Titel: | Prof. Dr. August Raps |
Autor: | August Raps, A. Rotth |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 95 |
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Prof. Dr. August Raps
geb. 23. Januar 1865, gest. 20. April
1920.
[Prof. Dr. August Raps.]
Mit August Raps ist ein Meister der
wissenschaftlich-technischen Kunst und ein Führer der deutschen Technik
dahingegangen.
Textabbildung Bd. 335, S. 95
In Bonn als Sohn eines Malers geboren, hatte er als Erbteil seines früh verstorbenen
Vaters den Drang zum Schaffen und Gestalten erhalten, der sich bei ihm nur ein
anderes, aber im Grunde wesengleiches Ziel suchte, das Beobachten und Abbilden der
Natur in ihren physikalischen Erscheinungen. Schon in ganz jungen Jahren hatte er
durch selbständige Anfertigung von Versuchsgeräten diesem Zuge Genüge getan, der ihn
weiterhin die Physik als Beruf Studium wählen ließ. In Bonn und Berlin, hier unter
Helmholtz und Kundt,
erhielt er seine Ausbildung und fand dann als Assistent von Kundt noch stärkere Anregung für seine ausgesprochen technische Begabung,
die neben dem Forschen nach dem Zusammenhange der Erscheinungen vornehmlich in der
Benutzung der Erkenntnis zum Herbeiführen neuer Wirkungen ihre Betätigung sucht. Für
Raps stand auch immer, wie für Ernst Mach, die Erfindung mit der wissenschaftlichen Problemlösung auf
gleicher Stufe. Zeugen seines Eifers und seines schon vorgeschrittenen Könnens aus
dieser Zeit war ein spektroskopisches Gerät, das die Anerkennung von Helmholtz fand, und ferner eine durchschlagende
Verbesserung der damaligen Quecksilberluftpumpe, die in der neuen Form erst ihren
Wert für die aufstrebende Glühlampenerzeugung voll entfalten konnte. Mit 28
Jahren stand der früh Gereifte vor der Möglichkeit, den Lehrauftrag für Physik an
der Technischen Hochschule in Dresden zu übernehmen.
In dieser Zeit suchte Wilhelm v. Siemens für die
Stammabteilungen seines Hauses, die hauptsächlich die Schwachstrom- und Meßtechnik
zu pflegen hatten, einen Mann, der geeignet wäre, mit neuen Ideen und frischer
Anregung belebend in dem wohlgefügten alten Arbeitskreise zu wirken, um diesen vor
allem selbstgenügsamem Erstarren zu bewahren. Seine Wahl fiel auf Raps und dieser
nahm den Ruf an, der seiner Schaffensfreude das weiteste Feld bot. Beide Teile haben
ihren Entschluß je länger je mehr als einen glücklichen erkennen dürfen.
Nach seinem Eintritte bei Siemens & Halske wandte sich Raps zunächst der Lösung einzelner
Aufgaben zu. Eine der ersten davon war die Behebung eines Bebelstandes am Hughes-Apparate, den man bis dahin als unvermeidlich
hingenommen hatte. Mehr und mehr richtete er aber seine Aufmerksamkeit auf die
Erfordernisse des ganzen Betriebes. Es wird ihm, wie Wilhelm
v. Siemens selbst, oft hart gewesen sein, das Schaffen im einzelnen
gegenüber der allgemeinen Aufgabe zu beschränken, und er hat auch nie aufgehört, die
Ausbildung wichtiger Neuerungen in eigene Hand zu nehmen. Aber indem er die Führung
des Werkes selbst
als eine technische Aufgabe betrachtete – ein Zeichen davon war das von ihm und
seinem Mitdirektor Dr. A. Franke sorgfältig ausgebildete
eigenartige graphische System der Betriebsüberwachung – verstand er in glücklicher
Weise, die wirtschaftliche Leitung eines großen Unternehmens und das eigene
erfinderische Schaffen in störungsfreien Einklang zu bringen.
So in dem weisen Einteilen von Zeit und Kraft seine Pflicht erkennend, konnte Raps schon nach wenigen Jahren die verantwortliche
Leitung des Werkes unter Eintritt in den Vorstand der Firma übernehmen, mit welchem
Erfolge, zeigt die stetige Entwicklung des Werkes aus den engen Räumen in der
Markgrafen-Straße zu dem jetzigen mächtigen Wernerwerke in Siemensstadt, dessen
Kopfzahl sich von etwa 1500 auf das Zehnfache vergrößern konnte, und in dem sich
auch manche früher erst in Keimen vorhandene Zweige, wie die Abteilungen für
Schwachstromkabel und Elektrochemie, neben dem alten Stamme zu selbständiger
Bedeutung entwickelten.
In seiner seltenen Mischung von wissenschaftlicher Erkenntnis, technischem Können und
wirtschaftlichem Verständnisse vermochte Raps alle Teile
des vielgestaltigen Wernerwerkes zu beleben und zu fördern und nach Bedarf den
verschiedenartigsten Zweigen seine persönliche Arbeit zuzuwenden, war es der
Ozontechnik und dem Kalkstickstoffverfahren, das im Wernerwerke bis zur Einführung
in den Großbetrieb durchgebildet wurde, oder den elektrischen Meßgeräten. Die
Entwicklung der Fernsprechämter war zu erheblichem Teile das eigene Werk von Raps. Großes Verständnis brachte er immer den
Bedürfnissen des Heerwesens entgegen. Selbst ein eifriger Soldat und Hauptmann der
Reserve war er gerade der rechte Mann, die militärischen Anforderungen mit den
technischen Möglichkeiten zu verbinden. Schon früher mit Erfolg um die Ausbildung
von Lautsprechern für militärische Zwecke bemüht, ließ er auch bald neue Minenzünder
entstehen, die als erste praktische Anwendung der Dynamomaschine von Werner Siemens entstanden waren und nunmehr durch
Verminderung des Gewichtes auf einen Bruchteil des früheren und durch erhöhte
Zündsicherheit die für den Feldgebrauch geeignete Form erhielten, wie der
Massenbedarf im Kriege erwiesen hat. Mit besonderem Nachdrucke betrieb aber Raps die Bearbeitung der Schiffskommandogeräte, die, von
Werner Siemens frühzeitig in ihrer Wichtigkeit
erkannt, ein unentbehrliches Mittel zum Leiten des immer verwickelter werdenden
Schiffsdienstes wurden.
Als Probe auf ihre ganze Leistungsfähigkeit traten an Raps
und seine Mitarbeiter während des Krieges ungeahnt schwere, aber glänzend erfüllte
Anforderungen heran. Das Wernerwerk hatte nicht nur in den meisten Zweigen seine
Erzeugung bedeutend zu steigern, sondern noch in ausgedehntem Maße neue
Kriegsgegenstände aufzunehmen, für die erst die Einrichtungen zu schaffen
waren. Aber nur zum Teile drückte sich die bis aufs Aeußerste verstärkte
Inanspruchnahme in der Zunahme der Belegschaft auf fast die doppelte Kopfzahl aus,
denn es galt auch, durch zahlreiche Neuschöpfungen den im Kriege hervortretenden
Bedürfnissen der Heeresleitung schnell und verständnisvoll zu entsprechen, ohne die
Fortschrittarbeiten für den Friedenzustand zu vernachlässigen. Auch hier setzte sich
Raps in erster Linie wieder persönlich ein. Eine
große Genugtuung war deshalb für ihn die ausdrückliche Anerkennung, die dem
Wernerwerke gerade für die Leistungen der Geräte ausgesprochen wurde, deren
Durchbildung er selbst unermüdlich gefördert hatte.
Wie zur Erholung von seiner Hauptarbeit suchte Raps noch
als Privatdozent an der Universität und durch zahlreiche Vorträge und
Veröffentlichungen, die er im letzten Jahrzehnt allerdings beschränken mußte, nach
außen zu wirken. Auch als Mitglied des Kuratoriums der Physikalisch-Technischen
Reichsanstalt und der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft machte er seine Kennerschaft für
die Allgemeinheit nutzbar. Allen selbstgestellten Anforderungen an seine Tatkraft
vermochte er zu genügen, weil er seinen Mitarbeitern weitgehende Selbständigkeit in
ihrem Arbeitskreise zugestand. Selbst seine Person immer hinter dem Sachlichen
zurückstellend und im sicheren Gefühle seines eignen Könnens neidlos die Leistungen
anderer anerkennend, brauchte er nicht jederzeit selbst in das Getriebe
einzugreifen, um des gedeihlichen Zusammenarbeitens aller Teile in seinem Geiste
gewiß zu sein. Und dieser Geist war der Siemenssche Geist. Auch für Raps war die
Grundlage der wirtschaftlichen Arbeit eines gewerblichen Unternehmens der technische
Fortschritt, und er hat sein Bestes getan, die Besorgnis von Werner Siemens, die überwiegende kaufmännische Behandlung möchte die
schaffende technische Kunst zurückdrängen, nicht zur Wirklichkeit werden lassen. Er
hat das Glück erfahren, an dem großen praktischen Erfolge des Wernerwerkes die
Richtigkeit seiner Auffassung und seiner Arndtweise feststellen zu können.
Die Ueberspannung in den Kriegsjahren hatte an der Gesundheit des Unermüdlichen
gezehrt. Ein altes Herzleiden war zu verhängnisvoller Entwicklung gekommen. Der
Niederbruch Deutschlands fällte auch ihn. In der Erschütterung, die ihm der Tod
seines Freundes und Gönners Wilhelm v. Siemens brachte,
mußte er selbst das Krankenlager aufsuchen, von dem er nicht wieder aufstehen
sollte.
Die Angehörigen des Wernerwerkes werden ihren Meister, der sie in seiner Kraft, mit
seinem warmen Herzen und seiner frischen rheinischen Art so lange geführt hat, in
treuem Gedächtnis bewahren. Ueber die Mauern des Wernerwerkes hinaus werden die
Schöpfungen und das Beispiel dieses deutschen Technikers nachwirken.
A. Rotth.