Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Werneburg |
Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 112 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Transportgefahr und Versicherung im Frachtgutverkehr.
Bei der Beurteilung der Frage, wer bei der Versendung der Kaufsache an den Käufer
die Transportgefahr im Frachtgut verkehr zu tragen hat, Verkäufer oder Käufer, ist
zunächst festzustellen, welcher Ort als Erfüllungsort des Kaufvertrages anzusehen
ist.
Falls über den Erfüllungsort keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Verkäufer und
Käufer bei Abschluß des Kaufvertrages – nicht nachher einseitig – getroffen worden
ist, gilt der Wohnsitz des Verkäufers als Erfüllungsort des Kaufvertrages.
Ein Versendungskauf liegt dann vor, wenn die Kaufsache auf Verlangen des Käufers von
dem Verkäufer versendet werden soll und der Bestimmungsort von dem Erfüllungsort des
Verkäufers, also dessen Wohnsitz, verschieden ist. Den Zeitpunkt des
Ueberganges der Transportgefahr bei Vorliegen eines derartigen Versendungskaufes
bestimmt nun der § 447 BGB. dahin, daß diese Gefahr auf den Käufer dann übergeht,
sobald der Verkäufer die Kaufsache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst
zur Ausführung bestimmten Person oder Anstalt – also namentlich der Eisenbahn –
ausgeliefert hat. Hat jedoch der Käufer eine besondere Anweisung über die Art der
Versendung erteilt, und weicht der Verkäufer ohne dringenden Grund von der Anweisung
ab, so ist der Verkäufer dem Käufer für den daraus entstehenden Schaden
verantwortlich.
Kauft also A in Berlin von B in Hamburg 100 Tonröhren, so ist mangels einer
ausdrücklichen anderweitigen Vereinbarung zwischen den Parteien Hamburg der
Erfüllungsort; da
also ein Versendungskauf vorliegt, so geht die Transportgefahr bezüglich dieser
Gegenstände in dem Augenblick auf den Käufer A über, in welchem der Verkäufer B die
Röhren dem Spediteur, Frachtführer oder der Eisenbahn ausliefert. Gehen die Röhren
sonach unterwegs unter oder werden sie beschädigt, verzögert sich der Transport oder
verwechselt der Spediteur die Waren oder liefert sie an eine falsche Person aus, so
trägt der Käufer A den Schaden, nicht der Verkäufer B; inwieweit der Käufer sich an
die Eisenbahn oder den Frachtführer halten kann, ist dann eine andere Frage.
Bemerkenswert ist hierbei, daß es ohne jede Bedeutung bezüglich dieser Regelung des
Gefahrüberganges ist, ob der Verkäufer den Beförderungsvertrag, also den
Frachtvertrag mit der Eisenbahn oder einem sonstigen Frachtunternehmen, im eigenen
Namen abschließt, oder ob der Käufer den Frachtvertrag selbst zum Abschluß bringt;
der rein tatsächliche Vorgang der Auslieferung an die Versendungsperson durch den
Verkäufer ist der Zeitpunkt des Gefahrüberganges auch in diesen Fällen.
Im geschäftlichen Leben kommt es nun häufig vor, daß der Verkäufer und der Absender
sich im Frachtbrief selbst als Empfänger der Waren bezeichnet und nur durch
besonderes Avis die Empfangsstation benachrichtigt, wem von der Empfangsstation die
Ware ausgehändigt werden soll. Hier kann nun zweifelhaft sein, in welchem Zeitpunkt
die Transportgefahr auf den Käufer übergeht, ob bereits mit der Uebergabe an die
Transportanstalt oder erst dann, wenn der Verkäufer der Eisenbahn den Namen des
Empfängers mitteilt, nämlich durch besonderes späteres Avis. Die Frage ist in
letzterem Sinne zu entscheiden.
Gemäß § 426 BGB. soll nämlich der Frachtbrief den Namen des Empfängers, d.h.
desjenigen enthalten, an den das Gut abgeliefert werden soll. Der Empfänger ist aber
vor Ankunft des Gutes am Orte der Ablieferung dem Frachtführer gegenüber berechtigt,
alle zur Sicherstellung des Gutes erforderlichen Maßregeln zu ergreifen und dem
Frachtführer die zu diesem Zwecke notwendigen Anweisungen zu erteilen. Derartige
Sicherheitsmaßnahmen und Anweisungen an die Eisenbahn oder sonstige Transportanstalt
sind aber dem Käufer unmöglich gemacht, wenn er nicht von dem Verkäufer in dem
Frachtbrief als Empfänger des Gutes bezeichnet worden ist. Ist der Käufer aber nicht
im Frachtbrief als Empfänger benannt, so erlangt er das Recht zur Erteilung von
Anweisungen an die Transportanstalt oder Eisenbahn erst dann, wenn er der Eisenbahn
von dem Verkäufer als rechtmäßiger Empfänger avisiert worden ist.
Wird dagegen die verkaufte Ware von dem Verkäufer dem Spediteur zur Lagerung bei
diesem bis zur Verfügung des Käufers über sie übergeben, so bleibt es bei der Regel,
so daß also die Gefahr – insbesondere also die Transportgefahr – mit der Uebergabe
an den Spediteur auf den Käufer übergegangen ist.
Aus der gesetzlichen Regelung des BGB. ergibt sich, daß der Spediteur an sich nicht
ohne weiteres zur Versicherung der Güter seines Auftraggebers verpflichtet ist,
sondern nur dann, wenn ihm Anweisung hierzu von letztem erteilt war.
Hierbei ist jedoch zunächst bemerkenswert, daß die Anweisung dem Spediteur zur
Versicherung von seinem Auftraggeber nicht nur ausdrücklich – wie es allerdings wohl
als Regel zu gelten hat –, sondern auch stillschweigend erteilt werden kann. Der
Speditionsvertrag ist also nach diesen Grundsätzen so auszulegen, wie Treu und
Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Eine stillschweigende
Anweisung zur Versicherung der Frachtgüter ist nur dann als erteilt anzunehmen, wenn
diese sich aus den vorliegenden Umständen ergibt, was dann der Fall ist, wenn
entweder ein Handelsbrauch nach Lage der Sache besteht oder wenn in ähnlichen Fällen
die Versicherung von dem Auftraggeber des Spediteurs stets gewünscht und gewollt
war. Nach Berliner Handelsbrauch ist die Angabe des Wertes einer Sendung in dem
Begleitpapier als Auftrag zur Versicherung in Höhe des angegebenen Wertes durch den
Spediteur anzusehen. Liegt jedoch weder ein solcher Handelsbrauch am Erfüllungsorte
des Speditionsvertrages vor – die Beweislast im Prozeß trifft [hierfür auf alle
Fälle den Auftraggeber des Spediteurs – so ist der Spediteur mangels einer
ausdrücklichen Anweisung zur Versicherung der Güter nicht verpflichtet.
Als Regel gilt daher, daß der Spediteur zur Versicherung der Güter nur bei
ausdrücklich hierzu erteilter Anweisung seines Auftraggebers verpfirchtet ist, eine
stillschweigende Anweisung also nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann.
Rechtsanwalt Dr. Werneburg.