Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 189 |
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Polytechnische
Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Kohlenwirtschaft.
Die Lage der Kohlenwirtschaft. (Generaldirektor Köngeter, Geschäftsführer des Reichskohlenrates und
Vertreter des Reichskommissars für die Kohlenverteilung.) Mit der Regelung der
Kohlenwirtschaft auf Grund des Kohlenwirtschaftsgesetzes ist der erste große Versuch
gemacht, diesen wichtigsten' Teil unserer industriellen Gütererzeugung
gemeinwirtschaftlich zu leiten. Der Reichskohlenrat besteht als oberstes Organ der
Selbstverwaltung der Kohlen Wirtschaft seit einigen Monaten, ist aber bis jetzt für
die Oeffentlichkeit wenig in Erscheinung getreten. Die Gründe sind mancher Art. Das
den Verbraucher am meisten interessierende Gebiet der Kohlenwirtschaft, die
Kohlenverteilung, liegt nicht den Selbstverwaltungsorganen der Kohlenwirtschaft ob,
vielmehr zurzeit noch dem Reichskommissar für die Kohlenverteilung. Die Festsetzung
der Verkaufspreise ist Sache des Reichskohlenverbandes, der von den
Bezirkssyndikaten der Bergwerksunternehmer gebildet wird und in dessen Verwaltung
ebenso wie in derjenigen der Bezirkssyndikate Arbeitervertreter des Bergbaues
mitwirken. Die Preisfestsetzung spielt sich also ab in Verhandlungen zwischen dem
Reichskohlenverband und dem Reichswirtschaftsministerium, dem gesetzlich die,
Oberaufsicht zusteht und das ein Einspruchsrecht hat. Die Preiserhöhungen der
letzten Monate waren, abgesehen von der Aufbringung der Kosten für Errichtung von
Bergmannswohnungen und Beschaffung von Lebensmitteln für Bergleute, durchweg nötig
als Folge rasch aufeinander folgender und plötzlich auftretender Lohnforderungen und
infolge der Materialpreissteigerung. Soweit bei den Preisverhandlungen
grundsätzliche Fragen der Kohlenwirtschaft berührt wurden, hat das
Reichswirtschaftsministerium – wie im Januar dieses Jahres – den Reichskohlenrat
gehört. Auch die Aufstellung von Richtlinien für Preisnachlasse, also die Frage der
Händlerrabatte, die Regelung des Absatzes durch die Zwischenhand und die Behandlung
der Verbrauchergenossenschaften, liegt in erster Linie dem Reichskohlenverband ob.
Ueber diesem steht als oberstes, die Brennstoffwirtschaft leitendes Organ der
Reichskohlenrat. Das Reich soll sich auf die Oberaufsicht beschränken. Im
Reichskohlenrat sind alle an der Kohlenwirtschaft beteiligten Kreise des deutschen
Volkes vertreten, und der Reichskohlenrat kann, wann und wo er es für nötig hält,
durch Erlaß allgemeiner Richtlinien, die dann für den Reichskohlenverband und alle
anderen Organe der Kohlenwirtschaft bindend sind, die Brennstoffwirtschaft
entscheidend beeinflussen und bestimmte Fragen zum Austrag bringen. Der
Reichskohlenrat hätte seine Tätigkeit von vornherein mit dem Erlaß allgemeiner
Richtlinien für die Brennstoffwirtschaft beginnen können. Dies wäre falsch gewesen.
Was unsere Kohlenwirtschaft in erster Linie braucht, ist äußerste Steigerung der
Förderung, im übrigen Ruhe und Stetigkeit der Entwicklung. Die Verhältnisse der
deutschen Kohlenwirtschaft sind so mannigfaltig und vielgestaltig, überall stehen so
große berechtigte Interessen auf dem Spiel, daß nur organische Umgestaltung und
Weiterentwicklung große Schäden vermeiden und zu dem Ziel einer vernünftigen
Gemeinwirtschaft führen kann. Zuerst mußten also vom Reichskohlenverband und den
Bezirkssyndikaten die nötigen Vorarbeiten gemacht werden. Diese waren umpfangreicher
Natur und haben sich durch die Wirren der letzten Zeit leider verzögert. Nachdem sie
jetzt vorliegen und insbesondere durch Veröffentlichung aller
Brennstoffverkaufspreise ein bedeutender Schritt vorwärts getan ist, kann der
Reichskohlenrat zu den Fragen, die nun in Fluß kommen, Stellung nehmen und als
oberstes Organ wirtschaftlicher Selbstverwaltung richtunggebend wirken. Aufgabe
der im Reichskohlenrat vertretenen Berufskreise wird es sein, durch ihre Mitglieder
im Reichskohlenrat ihre Interessen im Rahmen der Gemeinwirtschaft zur Geltung zu
bringen.
Die Kohlenwirtschaft nähert sich einer besonders kritischen Zeit: Die Teuerung der
Lebenshaltung bringt neue Forderungen der Bergleute auf den Plan – in Westfalen
liegen sie bereits vor –, Forderungen, die ohne Kohlenpreiserhöhung nicht gebilligt
werden können. Zugleich zeigt sich in immer mehr Industrien, daß die fortschreitende
Steigerung der Erzeugungskosten den Absatz an Industrieerzeugnissen zu
beeinträchtigen beginnt, insbesondere der bisher unbeschränkten Ausfuhrmöglichkeit
Grenzen zieht, sie zurückdrängt. Die kohlenverbrauchende Industrie, die bei dem
ungeheuren Kohlenmangel heute in erster Linie nur an der Menge interessiert ist, die
sie bekommen kann, und erst in zweiter Linie am Preise, wird in naher Zeit immer
mehr mit dem Kohlenpreise rechnen müssen. Ein weiteres Moment ist auch der
beabsichtigte Ausbau der Kohlensteuer, der eine weitere Belastung des Kohlenpreises
bringen wird. Dann aber vor alledem die Lasten aus dem Friedensvertrag, die
steigenden Lieferungen an die Entente und die oberschlesische Frage, worüber noch zu
sprechen sein wird.
Ueber eines muß man sich bei allem durchaus klar sein: Deutschland steht und fällt
mit der Kohlenförderung. Wir müssen, wie neulich richtig gesagt wurde, „in Kohle
denken“. Alle unsere Maßnahmen müssen darauf abgestellt werden, ob sie
geeignet sind, zur Hebung der Kohlenförderung beizutragen, oder ob sie ihr
abträglich sind, in erster Linie sind nötig Ruhe und Ordnung in den Kohlenrevieren
und Stetigkeit in der Kohlenwirtschaft, kein Experimentieren, wozu jetzt nicht die
Zeit ist. Wenn das ganze deutsche Volk sich nach dem Abbau des allgemeinen
Preisniveaus und nach menschenwürdigen Lebensverhältnissen sehnt, so sei deutlich
gesagt, daß der Schlüssel dazu in der Steigerung der Kohlenproduktion liegt. Wohl
werden, wie ich vermute, die Kohlenpreise nicht zu den ersten gehören, die die Kurve
nach unten nehmen, aber die Steigerung der Kohlenförderung wird unmittelbar unsere
Industrie beleben und ihr ein wirtschaftlicheres Arbeiten ermöglichen; wir werden
durch bessere Versorgung der für die Ausfuhr besonders befähigten Industrien in
erhöhtem Maße Ausfuhrwerte schaffen, damit unsere Valuta heben und Lebensmittel und
Rohstoffe zu billigeren Preisen hereinbringen, um so mit der gesteigerten
Kohlenförderung auch die Kohlenpreise zu senken. Zudem werden sich mit der
Steigerung der Förderung die allgemeinen Unkosten und damit die Gestehungskosten für
die Tonne geförderter Kohle verbilligen. Also: Die Steigerung der Förderung ist das
Mittel zur Senkung der Kohlenpreise.
Eines ist dabei Voraussetzung: daß die Entente uns in Ausübung des Friedensvertrages
eine vernünftige Wirtschaft ermöglicht. Wir haben selbstverständlich den
Friedensvertrag bis zur äußersten Möglichkeit zu erfüllen. Wir haben auch alles
Verständnis für die Kohlennot insbesondere in Frankreich, aber wir müssen mit der
Entente auf den Fuß kommen, daß sie nicht mehr nach dem alten militärischen Rezept
das Unmögliche fordert, um das Mögliche zu erreichen, sondern daß man uns in die
Möglichkeit setzt, das Mögliche zu leisten. Das gilt nicht bloß in bezug auf die
Mengen, sondern auch hinsichtlich der sonstigen Bedingungen. Die oberschlesische
Kohle z.B. verteilt die Abstimmungskommission so, daß von den mit der Hauptbahn
abgefahrenen Mengen zunächst bestimmte
Mengen für Polen, Deutsch-Oesterreich und Italien vorweg zu liefern sind, und
der volle Bedarf von Oberschlesien, dann der Bedarf der deutschen Eisenbahnen, und
daß erst der dann verbleibende Rest für die übrige deutsche Versorgung und für die
nach der Tschecho-Slowakei im Austausch gegen böhmische Braunkohle zu liefernde
Steinkohle zur Verfügung steht. Unter Weglassung der Italienischen Mengen, die mit
eigenen Transportmitteln abgeholt werden, sind auf diese Weise täglich ungefähr 4300
Wagen vorweg genommen. Die Wagengestellung in Oberschlesien ist aber, abgesehen von
Ausnahmefällen, nur etwa 7500 bis 8000 Wagen täglich und großen Schwankungen, bis
auf mehrere tausend Wagen täglich, unterworfen. Diese ganzen Schwankungen hat nun
der Rest des deutschen Verbrauchs allein zu tragen, statt daß alle beteiligten
Länder in gleicher Weise daran teilnehmen. So bedeutet also nicht bloß die
verringerte Menge, sondern auch diese Verteilungsweise eine weitere Erschwerung und
eine Unsicherheit in der Versorgung Deutschlands und damit wiederum eine
Verringerung der Möglichkeit der Erfüllung unserer vertraglichen Pflichten.
Man darf auf Seiten der Entente auch nicht vergessen, daß wir fürs erste bei der
Mehrförderung wesentlich auf die Mehrarbeit der Bergleute angewiesen sind, denn die
Belegschaftsvermehrung durch die im Fluß befindlichen Siedlungsmaßnahmen kann nicht
mit der nötigen Schnelligkeit wirken. Der Bergmann wird aber zu dieser Mehrarbeit um
so eher zu bewegen sein, als er sieht, daß auch die deutsche Wirtschaft einen
greifbaren und unmittelbaren Vorteil davon hat. Wir müssen bei allen Beschränkungen,
die wir uns noch auf Jahre hinaus aufzuerlegen haben, nun doch dazu kommen, daß wir
unsere dringendsten Bedürfnisse mit einer gewissen Regelmäßigkeit erfüllen können.
Wir müssen unsere Eisenbahnen mit den nötigsten Vorräten versehen, um sie aus der
ständigen Gefahr herauszubringen. Wir müssen imstande sein, die günstigen
Schiffahrtsverhältnisse der Frühjahrs- und Sommermonate zur Versorgung
Süddeutschlands zu verwenden. Im vorigen Jahre ist dies bekanntlich unmöglich
gewesen, und die Folge davon hat Süddeutschland heute noch nicht überwunden. Wir
müssen – immer mit der nötigen Einschränkung gesprochen – eine Wirtschaft treiben
können, die uns nicht wieder in die große Gefahr bringt, ohne irgendwelche Vorräte
in den Winter hineinzugehen, um dann im Winter nur Löcher zu stopfen, statt
vernünftig zu wirtschaften und zu produzieren. All dieses ist nicht zuletzt auch im
Interesse unserer Vertragsgegner.
Was wir bisher an die Entente geliefert haben, sind bekanntlich Vorlieferungen auf
den Friedensvertrag. Die Lieferungen auf Grund des Friedensvertrages haben Ende
dieses Monats zu beginnen. Es ist dringend zu wünschen, daß die Verhandlungen
darüber zu einer wirklich durchführbaren Festlegung führen.
Dann aber muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß unsere Verkehrslage immer
noch ganz ungenügend ist. Der Lokomotivmangel hält in unverminderter Schärfe an. Die
Eisenbahn muß aber mit der Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit der Steigerung der
Förderung vorangehen. Die Wagengestellung an der Ruhr hält sich zwar in der
allerletzten Zeit auf etwa 20000 Wagen, in Oberschlesien ist sie vereinzelt auf 8
bis 9000 Wagen gestiegen unter Einschluß der fremden Wagen, so daß wieder neben der
Verladung der frischen Förderung auch ein langsames Verladen von Halden stattfinden
kann. Diese Betriebsleistungen sind aber nur unter äußerster Anstrengung möglich,
und jede besondere Belastung der Bahn, wie z.B. an der Ruhr mit dem Verfahren der
Ueberschichten eingetreten ist, bringt empfindliche Stockungen und Kürzungen der
Wagengestellung in anderen Kohlengebieten mit sich, die die gleichmäßige
Versorgung aller Gebietsteile beeinträchtigen und häufige Störungen gerade an
den wichtigsten Verbrauchsstellen hervorrufen. Auch die durch die
Eisenbahnverhältnisse hervorgerufene außerordentliche Ausdehnung des Landabsatzes,
die uns in den Kohlenrevieren die Landstraßen in Grund und Boden zerstört, nicht zu
sprechen von den sonstigen üblen Begleiterscheinungen, bedarf dringend der
Einschränkung. In letzter Zeit ist der Verhehr im Westen besonders beeinträchtigt
durch die Rückwirkungen der Verkehrsstörungen auf den belgischen und französischen
Bahnen, worunter besonders der Versand nach der südlichen Rheinprovinz und der
Streckenversand nach Süddeutschland leiden. Die süddeutsche Versorgung ist auch
heute noch ganz abhängig von der Leistung der Verkehrseinrichtungen. Auf dem
direkten Bahnwege können nur beschränkte Mengen gefahren werden- Um der Not in
Süddeutschland nach aller Möglichkeit entgegenzuwirken, hat der Reichskommissar für
die Kohlenverteilung angeordnet, daß der Wasserweg für den süddeutschen Versand bis
zu seiner vollen Leistungsfähigkeit ausgenutzt werden soll. Diese Leistungsfähigkeit
ist aber, abgesehen vom Wasserstand des Rheines, begrenzt durch die Umschlagleistung
in den Duisburg-Ruhrorter Häfen, die immer noch weit entfernt ist von den früheren
Friedensleistungen, von der Leistungsfähigkeit der Schleuse I des
Rhein-Herne-Kanals, von dem Vorhandensein von Kahnraum und Schleppkraft, die zum
Teil in Holland für dortige Rechnung tätig sind. Dazu kommt, daß die
Rheinschiffahrt, also auch die Umschlagseinrichtungen an der Ruhr, in immer
stärkerem Maße für die Lieferungen an die Entente in Anspruch genommen werden. Für
die süddeutsche Versorgung sind diese Faktoren von so ausschlaggebender Bedeutung,
daß auch an dieser Stelle darauf hingewiesen sei. Der Verkehr auf den übrigen
Wasserstraßen wäre normal, wenn er nicht, wie jetzt wieder, zurzeit günstigster
Wasserverhältnisse auf der Oder und auf den märkischen Wasserstraßen durch Streik
der Schiffer unterbrochen worden wäre.
Ueber die Versorgungslage ist zu berichten:
Die Förderung hat betragen in Steinkohlen:
an der Ruhr
in Oberschles.
im Januar 1920
6688000 t
2687000 t
„ Februar 1920
6876000 t
2414000 t
„ März 1920
6398000 t
2835000 t
gegen Monatsdurchschnitt 1913
9545000 t
3650000 t.
Für April liegen die Gesamtzahlen noch nicht vor. Nachdem aber an der Ruhr seit der
zweiten Aprilwoche wieder voll gearbeitet wird, ist dort inzwischen die
arbeitstägliche Förderung annähernd wieder auf der Höhe angelangt, die sie vor den
letzten Wirren durch das Verfahren der zwei halben Ueberschichten erreicht hatte,
nämlich auf ungefähr 290000 bis 300000 t gegen 380000 t im Jahre 1913. In
Oberschlesien bewegt sich die arbeitstägliche Förderung um 110000 t gegen 145000 t
1913.
In Braunkohle hat die Rohkohlenförderung und die Briketterzeugung, abgesehen von den
Ausfällen infolge der März-Wirren, keine wesentliche Veränderung erfahren.
Ueberschichten wie in Westfalen kommen für die Braunkohle kaum in Frage, da
bekanntlich in den Braunkohlengruben durchweg in drei Förderschichten gearbeitet
wird. Die Steigerung der Braunkohlenförderung hängt also wesentlich von der Anlegung
und Unterbringung von Arbeitskräften und der sehr schwierigen Beschaffung von
Betriebsmaterialien ab.
Die Haldenbestände in den Steinkohlenrevieren sind heute nur noch gering. Sie
betragen an der Ruhr nach der neuesten Meldung 525000 t, darunter 375000 t Koks, in
Oberschlesien 365000 t, meist Steinkohlen.
Die Einfuhr böhmischer Braunkohlen im Austausch gegen oberschlesische Steinkohlen
entspricht den Vereinbarungen.
Unsere Ausfuhr beschränkt sich zurzeit, soweit sie nicht, wie in Oherschlesien,
von der Entente veranlaßt wird, auf geringe Mengen, die nach Holland, Dänemark und
der Schweiz gehen. Die Ausfuhr von Kohle als solcher läßt sich wohl auf das äußerste
beschränken, aber nicht ganz vermeiden, weil Kohle als Gegenleistung für
Lebensmittel von uns verlangt wird.
Die Versorgung der Eisenbahnen entspricht immer noch nur dem dringendsten laufenden
Bedarf. Zwar ist es in letzter Zeit gelungen, die süddeutschen Netze etwas besser zu
versorgen, aber die Bahnen in Norddeutschland haben immer noch kaum das nötige
Existensminium und nur Bestände von etwa 11 Tagen. Wir müssen aber in diesem Jahre
erreichen, daß wir in den Sommermonaten die Eisenbahnen – auch die für die
Landwirtschaft so wichtigen Kleinbahnen – auf einige Bestände für den Winter
bringen, und ich brauche nur daran zu erinnern, welch ungeheurer Schlag im letzten
Winter unserer Industrie zugefügt worden ist, als im November, in der ungünstigsten
Zeit, eine verstärkte Belieferung der Eisenbahnen einsetzen mußte. Wir müssen auch
erreichen, daß wir der Eisenbahn wieder mehr als bisher für ihre Zwecke geeignete
Brennstoffe zuführen, andererseits auch von ihr erwarten, daß sie ihren Verbrauch
durch sparsamste Wirtschaft aufs äußerste verringert.
Aehnlich ist die Versorgung der Gasanstalten. Obgleich im Haushalt das Kochgas die
wirtschaftlichste Ausnutzung der Kohle ist, können wir leider auch in diesem Jahre
nicht entfernt daran denken, die scharfen Einschränkungsmaßnahmen im Gasbezug zu
mildern. Die Gaswerke sind vom Reichskohlenkommissar in Zusammenarbeit mit ihnen
neuerdings kontingentiert worden, um wenigstens eine gleichmäßige Belieferung aller
deutschen Werke zu erzielen. Die so festgesetzten Mengen genügen aber kaum für die
notwendigsten Bedürfnisse der Bevölkerung unter weitgehendsten Einschränkungen.
Gelingt es, diese Kontingente in gleichen Monatsmengen zu liefern, dann können die
Gasanstalten unter Beibehaltung dieser Einschränkungen im Laufe des Sommers mäßige
Vorratsmengen ansammeln, die ihnen dann im Winter
wenigstens einen einigermaßen sicheren Betrieb ermöglichen. Auch bei den
Elektrizitätswerken kann eine Erleichterung der bisherigen Einschränkungsmaßnahmen
nicht in Aussicht gestellt werden, so sehr dies besonders im Interesse der
weiterverarbeitenden Industrie in den Städten zu bedauern ist.
Dem Hausbrand im weiteren Sinne, also Hausbrand, Landwirtschaft und Kleingewerbe,
sind im vorigen Hausbrand-Wirtschaftsjahre von Mai 1919 bis April 1920 auf dem Bahn-
und Wasserwege insgesamt etwa 52 v. H. der im Jahre 1918 festgestellten, damals
schon sehr beschränkten Jahresmenge geliefert worden. Unter dieser Belieferung hat
besonders hart der eigentliche Hausbrand, das heißt die Haushaltungen, gelitten, da
in den Städten die Zuteilung an die Behörden und Anstalten und an das Kleingewerbe,
in den ländlichen Versorgungsbezirken die Versorgung der landwirtschaftlichen
Betriebe nicht in vollem Umfange gekürzt werden konnte, wie es der geringen
Zuteilung entsprochen hätte. So konnte es kommen, daß einzelne Versorgungsbezirke,
insbesondere größere Städte, seit Mai 1919 nur etwa 10 Zentner auf den Haushalt
verteilen konnten. Die Folgen dieser schlechten Hausbrandbelieferung wären besonders
in den Großstädten sehr ernst gewesen, wenn wir nicht zum dritten Male das große
Glück eines ausnehmend milden Winters gehabt hätten. Damit dürfen wir aber nicht
rechnen. Wir müssen den Hausbrand für den nächsten Winter etwas besser versorgen und
insbesondere darauf achten, daß der Hausbrand in den Frühjahrs- und Sommermonaten
nicht vernachlässigt wird, und daß die von der Kohle entfernt liegenden Gebiete, wie
Süddeutschland und Ostpreußen, im Laufe des Sommers unter Ausnutzung der
Wasserstraßen einigermaßen mit Vorräten versehen werden. Hoffentlich gelingt dem
Reichskohlenkommissar die Durchführung der von ihm in dieser Hinsicht getroffenen
Maßnahmen. Auch unsere Landwirtschaft muß im Interesse unserer Volksernährung aus
der drückendsten Kohlennot herauskommen. Wir müssen ihr mit einiger Regelmäßigkeit
und Sicherheit wenigstens den dringendsten Bedarf an Pflug- und Druschkohlen,
Meierei- und Schmiedekohlen, Kohlen zum Trocknen und Brennen von Kartoffeln zuführen
und auch die Mühlen richtig versorgen. Im Februar z.B. mußten wir, um den Ausdrusch
der vorjährigen Ernte zu retten, im Osten sogar auf die knappen Dienstkohlenbestände
der Eisenbahn zurückgreifen.
In der Industrie hat sich die Lage seit der Zeit der allerschwierigsten Wintermonate
leider noch nicht wesentlich gebessert. Ein guter Ansatz war Ende Februar mit den
Ueberschichten im Ruhrbergbau gegeben, dann kamen aber die Ausfälle durch die
Ereignisse vom 13. März und der folgenden Wochen, die an der Ruhr, gemessen an der
Anfang März erreichten Leistung, schätzungsweise 3 Millionen Tonnen betragen haben,
und die naturgemäß zum großen Teil zu Lasten der Industrie gingen. Wenn auch der
Bedarf der Industrie selbst in dieser Zeit geringer war, so geht doch bekanntlich in
Zeiten solcher Störungen der Bedarf der großen kohlenverbrauchenden Industrien, der
kontinuierlichen Betriebe, nicht im gleichen Verhältnis zurück. Insofern ist eine
Besserung eingetreten, als es gelungen ist – allerdings zu Lasten des übrigen
Verbrauchs –, die für die Landwirtschaft wichtigsten Industrien besser zu versorgen.
Die Stickstoffindustrie und die Superphosphatindustrie werden in der Höhe ihres
jetzigen Bedarfs beliefert, und auch die Versorgung der Kaliindustrie und der
übrigen Düngemittelindustrie ist besser geworden. Im übrigen ist aber die allgemeine
Lage nicht wesentlich verändert, soweit die Versorgung aus Oberschlesien in Frage
kommt eher schlechter geworden. Nach wie vor behilft sich die Industrie in großem
Umfange mit Ersatzstoffen aller Art. Die Porzellanindustrie z.B. hat sich in großem
Umfange auf Holz eingestellt. Auch amerikanische Kohlen sind in den letzten Monaten
in zunehmendem Maße verwandt worden. Es kommen aber nur verhältnismäßig geringe
Mengen herein, und den Preis von 30 bis 35 Dollar je Tonne cif. Rotterdam können
auch nur die für die Ausfuhr arbeitenden Qualitätsindustrien anlegen. In
Südeutschland, dessen Industrie, soweit sie von der Ruhr versorgt werden muß, in
diesem Winter ganz besonders hart gelitten hat, können sich die Verhältnisse nur
dauernd bessern, wenn, wie erwähnt, die nötigen Mengen den Rhein heraufgebracht
werden können.
Der Begriff der sogenannten „lebenswichtigen Betriebe“ wächst natürlich in dem
Maße, wie die Kohlennot anhält, und der Reichskohlenkommissar ist immer mehr
genötigt, bald für diese, bald für jene Industrie Sonderaktionen zur Sicherung der
dringendsten Produktion zu unternehmen. In der chemischen Industrie muß die bisher
ganz darniederliegende Farbenindustrie bedeutende Mehrmengen bekommen, um die
Verpflichtung aus dem Friedensvertrage zur Ablieferung von Farbstoffen zu erfüllen
und um Devisen zu schaffen. Die Baustoffindustrie also die Zement- und Kalkwerke und
die Ziegeleien, müssen unter allen Umständen in diesem Jahre größere Mengen bekommen
als im Vorjahre, schon der dringendsten Siedlungsbauten wegen. Auf die Dauer läßt es
sich auch nicht vermeiden, daß die Hüttenindustrie in den Sand gesetzt wird,
wirtschaftlicher zu arbeiten.
All dieses ist auch gar nicht unmöglich. Wenn es uns wirklich gelingt, die Förderung
in Kürze kräftig zu steigern, und wir bei der Entente Verständnis für unsere Lage
finden, wird sich die ganze Versorgungslage unserer
Industrie bedeutend heben, denn die Mehrmengen, die uns dann übrig bleiben,
werden zum größten Teil in die Industrie fließen. Die Steigerung der Kohlenförderung
ist der Weg, auf dem das deutsche Volk am schnellsten aus seinen großen
Schwierigkeiten herauskommt.
Elektrotechnik.
Sicherung von Eisenröhren gegen Streuströme durch
Schutzbedeckungen. Streuströme, die in Gas- oder Wasserröhren eindringen,
fressen bekanntlich die Röhren an Stellen an, wo die Ströme aus den Röhren in den
Erdboden fließen. Es war dieser Vorgang seit dem Bau der elektrisch betriebenen
Straßenbahnen mit Stromrückleitung durch die Gleise eine stete Sorge der Gas- und
Wasserfachmänner, da die ohne besondere Isolierung in den Erdboden eingelegten
Schienen ein Abströmen des Bahnstromes zur Erde nicht verhindern. Abwehrmittel gegen
Schädigung der Röhren können sowohl an der Bahnanlage, als an den Röhren getroffen
werden. Die Gas- und Wasserfachmänner waren im allgemeinen der Ansicht, daß
Schutzmaßnahmen nur an der Störungsstelle der Gleisanlage zu treffen seien, daß die
elektrischen Gleichstrombahnen, nur um solche handelt es sich, so zu bauen sind, daß
nennenswerte Ströme nicht in den Erdboden entweichen, in dem angriffsfähige Röhren
sich befinden.
In Amerika, wo anfänglich auf das Entweichen der Ströme aus den Gleisen in den
Erdboden keine große Rücksicht genommen worden war, machten sich in kurzer Zeit
Schäden an den Röhren in vielen Orten bemerkbar. Hierdurch wurde vielfach auch in
anderen Ländern Beunruhigung geschaffen, die zum Teil zu übertriebenen
Abwehrforderungen führte, obwohl beispielsweise in Deutschland beim Bau elektrischer
Bahnen von vorn herein auf die Bekämpfung von Streustromschäden Wert gelegt wurde.
In den letzten Jahren wurde auch in Amerika auf die Verminderung der Elektrolyse
durch Streuströme besonders geachtet. Eine Reihe eingehender wissenschaftlich
durchgearbeiteter Versuche wurde zur Klärung der einzelnen Fragen durchgeführt. Es
wurde dort auch untersucht, inwieweit ein Schutz in den Röhren selbst von Vorteil
sein kann. Im Washingtoner Bureau of Standards wurden von Burton Mc. Collum und O. S. Peters Versuche
unternommen, um die Schutzwirkungen von Anstrichen und Schutzdecken an den Röhren zu
erproben. Hierüber wurde in Heft 15 der Technologie Papers of the Bureau of
Standards (Washington 1914) „Surface insulation of pipes as a means of preventing
electrolysis“ berichtet.
Bei den Schutzbedeckungen handelt es sich darum, durch isolieren der Röhren das
Eindringen von Streuströmen zu verhindern und so keine Stellen für den gefährlichen
Stromaustritt zu schaffen. Es wird von einzelnen Firmen eine ganze Reihe von Stoffen
empfohlen, die von den Herstellern als wasserfest und genügend isolierend für den
Schutz der Röhren bezeichnet werden. Die früheren Versuche hatten zwar schon
ergeben, daß von den auf dem Markt befindlichen Schutzstoffen keiner voll den
Ansprüchen genügte, die zum Schutz gegen elektrolytischen Angriff durch Streuströme
gefordert werden müssen, doch waren die Untersuchungen bei zu hohen Spannungen
angestellt, wie sie in Straßenbahnbetrieben zwischen Rohrleitungen und umgebendem
Erdreich nicht vorkommen. Die Spannungen wurden nun den tatsächlich vorkommenden
Verhältnissen angepaßt. Es wurden daher bei diesen Spannungen die
verschiedenartigsten Stoffe untersucht, Anstriche, die bei gewöhnlichem oder hohem
Wärmegrad aufgebracht werden, Umhüllungen wechselnder Schichten von Geweben und
Isoliermasse, durchtränkte Faserstoffhüllen, Emailleschichten, Zementmörtel und
dergleichen.
Alle untersuchten Stoffe ohne Ausnahme waren nicht auf die Dauer genügend
widerstandsfähig gegen Elektrolyse. Die Stoffe erwiesen sich als nicht genügend
wasserfest. Durch feine Haarrisse, wie sie sich mit der Zeit bilden, drang
Feuchtigkeit unter die Schutzschicht. Durch die Wirkung des austretenden Stromes
bildeten sich zwischen Eisenrohr und Schutzschicht Gasbläschen, durch deren Druck
die isolierende Schicht mit der Zeit gesprengt wurde. Solche Schutzschichten können
wohl Röhren gegen Rosten schützen, aber nur wenn sie in streustromfreiem Erdboden
liegen. Die Röhren mit solchen Schutzschichten werden auch in Bezirken nicht
angegriffen, in denen die Ströme in die Röhren eindringen. Die Schutzschichten
bieten im unversehrten Zustande einen Widerstand gegen den Stromeintritt. Insofern
können solche Schutzbekleidungen von einigem Wert sein, da bei geringem Rohrstrom
auch die Stromdichte, die ein Maß für die Gefährdung der Rohre ist, an der
Stromaustrittstelle gering ist. Wie eine einfache Rechnung ergibt, wird allerdings
die Spannung zwischen Rohr und Gleis etwas erhöht, wenn die Rohrströme gering
gehalten werden, da sich der bei hohen Rohrströmen in der Rohrleitung auftretende
Spannungsverlust bei geringen Rohrströmen zu der Spannung zwischen Rohr und Gleis
addiert, was eine größere Gefährdung an einzelnen Stellen bei etwaigen Fehlern in
der Schutzschicht herbeiführt, doch kommt dies praktisch kaum als großer Nachteil in
Betracht.
Die Kosten, die ein Rohrschutz durch die Schutzbedeckungen erfordert, stehen hiernach
in keinem Verhältnis zu der erreichten Schutzwirkung.
Dr. Michalke.
Maschinentechnik.
Die Reibung in Gleitlagern bei Zusatz von Voltol-Oel zu
Mineralöl und bei Veränderung der Umlaufzahl und Temperatur. Im Sommer 1915
wurden im mechanischen Laboratorium der Technischen Hochschule Karlsruhe Versuche
vorgenommen zum Zweck eines Vergleiches der Gleitlagerreibung bei Schmierung mit
reinem Mineralöl und mit einer Mischung von Mineral- und Voltol-Oel, die von Stern-Sonnenborn A.-G., Hamburg, geliefert wurde. Vor
allem wollte man die Frage klären, ob die nach Angabe der genannten Firma infolge
des Zusatzes von Voltol-Oel eintretende Verminderung der Reibung sich auch bei
gleicher Viskosität der beiden Schmiermittel feststellen ließe. Dies schien zunächst
recht unwahrscheinlich, da Versuche Ubbelohdes zu der
Vermutung berechtigten, daß die Reibung von keiner anderen Eigenschaft als der
Zähigkeit eines Oeles beeinflußt wird, also von der Oelsorte unabhängig ist. Die
Ergebnisse der Untersuchungen, die infolge der kriegerischen Ereignisse eine
vorzeitige Unterbrechung erfuhren, wurden durch ein Schaubild zur Anschauung
gebracht, in dem man die Reibungsmomente als Ordinaten über den Umlaufzahlen als
Abszissen darstellte. Die sich für verschiedene Temperaturen des Schmiermittels
ergebenden Linienzüge weisen ein Minimum auf. Es liegt bei den Mischölkurven stets
niedriger als bei den Mineralölkurven. Rechts vom Minimum, d.h. bei größeren
Umlaufzahlen und geringerer Zähigkeit, vermindert die Verwendung von Mischöl die
Reibung. Links vom Minimum ist das Umgekehrte der Fall. Im allgemeinen ist die
Reibung bei Mischöl geringer als bei Mineralöl. Die für dieses gültigen Linienzüge
muß man nach rechts und nach unten oder in einer dieser Richtungen verschieben, um
zu den betreffenden Mischölkurven zu gelangen. Der Zusatz von Voltol-Oel wirkt somit
auf das Mineralöl so ein, als ob es dünnflüssiger würde und die Reibung eine
Verminderung erführe. Die angenommene Einflußlosigkeit der Oelsorte auf das
Reibungsmoment bestätigte sich also nicht. Trug man
dieses als Funktion der Viskosität in ein Schaubild ein, so zeigte ein
Vergleich der für verschiedenene Drehzahlen gefundenen Kurven die Berechtigung der
aus der erstgenannten zeichnerischen Darstellung gezogenen Schlußfolgerungen.
Beachtenswert ist auch das Auftreten eines Minimums bei Aenderung von Temperatur
oder Umlaufzahl in hinreichend weiten Grenzen. Die Höhe des Mindestwertes der
Reibung ist beim Mineralöl nahezu unabhängig von Drehzahl und Wärmegrad. Im Minimum
ist das Produkt aus Zähigkeit und Umlaufzahl bei demselben Druck stets nahezu gleich
groß. Die Reibung hängt von beiden Faktoren annähernd in demselben Maße ab. Ob durch
Zusatz von Voltol-Oel die Reibung vermindert wird, läßt sich nicht ohne weiteres
sagen, da man zunächst nicht weiß, ob man sich rechts oder links vom Minimum
befindet. Allerdings dürften die Fälle, in denen die Reibung des Mischöles geringer
ist als die des reinen Mineralöles, weit überwiegen. Wie insbesondere das Schaubild
zeigt, in das die Reibung in Abhängigkeit von der Viskosität für verschiedene
Drehzahlen eingetragen wurde, kann nach den Umständen von zwei Oelen das
dünnere oder das dickere die kleinere Reibung ergeben. (C. Biehl in Heft 25 und 26 der Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure.)
Schmolke.
Wirtschaft.
Lösung der Preisaufgaben der Technischen Hochschule Berlin für
1919. Die Abteilung für Architektur hat dem Bearbeiter der Aufgabe
„Entwurf zu einer Kleinhaus-Siedlung“ Herrn stud. Alwin Dossmann den ersten Preis zuerkannt.
Die Abteilung für allgemeine Wissenschaften hat jedem der beiden Bearbeiter der
Aufgabe „Die zeichnerischen Verfahren der Integration von Differentialgleichungen
zweiter Ordnung sind zu beschreiben, an Beispielen der Technik und Physik
auszuführen und besonders für den Fall zu untersuchen, daß als Grenzbedingung
gefordert wird, die gesuchte Integralkurve solle durch gegebene Punkte
gehen“ den Herren stud. Kurt Lachmann und Walter Hartmann einen ersten Preis zuerkannt.