Titel: | Die Treibmittel der Leichtmotoren. |
Autor: | Wimplinger |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 154 |
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Die Treibmittel der Leichtmotoren.
Von Dipl.-Ing. Wimplinger, Berlin-Südende.
WIMPLINGER: Die Treibmittel der Leichtmotoren.
Vor dem Kriege kam für Leichtmotoren und besonders für solche für Verkehrszwecke
als Treibmittel wohl ausschließlich nur Benzin in Betracht. Noch kurz vor Ausbruch
des Krieges hat man bei uns mit Erfolg Benzol als Treibmittel für solche Motoren
eingeführt. Der Krieg als gewaltiger Verbraucher und oft als sinnloser Zerstörer der
wichtigsten Rohstoffe hat nun in allen Ländern einen großen Mangel an Brennstoffen,
besonders an Treibmitteln für Leichtmotoren, hervorgerufen.
Deutschland war bereits vor dem Kriege im großen Maße von ausländischen Treibmitteln
abhängig. Es erzeugte in dem letzten Jahre vor dem Kriege etwa 10000 t
Petroleumprodukte, während es 1,3 Mill. t verbrauchte. Die Einfuhr Deutschlands an
Mineralölen hatte 1913 einen Wert von 164 Mill. M, darunter befand sich Schwerbenzin
im Werte von 14,8 Mill. und Rohbenzin im Werte von 32,7 Mill. M.
Das Benzin hatte vor etwa 30 Jahren eine verhältnismäßig beschränkte Verwendung und
infolgedessen einen sehr geringen Wert. Erst die außerordentlich rasche Entwicklung
des Kraftwagens und des Flugzeuges rief die sprunghafte Steigerung der Benzinpreise
hervor. Im Jahre 1890 sahen die Petroleumraffinerien das Benzin immer noch als
lästiges Nebenprodukt an. Die holländisch-indischen Gesellschaften haben das
unverkäufliche Benzin am Strande der Sundainseln nutzlos verbrannt.
Dagegen erscheinen nun fast täglich in der amerikanischen Presse Berichte, die mit
Sorge auf das allmähliche Verschwinden der Reserven an Oelfeldern hinweisen. Die
Sorge ist um so mehr berechtigt, als der einheimische Verbrauch in unerwarteter
Weise steigt. Die Raffinerien der Vereinigten Staaten stellten im Jahre 1919
ungefähr 92700000 Barrels Benzin her (1 Barrel = 1,59 hl). Die Zahl der Kraftwagen
am Ende des Jahres 1919 belief sich auf 7 500000. Diese Zahl schließt nur Personen-
und Lastkraftwagen ein, ohne Motortraktoren, Motorboote und ortfeste Motoren. Die
Anzahl der Kraftwagen wird am Ende 1920 etwa auf 8500000 gestiegen sein, zu deren
Brennstoffversorgung jährlich etwa 100 Mill. Barrels Benzin erforderlich sein werden
Rechnet man noch 10 Mill. Barrels für die Ausfuhr, so ergibt sich ein
Gesamtjahresbedarf von 110 Mill. Barrels. Die nachstehende Aufstellung zeigt die
rasche Zunahme der Benzinerzeugung und das noch viel schnellere Anwachsen der
Kraftwagenzahl in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Jahr
Benzinerzeugungin Barrels
Kraftwagenzahl
1914
34700000
1700000
1915
36900000
2400000
1916
49000000
3400000
1917
67000000
4900000
1918
85000000
6100000
1919
92700000
7500000
Die amerikanischen Unternehmungen für Rohölförderung und Raffination steigern ihre
Tätigkeit, um dem erhöhten Bedarf zu genügen. Ein Steigen der Benzinpreise in
Zukunft wird sich aber nicht vermeiden lassen. Auch in England sieht man mit Sorge
der ungünstigen Brennstoffversorgung entgegen. Man ist deshalb bemüht,
im eigenen Lande durch zahlreiche Bohrungen Erdöl zu gewinnen. Die Berichte
über Erfolge widersprechen sich. Große Hoffnungen können hierauf wohl kaum gesetzt
werden. Alle anderen ölerzeugenden Länder wie Galizien, Rumänien, Rußland, Mexiko
usw. sind ebenfalls bestrebt, ihre Erdölproduktion zu erhöhen. Die europäischen
Länder, die hier in Betracht kommen, leiden aber noch zu sehr unter den Folgen des
Krieges.
In Amerika mit seinen Erdölreichtum ist Benzin auch jetzt noch das Treibmittel für
Leichtmotoren. Wie bereits erwähnt, hat man in Deutschland mit Erfolg das Benzin
durch Benzol ersetzt. Die deutsche Benzolproduktion betrug im Jahre 1913 nach
Angaben der deutschen Benzolvereinigung etwa 160000 t, wovon die Hälfte für
motorische und kleingewerbliche Zwecke verbraucht wurde. Deutschland wird in Zukunft
alles versuchen müssen, durch vernünftige Wärmewirtschaft und rationelle
Aufarbeitung der uns noch zur Verfügung stehenden Kohlenmenge die Benzolgewinnung zu
vergrößern. Durch die Bedingungen des Gewaltfriedens von Versailles sind wir zur
größten Sparsamkeit gegenüber unseren Kohlenvorräten gezwungen. Die deutsche
Benzolgewinnung kann uns in der Treibmittelbeschaffung aber niemals gänzlich
unabhängig vom Auslande machen.
Um der allgemeinen Treibmittelnot ein Ende zu bereiten, hat man auch auf diesem
Gebiete nach Ersatzmitteln Umschau gehalten. In Fachzeitschriften tauchen in
regelmäßigen Zeitabschnitten Nachrichten auf, daß nunmehr ein neuer Brennstoff
entdeckt sei, der das Benzin vollkommen ersetze. Gewöhnlich geben solche
Mitteilungen nur zu neuen Enttäuschungen Veranlassung. Die englische Zeitschrift
„Engineering“ berichtet, daß in Südafrika ein neuer Brennstoff für
Automobile Verwendung findet. Infolge des Ausbleibens von Benzinzufuhren während des
Krieges sah man sich genötigt, zu Ersatzstoffen zu greifen. Es gelang in Natal, wo
die Zuckerindustrie in höchster Blüte steht, einen geeigneten Stoff zu gewinnen, der
aus 54 v. H. Aethyl-Alkohol, 45 v. H. Aether und 1 v. H. Trimethylamin besteht und
nach seinem Ursprungsland „Natalit“ genannt wird.
Bei diesem neuen Brennstoff besteht die Aufgabe des Aethers darin, die Spannung des
Gasgemisches zu erhöhen. Da Aether aus der Destillierung des Alkohols mit
Schwefelsäure entsteht, so verursacht die Beschaffung größerer Aethermengen keine
großen Kosten. Das Trimethylamin N(OH3) ist stark
alkalisch und neutralisiert die bei der Verbrennung von Alkohol entstehende
Essigsäure. Die Versuche haben ergeben, daß das Natalit ohne Vergaseränderung
verwendet werden kann. Das Natalit wird von einer Fabrik in Durban hergestellt in
einer Menge von etwa 14000 l täglich. Weitere Fabriken zur Herstellung dieses
Brennstoffes sollen errichtet werden. Wenn sich auch die Hoffnungen, die man auf
diesen Brennstoff gesetzt hat, restlos erfüllen sollten, so kann damit die
Brennstoffnot nicht behoben werden, da die zur Herstellung des neuen Brennstoffes
notwendigen Rohstoffe nur in beschränktem Maße vorhanden sind.
Ein neuer Ersatzstoff für Flugmotoren, der aus einer Mischung von 38 Teilen Spiritus,
19 Teilen Benzol, 4 Teilen Toluol, 30 Teilen Benzin und 9 Teilen Aether besteht, ist
nach eingehender Erprobung auf dem Prüfstande von der amerikanischen Postverwaltung
einem vergleichenden Betriebsversuche im regelmäßigen Luftpostdienst unterzogen
worden. Es wurde hierbei die 350 km lange Strecke New York-Washington ohne
Zwischenlandung durchflogen. Dabei soll sich eine Brennstoffersparnis von 12,5 l/st
zugunsten des neuen Brennstoffes zugleich mit einer Steigerung der Motorleistung,
entsprechend der Zunahme der Motordrehzahl von 1508 auf 1514 ergeben haben. Die
Brennstoffersparnis ist dabei allerdings der höheren Verdichtung im Motor
zuzuschreiben, die bei Verwendung dieses Brennstoffes im Gegensatz zu Benzin
zulässig ist: Da dieser Brennstoff eine Mischung bekannter Treibmittel ist, die eben
in nicht genügender Menge vorhanden sind, so kann dadurch die Brennstoffnot nicht
wesentlich beeinflußt werden.
Einem neuen Motorbetriebstoff, der von einem südamerikanischen Ingenieur erfunden
ist, in Pulverform in den Handel kommt und mit Wasser vermischt in gleicher Weise
wie Benzin sich verwenden läßt, wird jeder Kraftwagenführer mit Recht wenig
Vertrauen entgegenbringen.
Da die Möglichkeit vorhanden ist, große Mengen Alkohol aus den bei der Verkokung der
Kohle entstehenden Nebenprodukten zu gewinnen, so hat die englische Abteilung für
wissenschaftliche und industrielle Forschungen Versuche in dieser Richtung
angestellt. Es soll bereits ein Weg gefunden sein, um das Aethylen, aus dem der
Alkohol gewonnen wird, von dem in Gasretorten und Gasöfen erzeugten Gas zu trennen.
Man glaubt auf diese Weise jährlich etwa 700 Mill. Liter 90prozentigen Alkohol zu
gewinnen. Selbst wenn sich die Unmöglichkeit ergeben sollte, das Aethylen aller
Gasanstalten zu sammeln, so könnte etwa mit der Hälfte, d.h. mit 350 Mill. Litern
gerechnet werden. Einige große Bergwerke scheinen diese Gewinnung schon in die Hand
genommen zu haben, um an den bestehenden Koksöfen die nötigen Einrichtungen
anzubringen. Der so gewonnene synthetische Alkohol ist für Leichtmotoren nicht zu
gebrauchen. Mit 50 v. H. Benzol vermengt, soll er ein gutes Treibmittel für
Kraftwagenmotoren sein. Das Anlassen des kalten Motors mit solchem Brennstoff ergibt
allerdings einige Schwierigkeiten. Da der Heizwert von Benzol-Alkohol größer ist als
von Benzin, so wird dadurch eine größere Motorleistung erreicht. Gegenwärtig werden
in England etwa 140 Mill. Liter 90prozentigen Benzols erzeugt. Diese Erzeugung läßt
sich aber mindestens noch um die Hälfte steigern. Falls sich die in die Gewinnung
von synthetischem Alkohol gesetzten Hoffnungen erfüllen, kann in England eine
Benzol-Alkohol-Mischung in den Handel gebracht werden, die ungefähr die Hälfte des
gegenwärtigen Benzinbedarfs Englands deckt.
Um die Produktion an Benzin und ähnlichen Treibmitteln zu erhöhen, gibt es auch noch
andere Wege. Es ist hier vor allem die Zersetzungsdestillation oder die sogenannte
Crackdestillation zu nennen. Zur Crackdestillation sind besonders die an gesättigten
Kohlenwasserstoffen (Aethanen) reichen Rohöle geeignet. Die Destillation muß hier
bei möglichst niedriger Temperatur und möglichst hohem Druck durchgeführt werden, um
einen Höchstwert an benzinartigen Anteilen zu liefern. Bei 50 bis 60 at Druck
gelingt es, Gasöl, Paraffin, Erdölrückständen usw. durch oftmals wiederholte
Zersetzungsdestillation nach und nach zu zerlegen, in Benzin vom spez. Gewicht von
0,70, Naturgas und etwas Kohlenstoff. In neuerer Zeit soll es gelungen sein, ein
Verfahren auszuarbeiten zur Erzeugung von Toluol und Benzol aus Erdöl und die bisher
erzielte Ausbeute an Benzin um 200 v. H. zu steigern. Im Senat der Vereinigten
Staaten wurde ein Gesetz angenommen, daß diese Verfahren Gemeingut des
amerikanischen Volkes sind. Neuerungen auf diesem Gebiete sind nicht
patentfähig.
In Amerika versucht man somit, die verringerte Benzinausbeute aus dem gewonnenen
Erdöl durch das hier kurz beschriebene Cracking-Verfahren zu vergrößern. Für
deutsche Verhältnisse scheint dieses Verfahren nicht wirtschaftlich genug zu sein.
Bei uns wird nun versucht, Braunkohlenteer für die synthetische Herstellung des
Benzins zu verwenden. Der Braunkohlenteer wird dabei
in Gegenwart von Wasserstoff bei hohem Druck erhitzt, wobei der Wasserstoff
sich dem im Braunkohlenteer enthaltenen Kohlenwasserstoffen chemisch angliedert. Auf
diese Weise wird Benzin als leichter Kohlenwasserstoff gewonnen. Die Bedeutung
dieses Verfahrens beruht nicht allein darauf, daß es einen einheitlich
zusammengesetzten Brennstoff liefert, im Gegensatz zu den bekannten
Erdöldestillaten, bei denen alle zwischen zwei bestimmten Temperaturen
überdestillierenden Kohlenwasserstoffe als Benzin bezeichnet werden, sondern auch
darauf, daß man aus Braunkohlenteer außer Benzin auch andere leichte
Kohlenwasserstoffe, z.B. Leuchtöl usw. herstellen kann.
Das mit großen Hoffnungen begrüßte Cracking-Verfahren und auch das zuletzt genannte
Hydrier-Verfahren werden aber stets ein teueres Benzin liefern. Deshalb ist die
nächste Aufgabe der Motorenindustrie, die Weiterentwicklung der
Verbrennungskraftmaschine so zu gestalten, daß die Motoren von bestimmten
Brennstoffsorten unabhängig werden. Das bisherige Bestreben, die Motoren nur mit
einem bestimmten Brennstoff zu betreiben, entspricht nicht mehr der kommenden
Brennstoffversorgung. Die Leichtmotoren für Verkehrszwecke müssen in der Weise
vervollkommnet werden, daß ein einwandfreies Verbrennen verschiedener
Brennstoffsorten in derselben Maschine möglich wird, vom Benzin bis zum Rohöl, d.h.
der Benzinmotor muß zum Oelmotor umgeformt werden. Es ist dementsprechend
anzustreben, die zähflüssigen Brennstoffe durch geeignete Zerstäubervorrichtungen
vollständig und gleichmäßig zu zerstäuben, dann unter Zuführung von Wärme den fein
zerstäubten Brennstoff gut zu vergasen, um so ein richtiges Brennstoff-Luftgemisch
zu erhalten. Weiterhin muß dafür gesorgt werden, daß eine Kondensierung des
Gemisches in der Saugleitung vermieden wird und daß das Gemisch im Zylinder
vollständig und genügend rasch verbrennt.
Deshalb arbeitet man bereits seit Verwendung des Benzols mit Zusatzwärme und unsere
bekannten Vergaser zerstäuben und vergasen schwere Brennstoffe wie Benzol-Spiritus,
Benzol-Oel, Benzol-Petroleum durch Verwendung vorgewärmter Verbrennungsluft und
durch Einschalten eines Verdampfers zwischen Vergaser und Saugrohrleitung. Der
Verdampfer wird zweckmäßigerweise durch heiße Abgase beheizt. Um Schweröle in
unseren heutigen Vergasern gut zu zerstäuben, ist in diesen ein möglichst enger
Lufttrichter einzubauen. Beim Anlassen des Motors ist es außerdem zweckmäßig, die
angesaugte Luft auf ein bestimmtes Maß abzudrosseln, um den Unterdruck in der
Saugrohrleitung und im Motor zu vergrößern. Durch die Vergrößerte
Luftgeschwindigkeit an der Brennstoffdüse wird eine wirksamere Zerstäubung erzielt.
Durch den erhöhten Unterdruck wird die Verdampfung des eingespritzten Brennstoffes
beschleunigt. Auf diese Weise wird erreicht, daß die Maschine auch mit Schwerölen
angelassen werden kann.
Im Dauerbetrieb muß der Wärmezustand des Motors und aller seiner Teile, mit denen das
Gemisch in Berührung kommt, ein solcher sein, daß sich das Gas-Luftgemisch nicht
abkühlen kann. Deshalb geht man dazu über, die Saugrohrleitung durch Abgase zu
beheizen, oder sie mit der Abgasleitung zu vereinigen. Empfehlenswert ist es, bei
schweren Brennstoffen die sogenannte Heißkühlung zu verwenden, d.h. das Kühlwasser
unter Druck über die Siedetemperatur bis 180° zu erhitzen. Ersetzt man das
Kühlwasser durch ein höher siedendes Kühlmittel, z.B. Oel, so kann man die
Temperatur noch höher steigern. Eine gute Verbrennung des Schweröl-Luftgemisches im
Motor ist außerdem nur dann möglich, wenn jede Störung des Verbrennungsvorganges
vermieden wird. Durch Versuche ist bereits der schädliche Einfluß des Schmieröles
bekannt geworden. Je kohlenstoffreicher der Brennstoff ist, desto langsamer ist
seine Verbrennung. Die Verbrennung wird durch Schmierölzutritt schon beim
Benzolbetrieb sehr erheblich gestört, noch ungünstiger gestalten sich die
Verhältnisse beim Schwerölbetrieb.
Die wichtige Aufgabe, die Leichtmotoren für den Schwerölbetrieb baulich
umzugestalten, wird die Zukunft zu lösen haben. Zurzeit kommt es aber darauf an,
möglichst schnell und mit einfachen Mitteln über die jetzige Brennstoffnot, die in
Deutschland durch die unerträglichen Bedingungen des Versailler Gewaltfriedens
verschärft ist, hinwegzukommen. Die gegenwärtig zur Verfügung stehenden und
erprobten Mittel zur Linderung des Brennstoffmangels sind deshalb in möglichst
großem Umfange zu verwenden, um in Tagen der Not die vorhandenen Brennstoffvorräte
möglichst wirtschaftlich auszunutzen.