Titel: | Die Anordnung der Schmiernuten. |
Autor: | W. Kucharski |
Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 2 |
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Die Anordnung der Schmiernuten.
Von Oberingenieur W. Kucharski, Hamburg.
KUCHARSKI: Die Anordnung der Schmiernuten.
1. Die von Reynolds begründete moderne Theorie der
Schmiermittelreibung erklärt die zwischen einem Lagerzapfen und seiner Schale
auftretenden Kraftwirkungen aus den Strömungsverhältnissen der zwischen ihnen
vorhandenen Schmiermittelschicht: Die zähe Schmierflüssigkeit haftet an der
Zapfenoberfläche; der Zapfen preßt daher bei seiner Bewegung eine gewisse
Flüssigkeitsmenge durch den zwischen ihm und der Schale bestehenden oder
entstehenden Zwischenraum hindurch; hierbei entwickeln sich in der zähen Flüssigkeit
Pressungen, deren resultierende Wirkung der auf den Zapfen wirkenden äußeren Kraft
das Gleichgewicht hält. Die auftretenden Pressungen sind um so größer, je kleiner
die Dicke der Schmiermittelschicht ist. Das Lager ist um so betriebssicherer, je
dicker die Schmiermittelschicht ist; die Lagerung ist also so einzurichten, daß
unter der gegebenen Zapfenbelastung die größtmögliche Dicke der Schmiermittelschicht
auftritt. Aus dieser selbstverständlichen Forderung folgert die bisherige Theorie
konsequenter Weise, daß die gesamte zur Verfügung stehende Lagerfläche, die auf
Grund von Erfahrungszahlen über die zulässigen Werte des mittleren Flächendruckes
und der Zapfengeschwindigkeit und aus konstruktiven Rücksichten als gegeben
anzusehen ist, sowenig wie möglich unterteilt werden soll. Denn je größer die
unterbrochene Erstreckung der tragenden Fläche in der Bewegungsrichtung ist, um so
höher sind die Pressungen, die sich in der Schmiermittelschicht ausbilden können;
und je größer die ununterbrochene Lagerbreite senkrecht zur Bewegungsrichtung ist,
um so weniger wird die Höhe der auftretenden Pressungen durch das seitliche
Abströmen der Schmierflüssigkeit verringert.
Aus diesem an sich richtigen Gedanken heraus ist die Forderung entstanden, so wenig
Schmiernuten wie möglich anzuordnen, und man findet auch bereits in vielen Fällen
Lager, deren Unterschale überhaupt keine Schmiernuten mehr aufweist. Vielfach jedoch
sträubt sich die Praxis aus einem gewissen Gefühl gegen die Forderung der Theorie,
und wer die oft überraschende Feinheit des praktischen Gefühls kennt, wird an diesem
Widerstand gegen das Aufgeben von Schmiernuten nicht ohne Weiteres vorübergehen.
Da die erwähnte Theorie in sich mathematisch einwandfrei entwickelt ist, muß eine
Kritik bei ihren Grundlagen einsetzen. Tatsächlich sind die bisher bei der
Beurteilung der Schmiernutenfrage getroffenen Grundvoraussetzungen nicht
vollständig; bisher ist in diesem Zusammenhang stets mit konstantem
Zähigkeitskoeffizienten des Schmiermittels und mit konstanter Temperatur in der
Schmiermittelschicht gerechnet worden. (Die einzigen Abweichungen von diesen
Annahmen finden sich in den Arbeiten von Freudenreich, Zeitschrift für das gesamte
Turbinenwesen 1917, und in den Mitteilungen der A. – G. Brown,
Boverie & Cie., Baden, Nr. 1 bis 4, 1917;
doch wird hier auf die Schmiernutenfrage nicht eingegangen.) Die Schmierflüssigkeit
erwärmt sich jedoch auf ihrem Wege vom Eintritts- bis zum Austrittsspalt infolge der
entwickelten Reibungsarbeit, und zwar, da die Dicke der Schicht, absolut genommen,
sehr klein ist, nicht unbedeutend, und um so mehr, je länger der Weg in Richtung der
Zapfengeschwindigkeit ist. Mit zunehmender Temperatur sinkt die Zähigkeit der
gebräuchlichen Schmiermittel erheblich; bei kleinerer Zähigkeit sind zur Ausbildung
der gleichen Pressungen kleinere Schichtdicken notwendig. Es liegen also
folgende Verhältnisse vor:
Bei großer ununterbrochener Länge der tragenden Fläche in der Bewegungsrichtung
können sich zwar hohe Flüssigkeitsdrücke entwickeln; gleichzeitig steigt jedoch die
mittlere Temperatur des Schmiermittels in der Schicht bedeutend; die Zähigkeit, und
damit die Dicke der Schmiermittelschicht wird gering. Bei geringer Länge der
tragenden Fläche ist andererseits die Temperaturerhöhung gering, dabei aber die
Ausbildung hoher Drücke unmöglich; wieder ist eine geringe Schichtdicke die Folge.
Zwischen beiden Extremen muß sich ein Maximum der Schichtdicke erreichen lassen.
Durch diesen Gedankengang ist bereits die Grundlage für eine theoretische
Untersuchung gegeben. Eine exakte Theorie der skizzierten Vorgänge müßte auf die
Veränderlichkeit der Temperatur in der Schmierschicht eingehen, müßte also die von
Punkt zu Punkt verschiedene Intensität der Wärmeerzeugung und eventuell auch der
Wärmeabführung durch den Zapfen und die Lagerschale berücksichtigen. Die Aufstellung
der entsprechenden Differentialgleichungen ist prinzipiell einfach, die Auswertung
schwierig. Uebersichtliche Resultate sind nur schwer zu erhalten.
Textabbildung Bd. 334, S. 2
Abb. 1.
Zur ersten Orientierung soll hier ein Annäherungsweg eingeschlagen werden, der
bereits in den oben genannten Arbeiten beschritten ist: Die entwickelte Wärmemenge
wird für die gesamte Lagerfläche summarich berechnet unter Annahme eines konstanten
Zähigkeitskoeffizienten, der in Uebereinstimmung mit der mittleren Temperatur der
Schmiermittelschicht eingesetzt wird. Mit Hilfe der in einer früheren Arbeit
aufgestellten Beziehungen (s Zeitschrift für das gesamte Turbinenwesen 1918, „Der
Einfluß der endlichen Lagerlänge auf die Strömung in der
Schmiermittelschicht“) lassen sich dann die Verhältnisse mit genügender
Einfachheit behandeln.
Der Gang der Untersuchung ist folgender:
Zunächst wird die Abhängigkeit der auftretenden Temperaturerhöhung von sämtlichen in
Frage kommenden Größen festgestellt, insbesondere von der Zähigkeit, der Belastung,
der Zapfengeschwindigkeit, den Abmessungen der tragenden Fläche und ihrer Form; mit
der hierfür gefundenen Beziehung wird dann eine Maximumuntersuchung für die Dicke
der Schmiermittelschicht vorgenommen. Die Gesichtspunkte für die
Schmiernutenanordnung werden schließlich kurz herausgearbeitet.
Die Rechnungen werden der Einfachheit halber für ebene rechteckige Tragflächen
durchgeführt; auf die bei zylindrischen Zapfen auftretenden besonderen Verhältnisse
wird jedoch ebenfalls kurz eingegangen.
2. In Abb. 1 ist schematisch eine rechteckige
Tragfläche II angedeutet, über die sich die
Zapfenoberfläche I mit der Geschwindigkeit a hinwegbewegt. Die Länge der Tragfläche in der
Richtung von u sei l, die
Breite, senkrecht dazu gemessen, b. Die tragende Fläche
sei F = l · b, das Verhältnis l :
b werde mit λ bezeichnet. Die Dicke der
Schmiermittelschicht am Eintritt sei h1 die am Austritt h2; das Verhältnis h2 : h1 sei η. Die Beträge
von h1 und h2 sind vielfach
vergrößert gezeichnet. Die Temperatur am Eintritt ist tl, die am Austritt t2.
Ist k der mittlere Zähigkeitskoeffizient, der über die
ganze Fläche als konstant angenommen wird, so ist die durch die
Flüssigkeitspressungen ausgeübte Normalkraft:
P=\zeta\,\frac{k\,.\,u}{{h_1}^2}\,.\,\sqrt{F^3}\,.\,\varrho\,.\,\sqrt{\lambda} . . . . (1)
Hierin ist ζ eine von dem Verhältnis η abhängige Funktion, die aus Abb. 2 entnommen werden kann, ρ ist eine von
dem Längenverhältnis λ abhängige Verhältniszahl, die in
Abb. 3 über λ
aufgetragen ist. Die Berechnung der Werte von ρ und
nähere Ausführungen über die Werte von ζ und über die
Wahl von η befinden sich in meiner oben genannten
Arbeit.
Textabbildung Bd. 334, S. 3
Abb. 2.
Die infolge der Zähigkeit auftretende Reibungskraft beträgt
R=\sigma\,\sqrt{k\,.\,u\,.\,P}\,\sqrt[4]{F}\,\sqrt[4]{\frac{1}{\lambda\,.\,\varrho^2}} . . . (2)
Hierin ist σ eine weitere von η abhängige Verhältniszahl, die ebenfalls in Abb.
2 eingetragen ist; bezüglich der Ableitung der Beziehung (2) sei ebenfalls
auf die oben zitierte Arbeit hingewiesen. Die durch den keilförmigen Spalt
hindurchgepreßte Flüssigkeitsmenge beträgt:
Q = α • h1
•b •u . . . . . (3)
Hierin ist α eine dritte, von η abhängige Ziffer.
Textabbildung Bd. 334, S. 3
Abb. 3.
Gleichung (3) gibt streng genommen die geförderte Flüssigkeitsmenge bei seitlich
verhindertem Abströmen an; für den hier beabsichtigten Ueberschlag genügt es,
dieselben Werte für die tatsächlich stets auftretenden Verhältnisse anzunehmen, bei
denen ein Teil der Flüssigkeit auf den zur Geschwindigkeitsrichtung parallelen
Kanten seitlich austritt. Der Einfluß der in dieser Annahme enthaltenen
Vernachlässigung wird weiter unten erörtert.
Durch die Wirkung der Reibungskraft R wird eine
sekundliche Reibungsarbeit L entwickelt vom
Betrage:
L = R • u . . . . . . (4)
entsprechend einer Wärmemenge
L • A = A • R • u,
worin \frac{1}{A} das mechanische Wärmeäquivalent ist.
Durch diese Wärmemenge wird die sekundliche Flüssigkeitsmenge Q von der Eintrittstemperatur t1 auf die Austrittstemperatur
t2= t1+ Δ t . . . . . . (5)
erwärmt; Δt ergibt sich unter
der. Voraussetzung, daß durch den Zapfen und durch die Lagerschale nur ein
geringfügiger Teil der entwickelten Wärme abgeführt wird, aus der Gleichung:
A•L = γ • Q • c •Δ t . . . . (6)
Hierin ist γ das spezifische Gewicht, c die spezifische Wärme der Schmierflüssigkeit.
Durch Einsetzen der Werte aus Gleichung (1), (2) und,(3) erhält man mit
\delta=\frac{\sigma}{\alpha\,\sqrt{\zeta}} . . . . . . . (7)
\Delta\,t=\frac{A\,.\,\delta}{\gamma\,.\,c}\,.\,\frac{1}{\varrho}\,.\,\frac{P}{F} . . . . (8)
Bei Einführung des mittleren Flächendruckes
p_0=\frac{P}{F} . . . . . . . (9)
ergibt sich schließlich:
\Delta\,t=A\,.\,\frac{\delta}{\gamma\,.\,c}\,.\,\frac{p_0}{\varrho} . . . . (10)
Die Temperaturerhöhung in der Schmierschicht hängt also nur von dem mittleren
Flächendruck, dem Längenverhältnis, d.h. der Form der tragenden Fläche (da nämlich
ρ eine Funktion nur von λ ist) und von der Schräglage der tragenden Fläche ab; sie ist dagegen
unabhängig von der Zapfengeschwindigkeit, dem Zähigkeitskoeffizienten und der
absoluten Größe der tragenden Fläche. Die Vergrößerung der Reibungsarbeit, die bei
Vergrößerung der Zähigkeit, der Geschwindigkeit und der tragenden Fläche eintritt,
wird durch eine gleichwertige und durch dieselben Faktoren hervorgerufene
Vergrößerung der durch den Zapfen geförderten, die erzeugte Wärme aufnehmenden
Flüssigkeitsmenge ausgeglichen.
Da die im Nenner der Beziehung (10) stehende Verhältnisziffer ρ mit wachsendem λ stark abfällt, sind
Tragflächen mit einer großen ununterbrochenen verhältnismäßigen Länge in Richtung
der Zapfengeschwindigkeit vom Standpunkt der Temperaturerhöhung ungünstig; um eine
geringe Temperaturerhöhung zu erhalten, muß man Tragflächen von großer
verhältnismäßiger Breite, senkrecht zur Geschwindigkeit gemessen, ausführen, oder
durch andere Umstände gegebene längere Flächen durch Schmiernuten, die zur
Geschwindigkeit senkrecht verlaufen, unterteilen. Eine Unterteilung der Breite ist
stets schädlich.
Abb. 4 zeigt \frac{1}{\varrho} als Funktion von λ; man sieht, daß zum Beispiel unter sonst gleichen
Verhältnissen eine Tragfläche vom Seitenverhältnis λ =
1,2 eine um etwa 50 v. H. größere Temperaturerhöhung des Schmiermittels hervorruft
als eine vom Seitenverhältnis λ = 0,7.
Tatsächlich wird bei Flächen mit größerem λ die
Temperaturerhöhung noch größer ausfallen, als die Beziehung (10) ergibt. Denn für
die Ableitung dieser Gleichung ist angenommen, daß die geförderte Flüssigkeitsmenge
ihrer Größe und ihrer kühlenden Wirkung nach unabhängig vom Seitenverhältnis ist (s.
Bemerkung zu
Gleichung (3)). Bei langen schmalen Flächen strömt aber ein verhältnismäßig größerer
Teil der von dem Zapfen erfaßten Flüssigkeitsmenge an den zur Geschwindigkeit
parallelen Kanten aus; die kühlende Wirkung der Schmierflüssigkeit wird dadurch
verringert, die Temperaturerhöhung gesteigert.
Es wäre nicht schwierig, auch diesen Umstand durch Einführung geschätzter oder durch
Rechnung ermittelter Beiwerte für Q, die mit wachsendem λ abnehmen, zu berücksichtigen; da es sich hier aber nur darum handelt, in
großen Zügen ein Bild der auftretenden Verhältnisse zu erhalten, mag die mit den
Werten der Gleichung (3) durchgeführte Rechnung genügen.
Textabbildung Bd. 334, S. 4
Abb. 4.
Gleichung (10) darf nicht so verstanden werden, als wäre die erzeugte Wärme ebenfalls
nur von der Form der Tragfläche und dem mittleren Flächendruck abhängig. Die
Reibungsarbeit, und damit die abzuführende Wärme wächst mit der
Umfangsgeschwindigkeit, der Zähigkeit und der absoluten Flächengröße, entsprechend
den Gleichungen (4) und (2); bei gleicher Temperaturerhöhung in der Schicht ist eben
bei größerer Geschwindigkeit, Zähigkeit und Fläche die erwärmte
Flüssigkeitsmenge ebenfalls größer, so daß aus dem die Tragfläche umgebenden
Oelbehälter zur Aufrechterhaltung eines Beharrungszustandes eine entsprechende
größere Wärmemenge abgeführt werden muß.
Die in Frage kommenden Größenanordnungen zeigt ein Zahlenbeispiel:
Es werde ein Schmieröl mit γ = 0,0009 kg/cm3 und c = 0,450
Kal./kg, angenommen; durch die Art der Tragkörperstützung sei η = 0,6 und damit δ = 2,33
gegeben. Mit A=\frac{1}{42700} wird dann:
\Delta\,t=\frac{2,33}{42700\,.\,0,0009\,.\,0,450}\,.\,\frac{p_0}{\varrho}=0,135\,\frac{p_0}{\varrho}.
Bei quadratischen Tragflächen, d.h. λ = 1,4 wird ρ = 0,495; hiermit:
Δt = 0,273 • p0.
Nimmt man zum Beispiel eine lokale Höchsttemperatur von 100° noch als möglich an und
rechnet mit einer Anfangstemperatur von t1 = 20° C, so wird
Δt= 80° C,
und der noch zulässige Flächendruck:
p_0=\frac{80}{0,273}=293\mbox{ kg}/\mbox{cm}^2.
Mittlere Flächendrücke von dieser Größenordnung sind tatsächlich unter besonders
günstigen Verhältnissen bereits erreicht (s. zum Beispiel Engineering, 1916,
Pressure oil film lubrication). Es ist interessant und für die Konstruktion
höchstbeanspruchter Michell-Lager wichtig, daß sich prinzipiell noch höhere Werte
von p0 bei gleicher
lokaler Höchsttemperatur durch Verkleinerung des Längenverhältnisses λ erreichen lassen; so wird zum Beispiel bei λ = 0,5 : ρ = 0,715, und
der unter gleichen Annahmen wie oben mögliche mittlere Flächendruck beträgt:
p0 =
423 kg/cm2.
(Schluß folgt.)