Titel: | Polytechnische Schau. |
Autor: | W. Speiser |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 323 |
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Polytechnische
Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Große Dampfturbinenanlagen. In einem Vortrage vor der
National Association of Cotton Manufacturers berichtete J. A. Stevens, daß sich zurzeit in den Vereinigten Staaten ein
Drehstrom-Turbogenerator mit einer Höchstleistung von 70000 kW (95200 PS) im Bau
befände, und daß noch größere Maschineneinheiten geplant seien.
Die größte bisher gebaute Kolbendampfmaschine ist (nach Stevens) bei der Lukens Steel Company im
Betrieb; sie entwickelt bis zu 25350 PS.
Im allgemeinen sind kleinere Kolbenmaschinen wirtschaftlicher als Dampfturbinen von
entsprechender Leistung. Erst bei Leistungen über 200 kW beginnt die wirtschaftliche
Ueberlegenheit der Dampfturbinen. Durch Anwendung von drehzahlmindernden
Hochleistungsvorgelegen kann das Gebiet der größeren Wirtschaftlichkeit der
Dampfturbinen nach unten bis zu einer Leistung von etwa 100 kW erweitert werden.
Dampfturbinen, die 1000 kW und mehr leisten, sind in wirtschaftlicher Beziehung den
größten und besten jemals gebauten Kolbenmaschinen gleichwertig. Die Kosten für 1 kW
betragen bei Dampfturbinen von etwa 30000 kW 34 M bis 38 M gegenüber 84 M bis 105 M
bei kleinen Turbinen von etwa 500 kW. Der Kohlenverbrauch für die Kilowattstunde
wird von Stevens für eine 30000 kW-Turbine zu etwa 0,45 kg angegeben.
Im Verein mit A. D. Pratt von der Babcock & Wilcox Company hat Stevens für derartig große Turbinen einen Dampfkessel
entworfen, der imstande sein soll, den gesamten Dampfbedarf einer 30000
Kilowatt-Turbine zu liefern. In einem solchen Riesenkessel sollen eine Rostfläche
von 95 m2 und eine Heizfläche von 5357 m2 untergebracht werden, außerdem enthält er noch
1335 m2 wirksame Fläche im Ueberhitzer und
3422 m2 im Vorwärmer. Die Rohre haben einen
Durchmesser von 101,6 mm, ihre gesamte Länge beläuft sich auf 17,3 km. Der Kessel
soll in der Stunde normal 325 t Wasser verdampfen. Der Kesseldruck beträgt 24,5 at,
die Ueberhitzung 120° C. Einschließlich der Bunker und des für die Bedienung
erforderlichen Raumes beansprucht der Kessel eine Bodenfläche von 27,6 × 25,7 m.
Westinghouse garantiert für eine im Bau befindliche 50000
kW-Turbine einen thermischen Wirkungsgrad von 26,5 v. H. bei einem Dampfdruck von 22
at, einer Ueberhitzung von 94 ° C und einer Kondensatorspannung von 38 mm
Quecksilbersäule.
J. A. Robertson hat vor der Municipal Electrical Association Angaben über eine ähnliche
Dampfturbinenanlage gemacht, deren Leistung allerdings wahrscheinlich beträchtlich
kleiner ist als die der oben angeführten Westinghouseschen. Der Dampfdruck beträgt hier 24,5 at, die Ueberhitzung 132 °
C und die Kondensatorspannung 25,4 mm Quecksilbersäule. Garantiert wird ein
thermischer Wirkungsgrad von 26,39 v. H., wobei der Dampfverbrauch der
Hilfsmaschinen eingeschlossen ist.
Engineering, dem die obigen Daten entnommen sind, nimmt an, daß es durch Anwendung
von hohem Druck und hoher Ueberhitzung möglich sein wird, in Zukunft bei großen
Dampfturbineneinheiten eine Leistung von 1 kW zu erzielen für je 2700 in der Stunde
zugeführte Wärmeeinheiten.
Die größte zurzeit in Deutschland im Bau befindliche Dampfturbine ist zum Antrieb
eines Drehstrom-Turbogenerators von 60000 kVA bestimmt.
H.
–––––
Aluminiumkolben. Wie bereits D. p. J. Bd. 332 S. 258
ausgeführt wurde, sind die Kolben von sehr schnell laufenden Motoren möglichst leicht
auszuführen, um hohe Kolbengeschwindigkeiten bei kleinen Massenkräften zulassen zu
können. Die Kolben müssen aber auch der großen Hitze am Kolbenboden standhalten
können, sie müssen schließlich noch mit möglichst geringer Reibung arbeiten.
Durch Versuche ist nun festgestellt worden, daß 80 v. H. aller mechanischen
Widerstände bei solchen Schnelläufern von der Kolbenreibung herrühren. Die
Kolbenreibung ist abhängig von der Art der Beschaffenheit der Oelschicht zwischen
Kolben und Zylinderwand. Die Viskosität des Schmiermittels, der Druck auf die
Kolbenlauffläche und die Größe der Kolbenlauffläche sind von bestimmendem Einfluß
auf die Kolbenschmierung.
Nach der Zeitschrift Der Motorwagen 1917 S. 217 ist bei einem neuen Kolben, Bauart
Ricardo, unter dem untersten Kolbenring eine Nute eingedreht, von der kleine
Bohrungen nach dem Inneren des Kolbens führen. Der Kolbenring streift das Oel ab,
das dann durch die Löcher nach dem Kolbeninnern abgeführt wird. Dadurch wird
verhindert, daß das Schmieröl über den Kolben gelangen kann. Der Kolbenboden hat den
Verbrennungsdruck auf das Triebwerk zu übertragen. Darum ist es zweckmäßig, die
Kolbenbolzenaugen durch Rippen mit dem Kolbenboden zu verbinden, ohne daß diese
Rippen die Kolbenwand berühren. Der Kolbenboden muß außerdem in der Lage sein,
genügend viel Wärme abzuleiten, so daß in ihm keine Wärmestauungen eintreten können.
Die Aufgabe, den Seitendruck mit geringer Reibung auf die Zylinderwand zu
übertragen, fällt dem Kolbenmantel zu. Dieser braucht zu diesem Zwecke kein
vollständiger Zylinder zu sein, sondern es genügt, wenn unter dem Kolbenbolzen zur
Aufnahme des Seitendruckes entsprechend große Tragflächen vorgesehen sind. Der
Seitendruck geht dann unmittelbar vom Kolbenbolzen durch die Rippen auf die hier
angeordnete Kolbenwand. In den Führungsflächen des Kolbens sind dann noch Löcher
angeordnet, um bei dem großen Seitendruck des Kolbens zu vermeiden, daß das Oel
vollständig zwischen Kolbenfläche und Zylinderwand herausgedrückt wird. In den
Löchern sammelt sich dann stets etwas Oel an, das dann als Vorrat für die
Kolbenschmierung dienen kann.
Textabbildung Bd. 332, S. 324
a = Höchstleistung mit
Ricardo-Kolben, Gewicht der hin- und hergehenden Triebwerkteile = 12.7 g/cm2 Kolbenfläche, b = Höchstleistung mit
normalem Kolben, Gewicht der hin- und hergehenden Triebwerkteile = 14 g/cm2 Kolbenfläche, c = Brennstoffverbrauch in
kg/PS-Std. bei normalem Kolben, d = Brennstoffverbrauch in kg/PS-Std. bei
Ricardo-Kolben
Durch diese Ausgestaltung des Kolbens wird erreicht, daß die Verbrennungsgase, die
durch die Kolbenringe hindurchtreten, unmittelbar in das Kurbelgehäuse gelangen
können, ohne die Oelschicht zwischen Kolbengleitfläche und Zylinderwandung zu
zerstören. Versuche mit dieser Kolbenbauart haben eine höhere Leistung und
einen geringeren Brennstoffverbrauch ergeben, gegenüber Kolben gewöhnlicher
Bauart. Auch der Schmierölverbrauch ist verkleinert worden, von 27 g für 1 PS/Std.
auf 16 g für 1 PS/Std. Der Motor, in den die Kolben eingebaut wurden, hatte ein
Verdichtungsverhältnis von 5,6, die Umlaufzahl in der Minute betrug 3600 bei
Volllast. Die Abbildung enthält die Versuchsergebnisse über Leistung und
Brennstoffverbrauch des Motors mit gewöhnlichen und mit Ricardokolben. Genauere
Angaben über die Ricardokolbenbauart vgl. The Automobile Engineer, London 1917 S. 60
bis 63.
W.
–––––
Die Düsencharakteristik. (Flügel, Z. d. V. d. I. 1917 S. 650 bis 655.) Zur Bestimmung oder
Nachprüfung der Querschnitte von Düsen für ausströmenden Dampf oder andere
elastische Medien erweist sich der Verlauf des Geschwindigkeitskoeffizienten φ auf der Basis verschiedener Expansionsenddrucke,
„die Düsencharakteristik“ als zweckmäßig, φ
ist das Verhältnis der wirklichen Geschwindigkeit an einer Stelle zur
Geschwindigkeit bei adiabatischer Expansion. Für die Geschwindigkeit kommt hier
immer ein Mittelwert in Betracht, da sie nicht an allen Stellen des
Düsenquerschnitts gleiche Größe hat. Flügel entwickelt
den Ausdruck von φ zunächst für die richtig erweiterte
Düse, bei der der Geschwindigkeitsunterschied gegenüber adiabatischer Expansion in
der Hauptsache durch die berechenbare Wandreibung verursacht ist. Dann auch für zu
wenig erweiterte Düsen, sowohl normal abgeschnittene als auch schräg abgeschnittene.
Bei den beiden letzteren ist der am Düsenrande erreichte Enddruck der Expansion pa verschieden vom
Gegendruck p2. Es
berechnet sich in diesem Falle aus \varphi=\frac{C'_a}{C'_2}\,\left[\varphi_a+\frac{g\,.\,F_a}{G\,.\,C'_a}\,(p_a-p_2)\right], worin C'2 und C'a die Austrittsgeschwindigkeiten bei adiabatischer
Expansion auf p2 bzw.
pa, ferner φa das
Geschwindigkeitsverhältnis \frac{C_a}{C'_a} der wirklichen Austrittsgeschwindigkeit zu
derjenigen bei adiabatischer Expansion auf pa, Fa der tatsächliche Austrittsquerschnitt und G das sekundlich durchströmende Dampfgewicht bedeutet.
Es zeigt sich, daß φ seinen Höchstwert nicht bei dem
passenden Gegendruck erreicht, sondern bei einem etwas geringeren, was auch der
Versuch bestätigt. Praktisch heißt das, daß zu wenig erweiterte Düsen vorteilhafter
sind, weil sie eine höhere Reaktion ergeben als richtig bemessene Düsen. Es treten
zwar beim Ueberschreiten des passenden Druckes energieverzehrende Schwingungen auf,
deren Verlustwirkung aber anfänglich offenbar geringer ist als der Gewinn durch die
erzielte höhere Strömungsenergie. Bei schräg abgeschnittenen Düsen hat man zu
unterscheiden zwischen der Strömung im geschlossenen Kanalteil, für welchen die
Berechnung wie bei Düsen mit Normalabschnitt gilt, und der Strömung im offenen
Kanalteil, in welchem die Expansion anders verläuft. Der Dampfstrahl erfährt hier
eine Ablenkung von der Düsenachse um einen Winkel, der sich unter vereinfachenden
Annahmen berechnen läßt. Die φ-Kurve steigt hier beim
Unterschreiten des passenden Gegendruckes nicht nennenswert an, sie behält auch, wie
man aus der Aufzeichnung der Kurve für einen Schrägabschnitt unter 30° bei sonst
gleichen Verhältnissen wie bei der normal abgeschnittenen Düse ihren Höchstwert weit
länger bei, also bis zu einem tieferen Expansionsdruck herunter als bei
letzterer.
Bei zu stark erweiterter Düse findet bis zu einem gewissen Querschnitt die
gesetzmäßige Expansion auf den entsprechenden (unter dem Gegendruck liegenden) Druck
statt, darauf eine Drucksteigerung auf den Gegendruck. Diese Kompression wurde
bisher meist erklärt durch die Annahme eines geraden Stoßes, den der Dampfstrahl an
der betreffenden Stelle erfährt. Wahrscheinlicher ist es, daß sich der Strahl an
dieser Stelle von der Wand loslöst und einschnürt. Hieraus erklärt sich die
Drucksteigerung zwangloser. Die Geschwindigkeit in den einzelnen Teilen des
Dampfstrahles unter diesen Verhältnissen im Austrittsquerschnitt sehr verschieden.
Die aus Versuchen bekannte Tatsache, daß die Düsenreaktion stets wesentlich höher
ist als es der auf Grund der Kontinuitätsgleichung berechneten Geschwindigkeit
entspricht, deutet darauf hin, daß die tatsächliche mittlere Geschwindigkeit an der
Austrittsstelle höher ist. Flügel gibt darnach mit Hilfe
einiger Annäherungen ein Verfahren zur Berechnung des der Wirklichkeit näher
kommenden Geschwindigkeitskoeffizienten φ an.
Meuth.
Ausbau der deutschen Wasserkräfte, eine der wichtigsten
Forderungen der Zeit. Die Antwort auf die Frage, ob es möglich ist, die
Ernährung der Bevölkerung durch die Erzeugnisse des eigenen Landes sicherzustellen,
wird in Zukunft von entscheidender Bedeutung für das Wohl Deutschlands sein. Damit
sie befriedigend ausfällt, ist die weitgehendste und zugleich wirtschaftlichste
Ausbeutung aller Schätze erforderlich, welche die Heimat bietet. Einer der
wesentlichsten von ihnen ist die Energie der vorhandenen Wasserkräfte. Wäre es doch
bei deren restloser Verwertung unschwer möglich, die gewaltigen Stickstoffmengen,
welche die Landwirtschaft braucht, um ihre Leistungsfähigkeit bis zur Höchstgrenze
zu steigern, unter Schonung der Kohlenvorräte Deutschlands zu erzeugen. Zur Deckung
des Getreidebedarfs im Inlande sind bei Ammoniakdüngung gegen 326000 t, bei
Salpeterdüngung etwa 243000 t Stickstoff notwendig. Nimmt man nun auch an, daß bei
geeigneter Aufbewahrung der natürlichen Düngemittel unter Luftabschluß eine nicht
unbedeutende Ersparnis möglich wäre, so würde immer noch in Berücksichtigung der
großen Stickstoffmenge, die für Sprengzwecke gebraucht wird, eine Gesamterzeugung
von 300000 t erforderlich sein. Hierzu bedarf man, wenn der Energieaufwand des
Kalkstickstoffverfahrens der Berechnung zugrunde gelegt wird, im Jahre 5,7
Milliarden Kilowattstunden, was einer Verminderung des Kohlenbestandes um 5,2 Mill.
t entspräche. Ein hoch einzuschätzendes Verdienst des Ingenieurs Hallinger in München ist es daher, auf die Ausnutzung der
Niederdruckwasserkräfte hingewiesen zu haben. In Anlehnung an seine Arbeiten gibt
Camerer in Heft 28 der Zeitschrift für Dampfkessel
und Maschinenbetrieb die Punkte an, auf die bei Beschreitung des von Hallinger gewiesenen Weges vor allem Wert zu legen ist.
Er verlangt Flußausbeutung durch seitliche Werkkanäle unter Beschränkung der Zahl
der Flußwehre. Erstere sollen betoniert werden, um die Wasserdurchlässigkeit zu
vermindern und eine Erhöhung der Wassertiefe zu ermöglichen, die für die
Verminderung der Reibungsverluste günstige Querschnitte gewährleistet. Die
erwünschte Wirkung wird durch die Glätte der Wände erhöht. Die Werkkanäle müßten in
zahlreiche Gefällstufen unterteilt werden, deren Höhe so zu bemessen ist, daß die
geringsten Kanal- und Krafthauskosten entstehen. Endlich wird eine breitseitige
Stellung der Turbinen zum Flußlaufe gefordert, damit man zu den kleinsten
Einbauabmessungen gelangt. Ein elektrisches Zusammenfassen mehrerer Gefällstufen
macht zugleich die Verwendung größter und billigster Einheiten möglich. Mit
wachsender Wassermenge sinken die auf eine Pferdestärke bezogenen Anlagekosten
beträchtlich. Nach Camerer ist der Preis einer
Kilowattstunde bei Ausnutzung von 40 m3/sek.
0,74 M, bei Verwertung von 200 m3/sek. aber 0,44
M. Die wirtschaftlich günstigste Wassermenge wird überdies bestimmt durch die
Anpassungsfähigkeit der angeschlossenen Werke an Stromschwankungen. Unter Umständen
ist es zum Beispiel vorteilhaft, wenn man ein Kraftwerk gleichzeitig auf einen gegen
Leistungsschwankung recht empfindlichen Betrieb zur Herstellung von Aluminium und
eine durchaus anpassungsfähige Anlage zur Karbidgewinnung arbeiten läßt.
Nutzbringend dürfte es ferner sein, die Niederdruckwasserkräfte zur Befriedigung des
gleichbleibenden Energiebedarfs landwirtschaftlicher und industrieller Betriebe zu
verwenden, während die Spitzendeckung durch Ausnutzung der Hochdruckwasserkräfte und
Wärmekraftanlagen erreicht wird. Die gesamten nutzbaren Wasserkräfte Deutschlands
werden auf 4 Mill. Pferdestärken geschätzt. Es ist daher Pflicht des Staates,
unbeirrt durch Augenblickserfolge dafür zu sorgen, daß ihre großzügige Ausnutzung in
die Wege geleitet wird. Nötigenfalls dürfte er vor der Gewährung von Darlehen nicht
zurückschrecken, denn der Nutzen, der dem Lande durch Fortschritte in der
gekennzeichneten Richtung erwächst, ist nicht geringer einzuschätzen als der Wert
strategischer Bahnen und dem Warentransport dienender Schiffahrtskanäle. Vor allem
ist der Ausbau der deutschen Wasserkräfte zur Entwicklung der elektro-chemischen
Großindustrie notwendig. Auch könnte es vielleicht zur Lösung der zweifellos nach
dem Kriege recht schwierigen Arbeiterfrage beitragen, wenn zahlreiche Kräfte im
Dienste des von Hallinger vorgeschlagenen, großen
vaterländischen Werkes beschäftigt würden.
Schmolke.
–––––
Leuchtgasgewinnung und Elektrizitätserzeugung im
Ruhrbergbau. Die Gewinnung von Leuchtgas beim Kokereibetriebe sowie die
Erzeugung von elektrischer Energie aus den überschüssigen Hochofen- und
Koksofengasen hat im letzten Jahrzehnt auf den niederrheinisch-westfälischen Zechen
eine sehr beträchtliche Zunahme erfahren. Nach Mitteilungen von E. Jüngst in der Zeitschrift Glückauf 1916 S. 842 bis 845
wurde im Jahre 1903 von nur zwei Zechen des Oberbergamtbezirks Dortmund Leuchtgas
beim Kokereibetriebe gewonnen, und zwar von den Zechen König Ludwig und Prosper I.
Daneben bestanden noch zwei Zechengasanstalten auf Shamrock I/II und Wilhelmine
Viktoria. Die von diesen vier Zechen gelieferte Gasmenge betrug im Jahre 1903 nur
1374 117 m3. Im Jahre 1906 nahm die Gewerkschaft
Deutscher Kaiser, die heute die größte Gaserzeugung aller Zechen besitzt, die
Leuchtgasgewinnung auf, und in den folgenden Jahren wurde dieses Beispiel von einer
großen Reihe anderer Zechen befolgt; so hat zum Beispiel allein die Zeche
Sälzer-Neuack schon im Jahre 1908 über 5 Mill. m3
Gas erzeugt. Im Jahre 1914 erreichte die Leuchtgaserzeugung aus Koksöfen im
Ruhrgebiet bereits über 150 Mill. m3 gegenüber
119,8 Mill. m3 im Jahre 1912 und 43,6 Mill. m3 im Jahre 1910. Die Gaserzeugung ist somit seit
dem Jahre 1903 um mehr als das Hundertfache gestiegen und an dieser Erzeugung sind
im Jahre 1914 im ganzen 23 Zechen beteiligt. Von den obengenannten beiden
Gasanstalten ist nur noch die eine in Betrieb, während die auf Zeche Wilhelmine
Viktoria im Jahre 1911 ihren Betrieb eingestellt hat. Die große Steigerung des
Gasabsatzes, wie sie durch obige Zahlen zum Ausdruck kommt, ist in erster Linie auf
die Einführung der Gasfernleitung zurückzuführen, die viele, zum Teil auch außerhalb
des eigentlichen Industriegebietes liegende Städte zur Stillegung ihrer eigenen
Gaswerke und zum Bezug von Koksofengas veranlaßte. Im engsten Zusammenhang hiermit steht die
starke Zunahme der Gaserzeugung bei der Gewerkschaft Deutscher Kaiser, die mit einer
Gasgewinnung von 40,4 Mill. m3 im Jahre 1914 alle
Ruhrzechen weit übertraf und die meisten Städte des bergischen Landes mit Gas
versorgt.
Auch zur Gewinnung von elektrischer Energie werden die Koksofengase mehr und mehr
herangezogen, indem sie einesteils zum Betrieb von Gaskraftmaschinen verwendet,
anderenteils unter Dampfkesseln verbrannt werden. Die Erzeugung von elektrischer
Energie auf den Zechen und Hütten des Ruhrbezirkes ist von 566 Millionen kW/Std. im
Jahre 1909 auf 1689 Mill. kW/Std. im Jahre 1914 gestiegen, hat sich mithin fast
verdreifacht. Auch hier steht wiederum die Gewerkschaft Deutscher Kaiser mit 222
Mill. kW/Std. an der Spitze, ihr zunächst folgt der Phönix mit 210 Mill. kW/Std.
Diese beiden Werke erzeugen ihre Elektrizität nur zum kleinen Teil auf den Zechen
selbst, den überwiegenden Teil dagegen auf anderen Anlagen, wie ihren Hütten usw.
Bei den meisten übrigen Bergwerksgesellschaften ist das Gegenteil der Fall, so zum
Beispiel erzeugte die Gelsenkirchener Bergwerks-A.-G. im Jahre 1914 nur 33 Mill.
kW/Std. auf Hütten und sonstigen Anlagen, auf ihren Zechen dagegen 131,5 Mill.
kW/Std. Die Abgabe elektrischer Energie seitens der Zechen an Dritte hat im Jahre
1914 den ansehnlichen Betrag von insgesamt 66 Millionen kW/Std. erreicht, noch
größer ist aber die Menge elektrischer Energie, die die Bergwerksgesellschaften von
fremden Elektrizitätswerken bezogen haben.
Sander.
–––––
Das Heizungsproblem nach dem Kriege. Der Krieg hat die
Bedeutung der Kohle für das gesamte Wirtschaftsleben so klar gezeigt, daß die
Bestrebungen, eine bessere Ausnutzung dieses wichtigsten Brennstoffes zu erreichen,
eine wesentliche Stärkung erfahren haben. Es ist daher von verschiedener Seite
angeregt worden, die Kohle in gewerblichen Betrieben sowie für Koch- und
Raumheizzwecke durch Koksgas, Wassergas oder sonstiges Mischgas zu ersetzen. Die
Ansicht, daß eine derartige Maßnahme bei Dampfkesselanlagen wirtschaftlich sei,
dürfte keinesfalls zutreffen, da beispielsweise bei Beheizung durch Mondgas eine
doppelt so große Brennstoffmenge zur Gaserzeugung erforderlich ist als bei
unmittelbarer Verbrennung der Kohle notwendig wäre. H. Günther untersucht nun in Heft 12 bis 14 der Zeitschrift des Vereins der
Gas- und Wasserfachmänner in Oesterreich-Ungarn, ob die bezüglich des Kochens, der
Raumheizung sowie gewerblicher Feuerungsanlagen für Schmelz-, Löt-, Härte- und
Trockenzwecken in dem angegebenen Sinne gemachten Vorschläge eine Wirtschaftlichkeit
versprechen. Er berücksichtigt dabei nicht nur den Heizwert der in Betracht
kommenden Brennstoffe sowie den Wirkungsgrad der Verbrauchsanlagen, sondern vor
allem auch die voraussichtliche Ausnutzung einer gegebenenfalls zu errichtenden
Gaszentrale. Der letztgenannte Punkt dürfte von ausschlaggebender Bedeutung sein.
Seinen Betrachtungen legt Günther die Verhältnisse der
Stadt Wien zugrunde, da ihm zu deren Beurteilung ausreichende Unterlagen zur
Verfügung stehen. Am genannten Orte werden für Raumheizung jährlich 500000 t Kohle
verbraucht. An deren Stelle könnten, bei Annahme normaler Wirkungsgrade der Oefen
und erfahrungsgemäß zu schätzender Heizwerte, 665 Mill. m3 Mischgas treten. Ueberdies werden schon jetzt 30
Mill. m3 eines Gemisches von Steinkohlen- und
Koksgas zum Heizen verwendet, die bei Benutzung von Mischgas durch 50 Mill. m3 ersetzt werden müßten. Im ganzen wären also in
Wien 715 Mill. m3 Heizgase erforderlich. Nun
werden von deren Gesamtmenge, wie eine Statistik lehrt, 23 v. H. im Januar
abgegeben. Da ferner der stärkste Tagesbedarf in diesem Monate den
durchschnittlichen um 30 v. H. übersteigt, so wäre mit einem Höchstverbrauch von
7,15 Mill. m3/Tag zu rechnen. Eine der eben
angedeuteten völlig analoge Ueberlegung ergibt, daß zum Ersatze der gegenwärtig zu
Kochzwecken verwendeten 400000 t Kohle und 45 Mill. m3 Steinkohlengas 208 Mill. m3 Mischgas
erforderlich sind. Auch von diesem mußte in den Wintermonaten mehr abgegeben werden
als im Sommer, da die starke Abwanderung aus der Großstadt während der schönen
Jahreszeit einen bedeutenden Einfluß ausübt. Berücksichtigt man ferner wiederum die
Erfahrungstatsache, daß der größte tägliche Verbrauch an Kochgasen den
durchschnittlichen um 20 v. H. übertrifft so muß man ersteren mit 880000 m3 einsetzen. Die zur Befriedigung aller von der
Industrie für gewerbliche Feuerungsanlagen der obengenannten Art gestellten
Ansprüche notwendige Gasmenge schätzt Günther auf 200
Mill. m3/Jahr bzw. 800000 m3/Tag. Für diesen Fall könnte man die
Verbrauchsschwankungen außer acht lassen. Indessen ist auch in den einzelnen
Tagesstunden die Gasabgabe verschieden. Sie erreicht einen Höchstwert zwischen 8 und
9 Uhr morgens. Man kann nun annehmen, daß es genügt, wenn die Zentrale imstande ist,
den Tagesbedarf zu decken, und man in den Stunden des Minderverbrauchs für Stapelung
der Mehrerzeugung in geeigneten Behältern sorgt. Die Leistungsfähigkeit müßte daher
8,83 Mill. m3/Tag bzw. zuzüglich eines
Gasverlustes von 5 v. H. 9,3 Mill. m3/Tag
betragen. Im Jahre könnten also 3395 Mill. m3
erzeugt werden, denen ein Verbrauch von 1123 Mill. m3 gegenübersteht. Die Ausnutzungsverhältnisse sind somit sehr ungünstig.
Eine Betrachtung der Jahresbelastung unter Berücksichtigung der Anlagekosten scheint
eine Wirtschaftlichkeit des Betriebes nicht zu versprechen. Die zum Zwecke einer
besseren Verwertung der Kohle gemachten Vorschläge müßten sich daher in einer
anderen Richtung bewegen oder zum mindesten in Hinblick auf die dargestellten
Verhältnisse eine Aenderung erfahren. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß
sich das Bild verschiebt, sofern weitere, bemerkenswerte Fortschritte hinsichtlich
der Gaserzeugung in Generatoren erzielt werden. Auch dürften die sanitären Gründe
wohl nicht unbeachtet bleiben, die gegen die bisher übliche Raumheizung sprechen
(vgl. die Bemerkungen von Prof. H. Strache zu der
Abhandlung von Günther, dieselbe Zeitschrift Heft
15).
Schmolke.
–––––
Die wirtschaftliche Wirkungsweite großer und kleiner
Elektrizitätswerke. Die österreichische Regierung hat einen neuen
Gesetzentwurf herausgegeben, betreffend das Wegerecht und andere Bestimmungen für
elektrische Anlagen und hat auch das Wasserrechtsgesetz mit der Absicht geändert,
eine möglichst restlose Ausnutzung der verfügbaren Wasserkräfte herbeizuführen. Das
erstgenannte Gesetz gewährt dem eine Konzession nachsuchenden Unternehmen als
Gegenleistung für verschiedene einschneidende Bedingungen, die im Interesse des
Gemeinwohles gedacht sind, gewisse Vorrechte, unter anderem die Zuweisung eines
bestimmten Stromversorgungsgebietes.
In der E. u. M. vom 20. August 1917 nimmt W. v. Winkler
gegen dieses Gesetz Stellung. Er weist darauf hin, daß aus der Bevorzugung der
Großkraftanlagen, gleichviel, ob diese mit Dampf- oder mit Wasserkraft arbeiten,
unter Umständen eine Schädigung der Allgemeinheit hervorgehen kann, wenn es sich
darum handelt, ein Versorgungsgebiet mit billigster elektrischer Energie zu
versehen. Er sucht den Nachweis zu führen, daß kleinere, in der Nähe des Versorgungsgebietes
befindliche Wasserkraftanlagen eine erhebliche Ueberlegenheit gegenüber
Großkraftwerken haben können, wenn bei diesen die Länge der Fernleitungen ein
gewisses Maß überschreitet, und daß besonders auch der Charakter der
Stromverbrauchskurve eine wesentliche Rolle spielt.
Daß die Fernleitungen nicht übermäßig lang sein dürfen, ob nun kleinere oder große
Leistungen zu übertragen sind, ist ohne weiteres einleuchtend und auch bekannt. Die
Fragestellung richtet sich demgemäß auf Ermittlung der Grenzwerte, oder besser auf
Nachprüfung eines jeden einzelnen Falles, für den ein Interessenkonflickt möglich
ist. Die Sachlage vorauszusehen und die dabei möglichen Verhältnisse zutreffend in
Rechnung zu setzen, bevor durch Verleihung einer Konzession ein Zwangzustand
geschaffen ist, dürfte aber immerhin recht schwierig sein. Um nachzuweisen, wann
Kleinkraftwerke mit großen Fernkraftwerken in Wettbewerb treten könnten, hat der
Verfasser vergleichende Rechnungen für verschiedene Möglichkeiten aufgestellt und
einige Glieder der Rechnung in Tabellenform gesetzt, wie zum Beispiel die Kosten der
Leitungsanlage in Abhängigkeit vorn Kupferquerschnitt, dieser als Funktion des
zugelassenen Spannungsverlustes, dann der zu den Selbstkosten des erzeugten Stromes
hinzukommende Kostenanteil für Verzinsung und Abschreibung usw. Nur müssen, um
überhaupt zu einem Ergebnis kommen zu können, ziemlich viel vereinfachende
Voraussetzungen und mittlere Annahmen bei stark abweichenden Grenzwerten in die
Rechnung genommen werden, so daß die Untersuchung, wie naturgemäß zu erwarten ist,
nur grundsätzliche Folgerungen zuläßt. So werden für einen Rechnungsfall, bei dem
von einem Fernwerk mit Wasserkraft 800 kW auf 40 km bei einer jährlichen
Benutzungsdauer von 2400 Stunden übertragen werden sollen, für eine kW/Std. die
Erzeugerkosten mit 1,4 Heller, der Kostenanteil der Leitung mit 6 Heller ermittelt.
Ein lokales Wasserkraftwerk könnte in der Regel den Strom nicht billiger erzeugen.
Würde jedoch etwa die durchschnittliche Benutzung kleiner als 2400 sein, so wäre
wieder das Fernkraftwerk im Nachteil.
Bei gegebenen Verhältnissen ergibt sich zu jeder zu übertragenden Leistung eine
bestimmte größte Reichweite, die beispielsweise zu 45 km für eine Leistung von 4000
Kilowatt bei 2400 Stunden Benutzung berechnet wird, aber nur noch zu 20 bis 25 km
für 1000 kW bei 500 Stunden Benutzung.
Rich. Müller.
–––––
Ein Knopfmuseum. Ein richtiges Museum für Kleiderknöpfe,
das zudem den Anspruch erhebt, als ernste wissenschaftliche Anstalt betrachtet und
geachtet zu werden, wird im ersten Augenblick mancher für ein lächerliches Unding zu
halten geneigt sein. Wenn man aber dem Gedanken näher tritt, den Heinrich Waldes, der Inhaber der bekannten
Koh-i-noor-Druckknopffabrik in Prag-Wrschowitz in seinem Knopfmuseum in
großzügigster Weise und mit großen Mitteln in die Wirklichkeit umgesetzt hat, so
wird man sich dem Eindruck der inneren Berechtigung nicht entziehen können. Ein
solches Museum ist und kann mehr sein als eine bloße Sammlerlaune, es kann
tatsächlich ein weitgehendes kulturgeschichtliches und technologisches Interesse für
sich in Anspruch nehmen, und die Tätigkeit der angeschlossenen Forschungsanstalt ist
gewiß ebensosehr in der Lage, die allgemeine Wissenschaft, wenn man sie als Mittel
zur Mehrung unseres Erkennens und Wissens auffaßt, zu fördern, wie irgend eine
andere Forschung auf anderen Sondergebieten.
Zunächst darf der Begriff Knopf nicht zu eng aufgefaßt und sein Inhalt nicht
unterschätzt werden. Wird das Gebiet erweitert auf Kleiderverschlüsse aller Arten
und Zeiten, so gewinnt man dadurch bereits einen viel weiteren Blick über das
gewaltige Sachgebiet, das mit dem Wortbegriff umspannt wird. Der Kleiderverschluß
als organischer Bestandteil des Kleides, dieses wieder in seinen Zusammenhängen mit
Mode, mit Volkstracht und Volkskunst, mit Volkssitten und Volkssprache; es führt uns
weiter auf Trachtenkunde, auf Kunst- und Formgeschichte und zu dem weiten,
fruchtbaren Gefilde des Kunstgewerbes. Wenn sich hieran dann ein eingehendes Studium
der Herstellungstechnik mit Berücksichtigung des Werkstoffes, der Werkzeuge und
Maschinen und der Arbeitsverfahren, zudem unter planmäßigen Rückblicken auf die
geschichtliche Entwicklung knüpft, so sehen wir ein in sich geschlossenes,
abgerundetes Wissensgebiet vor uns, das wohl einer eingehenden Untersuchung in
wissenschaftlicher Arbeit wert ist.
Die Arbeitsmittel des Museums gliedern sich in eine reichhaltige Sammlung von
Kleiderverschlüssen, die nach kulturgeschichtlichen, allgemein formgeschichtlichen
und technologischen Gesichtspunkten geordnet ist, ferner in eine Sammlung von
Abbildungen von Kleiderverschlüssen und von Kleidern und Trachten, endlich eine
Bücherei und ein Archiv. Die Sammlungen des Museums sind jetzt bereits so
umfangreich, daß sie nur zum kleinen Teil als Schausammlung aufgestellt werden
können, während der größere Teil lediglich als Studiensammlung dient. Das Museum
gibt in zwangloser Folge „Berichte“ heraus, die in Form von vornehm
ausgestatteten Heften jetzt bereits im zweiten Jahrgang erscheinen und neben den
eigentlichen Museumsberichten eine Reihe wertvoller Aufsätze aus dem Arbeitsgebiet
des Museums enthalten.
Dipl.-Ing. W. Speiser.
–––––
Einheitliche Bezeichnungen von Kraftfahrzeugteilen sind
von der Verkehrstechnischen Prüfungskommission in Berlin-Schöneberg aufgestellt
worden in Gemeinschaft mit der Inspektion des Kraftfahrwesens in Berlin, der
Inspektion des Militär-Kraftfahrwesens in München und dem Vereinheitlichungsausschuß
des Vereins deutscher Motorfahrzeug-Industrieller und sind durch Erlaß des preuß.
Kriegsministeriums genehmigt worden. Das kleine Heft von 15 Seiten, das von der
Verkehrstechnischen Prüfungskommission kostenfrei abgegeben wird, bedeutet einen
erfreulichen Schritt vorwärts auf dem jetzt allgemein mit besonderem Interesse
betretenen Gebiet der Normalisierung, um so erfreulicher, als es einen neuen Beweis
liefert, daß unsere Heeresbehörden die große Bedeutung einer weitgehenden
Normalisierung erkannt haben und in Zusammenarbeit mit der Privatindustrie sie
weiter zu fördern suchen. Wenn es sich hier auch zunächst nur um die Normalisierung
von Bezeichnungen handelt, so darf deren Bedeutung nicht unterschätzt werden; die
Möglichkeit von Mißverständnissen, namentlich bei der Beschaffung von Ersatzteilen,
wird dadurch erheblich herabgesetzt, die Uebersichtlichkeit von Verzeichnissen und
das Auffinden einzelner Teile in solchen gewinnt, kurz es wird jene Energieersparnis
erreicht, die das Kennzeichnende jeder Normalisierung ist. Eine weitere und
erfreuliche Tatsache ist es ferner, daß, wie es heute natürlich ist, bei der
Aufstellung dieser Liste von Einheitsbezeichnungen gründlich aufgeräumt worden ist
mit dem Unkraut fremdsprachlicher Bezeichnungen, das gerade im Kraftfahrwesen üppig
wucherte noch aus jener Zeit, als das „Auteln“ noch als „Sport“
betrieben wurde. Daß damit durch diese amtliche Liste deutschen Worten zu ihrem
Recht verholfen wird, die schon lange bestanden, sich aber in der
„Chauffeursprache“ noch nicht durchsetzen konnten, ist sehr zu
begrüßen; erfreulich ist ferner die Neubildung einiger recht gut gelungener
Sprachschöpfungen, wie zum Beispiel Schaltführung für Kulisse. Bei anderen Wörtern
wird man weniger begeistert sein können, denn wenn es ja auch schon ein Fortschritt
ist, wenn für Dekompresseur Verdichtungsminderer entstanden ist, für Accelerator
Beschleunigerfußhebel, so darf man doch fragen, ob sich wirklich nicht etwas
abgerundetere deutsche Bezeichnungen dafür hätten finden lassen. Der allgemeine
deutsche Sprachverein scheint jedenfalls nicht zur Mitarbeit herangezogen zu sein.
Er hätte wohl auch kaum, das „Differential“ und sicher nicht den
„Magnet“ bestehen lassen. Immerhin, kein Baum fällt auf einen Streich, es
bleibt der erfreuliche Anfang, und da keine Normalisierung für die Ewigkeit bestimmt
sein kann, bleibt zu hoffen, daß bei einer späteren Ueberarbeitung diese
Schönheitsfehler noch verschwinden.
Dipl.-Ing. W. Speiser.