Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | W. D. |
Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 243 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Zur Auslegungdes Begriffs„hauptsächlicher
Bestandteil“ beim Spezialtarif 1 auf S. 62 des
Eisenbahngütertarifs. Berücksichtigung der verkehrsrechtlichen Bedeutung des
Begriffs, wie sie sich aus Zweck und Absicht des Eisenbahngütertarifs ergibt.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückvergütung für zuviel berechnete
Eisenbahnfracht mit der Begründung, daß Beklagte von Anfang März 1916 bis 13. Januar
1917 für die Flugmotorensendungen der Klägerin zu Unrecht den Frachtsatz der Güter
der Allgemeinen Warenklasse des deutschen Eisenbahngütertarifs in Anwendung gebracht
habe anstatt den des Spezialtarifs I Nebenklasse A 2 für Eisen- und Stahlwaren. Die
Beklagte hat die Zahlung im vollen Umfange verweigert. Das Oberlandesgericht hat der
Klägerin entsprochen. Die Revision führt zur Abweisung der Klage. Aus den Gründen:
Der Spezialtarif I ist ein Vergünstigungstarif. Es sollen Eisen- und Stahlwaren –
ebenso wie Glas (S. 78) und Tonwaren (S. 129) des Spezialtarifs II, bei denen sich
gleichfalls die Bestimmung über hauptsächliche Bestandteile findet – wegen ihres
hohen spezifischen Gewichts einerseits und ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung
andererseits den Vorteil ermäßigter Frachtsätze genießen. Aus Gründen der Billigkeit
und der Vereinfachung in der Verkehrsabwicklung ist dieser Vergünstigungstarif auch
offenbar dann noch zuzulassen, wenn mit Eisen- und Stahlteilen nebensächlich andere
Stoffe verbunden sind. Er greift dagegen nicht mehr Platz, wenn Hauptbestandteile
der Ware aus anderen Stoffen bestehen. Für die hiernach erforderliche Abgrenzung von
Haupt- und Nebenbestandteilen läßt sich angesichts der Vielgestaltigkeit der zu
verfrachtenden Waren eine abgezogene, scharfe Begriffsbestimmung nicht geben. Es muß
vielmehr Würdigung von Fall zu Fall stattfinden. Nur muß bei dieser die
verkehrsrechtliche Bedeutung des Begriffs, wie sie sich aus seinen Zwecken
ergibt, Maß geben. Angewendet auf den vorliegenden Fall, ergibt eine solche Prüfung
folgendes: Für die Bemessung der Frachtkosten ist in ersterer Linie die
Inanspruchnahme des Laderaums und die Belastung der Achse mit Gewicht
ausschlaggebend. Die konstruktive Bedeutung der einzelnen Teile und deren
Herstellungswert oder Preis tritt dagegen zurück. Nun ist festgestellt: Umfang und
Raumbedarf der Aluminiumteile und der Eisen- und Stahlteile ist etwa je auf die
Hälfte des, Gesamtumfangs des Gesamtraumbedarfs des Motors anzunehmen. Das Gewicht
der Aluminiumteile beträgt etwa 24 v. H. des Gesamtgewichts und hiermit gut ⅓ der
auf 70 v. H. des Gesamtgewichts anzuschlagenden Eisen- und Stahlteile. Konstruktiv
dient das Aluminiumgehäuse als Stütze und Träger der Eisen- und Stahlzylinder und
als Kurbelschutz für die in ihm gelagerte Kurbelwelle; daneben sind auch noch
Vergaser, Wasserpumpe und Aussaugleitung aus Aluminium hergestellt. Hält man alle
diese Tatumstände zusammen und erwägt namentlich noch, daß das Gewicht der
Aluminiumteile zwar nur ⅓ der Eisen- und Stahlteile ausmacht, daß aber dieses
Verhältnis im wesentlichen nur der Ausdruck des weit geringeren spezifischen
Gewichts des Aluminiums ist, daß die Konstruktionsbedeutung mindestens nicht ganz
nebensächlicher Natur ist, sondern dem Motor gegenüber eine, wenn auch dienende, so
doch wesentliche Rolle spielt, so muß man zu dem Ergebnisse gelangen, daß
verkehrsrechtlich hingesehen auf den Zweck. der Tariffestsetzung es sich bei den
Aluminiumteilen nicht mehr um nebensächliche, sondern um hauptsächliche Bestandteile
der Ware handelt. Hiernach war aber die Verfrachtung nach dem allgemeinen
Wagenklassentarif gerechtfertigt und mußte nach dem Antrag der Revisionsklägerin
erkannt werden. U. v. 29. März 1919. (Aus J. W. 1919. S. 576.)
W. D.