Titel: | Gasmotor und Elektromotor im Kriege. |
Autor: | Fr. Heintzenberg |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 283 |
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Gasmotor und Elektromotor im Kriege.
Von Oberingenieur Fr.
Heintzenberg, Berlin-Siemensstadt.
HEINTZENBERG: Gasmotor und Elektromotor im Kriege.
In seinem Aufsatz „Die Betriebsmittelkosten der städtischen Kleinmotoren und
der Krieg“ (D. p. J. Heft 17 d. Bd.) hat Oberingenieur Neumann, Köln-Deutz, die Frage aufgeworfen, ob der Gasmotor oder der
Elektromotor als Betriebskraft im städtischen Kleingewerbe durch die
Kriegsverhältnisse ungünstiger beeinflußt worden ist. Er kommt zu dem Ergebnis, daß
sich der Gasmotor den wirtschaftlichen Veränderungen gegenüber standfester gezeigt
hat als der Elektromotor, und zwar aus folgenden Gründen: Der elektrische Strom ist
durch den Krieg in höherem Maße verteuert worden als das Gas. (Die Statistik einiger
Städte ergibt eine mittlere Preissteigerung von 22 v. H. für Elektrizität gegen 14,7
v. H. für Gas). Ferner ist der Anschaffungspreis durch Kriegs-Teuerungszuschlag beim
Gasmotor weniger gesteigert worden als beim Elektromotor (40 v. H. gegen 120 v. H.).
Schließlich ist der Elektromotor, dessen wesentliche Bestandteile normalerweise aus
Kupfer bestehen, infolge der Materialknappheit viel mehr als der Gasmotor auf
Anwendung unsicherer Ersatzstoffe angewiesen.
Diese Behauptungen erscheinen auf den ersten Blick durchaus einleuchtend; die ganze
Frage führt aber zwanglos zu einer anderen Beantwortung, wenn man die Neumann sehe Betrachtung so ergänzt, wie es notwendig
ist, um sich überhaupt ein sachliches Urteil bilden zu können.
Die Herstellung der Wicklungen von Elektromotoren aus anderen
Metallen als Kupfer hat seinerzeit für die Metallwerke und die
Elektroindustrie eine ganz neue und schwierige Aufgabe bedeutet. Es kann aber heute
unbedenklich ausgesprochen werden, daß diese Aufgabe vollkommen gelöst worden ist.
Viele Tausende von Motoren mit Ersatzstoffwicklung befinden sich im Betrieb, und die
Zahl der Fälle, in denen die Kriegsausführung Anlaß zu Betriebsunterbrechungen
gegeben hat, ist innerhalb derselben engen Grenzen geblieben wie bei den Motoren mit
Kupferwicklung. Die kristallinische Veränderung des Zinks, die zu Brüchen
führen sollte, und die Schmelzungen infolge von Ueberlastung, von denen Neumann spricht, können nur in der allerersten Zeit
gänzlich mangelnder Erfahrung vorgekommen sein, da jetzt in der laufenden
Fabrikation, an hochbeanspruchten Stellen, zum Beispiel für Drähte von geringem
Querschnitt, Zink überhaupt nicht verwendet wird.
Bei den Drehstrommotoren mit Kurzschlußrotor kann man sogar von der Ausführung der
Rotorwicklung aus Zink sagen, daß sie hinsichtlich der Betriebssicherheit gegenüber
der Kupferausführung eine Verbesserung bedeutet, weil nämlich die Ringe direkt an
die Enden der Stäbe angegossen werden, was eine viel sicherere Verbindung ergibt als
die Lötung beim Kupfermotor.
Uebrigens ist die Elektrotechnik keineswegs auf Zink allein als Ersatzstoff für die
Wicklungen angewiesen, vielmehr steht für diesen Zweck noch das mechanisch und
elektrisch hervorragend geeignete Aluminium zur Verfügung. Die ursprünglich
vorhandene Schwierigkeit der Herstellung von guten Lot- und Schweißverbindungen in
Aluminium ist durch die neuen Verfahren in unbedingt zuverlässiger Weise
beseitigt.
Nach den vom Verband deutscher Elektrotechniker herausgegebenen Normalien für die
Verwendung von Ersatzmetallen bei Maschinen und Transformatoren sind für die hier
betrachtete Motorgröße von etwa 6 PS die Ständerwicklungen der Drehstrommotoren aus
Aluminium, die Läuferwicklungen aus Zink oder Aluminium und die Schleifringe aus
Eisen herzustellen. Bei Gleichstrommotoren sollen die Hauptpolwicklungen aus
Aluminium und die Stromwender aus Eisen bestehen, während für die Wendepol- und
Ankerwicklungen nach wie vor Kupfer verwendet wird.
Die Notwendigkeit der Anwendung von Ersatzstoffen braucht hiernach keine Verringerung
der Betriebssicherheit des Elektromotors im Gefolge zu haben. Da hier
Textabbildung Bd. 332, S. 284
Tafel 1. Betriebskostenvergleich
zwischen einem Gasmotor und einem Drehstrommotor von 6 PS.; Gasmotor;
Drehstrommotor; Anzahl der Betriebsstunden im Jahr; a) Im Frieden angeschafft
und betrieben; Anschaffungskosten; Preis des vollständigen Motors
(Friedenspreis); Maschinenraum (80 M für 1 m2
Grundfläche); Gesamte Anschaffungskosten; Betriebskosten im Jahr (Friedensjahr);
Verzinsung, Abschreibung, Unterhaltung u. Ausbesserg. d. Maschinenanlage;
Verzinsung, Abschreibung und Ausbesserung der Gebäude; Bedienung; Schmier- und
Putzmittel; Brennstoff- bzw. Stromkosten (12 Pf. für 1 m3 Gas; 20 Pf. für 1 KW/Std.); Kühlwasser;
Zählermiete; Gesamte Betriebskosten; Kosten einer PS/Std. bei einer mittleren
Belastung von 75 v. H.; b) Im Frieden angeschafft, im Kriege betrieben
Anschaffungskosten; Preis des vollständigen Motors (Friedenspreis);
Maschinenraum (80 M für 1 m2 Grundfläche);
Gesamte Anschaffungskosten; Betriebskosten im Jahr (Kriegsjahr); Verzinsung,
Abschreibung, Unterhaltung u. Ausbesserg. d. Maschinenanlage; Verzinsung,
Abschreibung und Ausbesserung der Gebäude; Bedienung (40 v. H. Kriegsaufschlag);
Schmier- und Putzmittel (100 v. H. Kriegsaufschlag); Brennstoff bzw. Stromkost.
(Kriegsaufschl. v. 14,7 v. H. b. Gas u. 22 v. H. b. El.; Kühlwasser;
Zählermiete; Gesamte Betriebskosten; Kosten einer PS/Std. bei einer mittleren
Belastung von 75 v. H.; c) Im Kriege angeschafft und betrieben
Anschaffungskosten; Preis des vollständigen Motors (Friedenspreis);
Kriegszuschlag auf den Preis des vollständigen Motors; Maschinenraum (80 M für 1
m2 Grundfläche); Gesamte
Anschaffungskosten; Betriebskosten im Jahr (Kriegsjahr); Verzinsung,
Abschreibung, Unterhaltung u. Ausbesserg. d. Maschinenanlage; Verzinsung,
Abschreibung und Ausbesserung der Gebäude; Bedienung (40 v. H Kriegsaufschlag).;
Schmier- und Putzmittel (100 v. H. Kriegsaufschlag); Brennstoff- bzw. Stromkost.
(Kriegsaufschl. v. 14,7 v. H. b. Gas u. 22 v. H. b. El.); Kühlwasser;
Zählermiete; Gesamte Betriebskosten; Kosten einer PS/Std. bei einer mittleren
Belastung von 75 v. H.
Textabbildung Bd. 332, S. 285
Tafel 2. Kosten einer PS/Std. in
Pfennigen bei einer mittleren Belastung des 6 PS- Motors von 75 v. H.; Gasmotor;
Drehstrommotor; Gasmotor; Drehstrommotor; Gasmotor; Drehstrommotor; Im Frieden
angeschafft und betrieben (Tafel 1 a); Im Frieden angeschafft, im Kriege
betrieben (Tafel 1 b); Im Kriege angeschafft und betrieben (Tafel 1 c);
Betriebsstunden im Jahr; Wirtschaftliche Ueberlegenheit des Drehstrommotors bei
600 Betriebsstunden im Jahr
jede einseitige Stellungnahme gegen den Gasmotor zugunsten des
Elektromotors vermieden werden und auch die Nachteile des Elektromotors nicht
unterdrückt werden sollen, sei ausdrücklich hervorgehoben, daß der Wirkungsgrad der
Elektromotoren in Kriegsausführung niedriger ist als der der Kupfermotoren, und zwar
beträgt die Verschlechterung der Stromausnutzung etwa 7 bis 8 v. H. (in Tafel 1 c
wurde sogar, um keinesfalls zu günstig zu rechnen, 10 v. H. angenommen). Wird aber
berücksichtigt, daß der Wärmewert des Gases nicht mehr der gleiche ist wie vor dem
Kriege, und daß mit Sicherheit eine weitere Verschlechterung des Steinkohlengases
durch Beimengung von Wassergas zu erwarten ist, so ergibt dies für beide Motorarten
die gleiche ungünstige Beeinflussung durch die Kriegsverhältnisse.
Neumann hat großen Wert auf die Feststellung gelegt, daß
die Strompreise infolge des Krieges stärker gesteigert worden sind als die
Gaspreise. Ist dies zutreffend, so bedeutet das natürlich eine größere Verteuerung des Betriebsmittels für den Elektromotor als für den
Gasmotor. Es geht aber nicht an, die Betriebsmittelkosten mit den Betriebskosten
gleichzusetzen und von der Verteuerung der Betriebsmittel unmittelbar Schlüsse auf
die gesamten Kosten zu ziehen, da man hierbei den Einfluß der Anlagekosten völlig
vernachlässigen würde.
In welchem Maße dieser Einfluß ausschlaggebend für den Vergleich ist, erhellt aus den
Ergebnissen der in Tafel 1 zusammengestellten genauen Betriebskostenrechnungen für
je einen 6-pferdigen Gas- und Elektromotor.
Die Zahlen sprechen für sich; erläuternd sei dazu nur kurz folgendes bemerkt:
Zahlentafel 1a: Betriebskostenvergleich aus der Zeit vor
dem Kriege, entnommen aus: Dipl.-Ing. E. Vollhardt,
„Die Wahl der Betriebskraft für Handwerk und Industrie“. Wirtschaftliche
Betrachtungen unter Zugrundelegung seines Aufsatzes in der Elektrotechnischen
Zeitschrift 1912 S. 791 ff. und unter Berücksichtigung neuerer Untersuchungen von
Professor Dr. Klingenberg u.a.
Zahlentafel 1b: Betriebskostenvergleich für dieselben
Motoren, jedoch unter Berücksichtigung der Betriebsverhältnisse während des Krieges.
Höhere Sätze für Abschreibung, Unterhaltung und Ausbesserung. Steigerung der
Bedienungskosten um 40 v. H. und der Schmier- und Putzmittelkosten um 100 v. H.,
Verteuerung des Gases um 14,7 v. H. und des Stromes um 22 v. H. (nach Neumann).
Zahlentafel 1c: Betriebskosten vergleich zweier während
des Krieges angeschaffter Motoren. Erhöhung des Anschaffungspreises des Gasmotors um
40 v. H. und des Elektromotors um 120 v. H. (nach Neumann), Steigerung des Stromverbrauchs des Elektromotors
(Ersatzstoffausführung) um 10 v. H. Die Steigerung des Gasbedarfs infolge
Verschlechterung des Gases wurde beim Gasmotor unberücksichtigt gelassen.
Aus den Zahlen geht zunächst hervor, daß der Vergleich für den Gasmotor um so
günstiger ausfällt, je größer die Betriebsdauer ist. Bei 3000 Betriebsstunden im
Jahr kann der Elektromotor, vom Kostenstandpunkt aus betrachtet, den Wettbewerb mit
dem Gasmotor nicht aufnehmen.
Nun liegen aber die Verhältnisse meist – und im städtischen Kleingewerbe immer – so,
daß die Motoren nur mit großen Unterbrechungen gebraucht werden. Für die kleinen
Gewerbebetriebe in der Stadt kommt eine Betriebsstundenzahl von höchstens 600 im
Jahr der Wirklichkeit am nächsten.
In Zahlentafel 2 sind die Kosten der PS/Std. aus den Tafeln 1 a bis 1 c
zusammengestellt, und es zeigt sich, daß auch in dem für den Elektromotor
ungünstigsten Fall (1c) dieser dem Gasmotor bei 600 Betriebsstunden um mehr als 30
v. H. wirtschaftlich überlegen ist, auch wenn während des Krieges die Strompreise
stärker gestiegen sind als die Gaspreise.
Würde die gleiche Rechnung für einen Gleichstrommotor durchgeführt, so würden sich
annähernd dieselben Zahlen ergeben. Höchstens wären für Unterhaltung, Ausbesserung
und Putzmittel mit Rücksicht auf den Stromwender etwas höhere Werte einzusetzen,
doch sind die Unterschiede so geringfügig, daß sie ohne Einfluß auf das
Gesamtergebnis sein würden.
Besonders bemerkenswert ist, daß im direkten Gegensatz zu der in dem besprochenen
Aufsatz aufgestellten Behauptung das Verhältnis der Wirtschaftlichkeit beider
Motorarten durch den Krieg für den Elektromotor sogar noch günstiger geworden ist.
(30 v. H. vor dem Krieg und 31,7 v. H. während des Krieges.)
Die Ausführungen Neumanns bedürfen auch insofern noch
einer Ergänzung, als die allgemein anerkannten Vorzüge des Elektromotors, an denen
der Krieg nichts geändert hat, wie zum Beispiel die Einfachheit des An- und
Abstellens (kein Leerlauf), der geringe Platzbedarf, die Geräusch- und
Geruchlosigkeit des Betriebes und die Anspruchslosigkeit in bezug auf die Wartung,
unerwähnt geblieben sind.