Titel: | James Watt. |
Autor: | A. Rotth |
Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 185 |
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James Watt.
geb. 19. Januar 1736 – gest. 25. August
1819.
ROTTH: James Watt.
Vor hundert Jahren, am 25. August, starb James Watt,
der Schöpfer der Dampfmaschine.
Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert wurde das Verlangen nach einer
leistungsfähigen, von Wind und Wasser unabhängigen Triebmaschine immer dringender.
Namentlich brauchte der Bergbau zu seiner weiteren Entwicklung notwendig eine solche
Maschine zum Heben des Grubenwassers. Das sinnfällige große Arbeitsvermögen des
Wasserdampfes hatte schon im Altertume zu seiner Verwendung angeregt, um mechanische
Arbeit durch Wärme zu erzeugen. Nun versuchte Savery, die
zunächst wichtigste Frage der Wasserhebung durch Zuleiten gespannten Dampfes
unmittelbar über den Wasserspiegel in einem barometerartigen Gefäße zu lösen. Ein
anderes und viel brauchbareres Verfahren, wie sich in der Folge erwies, zum Gewinnen
von Arbeit mit Hilfe von Dampf hatte Papin in der
gleichen Zeit gefunden, indem er in einem Zylinder mit beweglichem Kolben
Wasserdampf durch Abkühlen verdichtete und so durch den Druck der Atmosphäre
Hubarbeit verrichten ließ. Dieses Verfahren bildete die Grundlage zu der
„Feuermaschine“ von Newcomen. Ihr Dampfkessel
lieferte mit ganz geringem Ueberdrucke die Zylinderfüllung, die in der einfachsten
und wirksamsten Weise durch Einspritzwasser verdichtet wurde. Diese erste praktisch
benutzte Maschine, die bald mit Selbststeuerung versehen wurde, hat als Wasserheber
dem Bergbau bedeutende Dienste geleistet, sie wurde teilweise in sehr großen
Abmessungen gebaut, hielt sich an einigen Stellen weit in das 19. Jahrhundert hinein
und war schon ein halbes Jahrhundert alt, als James
Watt ihr seine Aufmerksamkeit zuwandte.
Textabbildung Bd. 334, S. 185
James Watt
Zur Beschäftigung mit der Dampfmaschine überhaupt wurde James
Watt um 1760 durch das steigende Bedürfnis nach einer Bauart geleitet, die
ihre Leistung wie die Wind- und Wasserräder in der allgemein brauchbaren Form der
Drehbewegung weitergeben. Auch zur Umwandlung der Newcomen- Maschine für diesen Zweck waren schon Vorschläge gemacht. Watt
versuchte zunächst das Ziel durch Dampf von höherem Drucke zu erreichen. Er ging
davon wieder ab und kam auf die Newcomen-Maschine zurück. In planmäßigem Vorgehen
untersuchte er ihre physikalischen Grundlagen. Ihr größter Mangel für ausgedehntere
Verwendung war der große Brennstoffaufwand, der für eine Kohlengrube erträglich sein
mochte, für die meiste., anderen Stellen aber ein zu starkes Hemmnis war, schon
wegen der unzureichenden Verkehrsmittel. Mit der Aufhellung dieses Grundfehlers tat
Watt den entscheidenden Schritt Als Ursache des
übermäßigen Dampfverbrauches, der jede andere Verbesserung lähmte, erkannte er die
Wärmewanderung vom Dampfkessel zum Kühlwasser ohne Arbeitabgabe infolge der
jedesmaligen tiefen Abkühlung des Zylinders. Der Erkenntnis des Fehlers folgte 1767
die Erfindung des Mittels zu seiner Verminderung, des getrennten Kondensators mit
Luftpumpe. Dem schloß sich bald darauf der Dampfmantel an, als weitere, in ihrer
Wirksamkeit weniger leicht zu verstehende und deshalb viel verkannte Maßnahme, den
schädlichen Einfluß der Zylinderwandungen durch Hochhalten ihrer Temperatur
abzuschwächen. An einer ersten Versuchsmaschine für eine Kohlengrube konnte schon
1768 die neue Bauart ihre Zweckmäßigkeit erweisen, der Kohlenaufwand ging auf ein
Viertel der alten Newcomen-Maschine zurück, aber erst seit 1774, nach seiner
Verbindung mit Matthew Boulton, konnte sich Watt ohne die früheren wirtschaftlichen Hemmnisse der
gründlichen Ausbildung der Dampfmaschine nach seinem Plane widmen. Alle ihre Teile
nahmen unter seiner gestaltenden Hand zweckdienliche Formen an, er hinterließ seine
Schöpfung in einer Vollendung, daß den Nachfahren nur die weitere Ausbildung der
Einzelheiten ohne Hinzufügen neuer wesentlicher Teile verblieb. Watt erschloß das ganze Gebiet der Dampfmaschine, denn
obwohl er sich in seinen Ausführungen auf seine erste Form, die Niederdruckmaschine,
beschränkte, waren ihm die Bedingungen der Hochdruckmaschine vollkommen geläufig,
klar hat er die Wirkungsweise der Expansionsmaschine beschrieben, in einer
Darstellungsweise, die ihm sein Indikator an die Hand gab. Denn auch dieses, erst
lange nach ihm zu gebührender Beachtung gelangte Meßgerät entstammte seinem Geiste
und ist für sich schon der Beweis seines eindringenden wissenschaftlichen Forschens
nach den Vorgängen in der Dampfmaschine. Indem er endlich für sie die Pferdestärke
als Leistungseinheit einführte, gab er ebenso den Beweis seines praktischen Sinnes
wie der Bestimmtheit seiner mechanischen Vorstellungen, die zu seiner Zeit noch
keineswegs Allgemeingut war.
Die Frage liegt nahe, weshalb die vollendete Dampfmaschine zuerst in der weniger
einfachen Form der reinen Niederdruckmaschine entstand, da doch Watt, wie lange vor ihm Savery
und andere, die Wirkung höheren Druckes gut kannte und anfänglich ja auch benutzen
wollte. Der Grund dafür muß in dem noch unzureichenden Zustande der
Werkstättentechnik gesucht werden. Bei der geringen Genauigkeit im Ausbohren der
Zylinder erzielte man die Abdichtung des Kolbens mit gefetteter Hanfpackung, für die
natürlich kleiner Druck und niedrige Temperatur erwünscht war. Vor allem aber mußten
Dampfkessel für höheren Druck in Erinnerung an Unfälle bei den Versuchen von Savery große Bedenken erregen, und diese Scheu scheint
die weiche Gemütsart Watts nicht überwunden zu haben, um so weniger, als er für
seine Zwecke nach dem großen Fortschritte in der Anwendung höheren Druckes, keinen
genügenden wirtschaftlichen Vorteil gegenüber den größeren Gefahren sehen mochte. So
ist er auch bis zuletzt bei seiner Niederdruckmaschine geblieben, so sehr ihn sein
vollkommener Einblick befähigt hätte, jede andere Form der Dampfmaschine zu
beherrschen.
Watt hat aus den schwachen Keimen heraus, die er vorfand,
die Dampfmaschine im Ganzen als fertiges Gebilde geschaffen, fragt man aber nach
seinen Leistungen im einzelnen, so muß als größte die Erkenntnis von dem Einflüsse
der Zylinderwandungen überhaupt angesehen werden, die nur ihren ersten greifbaren
Ausdruck in dem gesonderten Kondensator fand. Um diese Leistung würdigen zu können,
muß man den Stand der Wärmelehre zur Zeit der Erfindung beachten. Ueber die
spezifische Wärme der Körper herrschten noch unsichere Vorstellungen, den Begriff
der Verdampfungswärme hatte eben erst Black zu klären
begonnen. Watt stand vor der Newcomen-Maschine, die er
verbessern wollte, zunächst ohne jeden Anhalt, in welcher Art das geschehen könnte.
Wohl lag von selbst der Wunsch nahe, den Kohlenverbrauch zu vermindern, aber niemand
konnte doch damals wissen, ob das überhaupt möglich sei. Das durch unablässiges
Sehen und Denken entwickelte wissenschaftliche Empfinden leitete Watt zu der planmäßigen Untersuchung der thermischen
Gesetze. Erst als er die wichtigsten Werte unter Bestätigung von Black festgestellt hatte, konnte er einigermaßen sicher
bestimmen, welche Mengen von Dampf und Kühlwasser im denkbar besten Falle nötig
wären, und sie vergleichen mit den wirklich gebrauchten Mengen. Damit war ihm der
Einfluß der Zylindermasse unter den wechselnden Temperaturen gegeben. Wie klar Watt über diesen zweckwidrigen Nebenschluß bei der
Wärmebewegung war, zeigen seine Ueberlegungen wegen der Wahl des Baustoffes für den
Zylinder. Er erkannte bald, daß bei den verhältnismäßig geringen Unterschieden der
üblichen Metalle in den hier wesentlichen Eigenschaften die Wahl des einen oder
anderen keine erhebliche Verbesserung bedeuten konnte, und er versuchte die
Verwendung von Holz. Das hatte aber wieder andere hindernde Eigenschaften, so lange
die Verdichtung des Dampfes durch Einspritzwasser im Zylinder selbst erfolgte. Der
getrennte Kondensator löste die Aufgabe mit einem Schlage in solchem Maße, daß Watt
selbst die Frage des thermisch zweckmäßigsten Baustoffes für den Zylinder auch
später nicht wieder aufgenommen zu haben scheint. Zweifellos aber hatte er die
Bedeutung der Frage für den Dampfverbrauch der Kolbendampfmaschine, also den Kern
ihrer Theorie, scharf erfaßt. Die Nachfolger haben den weiteren Inhalt dieser
Leistung lange verkannt, der Mangel an geschichtlichem Sinne hat die Hinweise Watt's
lange ohne Beachtung gelassen. Viele Jahrzehnte lang ist die Kolbendampfmaschine
fast nur vom mechanischen Standpunkte behandelt, wie die zahllosen unnützen
Steuerungen beweisen, daneben nach mißverstandenen Lehren der Thermodynamik abfällig
beurteilt, und selbst heute wird die Rolle der dampf berührten Zylinderflächen mit
ihren Folgerungen noch nicht überall richtig gewürdigt.
Die Dampfmaschine bildete die wichtigste und erfolgreichste, aber nicht die alleinige
Lebensarbeit von James Watt. Einer angesehenen, aber
verarmten Familie entsprossen, hatte ihn sein Drang nach Wissen und Gestalten schon
in jungen Jahren trotz seines bescheidenen Berufes als Mechaniker in
wissenschaftlichen Kreisen zu Ansehen gebracht. Von schwacher, erst später
gefestigter Gesundheit mußte er um seinen und seiner Familie Lebensunterhalt
arbeiten und hat dabei Zeit gefunden, seine Kenntnisse über alle
naturwissenschaftlichen Zweige auszudehnen und seine Erfindungskraft an Gegenständen
seines Faches zu üben. Auch später, als er darüber hinaus gewachsen war, und während
seines ganzen folgenden Lebens hat ihn sein Schaffensdrang immer wieder auf andere
Gebiete geführt, mit Ergebnissen, die allein schon genügt hätten, seinen Namen
bekannt zu machen. So erfand er die allgemein bekannte Kopierpresse für
Schriftstücke, die erst lange nach ihm zu größerem Ansehen gekommene
„Moderateurlampe“, die Chlorbleiche, die Dampfheizung bei
Walzentrockenmaschinen, er entdeckte die Zusammensetzung des Wassers, in seinen
Werkstätten führte er den Rechenschieber mit logarithmischer Skala ein, als erster
schlug er ein auf die Längeneinheit aufgebautes Maßsystem vor. Als echter Werkmann
legte er immer großen Wert auf seine Handfertigkeit und arbeitete noch an seinem
Lebensabende eigenhändig an einer Kopiermaschine für plastische Kunstwerke. Dabei
entging seinem überaus regen Geiste keine bemerkenswerte Erscheinung der Literatur,
vom frühen bis zum späten Alter ergötzte er seine Umgebung durch seine Lust am
Fabulieren, so daß Walter Scott in richtiger Würdigung
der inneren Wesengleichheit aller schöpferischen Tätigkeit sagte, Watt wäre sein größter Mitbewerber geworden, wenn er
nicht vorgezogen hätte, Maschinen zu erfinden. Auch die eigentümliche Neigung zur
Sprachwissenschaft, die als schwer erklärbare Beigabe bei manchen mathematischen
Köpfen hervorgetreten ist, so an Leibniz, Gauss,
Grassmann, scheint in Watt rege gewesen zu sein.
Die Vielseitigkeit des Genies hat in Watt einen greifbaren Ausdruck gefunden.
Die Freude am Schaffen hat Watt immer begleitet, aber auch die Härte des Schaffens
hat er gekostet. Von der Erfindung des Kondensators erzählt er, der Gedanke sei ihm
plötzlich eines Tages beim Wandern durch die Felder gekommen. Wir wissen noch von
einer anderen, gleich bedeutsamen Erfindung die letzten Umstände ihres Werdens. Als
Werner Siemens, gerade hundert Jahre später, die
Dynamomaschine schuf, folgte er auch einem glücklichen Einfalle und legte im Eifer
des Verwirklichens selbst mit Hand an die letzte Schaltung. Mangel an Einsicht in
das geistige Schaffen überhaupt hat aus solchen Vorgängen die Vorstellung
abgeleitet, als sei die Erfindung eine mühelose Eingebung des Augenblickes, die fast
ohne Zutun dem Kopfe des Urhebers entspringe, während sie doch nur das Schlußglied
einer langen Kette von Mühen ist, so überraschend nach Zeit und Ort für den Erfinder
selbst sich dieser Schluß oft einstellen mag. Unausgesetztes Nachdenken, so hat Watt selbst gesagt, führt allein zur Erfindung, und
welcher Aufwand an Gemütskraft dann noch erforderlich ist, im Wechsel zwischen
zehrendem Grübeln, peinigendem Zweifel und tatkräftigem Handeln den Inhalt der
Erfindung zur praktischen Reife zu bringen, das hat Watt genugsam an sich erfahren.
Von seiner entscheidenden Erfindung an verging fast ein Jahrzehnt, ehe die Firma Boulton & Watt regelmäßige Aufträge auf ihre
Maschinen ausführen konnte, und nicht viel weniger Zeit bedurfte es dann noch,
bis das wirtschaftliche Erträgnis die aufgewendeten Mühen lohnte.
James Watt war ein vorbildlicher Vertreter der reinen
Technik, der das Ziel seines Strebens in dem Schaffen der gebrauchsfertigen Maschine
sah. Das Bedürfnis erkennend, unter den Möglichkeiten, die ihn seine reiche
Phantasie sehen ließ, mit immer bereichertem geschultem Geiste nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten wählend, ging er mit unbeirrbarer Zähigkeit den gesteckten Weg bis
zum Ende. Seine Geisteskinder in das gewerbliche Leben, hinüberzuführen, lag nicht
in seiner Natur, die er selbst in geschäftlichen Dingen als scheu und unentschlossen
bezeichnet hat. Die notwendige Ergänzung fand er in dem hervorragenden Manne, dessen
Einsicht und vertrauende Festigkeit den endlichen Erfolg ermöglichte, ein Glück, das
später auch den Urhebern der beiden wichtigsten Mitbewerber der Dampfmaschine zu
Teil geworden ist.
Mit seiner Schöpfung hat Watt eine neue Zeit im
Wirtschaftleben eingeleitet. Ein Meister in der Behandlung einer technischen Aufgabe
mit allen Mitteln der wissenschaftlichen Erkenntnis hatte er sein Ziel mit dem nur
einem Kundigen eignen Empfinden zur rechten Zeit in der rechten Bahn gesucht. Der
Würdigung solcher grundschaffenden technischen Tätigkeit ist die stürmische
Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht überall günstig gewesen. Für den
Wiederaufbau des Vaterlandes werden in Zukunft an die deutsche Technik Anforderungen
ungewöhnlicher Art gestellt werden. Sie wird ihnen nur entsprechen können, wenn das
Vorbild von James Watt und unsrer eignen Großen des
Faches zur Wirkung kommt.
A. Rotth.