Titel: | Mechanisch-elektrische Einheiten. |
Autor: | K. Michalke |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 28 |
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Mechanisch-elektrische Einheiten.
Von Dr. K. Michalke,
Berlin-Siemensstadt.
Mechanisch-elektrische Einheiten.
Ueber hundert Jahre schon rechnet man bei Leistung von Dampfmaschinen und
anderen Kraftmaschinen nach Pferdestärken (PS); die Engländer haben eine etwas
kleinere Einheit horse-power (HP). Diese Einheit ist leicht ins Volk eingedrungen,
da es sich unter dem Namen etwas vorstellen kann, nämlich daß die Pferdestärke etwas
Gleichartiges ist, wie das, was ein Pferd leisten kann, in gewisser Zeit eine
bestimmte mechanische Arbeit zu verrichten. Eine „Pferdestärke“ ist nicht
etwa gleich der Leistung eines Pferdes, nur gleichartig, denn auch das kräftigste
Pferd kann an einer Maschine auf die Dauer, und hierauf kommt es an, die Leistung
einer mechanischen Pferdestärke nicht ausführen. Es kann bei achtstündiger
Arbeitszeit nur etwa die Hälfte leisten. Nur vorübergehend auf sehr kurze Zeit kann
ein tierisches Pferd eine mechanische Pferdestärke an einer Maschine leisten. Die
Benennung der mechanischen Einheit „Pferdestärke“ ist willkürlich und
zufällig. Eine Pferdestärke ist bekanntlich die Leistung, bei der in einer Sekunde
die Arbeit von 75 kgm vollführt werden kann, d.h. es können 75 kg durch l PS in 1
Sekunde 1 m gehoben werden.
In der Elektrotechnik, die über ein sehr vollendet ausgebildetes Maßsystem verfügt,
ergibt sich die Leistungseinheit bei Gleichstrombetrieb und bei
Einphasenwechselstrom, wenn im Stromkreise keine Gegenkräfte vorhanden sind, die
durch Magnetisierung oder Kondensatorwirkung entstehen, aus dem Produkt von
Stromstärke J und Spannung E. Es stellt in diesem Fall JE die Leistung dar. Aus Volt
und Ampere ergibt sich die Leistungseinheit Voltampere oder Watt. Wie man bei
Gewichten im Verkehr zumeist mit dem Tausendfachen des Grammgewichtes, dem
Kilogramm, rechnet, so rechnet man in der Starkstromtechnik zumeist mit dem Kilowatt
(kW). Dies kW ergibt sich also in natürlicher Weise aus den Grundeinheiten der
Elektrotechnik.
Infolge der Einführung des kW mußte man mit zwei Leistungseinheiten, dem kW und
dem PS, rechnen. Man half sich in der Weise, daß man die PS-Einheit für mechanische
Leistungen, die kW-Einheit für elektrische Leistungen wählte. So rechnete man
beispielsweise bei einem Turbogenerator, daß dieser etwa 1500 PS an den Gleich- oder
Wechselstromerzeuger abgebe, der dafür 1000 kW leiste, umgekehrt sagte man von einem
Motor, seine Aufnahme betrage 85 kW, wofür er 100 PS abgäbe. Das Rechnen mit
verschiedenen Einheiten führt zu unnötiger Zwischenrechnerei und neuen
Fehlerquellen. Bei Wahl einer einzigen Einheit wird alles einfach und übersichtlich.
So erhält man z.B. als Wirkungsgrad eines Motors vѯn 1,25 kW Aufnahme und 1 kW
Abgabe 1/1,25 oder 0,80, der Verlust 1,25 – 1 = 0,25 kW. Der Besitzer eines
Kleinmotors bezahlt, die vom Motor aufgenommene Arbeit nach Kilowattstunden, nach
denen sein Zähler geeicht ist. Es ist für ihn daher das natürlichste, auch die vom
Motor geleistete Arbeit nach Kilowattstunden, nicht nach einer anderen Einheit,
Pferdekraftstunden, zu rechnen.
Für die Elektriker war es ausgeschlossen, von der Einheit des kW, die sich aus den
Grundeinheiten gesetzmäßig ergibt, abzugehen. Da die Ausbreitung der elektrischen
Anlagen immer mehr zunahm, und elektrische Maschinen in der Technik eine führende
Rolle übernahmen, kamen die Vertreter der verschiedenen technischen Betriebe
überein, nur noch mit einer Einheit fortan zu rechnen und das kW allgemein auch für
mechanische Leistungen anzunehmen. Man verhehlte sich nicht die Schwierigkeiten, die
der allgemeinen Einführung der neuen Einheit entgegenstanden. Man war an die alte,
über ein Jahrhundert gebrauchte Einheit gewöhnt und hatte sein Schätzungsvermögen
hiernach eingestellt, das nun einer neuen Anschauungsweise angepaßt werden sollte.
Die breite Masse des Volkes zeigt eine erstaunliche Denkträgheit und läßt sich
nur schwer dazu bringen, zu einer neuen Einheit überzugehen. Rechnet doch der
Groß-Viehhändler vielfach noch in manchen Gegenden nach der längst verlassenen
Einheit in Steingewicht, der Grundstückmakler rechnet in Norddeutschland noch nach
Ruten, die Hausfrau kauft nach Pfunden und Gramm, Mandeln, Schock. Es kann also noch
eine lange Reihe von Jahren vergehen, bis sich die Gesamtheit des. Volkes an die
neue Leistungseinheit gewöhnt hat.
Die einheitliche Einführung des kW als Einheit für elektrische und mechanische
Leistung wurde etwa gleichzeitig in Deutschland und international von der
internationalen elektrotechnischen Kommission (JEC) angeregt. International wurde
die Einführung im September 1911 in Turin beschlossen. In Deutschland wurde sie von
dem aus 16 größeren technisch-wissenschaftlichen Verbänden gebildeten Ausschusse für
Einheiten und Formelgrößen (AEF) angenommen und 1914 veröffentlicht. Hinter diesem
Ausschusse stehen von technischen Gesellschaften z.B. folgende größeren
Verbände:
der Verein Deutscher Ingenieure,
der Verband Deutscher Elektrotechniker,
der Verein Deutscher Maschinen-Ingenieure,
der Deutsche Verein von Gas- und Wasserfachmännern,
der Verband Deutscher Architekten- u. Ingenieur-Vereine,
die Deutsche Bunsen-Gesellschaft,
die Deutsche Chemische Gesellschaft,
der Oesterreichische Ingenieur- und Architekten-Verein,
der Schweizerische Elektrotechniker-Verein in Zürich
usw.
Der Beschluß lautet:
„Die technische Einheit der Leistung heißt Kilowatt. Sie ist praktisch gleich 102
Kilogrammeter in der Sekunde und entspricht der absoluten Leistung 1010 Erg in der Sekunde. Einheitsbezeichnung
kW.“
Die neue Einheit kW ist also im Verhältnis von 102 : 75 größer als die alte PS. Den
Namen „Großpferd“ für sie einzuführen, wie anfänglich beabsichtigt war, ist
wieder fallen gelassen worden, weil doch leicht Verwechselungen mit dem alten PS
eintreten können. Gewissenlose Anbieter könnten dies auch leicht zu unlauteren
Geschäftsvorteilen ausnutzen, wie dies früher in der Zeit vielgestaltiger
Maßeinheiten, z.B. mit der langen und kurzen Elle, geschah. Es war großzügig von den
Herstellern von Dampfmaschinen, Gasmaschinen, Oelmaschinen, Wind- und Wassermotoren
usw., sich sofort der neuen Einheit anzuschließen und die alte Einheit zu
verlassen.
Während die Engländer noch zaghaft sind, die Beschlüsse ihrer hervorragensten
Körperschaften und Ingenieure in die Tat umzusetzen, sind die Franzosen weiter
gegangen. Durch Gesetz vom August 1919 wurde kW auch für mechanische Größen
gesetzlich festgesetzt, wie bei uns das Meter, das Kilogramm, das Liter, das Hektar
usw. In einer Uebergangsbestimmung ist in Frankreich das „Dampfpferd“
(cheval-vapeur) gleich 0,736 kW gesetzt, d.h. wenn jemand nach Dampfpferden rechnet,
muß er diese Umrechnungszahl zugrunde legen. In Deutschland, wo die neue
Leistungseinheit nur zwischen den großen technischen Verbänden vereinbart ist, gilt
das kW noch nicht als gesetzlich festgelegte Einheit, so daß es noch immer jedem
frei steht, auch nach der alten Einheit zu rechnen. Wenn es auch, dem allgemeinen
Beharrungsgesetz entsprechend, lange dauern wird, bis die neue Einheit im Volke
Wurzel faßt, so wäre doch zu wünschen, wenn sich ein jeder mit ihr befreunden und
sich ihrer Einführung nicht widersetzen würde.
Frankreich ist in der Einführung neuer Maßbestimmungen in dem oben genannten Gesetz
noch weiter gegangen. Es hat auch für mechanische Arbeit die aus den elektrischen
Grundeinheiten sich ergebende Arbeitseinheit eingeführt. Als mechanische
Arbeitseinheit gilt in Frankreich somit das Kilojoule, gleich der Arbeit, die von
einem Kilowatt in 1 Sekunde geleistet wird. Diese Einheit gilt also gesetzlich
sowohl für elektrische als auch für mechanische Größen. Als Einheit der Arbeit gilt
in Deutschland noch in elektrischen Einheiten die Kilowattsekunde, die der
mechanischen Arbeit von 102 mkg gleichwertig ist. Das Kilojoule ist in Deutschland
nur als Wärmeeinheit vorgeschlagen. 1 Kilojoule = 0,23865 Kilogramm Kalorie (bezogen
auf Wasser von 15°C), d.h. mit der Arbeit eines Kilojoule kann der Wärmegrad von 1
Kilogramm Wasser von 15° C um 0,23865° erhöht werden. Es wäre zu begrüßen, wenn auch
in Deutschland die Benennung Kilojoule allgemein als Arbeitseinheit eingeführt
würde. Man hätte dann die gleiche Einheit für Rechnung mit elektrischen und
mechanischen und Wärmegrößen. 1 Kilojoule = 0,23865 kg-Kal = 102 mkg.
Es sei als bemerkenswert noch mitgeteilt, daß Frankreich auch für Gradteilung
gesetzlich das Dezimalsystem eingeführt hat. Neben der Teilung des rechten Winkels
in 90 Grade wird eine solche in 100 Teile festgesetzt. 1/90 von einem Rechten (alte Teilung) wird
mit „Degré“, 1/100 eines Rechten (neue Teilung) wird mit „Grade“ bezeichnet.
Minuten und Sekunden fallen bei „Grade“ weg und erscheinen als Stellen hinter
dem Grade-Komma.
Man kann Frankreich die Anerkennung nicht versagen, daß es zu einer Zeit, wo es den
Kopf mit Sorgen und Nöten nicht weniger voll hatte als Deutschland, ein Gesetz
vollendete, das Deutschland noch nicht zustande bringen konnte.