Titel: | Das Azetylen als Motorenbetriebstoff. |
Autor: | A. Wimplinger |
Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 51 |
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Das Azetylen als Motorenbetriebstoff.
Von Dipl.-Ing. A. Wimplinger, Berlin.
WIMPLINGER: Das Azetylen als Motorenbetriebstoff.
Während des Krieges ist in kohlenarmen Ländern, die auch nicht über Erdölquellen
verfügen, dagegen billige Wasserkräfte besitzen, das Karbid für den Motorenbetrieb
von Wichtigkeit geworden. Zu den Ländern, die mit billigen Wasserkräften große
Mengen Karbid erzeugen, gehört vor allem die Schweiz. In diesem Lande hat sich
bereits ein „Azetylen-Verein“ gebildet, in dessen Zeitschrift
„
Mitteilungen des schweizerischen Azetylen-Vereins“, Heft 10 vom Oktober
1918, ausführlich über die Entwicklung des Azetylen-Motorwagens in der Schweiz
berichtet wird.
Bekanntlich wird das zur Herstellung von Azetylen notwendige Kalziumkarbid aus
ungelöschtem Kalk und Koks im elektrischen Ofen bei hohen Temperaturen gewonnen. Aus
einem Kilogramm Kalziumkarbid (CaC2) werden durchschnittlich 300 l Azetylen (C2H2) nach der Gleichung
erhalten:
CaC2+ 2 H2O = C2H2 + Ca 2 (OH).
Gelöschter Kalk bleibt als Rückstand. 1 m3 Azetylen hat einen unteren Heizwert von 12500
WE. Das spezifische Gewicht ist 0,91, es ist also etwas leichter als Luft.
Man erzielt beim Azetylenmotoren-Betrieb nicht dieselben Leistungen wie beim
Benzinbetrieb, durchschnittlich etwa nur 60 bis 70 v. H. Soll ein Benzinmotor mit
Azetylen betrieben werden, so ist das Verdichtungsverhältnis zu ändern. Der
Verdichtungsraum muß vergrößert werden. Dies kann erreicht werden durch Unterlegen
von Ringen unter die Zylinderdeckel oder der „Benzinkolben“ wird durch einen
„Azetylenkolben“ ersetzt. Will man einen Benzinmotor unverändert mit
Azetylen betreiben, so ist das angesaugte Gemisch gedrosselt in den Zylinder
einzuführen, was wiederum die Leistung verkleinert. Beim Azetylenmotor ist ein
Verdichtungsdruck von nur 2 bis 3 at zulässig, da sich das Azetylen-Luft-Gemisch bei
380 bis 400° von selbst entzündet.
Wie sich bereits bei großen Spiritusmotoren gezeigt hat, daß ein Wasserzusatz
vorteilhaft ist, so konnte dies auch bei Azetylenmotoren festgestellt werden. Das
Azetylen-Luft-Gemisch wird dadurch abgekühlt und das Ladegewicht nimmt
dementsprechend zu. Auch die Verdichtungstemperatur wird dadurch niedriger gehalten,
so daß Vorzündungen weniger häufig auftreten. Die bei der Verdichtung auftretende
Wärme dient dann in erster Linie zum Verdampfen des eingeführten Wassers und
weiterhin zum Ueberhitzen des so erzeugten Wasserdampfes. Da die spezifische Wärme
des überhitzten Wasserdampfes etwa doppelt so groß ist als die des
Azetylen-Luft-Gemisches, so tritt dabei eine merkliche Temperaturerniedrigung ein.
Das Einführen von Wasser in den Motorzylinder kann aber je nach der
Beschaffenheit des Wassers nachteilig auf die Lebensdauer des Motors einwirken. Die
im Wasser gelösten festen Bestandteile bleiben bei der Verdampfung im Zylinder
zurück und zerstören die Lauffläche des Zylinders. Um in einem Benzinmotor den
Verdichtungsdruck bei Azetylenbetrieb von 4 at auf 2 at zu verkleinern sind einem
Kubikmeter Azetylen-Luft-Gemisch etwa 140 g Wasser hinzuzufügen. Kann an Stelle von
Wasser Wasserdampf eingeführt werden, so kommt der angeführte Nachteil in Wegfall.
Das in einem Mischventil erzeugte Azetylen-Luft-Gemisch wird dann zweckmäßigerweise
durch eine regulierbare Wasserdüse mit Wasser gesättigt. Auch der am Benzinmotor
bereits vorhandene Vergaser mit Schwimmervorrichtung kann dazu benutzt werden, wenn
statt Brennstoff Wasser in das Schwimmergehäuse eingeführt wird.
Zur Verbrennung von 1 l Azetylen sind theoretisch 12,02 l Luft erforderlich. In der
Praxis arbeitet man aber mit einem gewissen Luftüberschuß, da bei höherem
Azetylengehalt leicht Rußbildung eintritt.
Man hat auch bereits versucht, das Azetylen zum Motorwagenbetrieb zu verwenden. Einer
der ersten Motorwagen mit Azetylenbetrieb war der von Ingenieur Siebermann in Bern entworfene „Karbider“, der bereits größere
Strecken zurückgelegt hat. Der Azetylen-Entwickler wird hierbei nach der Abbildung
zweckmäßig am Trittbrett des Motorwagens befestigt und durch einen Schlauch oder
besser durch ein Eisenrohr von mindestens 10 mm innerem Durchmesser mit dem in der
Motorsaugleitung zwischen Vergaser und Motor angebrachten Mischventil verbunden. Das
Mischventil ist in der Abbildung Zuteilapparat genannt. Dieser ist unmittelbar vor
der Reglerklappe in der Hauptleitung des Motors einzubauen, und zwar so, daß die
bereits am Wagen vorhandene Regulierung in gleicher Weise auf die
Azetyleneinrichtung wirkt.
Die für Benzinbetrieb vorhandene Einrichtung kann unverändert bestehen bleiben, die
Benzinleitung ist dementsprechend abzuschalten oder abzunehmen. Um den Gasdruck im
Entwickler am Führersitz feststellen zu können, ist vom Wasserhahn aus eine
Schlauchleitung von etwa 6 mm lichtem Durchmesser zum Gasdruckmesser zuführen, der
an gut sichtbarer Stelle an der Spritzwand angebracht wird.
Bei der Inbetriebsetzung füllt man durch die Gasleitung im Turm so lange reines
Wasser ein, bis es am Wasserhahn anfängt abzulaufen. Hierauf wird dieser Hahn
geschlossen und der Turm noch mit Wasser aufgefüllt. Die mit grobkörnigem Karbid
gefüllte Karbidpatrone wird dann über das Gasrohr gestülpt und der Entwickler
abgeschlossen. Die Gasentwicklung beginnt erst dann, wenn der Gashahn am Entwickler
geöffnet wird und die in ihm enthaltene Luft entweicht. Hierauf kann der Motor
angelassen werden, die weitere Gasentwicklung wird sich dann nach dem Verbrauch des
Motors selbst regeln. Am Druckmesser kann festgestellt werden, ob bereits alles
Karbid vergast ist. Außerdem macht sich der Gasmangel durch Aussetzen des Motors
bemerkbar. Zum Auswechseln der Karbidpatrone muß der Motor abgestellt werden, das
fehlende Wasser im Entwickler ist zu ergänzen. Nachdem dann die im Entwickler
vorhandene Luft abgelassen ist, kann die Fahrt wieder fortgesetzt werden.
Für eine Pferdestunde ist etwa 1 kg Karbid erforderlich. Ein leichter Motorwagen
verbraucht für 100 km Fahrt etwa 20 – 25 kg Karbid. Da bei der Entwicklung von
Azetylen Wärme frei wird, so ist ein Einfrieren des Entwicklers nicht zu
befürchten.
Das Azetylen kommt auch in Azeton gelöst und in Flaschen gepreßt in den Handel.
Bei einer solchen Verwendungsart wird jegliche Verunreinigung im Betriebe vermieden.
Aber es entsteht dabei der Nachteil, daß für 1 cbm Gas etwa 15 kg Flaschengewicht
mitgeführt werden muß.
Azetylenmotoren bauen die Schweizer Firmen „Berna“
Lastwagenfabrik in Olten, Saurer in Arbon, Probst in Solothurn, Azetylen-Motoren-Industrie A. G. in Zürich. Auch ein
Motorlastschiff für eine Zementfabrik in Zürich wird bereits mit einem
sechspferdigen Einzylinder-Azetylenmotor Bauart Berchtold
betrieben. Motorräder mit Azetylen-Azeton - Betrieb baut die A. G. A. – Aktiengesellschaft in Basel. Solche Motorräder haben 120
km Aktionradius.
Textabbildung Bd. 334, S. 51
Zum Schlusse sei noch darauf hingewiesen, daß Azetylenmotoren bereits vor dem Kriege
in Deutschland ausprobiert wurden, aber wenig befriedigt haben. Wenn nach gewisser
Zeit die bösen Folgen eines unheilvollen Krieges verschwinden werden und die
einzelnen Völker wiederum in Frieden ihren Güteraustausch bewerkstelligen, dann
werden manche Ersatzstoffe wieder auf ein engbegrenztes Verwendungsgebiet
zurückgeführt. Hierzu gehört voraussichtlich auch das Azetylen als Treibmittel für
Motorwagen. Auch hier wird man je nach der Preisgestaltung zum bewährten Benzin-
oder Benzolbetrieb zurückkehren.