Titel: | Polytechnische Schau. |
Autor: | Sander |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 156 |
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Polytechnische
Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Elektrotechnik.
Elektrische Heizung in der Industrie. Bei den
gebräuchlichen elektrischen Heizvorrichtungen gelangen die leitenden Metalle in
Draht- oder Bandform zur Verwendung. Sie setzen dem Durchfließen des Stromes einen
gewissen Widerstand entgegen und erwärmen sich hierbei. Wenn man Stoff, Querschnitt
und Länge der Drähte oder Bänder verändert, werden verschieden große Strommengen in
Wärme umgesetzt. Der erhitzte Leiter bildet also ein Heizelement, dessen Form mit
dem Verwendungszwecke wechselt. Vor allem sind sogenannte Heizpatronen und flache
Elemente im Gebrauche. Die Einführung des elektrischen Heizschlauches ist als ein
Fortschritt zu betrachten. Er besteht aus einem schraubenförmig aufgewundenen,
profilierten Metallbande mit isolierender Zwischenlage und dient hauptsächlich zur
Lufterhitzung. Wenn es die Umstände mit sich bringen, daß Dampf in der Nähe von
feuergefährlichen Anlagen, z.B. Oelbehältern, getrocknet werden muß, kann man
gleichfalls den Heizschlauch mit Erfolg verwenden, da jede Explosionsgefahr
ausgeschlossen ist. Er hat eine Festigkeit, die sonst nur durch Wicklung des
Drahtes auf Porzellanunterlagen oder isolierten Röhren erzielt wurde. Dient er zur
Ueberhitzung von Dampf, so ist es möglich, Temperaturen von 450° bis 500° zu
erreichen, deren Regelung selbsttätig erfolgen kann.
Zur Erhitzung und Verdampfung von Wasser benutzt man das Elektroden-Heizsystem, bei
dem die Flüssigkeit selbst den Widerstand für den elektrischen Strom bildet. Hierbei
kann nur Wechsel- oder Drehstrom zur Verwendung gelangen, da durch Gleichstrom eine
Zerlegung des Wassers auf elektrolytischem Wege und Knallgasbildung hervorgerufen
wird. Der große Widerstand der Flüssigkeit macht die unmittelbare Anlegung von
Spannungen bis 15000 Volt möglich. Indessen ist zu beachten, daß mit der
Zusammensetzung und der Temperatur des Wassers der Widerstand und die
Leistungsaufnahme wechselt, sofern die Oberfläche der Elektroden gleich bleibt.
Diese muß man daher verändern können, wenn eine Gleichhaltung der Dampfleistung
erzielt werden soll.
Diese Regelung geschieht folgendermaßen: Jede Elektrode ist von einem beiderseits
offenen Metallzylinder
umgeben, der als Gegenelektrode dient. Der ringförmige Raum zwischen Zylinder
und Elektrode ist mit Wasser gefüllt. Der Durchgang des Stromes erfolgt auf dem
kürzesten Wege, das heißt in radialer und wagerechter Richtung. Mit Hilfe einer
einfachen Vorrichtung kann nun der Metallzylinder gehoben und gesenkt werden.
Hierdurch wird der Wasserquerschnitt für den Stromdurchgang infolge der Veränderung
der wirksamen Fläche der Gegenelektrode vergrößert oder vermindert. Da eine
Verdampfung der Flüssigkeit in dem ringförmigen Raume stattfindet, tritt eine
lebhafte Wasserbewegung ein. Um bei hohen Netzspannungen entsprechend große
Widerstände zu erreichen, läßt man den Strom in Längsrichtung durch enge und lange
Wassersäulen laufen, die von dem Hauptwasserraume durch Isolationsrohre getrennt
werden. Diese sind oben und unten offen. Ihre obere Kante liegt stets unter dem
niedrigsten Wasserspiegel.
Für größere Dampfleistungen benutzt man mehrere Heizsysteme. Von ihnen schaltet man
einige ab, wenn eine Regelung in grober Form erfolgen soll. Zum Zwecke der
Feinregelung verschiebt man die obere Elektrode. Je kürzer die stromdurchflossene
Wassersäule ist, desto stärker wird die Wärmeleistung. Bei Dampfkesseln mit mehreren
Heizsystemen ist es unnötig, jedes mit Feinregelung zu versehen. Das Speisewasser
braucht nicht enthärtet zu werden. Ein Sodazusatz ist sogar schädlich, da er den
Widerstand des Wassers verringert. Der Kesselstein wird von dem sich an den
Elektroden entwickelnden Dampfe hinweggerissen. Er bleibt nicht an diesen hängen,
sondern sinkt als feiner Schlamm zu Boden. Alle zur elektrischen Heizung notwendigen
Vorrichtungen sind an einem gemeinsamen Flansch befestigt. Das ganze System läßt
sich daher nach Lösung einiger Schrauben herausnehmen und in einfacher Weise auch in
alte Kesselanlagen für Kohlenfeuerung einbauen. Bei Heißwassererzeugern kann man
Durchlauferhitzer ebenfalls ohne Schwierigkeiten anbringen. Sie haben die Gestalt
eines Rohres und werden an der Außenwand der Behälter angeordnet. In das Rohr tritt
Wasser aus dem Kessel ein und wird in ihm erhitzt. Der Wärmeauftrieb hat einen
lebhaften Umlauf des Behälterinhaltes zur Folge. Die Elektrodenbeheizung läßt sich
unmittelbar bei allen Flüssigkeiten anwenden, die sich ähnlich wie Wasser verhalten.
Aber auch mittelbare Heizung findet man bisweilen. In diesem Falle erwärmt man mit
Hilfe des elektrischen Stromes Wasser, das seine Hitze an die Umgebung, z.B. an
feuergefährliche Flüssigkeiten, abgibt.
Ferner dienen Durchlauferhitzer als Aushilfs- und Zusatz warm wasserbereiter, wenn
ein Kohlenkessel in Reparatur ist oder an außergewöhnlich kalten Tagen eine
besonders starke Heizleistung gefordert wird. Schließlich verdienen noch die
Wärmespeicher mit Elektrodenbeheizung Erwähnung. Sie sind vor allem dort am Platze,
wo zwar zu gewisser Zeit, z.B. Nachts oder außerhalb von Sperrstunden, Strom in
größerer Menge zur Verfügung steht, das warme Wasser aber erst später benötigt wird.
Die Füllung der Wärmespeicher und die Stromaufnahme soll weder Bedienung noch
Aufsicht erfordern. Man schließt daher zweckmäßig den Kessel ständig an die
Druckwasserleitung sowie an die elektrische Stromquelle an und führt die ganze
Einrichtung als selbsttätig regelnde so aus, daß die Zufuhr elektrischer Energie
herabgesetzt wird, sobald das Wasser auf die Siedetemperatur kommt. Entnimmt man dem
Behälter Heißwasser, so bewirkt das nachströmende kalte Wasser, daß der Strom wieder
zu größerer Stärke anwächst.
Eine gute Uebersicht über die Verwendung der elektrischen Heizung in der Industrie
sowie zahlreiche bemerkenswerte Einzelheiten findet man in Le Génie civil 1919,
Heft 9, sowie in der Schweizerischen Bauzeitung 1919, Heft 19 bis 21. (Immerschitt in Heft 18 bis 21 der Zeitschrift für
Dampfkessel und Maschinenbetrieb.)
Schmolke.
Mehrfachtelegraphie und -Telephonie. (Vortrag von Prof.
Wagner im Elektrotechn. V.) Zuerst sprach der
Vortragende über die Versuche und Untersuchungen, die erforderlich waren, um der
Entwicklung der als richtig und möglich erkannten Methode des Mehrfachfernsprechens
und Telegraphierens auf Leitungen mittels Hochfrequenz die Grundlagen zu geben,
welche den Bau von Anlagen ermöglichen, die allen Anforderungen des Postbetriebes
gewachsen sind; sodann über die Bedingungen, die eine Apparatur im Postbetrieb zu
erfüllen hat. Die Bedienung und Wartung muß die denkbar einfachste sein, völlige
Betriebssicherheit ist unerläßlich und die Frage der Wirtschaftlichkeit spielt eine
maßgebende Rolle.
Die Geräte für die Hochfrequenz-Telephonie und Telegraphie sind von der Gesellschaft
für drahtlose Telegraphie gebaut worden. Seit Anfang Oktober 1919 ist eine
Einrichtung zum Dreifach-Fernsprechen zwischen Berlin und Hannover täglich etwa 8
bis 10 Stunden mit vollem Erfolg in Betrieb, wobei, wie der Vortragende besonders
hervorhebt, die Hochfrequenztelephonie gegenüber der
normalen Drahttelephonie weniger unter starken
Nebengeräuschen leidet.
Seit Anfang Januar wird ein Telegraphierbetrieb mit
Hochfrequenz unter Verwendung von Siemens-Schnelltelegraphen zwischen Berlin und Frankfurt a. M. unterhalten. In
täglich acht- bis neunstündigem Betrieb, wobei je nach der Verkehrsdichte bis 2000
Telegramme täglich befördert werden, erledigt diese Anlage etwa 30 v. H. des
Gesamttelegrammverkehrs zwischen Berlin und Frankfurt überhaupt. Seit etwa drei
Wochen ist eine Sechsfach-Telegraphieverbindung Berlin-Frankfurt a. M. auf einer
Leitung in gleicher Art im Betriebe.
Die schnelle Durchbildung der Apparate für die Praxis und die Ueberwindung aller
praktischen Schwierigkeiten ist der engen Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für drahtlose Telegraphie zu verdanken. Dies
berechtigt zu der Hoffnung, daß die weiteren Arbeiten, die von dem Bestreben
geleitet sind, der Verkehrsnot mit Hilfe des Hochfrequenzbetriebes nach Möglichkeit
abzuhelfen, den Fernsprech- und Telegrammverkehr wieder auf die alte Höhe bringen
werden.
Wärmewirtschaft.
Häusliche Wärmeerzeugung und Kohlenwirtschaft. Die
Wirtschaftlichkeit des Kohlenverbrauchs kann außer durch Einrichtungen, die eine
vollkommene Verbrennung und bestmögliche Ausnutzung der erzeugten Wärme bewirken,
auch durch zweckmäßige Anpassung der Energieformen (Kohle, Koks und Gas) an den
jeweiligen Verwendungszweck, und zwar unter Gewinnung derjenigen Kohlenbestandteile
(Stickstoff und Teer), die außerhalb des Verbrennungsprozesses einen höheren
wirtschaftlichen Wert gewinnen, gefördert werden. Die Wirtschaftlichkeit der
häuslichen Wärmeerzeugung und ihre volkswirtschaftliche Beziehung zürn
Kohlenverbrauch bespricht J. Hudler in einer
ausführlichen Abhandlung im Bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt, 51. Jahrg., S.
201 bis 205. Verfasser behandelt zunächst die Verwendung von Steinkohlengas als
Brennstoff für den Haushalt, und zwar sowohl zum Kochen als auch zur Raumheizung.
Dem schlechten Wirkungsgrad des Kohlenherds, der unter besonders günstigen,
Umständen nur ungefähr 11 v. H. erreicht, wird der Gaskocher gegenübergestellt,
dessen Wirkungsgrad im Durchschnitt 45 v. H. beträgt. An Hand einer sehr
interessanten Zahlentafel weist Verfasser
sodann nach, daß der Gasverbrauch beim Kochen in hohem Maße von der
Aufmerksamkeit der Bedienung abhängt, so daß bei richtiger Handhabung der Gasflamme
beträchtliche Ersparnisse erzielt werden können.
Dagegen ist die Verwendung des Leuchtgases zur Raumheizung mit einem höheren Aufwand
von Rohbrennstoff gegenüber den gewöhnlichen Oefen verbunden und liegt daher nicht
im volkswirtschaftlichen Interesse. Das Gleiche gilt für die Heizung mit Wassergas,
denn auch hier ist die für eine gewisse Leistung aufzuwendende Brennstoffenergie
etwa ebenso groß wie bei Steinkohlengas. Wenn sich somit Leuchtgas und Wassergas in
diesem Sinne gleichartig verhalten, so muß dasselbe auch von Gemischen aus Leuchtgas
und Wassergas gelten, wie solche in neuerer Zeit unter dem Namen Doppelgas und
Trigas bekannt geworden sind. Da gerade diese Gase den Anspruch erheben, für die
zentrale Versorgung mit Heizgas geeignet zu sein, so stellt Verfasser fest, daß der
Ersatz unserer Kohlen- und Koks-Zimmerheizöfen durch Doppelgas- oder Trigasheizung
gleichfalls mit einer Erhöhung unseres Rohbrennstoffverbrauchs verbunden wäre und
somit nicht im volkswirtschaftlichen Interesse liegt. Aehnlich liegen die
Verhältnisse für das Mondgas und Generatorgas, auch sie sind für die zentrale
Wärmeversorgung zu teuer, zumal ihre Fortleitung infolge des niedrigen Heizwertes
große Kosten verursachen würde. Somit kann man wohl sagen, daß alle Bestrebungen zur
Heizung unserer Wohnräume mit Gas irgend welcher Art, das von einer Zentrale aus
durch ein ausgedehntes Rohrnetz verteilt werden soll, aussichtlos und unzeitgemäß
sind, weil hierdurch eine allgemeine Erhöhung des Kohlenaufwands für Heizzwecke
sowie eine sehr erhebliche Verteuerung der Heizkosten bewirkt wird.
Daher kommt für die Raumheizung in erster Linie Koks in Frage. Hierdurch wird die
Verschwendung der wertvollen Nebenerzeugnisse, die bei der Entgasung der Kohle
entstehen, vermieden und zugleich ein Hauptgrund für die Luftverunreinigung der
Städte beseitigt, da mit Koks eine rauchlose Verbrennung erzielt wird. Der Koks
wurde zwar bisher schon für Zentralheizungen in ausgedehntem Maße verwendet, er
sollte aber auch bei der Einzelheizung weit mehr als bisher herangezogen werden.
Zweifellos ist der Brennstoffaufwand bei Zentralheizung größer als bei
Einzelheizung, da beim Vorhandensein von Zentralheizung namentlich in Miethäusern
eine große Wärmeverschwendung getrieben wird, indem auch unbewohnte und selten
benutzte Wohnräume mitgeheizt werden und von der Regulierbarkeit der Heizkörper
häufig kein Gebrauch gemacht wird. Dem Einwand, daß die höheren Kosten der
Zentralheizung durch ihre große Bequemlichkeit gerechtfertigt sind, ist
entgegenzuhalten, daß unsere heutige Notlage uns nicht mehr erlaubt, den Standpunkt
der Bequemlichkeit dem der Wirtschaftlichkeit voranzustellen. Neben zahlreichen
guten und sparsamen Füll- und Dauerbrandöfen für Koks haben wir auch eine Reihe von
schlechten Bauarten; deren Ausscheidung auf Grund einer Prüfung durch
Sachverständige würde gleichfalls zur Schonung unserer Kohlenvorräte beitragen.
Sander.
Ausnutzung der Abwärme elektrischer Maschinen. Bei der
gesteigerten Sorge um Ersparnis an Brennstoffen finden auch solche Abwärmequellen
Beachtung, die nur eine bescheidene Ausbeute versprechen und auch die nur unter
besonderen Umständen. So untersucht A. Reichelt,
Königsberg die Ausnutzung der von der Kühlluft aus den elektrischen Maschinen
abgeführten Wärme. Als Grundlage nimmt er dabei die zur Kühlung eines elektrischen
Generators nötige Luftmenge zu etwa 9 m3 für 1
Kilowattstunde an, welche Luft mit 40 bis 50° Uebertemperatur die Maschinen
verläßt. Eine größere Anlage, die auf minderwertigen Brennstoff angewiesen ist, wie
in Zukunft oft der Fall sein wird, und deshalb zweckmäßig mit Unterwindfeuerung
arbeitet, könnte die Abluft aus den elektrischen Maschinen unter den Rost führen.
Bei gegebener Endtemperatur der Heizgase am Kessel ersetzt die Wärme der Abluft
einen Teil der zum Erhitzen der Verbrennungsluft nötigen Wärme. Wenn auch der so
erzielbare Wärmegewinn in solchen und ähnlichen Fällen nicht viel mehr als 1 v. H.
der verfeuerten Kohle entsprechen wird, so berechnet sich doch für eine Zentrale für
10 Millionen Kilowattstunden im Jahre bei einem Kohlenpreise von 150 M/t die
jährliche Ersparnis zu rd. 18000 M, die schon größere Aufwendungen für die
Errichtung rechtfertigen würden. (Zeitschr. für Dampfkessel und Maschinenbetrieb
1920, Nr. 24.)
R.
Brennstofftechnik.
Flachsscheben als Brennstoff. Die
Flachsausarbeitungsindustrie hat in Deutschland ziemliche Ausdehnung angenommen. Die
anfallenden Flachsscheben können mit Vorteil dazu verwendet werden, den
Kohlenverbrauch in den Flachsfabriken einzuschränken. Flachsscheben enthalten 92 v.
H. brennbare Stoffe, 6,5 v. H. Feuchtigkeit und 1,5 v. H. Asche. Das spezifische
Gewicht trockener Flachsscheben ist 0,05. Als mittlerer Heizwert können 4100 WE
angenommen werden. Da bei den meisten Dampfkesselanlagen geeignete
Feuerungseinrichtungen fehlen, so konnten Flachsscheben nur vereinzelt als
Brennstoff verwendet werden.
Textabbildung Bd. 335, S. 157
Abb. 1. Wasserrohrkessel mit Kohlen- und Schebenfeuerung.
Bei Vermischung von Flachsscheben mit Steinkohle oder Braunkohle und Handbeschickung
ist man meist über eine zwei- bis dreifache Verdampfung nicht hinausgekommen. Um
Flachsscheben in einer Dampfkesselfeuerung mit Vorteil verbrennen zu können, bedarf
es besonderer Feuerungsvorrichtungen und mechanischer Zuführung der Flachsscheben in
den Feuerraum. Abb. 1 und 2 zeigen bei einem Wasserrohrkessel und bei einem Flammrohrkessel die
Anordnung für Schebenfeuerung. Bei Abb. 1 können mit
der pneumatischen Transportanlage in Verbindung mit einem
Zentrifugal-Schebenabscheider die Flachsscheben entweder nach der Schebenkammer oder
in den Fülltrichter der Schrägrostvorfeuerung geleitet werden. Das Mengenverhältnis
der zuzuführenden Flachsscheben zur Kohle kann nach Belieben geregelt werden. In
Abb. 2 werden bei der Flammrohrkesselanlage
Flachsscheben und Braunkohle getrennt in den Feuerraum eingeführt.
Mit Dampfkesseln, die mit solchen Anlagen ausgerüstet sind, kann bequem eine
4½fache Verdampfung erreicht werden. Ueber Brennstoffkostenersparnis bei
Schebenfeuerung wird ausführlich in den „Mitteilungen des Forschungsinstituts
Sorau des Verbandes Deutscher Leinen-Industrieller“ 1920, Nr. 11, berichtet.
(Technische Rundschau 1920, Nr. 10, S. 71 bis 73.)
Textabbildung Bd. 335, S. 158
Abb. 2. Flammrohrkessel mit Feuerung für Scheben und Braunkohle.
W.
Gastechnik.
Ueber rostlose Gaserzeuger mit flüssigem Schlackenabstich.
Die ältesten Gaserzeuger hatten keinen Rost. Sie ähnelten vielmehr in Aufbau und
Betrieb den Hochöfen. Es wurden neben dem Brennstoffe Zuschläge aufgegeben, durch
welche man die Bildung von flüssiger Schlacke erreichte. Diese ließ sich durch
Abstechen entfernen. Zur Vergasung gelangte anfänglich Holzkohle, an deren Stelle
bald fossile Brennstoffe traten. Bei ihnen machte die Erzeugung einer dünnflüssigen
Schlacke Schwierigkeiten. Andererseits schien die einwandfreie Entfernung fester
Verbrennungsrückstände aus einem Schachtofen nicht möglich. Man gelangte daher zum
Bau von Generatoren mit Rost. Sie erfuhren im Laufe der Zeit mannigfaltige
Veränderungen, z.B. durch Zusatz von Dampf zur Verbrennungsluft. Indessen
erstreckten sich in letzter Zeit die Vervollkommnungen fast ausschließlich auf die
Mechanisierung des Betriebes, weniger auf das Verfahren bei der Gaserzeugung. Vor
allem strebte man selbsttätige Beschickung und Entschlackung sowie Fortfall der
Auflockerung des Brennstoffes durch die Bedienungsmannschaft während des Betriebes
an. Die Einführung einer mechanischen Zuführung von Kohle oder Koks scheiterte. Die
Voraussetzung hierfür ist nämlich das Vorhandensein eines Brennstoffes von
gleichbleibender Stückgröße. Hierauf darf man aber im Generatorbetriebe nicht
rechnen. Einen Ausweg hätte man in der Einführung von Zerkleinerungsmaschinen finden
können. Sie erschien indessen nicht angezeigt, da in derartigen Vorrichtungen zu
viel Grus entsteht, der sich schwer vergasen läßt. Auch die Frage einer mechanischen
Auflockerung des Brennstoffes fand bisher keine befriedigende Lösung. Nur die
selbsttätige Abführung der Schlacke wurde in recht vollkommener Weise durch
Einführung der Drehrostgeneratoren erreicht. In neuerer Zeit ist man bestrebt, diese
Gaserzeuger durch Anbringen von Vorrichtungen, z.B. Schwelretorten, zu
vervollkommnen für die Gewinnung des Tieftemparaturteers, aus dem sich bekanntlich
manche wertvollen Bestandteile abscheiden lassen, welche gewöhnlicher
Steinkohlenteer nicht enthält. Indessen brauchen solche Maßnahmen durchaus nicht auf
die Drehrostgeneratoren beschränkt zu bleiben. Bei deren Beurteilung müßte daher die
Frage der Tieftemperaturteergewinnung zunächst ausscheiden. Es zeigt sich nun, daß
die genannten Generatoren keineswegs alle Wünsche restlos befriedigen, die man
an eine Gaserzeugungsanlage stellen muß. Beispielsweise ist die Durchsatzleistung
nicht hoch. Ein der Vergasung entsprechendes Sinken des Brennstoffes läßt sich
nämlich nur durch dauernde Anwendung der Schürstange, das heißt durch kostspielige
Bedienung, erreichen. Besonders backende und zum Schlacken neigende Kohle bereitet
Schwierigkeiten, so daß auch die Verwendung minderwertiger Brennstoffe
ausgeschlossen sein dürfte, was wiederum als schwerwiegender Nachteil empfunden
wird. Endlich scheint der Prozeß im Drehrostgenerator vorn thermochemischen
Standpunkte aus betrachtet recht verbesserungsbedürftig. Es wird dort z.B. bei der
Wassergaserzeugung die Dampfzufuhr in erster Linie durch die Rücksicht auf
ungestörten Generatorgang bestimmt. Es darf nämlich im Aschenfalle keine zu hohe
Temperatur eintreten, da sonst der Rost leidet und die Bildung großer
Schlackenklumpen stattfindet, deren Entfernung Schwierigkeiten bereitet. Die der
Verbrennungsluft zugesetzte Dampfmenge muß daher ziemlich erheblich sein. Diese
Betriebsrücksichten stehen aber im Widerspruch zu der Forderung höchster Ausnutzung
des Brennstoffes, wie folgende Betrachtung lehrt. Es wurde längst nachgewiesen, daß
im Generator das Wassergasgleichgewicht fast stets erreicht wird. In diesem Falle
muß entsprechend dem Massenwirkungsgesetze das Verhältnis der räumlichen
Konzentrationen der in Wechselwirkung stehenden Gase
\frac{[C\,O]\,[H_2O]}{[CO_2]\,[H_2]} einen bestimmten, als
Gleichgewichtskonstante bezeichneten Wert annehmen, der sich nach dem neuen
Wärmesatze von Nernst ausschließlich aus thermischen
Daten berechnen läßt. Dieser Bedingung kann durch die verschiedensten Werte der
Komponenten entsprochen werden. Man muß nun bestrebt sein, den Prozeß so zu leiten,
daß vorzugsweise Kohlenoxyd und Wasserstoff entsteht, weil nur diese Gase Heizwert
besitzen. Ein Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist die zweckmäßige Wahl des
Mengenverhältnisses von Luft und Dampf. Wie eine eingehendere rechnerische
Behandlung der Frage lehrt, würde man das beste Gas erhalten, wenn auf 1 kg Kohle
etwa 0,4 kg Wasserdampf zugesetzt wird. Dies läßt sich aber im Drehrostgenerator im
Hinblick auf die oben erwähnten Betriebsbedingungen nicht durchführen. Durch
praktische Erwägungen ist man vielmehr gezwungen, einen höheren Dampfzusatz zu
wählen. Die angedeuteten physikalisch-chemischen Betrachtungen dürften in erster
Linie dazu beigetragen haben, daß sich neuerdings immer stärker Bestrebungen geltend
machen, die Drehrostgeneratoren durch Gaserzeuger mit flüssigem Schlackenabstich zu
ersetzen, bei denen natürlich von einer absichtlichen Temperaturerniedrigung im
Unterteile nicht die Rede ist. Die in den letzten Jähren eingeführten derartigen
Vorrichtungen ermöglichen überdies einen hohen Durchsatz und die Verwendung
minderwertigen Brennstoffes, da dieser ohne Störung bei der Vergasung herabsinkt und
die Schlacke glatt abläuft. Die Schwierigkeit, die Schlacke flüssig zu erhalten,
wurde durch Zuführung des Dampfes oberhalb der Windformen und die Verwendung
eisenhaltiger Zuschläge gelöst. Hierdurch erreicht man nämlich, daß sich stets eine
Schicht geschmolzenen Eisens unter den sich ansammelnden Rückständen befindet und
sie am Erstarren hindert. Auch die Abscheidung des Tieftemperaturteeres vor der
Vergasung dürfte in Abstichgeneratoren möglich sein, weil diese ohnehin meist mit
Koks, das heißt entgastem Brennmaterial arbeiten. Bei dem neuen Abstichgenerator für
feinkörnigen Brennstoff von Rehmann, Düsseldorf, befindet
sich unten der Eisenabstich. Darüber liegen die Oeffnungen für die Beseitigung der
Schlacke sowie die Windformen. Noch höher ist die Dampfzuleitung angeordnet. Mit dem
Gasstrome abziehender, staubförmiger
Brennstoff sammelt sich in Kammern und gelangt durch ein Abfallrohr zu den
Winddüsen und wieder in den Generator. Durch die Hitze des erzeugten Gases kann der
Wind vorgewärmt werden.
Schmolke.
Ueber dieAnwendbarkeit der Tieftemperaturdestillation der Kohle im
Gaswerkbetriebe macht Dr.-Ing. Anderson nähere
Mitteilungen. Vor etwa einem Jahrzehnt tauchten in England Verfahren auf, die die
Herstellung eines leichtentzündbaren, aber gleich dem Koks rauchlos verbrennenden
festen Brennstoffs zum Gegenstand hatten. Während diese Verfahren bei uns vor dem
Kriege nur wenig Beachtung fanden, weil ein Bedürfnis nach einem derartigen
Brennstoff bei den in Deutschland üblichen Feuerungen nicht vorlag, hat man der
Frage der Tieftemperaturdestillation während des Krieges ein großes Interesse
entgegengebracht, weil diese Verfahren eine vermehrte Ausbeute an wertvollem Teer
ergeben, für den ja in den letzten Jahren eine sehr lebhafte Nachfrage herrscht. Im
Zusammenhang hiermit wurde die Frage aufgeworfen, ob die Anwendung einer niedrigen
Destillationstemperatur auch auf Gaswerken lohnend wäre.
Bei dem ältesten in England eingeführten Verfahren, dem Coalite-Prozeß, wird die
Kohle in senkrechten, nach unten etwas kegelförmig erweiterten Retorten aus
Schamotte entgast, die oben und unten mit selbstdichtenden Eisendeckeln verschlossen
sind. Sie werden ebenso wie Koksöfen mittels eines feuerfesten Gitterwerks mit
Generatorgas oder einem Teil des Destillationsgases geheizt. Die Ofentemperatur
liegt unterhalb 700°, wobei im Innern der Kohle etwa 4 50° erreicht werden. Man
erhält hierbei aus 1 t Kohle 170 m3 Gas von 6230
bis 6680 WE, 800 kg Halbkoks (Coalite), der noch 8 bis 9 v. H. flüchtige
Bestandteile enthält, ferner etwa 10 kg Teer und 10 bis 12 kg Ammoniumsulfat.
Daneben können noch durch Oelwäsche 15 l Leichtöl gewonnen werden, jedoch auf Kosten
der Heizkraft des Gases. Schließlich liefern noch die Heizgasgeneratoren, die nach
dem System von Mond gebaut sind, für jede Tonne vergasten Brennstoffs 30 bis 40 kg
Ammoniumsulfat. Der wesentlichste Vorteil dieser Arbeitsweise ist die höhere
Ausbeute an Teer; diesem Vorteil stehen aber verschiedene Nachteile gegenüber, und
zwar vor allem die niedrige Gasausbeute. Sodann bleibt die Ammoniakausbeute um etwa
10 v. H. hinter der in Vertikalretorten erreichten Ausbeute zurück, da die
niedrige Entgasungstemperatur für die vollständige Gewinnung des Ammoniaks nicht
ausreicht. Weiter sind die Leichtöle des Tieftemperaturteers wegen ihres hohen
Paraffingehaltes für die Herstellung von Farbstoffen und Sprengstoffen ungeeignet
und können fast nur als Motorenbrennstoffe Verwendung finden. Schließlich ist der
Halbkoks brüchig und nicht in gleichem Umfang verwendbar wie Gas- oder Zechenkoks.
Verfasser stellt die Anlage- und Betriebkosten einer Coalite-Anlage denen eines
Dessauer Vertikalofens gegenüber und kommt dabei zu dem Ergebnis, daß das
Coalite-Verfahren unwirtschaftlich ist, selbst wenn man den dabei gewonnenen Teer um
30 v. H. höher bewertet als den gewöhnlichen Gasteer. Ueberdies ist die Gewinnung
von Oelen auf diesem Wege wegen des überaus großen Kohlenverbrauchs schon im
volkswirtschaftlichen Interesse zu verwerfen.
Die Erhöhung der Teerausbeute ist indessen außer durch niedrige
Destillationstemperatur noch auf einem anderen Wege zu erreichen, ohne daß dadurch
die Ausbeute an anderen Entgasungsprodukten beeinträchtigt wird. In Vertikalöfen
erzielt man bekanntlich an sich schon 10 v. H. mehr Teer und 15 v. H. mehr Ammoniak
als in Horizontalretortenöfen, was offenbar auf die raschere Abführung der
Entgasungsprodukte infolge der dichteren Füllung der Retorten zurückzuführen ist.
Durch Erniedrigung des Partialdruckes der Entgasungsprodukte wird ihrem Zerfall
entgegengewirkt und auf diese Weise eine höhere Ausbeute erzielt. Diese Erniedrigung
des Partialdruckes erreicht man am einfachsten durch Zumischung eines indifferenten
Gases (Wassergas) oder von überhitztem Wasserdampf. Versuche, die in England an
einem Glover-West-Ofen angestellt wurden, ergaben bei Anwendung von stündlich 11 kg
Dampf von 2,8 at (= 2,8 kg Dampf auf 1 t in 24 St. entgaste Kohle) recht gute
Ausbeuten. Es wurden aus 1 t Kohle erhalten
ohne Dampf
mit Dampf von 2,8 at
Teer
83,3 kg
92,2 kg
Ammoniak
3,38 kg
4,33 kg
Gas (0°, 760 mm)
399 m3
472 m3
Heizwert
4650 WE
4500 WE
(Journal für Gasbeleuchtung, Bd. 62, S. 56 bis 59.)
Sander.