Titel: | Ueber das Nacheilen der zwangläufigen Geschwindigkeitsmesser. |
Autor: | Wilhelm Heyn |
Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 337 |
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Ueber das Nacheilen der zwangläufigen
Geschwindigkeitsmesser.
Von Dr. Ing. Wilhelm
Heyn in Charlottenburg.
(Schluß von S. 263 d. Bd.)
HEYN: Ueber das Nacheilen der zwangläufigen
Geschwindigkeitsmesser.
In Abb. 2 sind die abgewickelten Wege der
Zeigerspitze als Ordinaten auf der Zeitabszissenachse aufgetragen und maßstäblich
die wahren Werte der zu messenden Geschwindigkeit durch den schwach ausgezogenen
Kurvenzug eingezeichnet. Sehr häufig wird die Angabe des Zeigers durch das
Instrument selbsttätig auf einen gleichmäßig fortlaufenden Papierstreifen
aufgezeichnet. Seine sekundliche Vorschubgeschwindigkeit ist mit u (m/Sek.) bekannt. Einem Zeitabschnitt Δt entspricht dann ein Vorschub von u ∙ Δt (m). Die aufgezeichnete Kurve, in Abb. 2 stark ausgezogen, entspricht dann der
gemessenen Geschwindigkeit.
Wir greifen einen beliebigen Meßvorgang heraus und nehmen an, nach der Zeit t1, entsprechend dem
Punkte 1' der Kurve der zu messenden Geschwindigkeit,
beginne der Zeitabschnitt Δt Der Zeiger befindet sich
dann im Punkte l mit der Ordinate y1, welche ihm im
vorangehenden Meßvorgang zugewiesen wurde. Wäre er zwangläufig mit dem Schaltstück
verbunden, so müßte er eine Kurve beschreiben, welche durch die Bewegungsgleichung
(3), jedoch multipliziert mit dem Umsetzungsfaktor γ,
gegeben ist, mußte demnach seine Bewegung vom Fußpunkt l0 der Ordinate y1 auf der Abszissenachse aus beginnen und
entsprechend der Bewegung des Schaltstückes die in Abb.
2 gestrichelte Kurve 10 – 1a beschreiben. Da jedoch tatsächlich der Zeiger
bereits auf Ordinate y1
in Ruhe ist, also relativ zum Schaubild eine Parallele zur Abszissenachse
beschreibt, so wird seine Mitnahme durch das Schaltstück erst erfolgen, wenn es
ebenfalls die Ordinate σ1, entsprechend y, am Zeiger, erreicht
hat, wenn also im Schaubild die gestrichelte Kurve 10
– 1a die durch Punkt
l gezogene Parallele zur Abszissenachse schneidet.
Von hier bis zum Ende des Zeitabschnittes Δt fällt die
relative Bahn des Zeigers mit der des Schaustückes zusammen.
Bei dem eingangs beschriebenen Geschwindigkeitsmesser von Haushälter geschieht dies beispielsweise dadurch, daß der Anschlagstift
k, der zunächst eine Stellung zwischen Anschlagring
1 und Schraubengang m
inne hatte, nach der Zeit Δta bei Beschleunigung durch 1 nach
oben, bei Verzögerung durch m nach unten verschoben
wird, bis er durch den Spalt n gegangen ist und dann
zur Ruhe kommt.
Nach der Entkupplung geht das Schaltstück unter Einwirkung der Schwerkraft oder einer
Feder wieder in die Anfangslage zurück, die nach Verstreichen eines weiteren
Zeitraumes Δtf erreicht
ist. Im Schaubild ist diese auf die Zeigerspitze umgerechnete Bewegung durch die
gestrichelte Kurve 2 – 2f wiedergegeben. Hierauf folgt noch eine Sicherheitspause Δts, deren Länge die
größte mit dem Getriebe zu messende Geschwindigkeit bedingt und während welcher das
Schaltstück in der Nullage verharrt. Hierauf beginnt das Spiel einer neuen Messung
in gleicher Weise.
Die zwischen den Anfangspunkten zweier aufeinander folgenden Messungen benötigte Zeit
setzt sich zusammen aus
tm= Δt + Δt1 = Δt +Δtf+ Δts . . (17)
Die in Gleichung (16) gefundenen Werte y2 werden stets nur durch die Ordinaten in
den Knickpunkten 1, 2, 3 usw. der stark ausgezogenen
Kurve wiedergegeben. Diese Punkte allein sind daher auch nur für die Messung
maßgebend. Ihre zeitliche Aufeinanderfolge ist durch den Wert von tm gegeben und beträgt
bei den ausgeführten Apparaten selten weniger als 1, in der Regel sogar mehrere
Sekunden, so daß eine engere Aufeinanderfolge der einzelnen Knickpunkte
wünschenswert erscheint. Bei einigen neueren Geschwindigkeitsmessern sind deshalb
mehrere Schaltstücke, in der Regel drei, angeordnet, um diese Lücke in der Messung
in gleichmäßigen Zwischenräumen zu unterbrechen. Innerhalb eines Zeitraumes tm wird der Zeiger
entsprechend oft (dreimal) neu eingestellt.
Textabbildung Bd. 332, S. 337
Abb. 2.
Die von der Zeigerspitze beschriebene Geschwindigkeitskurve nimmt jetzt die in Abb. 3 wiedergegebene Form an. Jeder der Kurvenzüge
10α – 1γ – 1fα bzw. 10β – 2α
– 1fβ bzw. 10γ – 2β – 1fγ entspricht der Bewegung eines der (drei)
Schaltstücke.
Die Gestalt der vom Zeiger beschriebenen Kurve nähert sich der Kurve der wahren
Geschwindigkeit, wobei aber die durch y1α, y1β, y1γ, y2α usw. bestimmten Werte vm jedes einzelnen
Meßvorganges sich nicht geändert haben, da die Länge des Zeitabschnittes Δt unverändert blieb. Die Verbesserung besteht vielmehr
nur darin, daß jetzt in einem Zeitraum tm mehrmals (dreimal) statt einmal eingestellt wird.
Die Knickpunkte am Ende des Meßabschnittes Δt
entsprechen nach wie vor dem Werte y2 der Gleichung (16).
Die einzelnen Knickpunkte, welche, wie bereits betont, für die Messung allein
brauchbar sind, denken wir uns durch einen Kurvenzug (Abb.
2 strichpunktiert) vereinigt, so daß wir zur Kurve der zu messenden
Geschwindigkeit auch die Kurve der gemessenen Geschwindigkeit erhalten und einen
Vergleich über das Nacheilen, gegeben durch die Fehlanzeige y' – y, ziehen können. Bei Beschleunigung verläuft die Kurve der
gemessenen Geschwindigkeit unterhalb, bei Verzögerung oberhalb derjenigen der wahren
Geschwindigkeitswerte. Es ist klar, daß die Abweichung beider Kurven um so größer
sein wird, je größer die herrschende zeitliche Geschwindigkeitsänderung ist.
Umgekehrt wird sich die angezeigte Kurve bei abnehmender Beschleunigung immer mehr
an die Kurve der tatsächlichen Geschwindigkeitswerte anschmiegen, um endlich bei
gleichförmiger Geschwindigkeit mit ihr zusammenzufallen.
Textabbildung Bd. 332, S. 338
Abb. 3.
Die bisher nur gedachte Kurve der wahren Geschwindigkeiten kann jedoch aus der vom
Instrument selbsttätig aufgezeichneten Kurve abgeleitet werden. Gemäß Gleichung (7)
wurde vm als die
mittlere Geschwindigkeit im Zeitabschnitt Δt gefunden.
Es muß daher innerhalb Δt einen Zeitpunkt geben, in
welchem die wahre Geschwindigkeit genau vm entspricht.
Bei gleichförmig beschleunigter oder verzögerter Bewegung, die im
Zeit-Geschwindigkeits-Schaubild durch eine geneigte Gerade wiedergegeben wird, (Abb. 2 Punkt x), tritt
dies im Zeitpunkt \frac{\Delta\,t}{2} ein. Denn es ist
vm =
vx . . . . (18)
oder
\frac{b}{2\,\Delta\,t}\,[{t_2}^2-{t_1}^2]=b\,[t_1+t_x] . . . . (19)
Unter Benutzung von Gleichung (4) folgt:
t_x=\frac{\Delta\,t}{2} . . . . (20)
Wir finden daher den der wahren Geschwindigkeit entsprechenden Punkt, wenn im
Schaubild die Δt entsprechende Strecke halbiert und die
zugehörige Ordinate gleich y2 gemacht wird. Wiederholen wir dies für einen weiteren
Meßvorgang, so liefert die Gerade, welche durch die beiden so gefundenen Punkte
gelegt wird, die Kurve der wahren Geschwindigkeit.
Bei beliebiger Geschwindigkeit kann die Bestimmung von yx nicht mit gleicher Genauigkeit erfolgen,
da tx für wachsende
Beschleunigung größer, für abnehmende kleiner als \frac{\Delta\,t}{2} ist, der Unterschied
aber nicht angegeben werden kann. Wir sind vielmehr darauf angewiesen, nach Augenmaß
und Gefühl, die Lage von yx je nach der größeren oder kleineren Krümmung der angezeigten Kurve
festzulegen, erhalten aber noch einen weiteren Anhalt aus der Beziehung, daß die von
den Ordinaten y'1 und
y'2 mit der Kurve
der wahren Geschwindigkeiten eingeschlossene Fläche, welche bekanntlich dem Weg s2 – s1 entspricht, den Wert vm ∙ Δt oder im Maßstabe des Schaubildes den Wert y2 ∙ u Δt haben muß.
Bestimmt man daher eine Reihe von Punkten yx in der angegebenen Weise und verbindet
sie durch einen Kurvenzug, so muß eine Nachprüfung durch Planimetrieren der
einzelnen Flächen für jeden Meßabschnitt Δt die
Flächengleichheit von y2 u
Δt und \gamma\,.\,k\,\int_1^3\,v\,d\,t ergeben, anderenfalls der Kurvenzug entsprechend
verbessert werden muß. Die Kurve der wahren Geschwindigkeit
kann also mit beliebig großer Annäherung aus der aufgezeichneten Kurve des
Instrumentes abgeleitet und der Einfluß der Fehlanzeige oder des Nacheilens in
der Anzeige erkannt werden.
Die große Bedeutung dieses Ermittlungsverfahrens für das tägliche Leben wird klar,
wenn es sich um die Feststellung handelt, ob zum Beispiel den Führer eines
Fahrzeuges die Schuld an einem Unglücksfall infolge zu späten Bremsens trifft. Denn
gerade in solchen Fällen spielt sich der Bewegungsvorgang mit stark veränderlicher
Geschwindigkeit in wenigen Sekunden ab und der Bruchteil einer Sekunde kann für die
Schuldfrage entscheidend sein. Da aber der Bremsvorgang eine große Verzögerung
herbeiführt und herbeiführen soll, so wird auf Grund der gegebenen Entwicklung ein
starkes Nacheilen zu erwarten sein und die Anzeige einen höheren Wert der
Geschwindigkeit vortäuschen als tatsächlich vorhanden war. Die Kenntnis der wahren
Geschwindigkeit kann dann Aufschluß darüber geben, ob der Führer rechtzeitig die
Bremse anzog oder ob ein Verschulden von seiner Seite vorliegt.
Es soll noch darauf hingewiesen werden, daß außer der besprochenen Fehlanzeige, die
in den kinematischen Gesetzen des Getriebeverbandes begründet ist, noch andere
Fehlerquellen, welche eine Verfälschung der Anzeige herbeiführen, vorhanden sind,
wie zum Beispiel ungenauer Gang des Uhrwerks, ungleichmäßige Zeitverluste beim Ein-
und Auskuppeln des Fallstückes, verschieden große Durchbiegungen einzelner
Uebertragungsteile infolge von Massenwirkung usw. Auf diese soll hier jedoch nicht
näher eingegangen werden, da sie immer nur von dem Bau und der Ausführung des
einzelnen Instrumentes abhängen. Zur besseren Veranschaulichung der Größe der
Fehlanzeige soll ein Zahlenbeispiel folgen. Bei Lokomotiven kann die größte
Verzögerung beim Bremsen auf etwa 1,5 m/Sek.2 und
bei Kraftwagen auf etwa 3,5 m/Sek.2 geschätzt
werden. Der Lokomotivgeschwindigkeitsmesser von Hasler
hat eine Meßzeit von Δt = 2 ⅓'', der Geschwindigkeitsmesser Tel dagegen Δt= 1''. Der
Maßstab für die Ordinaten des Schaubildes betrage 1 mm = 1 km/Std. = 0,278 m/Sek.
Damit findet sich das Umsetzungsverhältnis zu
k\,.\,\gamma=\frac{0,001}{0,278}=0,0036.
Nach Gleichung (16) ist dann der Fehlbetrag:
Für den Lokomotivgeschwindigkeitsmesser
y'_2-y_2=\frac{0,0036\,.\,2,333^2}{2}\,.\,1,5=0,0147\mbox{ m},
für den Kraftwagengeschwindigkeitsmesser
y'_2-y_2=\frac{0,0036\,.\,1}{2}\,.\,1,5=0,0027\mbox{ m}.
Während der ganzen Dauer der Verzögerung wird also die Geschwindigkeit um
0,278 ∙ 14,7 = 4,08 m/Sek. = 14,7 km/Std.
bzw.
0,278 ∙ 2,7 = 0,75 m/Sek. = 2,7 km/Std.
zu hoch angezeigt.
In der Schrift des Verfassers „Die Geschwindigkeitsmesser mit Reibungsgetriebe,
ein Beitrag zu ihrer Theorie“Verlag
Springer 1916.) ist bereits die Größe des Nacheilens für
Instrumente mit Reibungsgetriebe nachgewiesen. Der Vergleich zeigt, daß die
zwangläufigen. Geschwindigkeitsmesser hinsichtlich der Größe der Fehlanzeige keinen
Vorzug vor jenen besitzen, daß vielmehr bei jenen durch zweckmäßige Anordnung des
Getriebeverbandes eine weitgehende Verminderung des Nacheilens erzielt werden
kann.
Zusammenfassung.
Der den zwangläufigen Geschwindigkeitsmessern mit zeitweiser Messung zugrunde
liegende Gedanke für den Vorgang der Messung wird klargestellt und die Größe des auf
einer Fehlanzeige beruhenden Nacheilens durch eine Gleichung festgelegt. Für
selbstaufzeichnende Geschwindigkeitsmesser wird eine einfache Lösung für die
zeichnerische Ermittlung der wirklichen Geschwindigkeitswerte aus den gemessenen
Werten gegeben.