Titel: | Das Abhorchen von Ferngesprächen und die Erdtelegraphie im Felde. |
Autor: | Hans Schäfer |
Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 94 |
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Das Abhorchen von Ferngesprächen und die
Erdtelegraphie im Felde.
Von Hans Schäfer,
München.
SCHÄFER: Das Abhorchen von Ferngesprächen und die Erdtelegraphie im
Felde.
Sehr bald im Kriege erkannte man die Gefahr, daß auf Fernsprechleitungen
geführte Gespräche auf unterirdische Kabel induziert und durch diese zum Feinde
geleitet werden können. Durch Aufsuchen der unterirdischen feindlichen Kabel, deren
Lage ja zum großen Teil schon vorher bekannt war, suchte man dieser Gefahr zu
begegnen.
Nachdem man in den Stellungskrieg eingetreten war, merkte man 1915 an auffälligen
Kennzeichen, daß es dem Feind anscheinend möglich war, die deutschen Gespräche
mitzuhören. So wurde z.B. die Beobachtung gemacht, daß die feindliche Infanterie zu
arbeiten aufhörte und in den Gräben verschwand, sobald unsere Infanterie oder unsere
Artilleriebeobachter durch Fernsprecher Artilleriefeuer auf die feindlichen
Stellungsarbeiten anforderten. Es mußte also dem Feind möglich sein, unsere
Ferngespräche mitzuhören. Unterirdische Kabel kamen nicht in Frage. Von Gefangenen
aber hörte man, daß der Feind tatsächlich einen Apparat besitze, der ihm das
Mithören der deutschen Ferngespräche erlaube. Vorfeld-Patrouillen stellten zudem
fest, daß vor der deutschen Stellung Pfähle in die Erde getrieben waren, von denen
Drähte zur feindlichen Stellung führten. Die feindliche Abhorchtätigkeit war somit
erkannt und festgestellt.
Dies gab den Anstoß einerseits zur Schaffung und Ausbildung eigener Abhorchtätigkeit,
andererseits zur Einführung von Maßnahmen, um dem Feind das Abhorchen zu erschweren
oder unmöglich zu machen. Aus der Abhorchtätigkeit ging dann die Erdtelegraphie
hervor.
Wir können die einzelnen Stadien der Entwicklung von Gerät und Organisation hier
nicht verfolgen. An dieser Stelle soll hauptsächlich die Technik des Geräts
besprochen, die Organisation und der Einsatz kurz gestreift werden.
Wir gehen bei der technischen Betrachtung von einer Einfachleitung aus, bei der also
die Erde die Rückleitung des Stromes darstellt. Der Strom fließt dann von einem
zum andern Erdungspunkt in einem System von Stromfäden, das sich sowohl in der
Breite wie in der Tiefe in die Erde erstreckt. Bei homogener Beschaffenheit der Erde
erhalten wir dabei regelmäßige Kurven, die von dem einen Erdungspunkt zum andern
laufen. Verbindet man nun die Punkte gleicher Stromspannung auf den verschiedenen
Stromfäden, so erhält man senkrecht dazu verlaufende Kurvenscharen, die Linien
gleicher Spannung oder die Aequipotentiallinien.
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Abb. 1.Einbau einer Abhorchstation.
Werden zwei Punkte verschiedener Aequipotentiallinien oder
verschiedener Spannung durch einen Leiter miteinander verbunden, so fließt
bekanntlich ein elektrischer Strom von dem Punkt höherer Spannung zu dem niederer
Spannung, also mit dem Stromgefälle. Der Strom besitzt eine um so größere Stärke, je
größer das Stromgefälle ist, mit andern Worten, je mehr Aequipotentiallinien durch
den verbindenden Leiter geschnitten werden. Der Strom, der zwischen den beiden
verbundenen Punkten fließt, ist ein Teil und damit selbstverständlich ein getreues
Abbild des zwischen
den beiden Erdungspunkten der Fernsprechleitung fließenden Stromes mit all seinen
Schwankungen. Legt man daher in die Verbindungsleitung zwischen den beiden Punkten
verschiedener Spannung einen Fernhöhrer, so kann man in diesem die auf der
Einfachleitung geführten Gespräche hören. Da jedoch nur ein Teil des zwischen den
beiden Erdungspunkten fließenden elektrischen Stromes aufgefangen wird, ist im
allgemeinen der aufgefangene Strom zu schwach, als daß er ohne weiteres die
Gespräche vernehmbar machen würde. Der Strom muß daher noch durch einen
Lautverstärker verstärkt werden. Bei einer Doppelleitung werden Fehler in der
Isolation, die einen Uebertritt des Stromes aus der Leitung in die Erde ermöglichen,
natürlich auch das Abhorchen möglich machen. Schließlich ist auch noch zu beachten,
daß die auf den eigenen Fernsprechleitungen geführten Gespräche auf die eigenen
Horchleitungen induziert und durch diese in die Erde geleitet werden können.
Neben dem unmittelbaren Abfangen von elektrischem Strom aus der Erde ist noch das
mittelbare Abfangen durch Induktion zu verwenden, bei dem die Horchleitung so in das
elektromagnetische Feld der abzuhorchenden Fernsprechleitung gebracht wird, daß die
auf dieser geführten Gespräche auf die Horchleitung induziert werden. Wie die
gutisolierte Doppelleitung der Einfachleitung in bezug auf den Schutz gegen das
unmittelbare Abhorchen bei weitem überlegen ist, so auch in bezug auf das mittelbare
Abfangen; das elektromagnetische Feld einer Einfachleitung reicht viel weiter als
das einer Doppelleitung, bei der die Kraftlinien zum großen Teil zwischen den beiden
Leitungszweigen verlaufen und zwar um so mehr, je näher sich diese liegen.
Soll nun eine feindliche Fernsprechleitung abgehorcht werden, so ist zunächst die
Auffangvorrichtung zu schaffen. Dies ist natürlich dadurch erschwert, daß man nicht
wie bei der obigen theoretischen Einführung die Lage der feindlichen
Fernsprechleitungen und ihrer Erdungspunkte, somit den Verlauf der
Aequipotentiallinien kennt, daß man daher die günstigste Lage der Punkte möglichst
verschieden großer Spannung, an denen die Horchleitungen der Abhorchstation in die
Erde zu führen sind, nicht ohne weiteres weiß, sondern durch den praktischen Versuch
bestimmen muß.
Man muß daher Suchleitungen in größerer Anzahl in den verschiedensten Richtungen
strecken, wobei man einerseits dafür sorgen muß, daß die Suchleitungen möglichst
nahe an die feindlichen Stellungen herankommen – nahe beieinanderliegende
Stellungsteile, Sappen, Wasserläufe, Eisenbahnschienen, alte Kabel- und
Drahtleitungen leisten dabei häufig gute Dienste –, andererseits wird man aber auch
in der Nähe der eigenen Station Sucherden anbringen, da die richtige Kombination von
Erdungspunkten, die das beste Stromgefälle ergeben, häufig nur unter Benutzung in
der Nähe der Station gelegener Stellen gefunden wird. Die Verbesserung der Erden,
ihre Vermehrung, ihr weiterer Ausbau sind Aufgaben, die nie als abgeschlossen gelten
können. Insbesondere ist auch dafür zu sorgen, daß die Erdung selbst in
bestmöglicher Weise ausgeführt wird. Die Suchleitung, die von dem Erdungspunkt zu
dem Apparat führt, ist gut zu isolieren. Bei ihrer Verlegung muß auch stets auf die
Lage der eigenen Fernsprechleitungen Rücksicht genommen werden, da sonst die
Aufnahme feindlicher Gespräche durch das Mithören eigener induzierter Gespräche
unmöglich wird. Die sämtlichen Suchleitungen laufen am Apparat in einem Suchschalter
zusammen, der die wahlweise Kombination der verschiedenen Erden ermöglicht.
Der Apparat selbst wurde in einem trockenen, schußsicheren Unterstand ungefähr
in der Hauptwiderstandslinie eingebaut. Dies entsprach den beiden Forderungen,
einmal, daß eine Ueberrumpelung durch den Feind nicht ohne weiteres möglich sein
soll, zum andern, daß die Suchleitungen nicht zu lang werden, was die
Induktionsmöglichkeit durch eigene Leitungen erhöht und außerdem die Instandhaltung
erschwert.
Haben wir den elektrischen Strom durch die Erden und die Suchleitungen zum Apparat
geleitet, so beginnt nunmehr die Aufgabe des Verstärkers, die angekommenen schwachen
Sprech- und Summerströme nach Bedarf zu verstärken. Dazu benutzt man die
Verstärkerröhren, wie sie auch auf langen Fernsprechleitungen bei der Post zur
Verstärkung schwach ankommender Ströme Verwendung finden; auch die Funkentelegraphie
wendet diese Verstärker an und zwar nicht nur als Lautverstärker, sondern auch als
Detektoren und in neuerer Zeit vor allem auch zur Erzeugung ungedämpfter
Schwingungen mit Hilfe der Rückkoppelung. Das Prinzip des Verstärkers sei kurz
besprochen, wobei ich für genauere Angaben auf „Die Telegraphentechnik“ von
Dr. K. Strecker, S. 79, und vor allem auf das
„Lehrbuch der drahtlosen Telegraphie“ von Dr. J. Zenneck, 4. Aufl. S. 338 und 510 verweise.
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Abb. 2.Verstärkerröhre.
Grundlegend gilt dabei: Gase leiten an sich die Elektrizität schlecht, praktisch so
gut wie garnicht; sie werden aber leitend bei starker Erhitzung, bei starker
Druckverminderung und durch Bestrahlung mit gewissen Strahlen. Wird nun in einer
luftleeren Röhre, in der sich Anode und Kathode eines Stromkreises befinden, die
Kathode bis zur Weißglut erhitzt, so sendet die Kathode negativ geladene Elektronen
aus, die sich zur Anode bewegen. Solche luftleeren Röhren wurden auch bei den
Feldapparaten verwendet. Eine andere Art der Verstärkerröhren ist z.B. die
Lieben-Röhre nach Lieben und Reiß, bei der die Röhre mit einer geringen Menge von
Quecksilberdampf gefüllt ist. Es eilen dann nicht nur negativ geladene Elektronen
von der Kathode zur Anode, sondern das Gas wird ionisiert, und es wandern
gleichzeitig auch positiv geladene Jonen von der Anode zur Kathode.
Ueber die im Feld verwandten Röhren gibt uns Abb. 2
und die nachstehende Beschreibung Aufschluß. Wir haben zunächst die Anodenbatterie
A von 90 V, von deren + Pol eine Leitung über den
Uebertrager Üt II zur Anode An führt, während von dem – Pol eine Leitung über den Uebertrager Üt I zum sogenannten Gitter G geht. Im Punkt x führt weiter eine
Abzweigung zu der Kathode Ka, die durch einen Glühfaden
gebildet wird. Dieser Glühfaden liegt nun mit einem Widerstand im Heizstromkreis,
der von der Heizbatterie H von 6 V gespeist wird; er bringt die
Kathode zum Glühen. Da das Gitter mit dem Abzweigungspunkt die gleiche Spannung hat,
andererseits aber die Kathode noch im Heizstromkreis liegt, so besteht zwischen dem
Gitter und der Kathode ein Spannungsunterschied von rund 2 V. Werden nun von der
glühenden Kathode negative Elektronen ausgestrahlt, so eilen diese der Anode An zu, machen dadurch die Strecke zwischen Kathode Ka und Anode An leitend
und schließen so den Strom der Anodenbatterie A. Dieser
Strom wird also um so stärker fließen, je besser leitend die Verbindung zwischenzwiscken
Ka und An ist. Das
Ueberströmen der negativen Elektronen von Ka zu An wird aber behindert durch das negativ höher geladene
Gitter G, und zwar um so mehr, je größer diese
Spannungsdifferenz ist. Stromschwankungen am Gitter werden sich also durch größere
oder kleinere Leitungsfähigkeit der Strecke Ka–An
bemerkbar machen, was nun wiederum auf die Stärke des Anodenstromes einwirkt.
Wesentlich ist nunmehr, zu untersuchen, wie sich die Beziehungen zwischen der
Gitterspannung und dem durchfließenden Strom gestalten. Beim graphischen Auftragen
dieser Beziehung entsteht eine Kurve, wie sie Abb. 3
zeigt. In einem bestimmten Bereich der Kurve übt die geringste Spannungsveränderung
des Gitters einen erheblichen Einfluß auf den Anodenstrom aus; Spannungsänderungen
von wenigen Volt rufen Stromänderungen von bis zu 1 Milliampere hervor. Die
Stromänderungen sind den Aenderungen der Gitterspannung proportional. Die
Spannungsänderungen des Gitters werden also verstärkt und vergrößert in den
Stromänderungen des Anodenstromes wiedergegeben.
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Abb. 3.Abhängigkeit des Stromes von den Spannungen des Gitters gegen die
Kathode.
Dies wird nun ausgenutzt, indem wir den ankommenden Fernsprechstrom, den wir
verstärken wollen, dem Anodenstromkreis zwischen – Pol der Anodenbatterie und dem
Gitter mitteilen, und zwar geschieht dies über einen Uebertrager, wodurch die
Mitteilung nur bei Wechselströmen (Sprech- oder Summerströmen) erfolgt. Der schwache
ankommende Fernsprechstrom verändert die Gitterspannung nur in geringem Umfange;
richtet man aber, was man durch den Bau der Lampe in der Hand hat, den Prozeß so
ein, daß man mit der Gitterspannung in den Arbeitsbereich der Lampe kommt, so
erhalten wir erhebliche Veränderungen des Anodenstromes. Ueber einen Uebertrager
nehmen wir diesen Strom wieder ab und vernehmen nun in einem eingeschalteten
Fernhörer einen wesentlich verstärkten Strom. Genügt die Verstärkung durch eine
Lampe nicht, so nimmt man eine 2., 3. oder 4., bis man die abzuhorchenden Gespräche
deutlich im Fernhörer vernehmen kann. Eine Lampe gibt eine Verstärkung auf das 6-
bis 9-fache; bei Anwendung mehrerer Lampen potenziert sich die Wirkung.
Im praktischen Betriebe sind die Verhältnisse natürlich nicht so einfach gelagert,
wie es eben geschildert ist. Es ergeben sich hier mancherlei Störungen, vor allem
durch Erdgeräusche und Starkstrom. Die Apparate sind gegen die Erde gut isoliert
aufzustellen. Erdgeräusche, die auf Spannungsunterschiede in der Erde
zurückzuführen sind und so stark werden können, daß sie das Aufnehmen von
Ferngesprächen unmöglich machen, können durch den Nebenschlußwiderstand und den
Nebenschlußkondensator, sowie durch besondere Anlage und Schaltung der Suchleitungen
bekämpft werden. Durch Nebenschlußwiderstand und Nebenschlußkondensator werden
natürlich auch die Gespräche selbst geschwächt, trotzdem aber wird dadurch häufig
eine Besserung erzielt.
Störungen durch Starkstrom können zwar ebenfalls durch die obenerwähnten Maßnahmen
gemildert werden; eine völlige Ausschaltung ergibt aber nur das Ausschalten des
Starkstromes. Für den eigenen Abhorchbetrieb sind daher stets im Benehmen mit dem
Starkstrom Offizier die Betriebsstunden so einzurichten, daß man durch den
Starkstrom nicht behindert wird. Andererseits bietet aber auch das Abhorchen
feindlicher Starkstromtätigkeit wertvolle Einblickmöglichkeiten in die feindlichen
Absichten. Der geübte Hörer- kann das Starkstromgeräusch einer Lichtleitung von dem
eines Motors genau unterscheiden, er erkennt, ob das Geräusch von einer Bohranlage
oder von einer Pumpe oder von einem Ventilator stammt. Vor allem in Gegenden, wo
sich die Gegner im Minenkrieg bekämpfen, ist es von außerordentlicher Bedeutung,
rechtzeitig Kenntnis von feindlichen Minierabsichten zu besitzen.
Auch die Wellen der Funkentelegraphie verursachen Störungen, deren Wirkung ebenfalls
durch die erwähnten Hilfsmittel gemindert werden kann. Erwähnt seien schließlich
noch die Gewitterstörungen.
Begreiflicherweise war es das lebhafteste Bestreben, dem Feinde das Mithören zu
erschweren und unmöglich zu machen. Dazu standen drei Wege zur Verfügung: 1. der Bau
besonderer Fernsprechapparate, 2. besondere Maßnahmen beim Bau der
Fernsprechleitungen, 3. Vorsichtsmaßregeln beim Fernsprechbetrieb.
Der Bau besonderer Fernsprechapparate hat wieder verschiedene Richtungen
eingeschlagen: zum Teil wollte man mit Gleichstrom arbeiten, der im Abhorchapparat,
wie oben ausgeführt, nicht mitgehört wird; andere Lösungen suchen, durch Störströme
– Starkstrom oder Summerstrom – dem Abhorchenden durch das Uebertönen der
aufgefangenen Fernsprechströme das Mithören unmöglich zu machen. Jedenfalls war es
bis zum Schluß des Krieges nicht gelungen, einen abhörsicheren Fernsprechapparat zu
schaffen. Wohl aber besaßen wir einen abhörsicheren Summerapparat, den sogenannten
Utel.
Bezüglich des Fernsprechleitungsbaues ist zu bemerken, daß vor allem für guten, von
Isolationsfehlern freien Bau von Doppelleitungen mit nahe beieinanderliegenden
Leitungszweigen gesorgt wurde. Die Leitungen waren dann weiterhin sorgfältig
instandzuhalten, was mit dem zunehmenden Mangel an brauchbaren Isolationsmaterialien
immer schwieriger wurde. Vorwärts der Bataillone wurden Fernsprechleitungen nicht
mehr geduldet; vor Großkampf Unternehmungen ging man sogar noch weiter und ließ
keine Fernsprechleitungen von den Regimentsgefechtsständen nach vorne mehr zu.
Querverbindungen in dem vorderen 2 bis 3 km tiefen Raum, der sogenannten Gefahrzone,
waren verboten. Eine weitere Baumaßnahme bestand in der völligen Trennung des
Fernsprechnetzes in Höhe der Regimentsgefechtsstände der Infanterie bzw. der
Untergruppengefechtstände der Artillerie, um auf diese Weise das Sprechen von
rückwärts in die Gefahrzone hinein zu verhindern. Schließlich war auch ein
besonderes Augenmerk darauf zu richten, daß keine ober- oder unterirdischen
Leitungen zum Feinde führen. Dazu mußten vor allem die unterirdischen Kabel
aufgesucht und unschädlich gemacht werden. Dies taten besondere Kabelsuchtrupps; mit Hilfe eines
mittleren Funkengeräts wurde gesendet, mit einem Rahmen mit Detektor und
Kopffernhörer wurde aufgenommen; wanderte man mit dem Empfangsrahmen über einem
unterirdischen Kabel hinweg, so diente das unterirdische Kabel zur Herstellung einer
mehr oder weniger engen Koppelung zwischen Sender und Empfänger, was sich im
Kopffernhörer durch mehr oder weniger starkes Hören der gesendeten Zeichen bemerkbar
machte. Auf andere Weise ergibt sich bei der Erdung zweier Pole einer
Wechselstrommaschine eine feststellbare, durch den unterirdischen Leiter
hervorgerufene Verzerrung der Aequipotentiallinien.
Da aber alle Maßnahmen der erwähnten Art einen sicheren Schutz nicht verbürgten, war
im Fernsprechbetrieb darauf zu achten, daß der Fernsprechverkehr in der Gefahrzone
auf das notwendigste Mindestmaß beschränkt wurde, daß ferner durch Anwendung von
Deckworten, durch Chiffrieren mit Hilfe des Schlüsselheftes und durch ähnliche
Maßnahmen dem Feind, auch wenn ihm das Abhorchen technisch gelingt, doch der Inhalt
des abgehorchten Gesprächs verborgen bleibt. Die kleinste Unvorsichtigkeit kann zu
den schwerwiegendsten Folgen führen. Die Abhorchstationen werden daher zur
Sicherstellung der vorsichtigen Handhabung des Fernsprechers auch zur Ueberwachung
des eigenen Sprechverkehrs herangezogen.
Wie wichtig diese Vorsicht ist, soll uns ein kurzer Blick auf die taktische
Auswertung der Abhorchergebnisse zeigen. Die Abhorchstationen werden im allgemeinen
in einem durchschnittlichen Abstand von 4 km voneinander eingesetzt, so daß sie also
ungefähr 2 km nach jeder Seite zu überwachen haben. Zu jeder Abhorchstation gehört
ein der Nachrichtentruppen angehöriger besonderer Trupp ausgebildeter Mannschaften,
unter denen sich gleichzeitig Dolmetscher befinden. Die Ergebnisse wurden
beschleunigt zur Gruppe (Generalkommando) übermittelt; erforderlichenfalls wurden
wichtige und dringliche Ergebnisse, wie unmittelbar bevorstehende feindliche
Angriffsabsichten, der beteiligten Truppe sofort unmittelbar mitgeteilt. Bei der
Gruppe befand sich beim Gruppennachrichtenkommandeur eine Auswertungsstelle für den
gesamten Beobachtungsdienst der Abhorchstationen, Funkenbeobachtungsstationen und
Funkenrichtempfänger. Von hier werden die Ergebnisse, soweit es von Wert ist, der
Truppe zugeführt, gleichzeit laufen alle Ergebnisse zur Auswertungsstelle beim
Armeenachrichtenkommandeur weiter und von hier wieder weiter, bis sie dann für das
Ganze nutzbar gemacht werden. Die Auswertungsstellen waren bodenständig.
Die geringste Unvorsichtigkeit kann die schwersten Folgen nach sich ziehen, und das
Leben von tausenden Kameraden aufs Spiel setzen. Eigene Angriffsabsichten,
Ablösungen usw. werden verraten, Geschützstellungen, Befehlsstände,
Fernsprechstationen werden dem Feind bekannt, auch aus den Namen der Telegraphisten
und ihrem etwaigen gemeinsamen Verschwinden kann er Schlüsse auf Ablösung ziehen.
Die Abhorchtätigkeit des Feindes birgt also schwere Gefahren in sich. Der
Abhorchgewinn war natürlich beim Aufkommen der Apparate am besten, als noch keine
Vorsichtsmaßnahmen beim Gegner getroffen waren; er war insbesondere gut bei dem
Engländer, der zunächst hauptsächlich mit Summer arbeitete. Späterhin, als der Feind
vorsichtiger wurde, wurde die Ausbeute wesentlich geringer; sie war jedoch immer
noch von erheblicher Bedeutung.
Aus der Abhorchtätigkeit nun ist die Erdtelegraphie hervorgegangen. Gelangt beim
Abhorchen der abgehorchte Strom nur zufällig und sogar gegen den Willen des den
Strom Aussendenden in die Erde, so wird bei der Erdtelegraphie gerade bezweckt,
einen Strom in die Erde zu senden, der auf der Gegenstation abgefangen werden kann.
Ein Erdtelegraphenapparat besteht daher aus Sender und Empfänger; da sich auf jeder
Station diese beiden Teile befinden, so ist Wechselverkehr zwischen den Stationen
möglich. Die Zeichen werden durch Summer nach dem Morsealphabet gegeben. Nur kurz
sei an dieser Stelle auch an die Versuche mit Unterwassertelegraphie
hingewiesen.
Auf der Sendestation befindet sich als primäre Stromquelle ein 12 - V - Sammler; als
Summer wird ein Pendelumformer verwendet, der den Gleichstrom des Sammlers in einen
Wechselstrom von ungefähr 600 Perioden verwandelt. Das Prinzip des Pendelumformers
wird als bekannt vorausgesetzt.
Bei der Erdtelegraphie kann nun natürlich wieder für die Anlage der Erdungspunkte mit
ihren Verbindungsleitungen zum Apparat eine möglichst günstige Lage gewählt werden.
Man verwendet zum Senden 2 Erdungspunkte und nennt deren Verbindungslinie die Basis.
Die Basisrichtungen der beiden miteinander in Verkehr stehenden Stationen müssen nun
so zueinander liegen, daß auf der Empfangsstation die Erdungspunkte ein möglichst
großes Stromgefälle in sich schließen. Ihre Verbindungslinie muß möglichst viele
Aequipotentiallinien schneiden, die Stromlinien der Sendestation müssen daher die
Basis der Empfangsstation unter möglichst kleinem Winkel schneiden oder berühren;
dies wird, gleichartige Geländeverhältnisse zwischen den beiden Stationen
vorausgesetzt, am besten erreicht, wenn die beiden Basisrichtungen einander parallel
sind. Mit dem Kompaß wird dies zu erreichen versucht. Es liegen aber immerhin in den
Verschiedenheiten des Bodens zwischen den beiden Stationen so viele
Ablenkungsmöglichkeiten, daß es zweckmäßig ist, auf der Empfangsstation die
günstigste Lage der Horcherden wieder durch Versuch zu bestimmen. Die Länge der
Basis selbst ist ebenfalls von wesentlichem Einfluß auf die Wirkung; je länger die
Basis ist, desto besser. Im allgemeinen wird wohl eine Basislänge von ungefähr 50 m
gewählt. Unter sonst gleichen Verhältnissen steigt die Reichweite bei einer Zunahme
der Basislänge von ungefähr 40 auf 300 m, von 600 auf 3000 m.
Weiter sind von Einfluß der Uebergangswiderstand zwischen Erdleitung und Erde, der
durch möglichst gute Erdung auf ein Mindestmaß zu verringern ist, der
Leitungswiderstand der Erde selbst, für den insbesondere der Feuchtigkeitsgehalt,
die Dichte des Bodens (vorhandene Hohlräume) und die Lagerung und Ausbreitung der
Schichten wesentlich ist, und vor allem die geologische Beschaffenheit der Erde.
Beim Ausgang unserer Betrachtungen über das Abhorchen haben wir die Verteilung der
Stromfäden im Boden gesehen; wir haben dabei bemerkt, daß die Stromfäden sich im
Boden nach allen Richtungen verbreiten und auch in die Tiefe eindringen. Am
günstigsten ist es nun zweifellos, wenn dieses Eindringen in die Tiefe auf ein
Mindestmaß beschränkt wird, wenn also die Stromfäden gewissermaßen in einer Rinne
verlaufen. Dies ist der Fall bei einer dünnen gutleitenden Schicht auf einer
schlecht leitenden, zum Beispiel bei einer dünnen Humus- oder Verwitterungsschicht
auf Fels (günstige Verhältnisse in den Vogesen). Umgekehrt ist natürlich eine
schlecht leitende Schicht ungünstig, ebenso eine tiefe gut leitende Schicht. Wird
mit voller Verstärkung gearbeitet, so kann je nach den Verhältnissen mit Reichweiten
von 1200 bis 4000 m und darüber gerechnet werden. Im allgemeinen wissenschaftlichen
Interesse wäre es erwünscht, wenn die Ergebnisse der im Kriege seitens der
Nachrichtentruppe und seitens der Vermessungstruppe angestellten Versuche der
Oeffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Dabei wäre auch die Frage der Beeinflussung durch
Wasserläufe zu klären. Die praktischen Bedürfnisse des Krieges erforderten
begreiflicherweise immer, daß die Erdtelegraphenstation sich den taktischen
Erfordernissen anpaßte und in der Nähe der zugehörigen Befehlsstelle lag; es konnte
dabei auf die geologischen Verhältnisse im allgemeinen wenig geachtet werden.
Neben den schon für das Abhorchen erwähnten Störungen sind für die Erdtelegraphie
noch zu beachten: Störungen durch in der Nähe befindliche Fernsprechleitungen, durch
andere Erdtelegraphenstationen, schließlich Störungen durch den Gegner. Die
Fernsprechleitungen müssen auch aus diesem Grunde als Doppelleitungen ausgebaut und
sorgfältig unterhalten werden. Erdtelegraphen- und Fernsprechstationen dürfen nicht
im gleichen Stollen untergebracht werden, da sie sich sonst gegenseitig beim Betrieb
stören; geschieht es doch, so muß die Erdtelegraphie ruhen, so lange die
Fernsprechleitungen noch arbeiten. Die Störungen durch andere Sender lassen sich
durch richtige Wahl der Basisrichtungen vermindern; die Störungen sind übrigens nur
dann wesentlich, wenn zahlreichere Stationen auf engem Raum beisammen untergebracht
sind, so daß sich die Sendebereiche der Stationen überdecken; Abhilfe gegen solche
Störungen schaffen die Sender mit verschiedener Tonhöhe, die eine Unterscheidung
ermöglichen. Der Gegner kann hauptsächlich die vorderen Stationen stören; Abhilfe
dagegen kann nur in sehr beschränktem Umfange geschaffen werden. Bemerkenswert ist
eine Erfahrung, die man mit Betonunterständen gemacht hat; sie waren für
Erdtelegraphenstationen außerordentlich ungünstig, da die akustischen
Verhältnisse sehr schlecht waren. Das Geschützfeuer in der Nähe stehender Geschütze
machte sich in solchen Unterständen als lebhaftes Dröhnen bemerkbar, daß die
erdtelegraphischen Zeichen sehr schlecht zu vernehmen waren.
Die Erdtelegraphie ist natürlich vom Feinde ohne weiteres mitzuhören; es muß deshalb
stets verschlüsselt gegeben werden. Da das Durchgeben eines Spruches bei der
Erdtelegraphie an sich schon verhältnismäßig lange Zeit erfordert, wurden besondere
Meldungen fertig vorbereitet und im ganzen durch kurze Zeichen gegeben oder es wurde
die Kurzschrift des Schlüsselheftes verwendet. Der Betrieb vollzog sich nach
ähnlichen Grundsätzen wie bei der Funkentelegraphie. Die Erdtelegraphie hat dieser
gegenüber in der vorderen Kampfzone den Vorzug der größeren Zuverlässigkeit und des
geringeren Raumbedarfs. Schwierigkeiten ergaben sich bei Großkampfhandlungen vor
allem dadurch, daß die empfindlichen Sammler im Artilleriefeuer über unwegsames
Gelände nach vorne gebracht werden mußten. Für den Einsatz ergab sich häufig eine
Verbindung der Erdtelegraphen- und Funkenstationen zu zusammenhängenden Netzen,
seltener eine Verbindung zwischen Erdtelegraphen- und Blinkstationen. Die ersten
praktischen Einsatzversuche wurden 1916 gemacht; in der Sommeschlacht wurde zum
ersten Male allerdings zunächst nur einseitige Erdtelegraphie verwendet. In den
großen Schlachten der folgenden Zeiten bis in den Sommer 1918 hinein hat sie dann
vorzügliche Dienste geleistet und den Einsatz manchen Menschenlebens zum
Störungssuchen und zum Ueberbringen von Meldungen erspart.