
Bewegungen in:
v_z\,\frac{\partial\,v_r}{\partial\,z}+v_r\,\frac{\partial\,v_r}{\partial\,r}-\frac{{v_t}^2}{r}=-\frac{g}{\lambda}\,\frac{\partial\,p}{\partial\,r}+q_r
v_z\,\frac{\partial\,v_t}{\partial\,z}+v_r\,\frac{\partial\,v_t}{\partial\,r}+\frac{v_r\,v_t}{r}=q_t
v_z\,\frac{\partial\,v_z}{\partial\,z}+v_r\,\frac{\partial\,v_z}{\partial\,r}-\frac{g}{\lambda}\,\frac{\partial\,p}{\partial\,z}+q_z
\frac{\partial\,(v_r\,r)}{\partial\,z}+\frac{\partial\,(v_z\,r)}{\partial\,r}=0
. . (24)
Diese Gestalt der Kontinuitätsgleichung gibt Anlaß zur Einführung einer Funktion ψ (r, z), von welcher die
Geschwindigkeitskomponenten vz und vr, wie
folgt, abhängen sollen:
v_z=\frac{1}{r}\,\frac{\partial\,\psi}{\partial\,r};\ v_r=-\frac{1}{r}\,\frac{\partial\,\psi}{\partial\,z}\ .\ . (25)
Diese Funktion ψ (τ, z) stellt nach Wahl einer
Konstanten C vermöge der Gleichung
ψ (r, z) = C (Abb. 25) (26)
eine Meridiankurve sowie die durch diese erzeugte
Rotationsfläche F F vor.
Durch Differentiation folgt aus (26):
\frac{\partial\,\psi}{\partial\,r}\,d\,r+\frac{\partial\,\psi}{\partial\,z}\,d\,z=0\ .\ .\ . (27)
und mit Rücksicht auf (25)
– vr
d z +vτ d r = 0
(28)
oder
\frac{d\,z}{d\,r}=\frac{v_z}{v_r}\ .\ .\ .\ .\ .\ . (29)
Demnach fällt die Tangente der Meridiankurve mit der
resultierenden Geschwindigkeit \sqrt{{v_r}^2+{v_z}^2} zusammen, infolgedessen die
Stromgeschwindigkeit v ganz in die Rotationsfläche
ψ (r, z) =
C
hineinfällt.
Textabbildung Bd. 332, S. 185
Abb. 25.
Aus diesem Grunde nennt man ψ die Stromfunktion, zu deren näherer Bestimmung die übrigen Gleichungen
herangezogen werden müssen.
Dieser Aufgabe, sowie der Anwendung der gefundenen Resultate zur Ermittlung von
Saugrohrgestalten bei Turbinen widmet sich die angezogene Arbeit von Prásil, auf die wir hiermit verweisen.
Nach Abb. 25 ergibt sich noch das das Element des Querschnitts der
Rotationsfläche durchströmende Elementarquantum
d Q = 2πrvzdrγ
(30)
und mit
r\,v_z=\frac{\partial\,\psi}{\partial\,r}
und nach Integration
Q = 2πψ = 2πC(31)
d.h. die durch die Konstante C definierte Rotationsfläche ψ = C begrenzt die
strömende Flüssigkeitsmenge QC = 2πC.
Um die Eulerschen Gleichungen in
Zylinderkoordinaten auch auf die eigentlichen Turbinenräder anwenden zu können, hat H. Lorenza) H. Lorenz. Die Wasserströmung in rotierenden
Kanälen. Phys. Z. 1905.b) Neue Grundlagen der Turbinentheorie. Z. f. d. ges. Turbinenw. 1905.c) Theorie und Berechnung der Vollturbinen und Kreiselpumpen. Z. d. V. d. I.
1905. sich folgende Vorstellungen gebildet.
Zunächst werde die Turbinenstfömung dadurch achsialsymmetrisch gemacht, daß die Zahl der Schaufeln als unendlich groß und sie selbst als
unendlich dünn vorausgesetzt werden.
Ferner werde die Druckwirkung zwischen Schaufeln und
Flüssigkeit, die in Wirklichkeit in einer der Schaufelzahl gleichen Anzahl endlicher
Drucksprünge (Druckunterschied auf beiden Seiten
einer Schaufel) besteht, ersetzt durch ein Kraftfeld der
Komponenten \frac{\gamma}{g}\,q_r, \frac{\gamma}{g}\,q_t, \frac{\gamma}{g}\,q_z welches nunmehr als
achsialsymmetrisch betrachtet werden kann. Zur Z-Komponente dieses Feldes hat man
noch die Schwerkraft \frac{\gamma}{g}\,g hinzuzufügen, wodurch
die dritte Gleichung (24) übergeht in
\frac{d\,v_z}{d\,t}=-\frac{g}{\gamma}\,\frac{\partial\,p}{\partial\,z}+q_z+g\ .\ .\ . (31)
Die Diskussion dieser Ansätze führt unter Einführung der durch
\epsilon_r=-\frac{1}{2\,r}\,\frac{\partial\,(v_t\,r)}{\partial\,z}
\epsilon_t=\frac{1}{2}\,\left(\frac{\partial\,v_r}{\partial\,z}-\frac{\partial\,v_z}{\partial\,r}\right)
\partial_t=+\frac{1}{2\,r}\,\frac{\partial\,(v_t\,r)}{\partial\,r}
. . (32)
definierten WirbelkomponentenH. Lorenz. Theorie
der Kreiselräder auf Grund der Wirbelbewegung. Phys. Z. 1907. zu
einer Reihe allgemeiner Sätze:
1. Die resultierende Zwangsbeschleunigung q steht auf
den relativen Wasserbahnen und auf den Schaufelflächen senkrechtDer Urheber dieses Satzes ist W. Bauersfeld. Zur Theorie der Vollturbinen und
Kreiselpumpen. Z. d. V. d. I. 1905 S.2007. und verschwindet mit
Wegfall der Wirbelkomponenten.
2. Die Wasserbewegung im Turbinenrade ist eine Wirbelbewegung, deren Wirbelfäden mit den
Strombahnen identisch sind.
3. Die Wirbelfäden sind zu Wirbelflächen zusammengesetzt,
die mit den Schaufelflächen identisch sind.
4. Die Kranzquerschnitte der Turbinen bestimmen sich durch geeignete Stromfunktionen
(Abb. 26) in analoger Weise wie die
Meridiankurven der Saugrohre.
Textabbildung Bd. 332, S. 186
Abb. 26.
Von diesen Sätzen abgesehen liefert die Theorie von Lorenz
natürlich auch die Formeln für den Energieaustausch im Rade und eine der Eulerschen entsprechende Momentengleichung
\frakfamily{M}=4\,\pi\,\frac{\gamma}{g}\,\int\,\int\,r^2\,(v_z\,\varepsilon_r-v_r\,\varepsilon_z)\,d\,r\,d\,z\ . (33)
in welchen die für die neue Anschauung charakteristischen
Wirbelkomponenten εr, εz auftreten. Ferner hat Lorenz ein auf seiner
Theorie beruhendes TurbinenberechnungsverfahrenDie Lorenzsche
Theorie ist auch durchgebildet für Maschinen für kompressible rotierende
Flüssigkeiten:H. Lorenz. Theorie und Berechnung der
Zentrifugalventilatoren und Pumpen Z f. Turbinenw. 1906.H. Lorenz. Theorie und Berechnung der
Schraubenventilatoren. Z. f. Turbinenw. 1906.Ihre Anwendung zur Berechnung von Schiffspropellern wird weiter unten
besprochen werden. ausgebaut (zunächst für Radial- und
Achsialräder) welches an empirischen Verlustkonstanten lediglich die Annahme eines
hydraulischen Gesamtwirkungsgrades der Turbine voraussetzt. Wir verweisen wegen
dieser Durchführung der Theorie auf das zusammenfassende LehrbuchH. Lorenz. Neue
Theorie und Berechnung der Kreiselräder. 2. A. München und Berlin 1911. Dies
Buch enthält im Anhang ein eingehendes Literaturverzeichnis.
ihres Urhebers.
Es war nur natürlich, daß zu einer so durchgreifenden Neugestaltung der Turbinenlehre
die gesamte Fachwelt mit lebhaftem Interesse Stellung nahm, zunächst in kritisch
ablehnender Weise.
Der Haupteinwand, der namentlich von F. PrásilF. Prásil. Die
Berechnung der Kranzprofile und Schaufelformen für Turbinen und
Kreiselpumpen. Schweiz. Bauz. 50 (1907). und R. v. Misesa) R. v. Mises. Bemerkungen zur Lorenzschen Theorie der Kreiselräder. Phys. Zeit. 1907.b) R. v. Mises. Theorie der Wasserräder. Leipzig
1908. geltend gemacht wurde, bezog sich auf die Einführung des
Begriffs der Zwangsbeschleunigung und seine analytische Verwendung in der von Lorenz vorgeschlagenen Weise. In die Erörterung griffen dann StodolaStodola. Z. f. d, ges. Turbinenw. 1907 S.
174. und BauersfeldBauersfeld. Z. f.
d. ges. Turbinenw. 1907 S. 256. ein, und das Ergebnis war, daß
die Lorenzsche Theorie in ihren Grundanschauungen durchaus richtig ist und somit zur
Berechnung von Kreiselrädern dienen kann. Sie hat in der Folge auch Aufnahme in die
technische Mechanik von Föppl Bd. VI gefunden, womit sie
zum normalen Unterrichtsstoff der Hochschulen gerechnet werden kann.
Zu der neuesten Zeit sei noch eine Arbeit von R. GrammelJahresber. d.
Deutsch. Math Vereinig. 25 (1916) S. 16-34. genannt, welche auf
den von Lorenz eingeführten Gedanken der Zwangsbeschleunigung und ihren Zusammenhang
mit der Strömung längs Führungsflächen Bezug hat. Durch sie wird das Auftreten der
Zwangsbeschleunigung im Grenzfalle einer allgemeinen Strömung, bei der Kräfte durch
die sogenannte Zirkulation erzeugt werden, erkannt.
4. Die Schwingungsbewegung von Wassermassen wird seit J.
NewtonJ. Newton. Philos. Nat. Princ. Math. London
1687. erörtert, der die Pendelzeit einer in einer U-förmigen
Röhre schwingenden Wassersäule ohne Rücksicht auf die Dämpfung berechnete. Gleichfalls ohne Dämpfung berechneten J. BernoulliJ. Bernoulli. Comm. Ac. Scient. Petrop. 1727 (1729)
S. 200. und D. BernoulliD. Bernoulli.
Hydrodynamica. Argentorati 1738 S. 118. 120. die Schwingungsdauer
bei weniger einfachen Gefäßformen.
An diese ersten Untersuchungen schlössen sich weitere, die eine der ersten Potenz der Strömungsgeschwindigkeit proportionale Dämpfunga) H. de Lagrene.
Cours de navigation intérieure. Paris 1869 3 S. 135.b) A. Flamant. Ann. des Ponts et chaussées. (6) 1
(1881) S. 81.c) A. Flamant. Hydraulique. 2. Bd. 1900 S.
471. annahmen. Diese Voraussetzung genügt jedoch nicht für die in
Wirklichkeit bei größeren Strömungsgeschwindigkeiten auftretenden Verhältnisse,
weshalb die weiteren Forschungen zur Einführung der quadratischen Dämpfunga) L. G. du Buat. Principes d'hydraulique 2. Paris 1786 S.
41.b) S. D. Poisson. Mecanique 1. 1811 S. 405.c) G. Coriolis. Journ. de math. 3 (1838) S.
445. schritten.
Die neueren Arbeiten beschäftigen sich vorzugsweise mit der Theorie des Wasserschlossesa)
F. Präsil. Ueber Wasserschloßprobleme. Schw.
Bauz. 52 (1908).b) W. Liebisch. Z. d. österr Ing.- u. Arch.-Ver.
63 (1911) S. 280, 536.c) Forchheimer. Hydraulik 1914d) „ Schweiz. Bauz. 53 (1909) S. 57.e) „ Z. d. V. d. I. 56 (1912) S. 1292.f) „ Z. d. V. d. I. 57 (1913) S. 545.g) Pressel. Beitrag zur Bemessung des Inhaltes von
Wasserschlössern. Schweiz. Bauz. 53 (1909) S. 57, 510.h) D. Thoma. Beiträge zur Theorie des
Wasserschlosses. Dissertation. München 1910. in Turbinenanlagen.
Dieses wird in der Zuleitung vom Wasserbehälter zur Turbine eingeschaltet, und
sein Spiegel ist im Falle des An- und Abstellens der Turbine Schwankungen
unterworfen, für die wir nachstehend im Anschluß an die Darstellung bei Forchheimer einen Ansatz entwickeln wollen.
Nach der Abb. 27 fließt in der Zeit d t durch den Stollen die Wassermenge γ F U d t mit der Arbeitsleistung d A = γFUzdt.
Diese Arbeit dient zur Deckung des Verlustes an Druckhöhe infolge von Reibung:
h = x l U2 (35)
welcher einer gesamten Reibungsarbeit entspricht
dR = xγlFUsdt,
sowie zur Beschleunigung
d\,B=\gamma\,F\,U\,\frac{l}{g}\,d\,U\ .\ .\ .\ . (36)
der im Stollen enthaltenen Wassermenge, wenn wir die
Beschleunigung der Wassermengen im Behälter und im Wasserschloß wegen der Größe
ihrer Querschnitte gegenüber F vernachlässigen. Die
Arbeitsgleichung
dA = dB + dR (37)
lautet dann
z=x\,l\,U^2+\frac{l}{g}\,\frac{d\,U}{d\,t}\ .\ .\ .\ . (38)
Die Wassergeschwindigkeit U im
Stollen hängt nun mit der Spiegelgeschwindigkeit
\frac{d\,z}{d\,t} infolge der Kontinuität der Strömung durch
die Gleichung zusammen:
U=-\frac{F_1}{F}\,\frac{d\,z}{d\,t}\ .\ .\ .\ .\ .\ . (39)
woraus sich findet:
\frac{d\,U}{d\,t}=-\frac{F_1}{F}\,\frac{d^2\,z}{d\,t^2}\ .\ .\ .\ .\ . (40)
Durch Hinsetzen von (39) und (40) in (38) erhält man:
\frac{d^2\,z}{d\,t^2}-g\,x\,\frac{F_1}{F}\,\left(\frac{d\,z}{d\,t}\right)^2+\frac{g\,F}{l\,F_1}\,z=0\ .\ . (41)
Diese Differentialgleichung ist nicht schwer zu integrieren,
worüber wir auf Forchheimer verweisen; jedenfalls kann
man durch sie die eintretenden Spiegelschwankungen rechnerisch festlegen.
Textabbildung Bd. 332, S. 187
Abb. 27.
Wird in die Verbindungsleitung zwischen zwei Wasserbehältern F1 und F2 eine Turbine
(Abb. 28) eingeschaltet, so werden die Schwingungsmöglichkeiten durch diese beeinflußt. Man hat
die für den Beharrungszustand geltende Turbinengleichung (20a.
2\,g\,(z_2-z_1)\,\gamma\,V=\gamma\,\frac{V^3}{{f_1}^2}+2\,\omega\,\gamma\,\frac{V^2}{f^2}+\omega^2\,\gamma\,V\,f_3 (42)
durch Hinzufügung der Glieder 2\,\gamma\,\frac{V}{f_4}\,\frac{d\,V}{d\,t} der
Beschleunigungsarbeit der Wassermasse und 2\,g\,\Theta\,\omega\,\frac{d\,\omega}{d\,t} der Beschleunigungsarbeit des
Turbinenträgheitsmomentes Θ auf der rechten Seite zu
erzeugen, womit der Ansatz entsteht:
2\,g\,\gamma\,(z_2-z_1)\,V=\frac{\gamma\,V^3}{{f_1}^2}+\frac{2\,\omega\,\gamma\,V^2}{f_2}+f_3\,\gamma\,\omega^2\,V+\frac{2\,\gamma\,V}{f_4}\,\frac{d\,V}{d\,t}+2\,g\,\Theta\,\omega\,\frac{d\,\omega}{d\,t}\
. (43)
Da zwischen der Winkelgeschwindigkeit ω und dem sekundlichen Wasservolumen V = U1F1 (U1 = Geschwindigkeit im
Oberspiegel) eine Beziehung besteht:
\omega=\frac{V}{f_5}-\frac{\frakfamily{M}\,g}{\gamma\,f_6\,V}\ .\ .\ .\ .\ .\ . (44)
wo M das Drehmoment der Turbine
bedeutet, und andererseits die Spiegelgeschwindigkeiten \frac{d\,z_1}{d\,t} und \frac{d\,z_2}{d\,t}
sich vermöge:
\frac{d\,z_1}{d\,t}=-U_1,\ \frac{d\,z_2}{d\,t}=+\frac{U_1\,F_1}{F_2}\ .\ .\ . (45)
durch U1 ausdrücken lassen, so kann man aus (43) eine einzige
Differentialgleichung herstellen, welche nur eine der Variabein U1, ω, z = z1
– z2 enthält. Diese
Differentialgleichung wird für kleine Schwingungen linear von der zweiten Ordnung
und enthält als Störungsglied das Drehmoment M und
seine Schwankungsgeschwindigkeit
\frac{d\,\frakfamily{M}}{d\,t}.
Der vorstehend skizzierte Gedankengang stammt von H. LorenzH. Lorenz. Schwingungen von Flüssigkeiten und ihr
Einfluß auf den Gang von Kreiselrädern. Z. f. d. ges. Turbinenwesen 5 (1908)
S. 437, 458, 473.Vgl. auch H. Lorenz, Hydromechanik. und
findet sich ausführlich dargestellt in der Zeitschr. für das gesamte Turbinenwesen,
sowie im Lehrbuch der technischen Hydromechanik, wo auch die Bedeutung der
Konstanten f1 bis f6 zu ersehen ist.
Lorenz hat seine Theorie auch auf die Frage der Schwingungen in Kreiselpumpenleitungen
ausgedehnt; seine Resultate fanden im übrigen Bestätigung gelegentlich von
Versuchen.a) E. Reichel. Versuche an einer Lorenzturbine. Z. f.
d. ges. Turbinenw. 1908.b) Rasch und Bauwens.
Die Kraftübertragungsanlage der Ruhrtalsperren-Gesellschaft. Z. d. V. d. I.
1908 S. 606.c) E. Reichel. Versuche an einer Zentrifugalpumpe.
Z. f. d. ges. Turbinenw. 1908.
Ist mit der Turbine, wie üblich, ein Regler verbunden, so
erhält man je nach der Konstruktion desselben zwei oder mehr simultane Differentialgleichungen, die ebenso viel Freiheitsgraden des
Systems entsprechen. Die hier vorliegende sehr reichhaltige Literatur hat BauersfeldW. Bauersfeld. Die automatische Regulierung der
Turbinen. Berlin 1905. zusammenfassend bearbeitet.
In das Gebiet der schwingenden (zeitlich veränderlichen) Wasserbewegung ist noch die
Theorie der Kolbenpumpen und deren Ventile zu rechnen. Eine Darstellung dieser
enthält die technische Hydrodynamik von H. Lorenz. Im
übrigen besteht über diesen Gegenstand eine ausgedehnte theoretische und
experimentelle Literatur bezüglich deren wir auf den Bericht von M. GrüblerEnzykl. der
math. Wissensch. Bd. IV 21. Abgeschl. Juni 1907. in der
Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften verweisen.
Textabbildung Bd. 332, S. 188
Abb. 28.
Zu den Pumpen mit zeitlich veränderlicher Strömung gehört auch der hydraulische
Widder, dessen Theorie H. LorenzZ. d. V. d. I. 1910. behandelt hat.
Eine weitere Arbeit desselben Verfassers über die Humphreysche Wasserpumpe mit unmittelbarer
Einwirkung expandierenden Gases auf die Wassersäule werden wir in dem Abschnitt:
technische Thermodynamik behandeln.
(Fortsetzung folgt.)