Titel: | Die neueren Schachtabteufverfahren. |
Autor: | Landgräben |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 196 |
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Die neueren Schachtabteufverfahren.
Von Bergdirektor Landgräben, Garmisch-Partenkirchen.
LANDGRÄBEN: Die neueren Schachtabteufverfahren.
In den verschiedenen Bergbaugebieten unseres Vaterlandes sind in den letzten
Jahren mehrfach Schachtabteufarbeiten vorgenommen worden, die weiteren Kreisen
bekannt gegeben werden dürften. Vorweg seien die schwierigen Abteufverhältnisse im
Vogesensandstein in Lothringen, dann diejenigen im Tertiär und Buntsandstein am
Niederrhein, ferner die im Bereich des Plattendolomits angetroffenen Verhältnisse im
südlichen Teile des Werra-Kalireviers erwähnt und schließlich noch die merkwürdigen
geologischen Verhältnisse in den Trümmerzonen auf den Salzhorsten im Hannoverland.
Der Ueberwindung der in den genannten Gebieten vorliegenden schwierigen
Gebirgsverhältnisse war man bis vor wenigen Jahren nicht gewachsen. Weder das
Gefrierverfahren noch das Versteinungs- und Abbohrverfahren waren nach dem damaligen
Stande der Schachtbautechnik so entwickelt, daß ein Schachtbau unter solchen
Erschwernissen gelingen konnte. Erst in den letzten Jahren war man durch allmähliche
Verfeinerung der Instrumente und Maschinen imstande, ihrer Herr zu weiden.
Bei der folgenden Erörterung der einzelnen Neuerungen auf diesem Gebiete sei zunächst
des Abteufens im Tertiär gedacht, das bekanntlich am unteren Niederrhein, in dem
Weseler Kohlen- und Kalirevier, von Süden nach Norden stets wachsende Mächtigkeit
annimmt, und bis 400 und mehr Meter anschwillt. Im Aachener Revier weist es sogar
Mächtigkeiten bis zu 700 m auf. Am Niederrhein gesellen sich zu diesen Schichten
noch die Schichten des wasserreichen und klüftigen Buntsandsteins und des
Zechsteins, in letzterem ist das Auftreten von Salzhorsten mit Salzhutbildungen
nicht ausgeschlossen. Nachdem es im Schacht I der Schachtanlage Borth bei Wesel zum
ersten Male ohne Störungen gelang, 258 m mächtige Tertiärschächten mittels
Gefrierverfahren zu durchteufen, ist man anschließend dazu übergegangen, das
Gefrierverfahren auch für größere Teufen anzuwenden. Der genannte Schacht
wurde, um einen sicheren Wasserabschluß in dem das Tertiär unterteufenden
Buntsandstein zu erreichen, damals bereits bis in 330 m Tiefe niedergebracht. Es
folgten alsdann die Schächte Carl Alexander bei Aachen mit 400 m und Lohberg bei
Dinslaken mit 415 m Gefrierteufen. Neudings stehen die Schächte der Anlage Wallach
bis 548 m unter Frostwirkung. In Belgien waren vor dem Kriege sogar Gefrierschächte
bis in 600 m Teufe mittels Gefrierverfahrens in Angriff genommen. Bei den
Wallach-Schächten in der Nähe von Wesel hat man sich deshalb zur Anwendung des
Gefrierverfahrens bis in diese Teufen entschlossen, weil man in den benachbarten
Schächten der Anlage Borth wegen des hohen Wassergehalts des Buntsandsteins und
dessen schlechter Beschaffenheit in petrographischer Beziehung mit der Anwendung
anderer Schachtabteufverfahren nicht zum Ziele gelangte. Im Schacht I der Anlage
Borth ist versucht worden, dem Buntsandstein von 330 bis 448 m von Hand unter
Zuhilfenahme von zwei Tomsonschen Wasserzieheinrichtungen
abzuteufen. In 400 m Teufe erreichten jedoch die Wasserzuflüsse eine Höhe von mehr
als 20 m3/min. Die erschrotenen Wasser brachten
bei einem Durchbruch der Schachtsohle außerdem gewaltige Sandmengen mit, so daß
angenommen werden mußte, daß unterhalb der Sohle Buntsandsteinschichten von
schwimmsandartiger Beschaffenheit zu erwarten seien. Da auch langwierige und
kostspielige Versuche mit dem Versteinungsverfahren hier nicht zum Ziele führten,
wurden diese Verfahren bei den andern Schächten nicht erst versucht, sondern es
wurde sofort zum Gefrierverfahren übergegangen.
Bezüglich der Anwendung des Versteinungsverfahrens sei noch erwähnt, daß dieses
zunächst ein einigermaßen gesundes und standfestes Gebirge voraussetzt, dessen
Spalten zwar reiche Wassermengen enthalten können, aber frei sein müssen von tonigen
und schmierigen Verunreinigungen. Außerdem dürfen feine Haarrisse, Poren,
Drüsen und andere Hohlräume nicht vorhanden sein, besonders dann nicht, wenn es
sich um größere, zu versteinende Teufenabschnitte in einem mürben Gebirge handelt.
Es ist nämlich außerordentlich schwer, in diese feinsten Wasseräderchen Zementmilch
selbst von feinster Mahlung in höchst zulässiger Verdünnung einzupressen. Geschieht
die Verstopfung nicht vollständig, und gelingt es nicht, den ganzen in Frage
kommenden Gebirgsblock zu versteinen, so erweitert das anfangs nur in geringen.
Mengen, aber unter hohem Druck austretende Wasser die Oeffnungen immer mehr infolge
seiner nagenden und ausfeilenden Wirkung. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit treten
durch die so aufgerissenen Spalten die ursprünglichen Wassermassen wieder aus, und
die ganze mühsame und teure Arbeit ist umsonst gewesen. Auf der Schachtanlage
Wallach hat man versucht, nach einer neuen, von der Gewerkschaft Deutscher Kaiser
weiter entwickelten und besonders durchgebildeten Abbohrmethode die Schichten des
Tertiärs und des Buntsandsteins bis ins Salz zu durchbohren. Die Tagesleistung im
Tertiär war befriedigend. Sie ging jedoch beim Bohren im Buntsandstein bedeutend
zurück. Durch Klemmungen der Meißel infolge von Druckerscheinungen im Buntsandstein
und reichlichem Nachfall sah man sich alsbald gezwungen, diese Methode aufzugeben,
und wollte alsdann die Schächte ebenfalls durch vorheriges Versteinen der
Wasserklüfte von der Sohle aus weiterteufen. Die Zementierarbeiten wurden auch hier
bald als ergebnislos eingestellt. Damit soll nun nicht gesagt sein, daß das
Versteinungsverfahren ungeeignet für das Durchteufen derartiger Schichten ist. Im
Gegenteil. Das in so vielen Fällen erfolgreich angewandte Verfahren hätte zweifellos
auch hier zum Ziele geführt, wenn mit der nötigen Geduld und sachgemäßen Mitteln
gearbeitet worden wäre. Das alsdann von der gleichen Firma angewandte
Gefrierverfahren geschah mit für diese Verhältnisse ebenfalls nicht ausreichenden
Hilfsmitteln und führte ebensowenig zum gewünschten Ergebnis.
Durch die in den letzten Jahren meist erfolgreiche Anwendung des Gefrierverfahrens
hat sich diese in der Technik des Schachtabteufens unter schwierigen Verhältnissen
fast die Alleinherrschaft gesichert. Nicht nur im niederrheinischen Tieflande
unseres rheinisch-westfälischen Steinkohlen- und Kalibezirkes, sondern auch in
Thüringen, im Hannoverlande und in Lothringen wird es unter allerschwierigsten
Verhältnissen angewandt.
Es mag noch erwähnt werden, daß man auf den Schächten Heiligenmühle und Mariengart
beabsichtigte, von Hand abzuteufen und die erschrotenen Wasser mit einer eigens für
die zu erwartenden großen Wassermengen gebauten elektrisch angetriebenen
Turbo-Senkabteufpumpen fördern wollte. Die von der Schachtsohle gehobenen Wasser
sollten ortsfesten, elektrisch angetriebenen Pumpen, die in einem die beiden
Schächte verbindenden Sumpf-Querschlag im Buntsandstein untergebracht waren,
zugeführt und von da zutage gehoben werden.
Während man mit den früheren elektrischen Pumpen mehr als 300 m Förderhöhe bei 5 m3/min Leistung nicht überwinden konnte, ist man
heute imstande, mittels einer derartigen Anlage mindestens 380 m Teufe mit einer
Pumpe in einem Satz bei 5 m3/min Leistung zu
bewältigen. Diese Leistung kann ohne weiteres vorübergehend bis 6 m3 in der Minute gesteigert werden. Bei geringeren
zu fördernden Wassermengen sind mit einer Senkpumpe sogar schon 400 m Förderhöhe
erreicht worden. Diese Neuerung ist für die Schachtbautechnik sehr bedeutend, da sie
die Anwendung von elektrisch angetriebenen Sümpfungsvorrichtungen beim
Schachtabteufen den Vorrang vor allen anderen Wasserhebemaschinen verschafft.
Bezüglich der Wasserwältigung beim Schachtabteufen hat man neuerdings die Erfahrung
machen müssen, daß bei Wasserzugängen von mehr als 8 m3 in der Minute ein Abteuffortschritt so gut wie
ausgeschlossen ist. Bei diesen Wassermengen wird fast die ganze zur Verfügung
stehende Zeit für die einzelnen Arbeiten der Zusumpfhaltung der Wasser beansprucht.
Die Schachtbaukosten steigern sich ins Unerschwingliche. Kostet doch ein
Schachtmeter unter diesen Verhältnissen bei etwa 10 m3/min Zugängen einschließlich des Eisenausbaues in 400 bis 500m Teufe
schätzungsweise mindestens 20000 bis 25000 Mark.
Am Niederrhein wurden im Schacht Wallach II bei einem Wasserdurchbruch die Zuflüsse
zu wenigstens 50 m3/min gemessen, in Thüringen auf
Heiligenmühle, wo die Wasser des Plattendolomits ähnlich wie auf dem Kaliwerk
Heringen bereits im Buntsandstein durchbrachen, werden die Zuflüsse auf mehr als 30
m3/min geschätzt, und auf der Gewerkschaft
Metz bei St. Avold in Lothringen übersteigen die Wassermengen des zu durchteufenden
Vogesensandsteins mindestens 12 m3/min. In den
genannten Gebieten hat man sich bereits überall zur Anwendung des Gefrierverfahrens
entschlossen. Die weite Verbreitung verdankt dieses Verfahren zwei Umständen, einmal
der hohen technischen Verfeinerung der Lotapparate, die dazu dienen, die
Abweichungen der Gefrierbohrlöcher aus der senkrechten Richtung zu ermitteln, und
zum anderen der technischen Durchbildung des sogenannten Tiefkälteverfahrens. Beide
Neuerungen gestatten das Gefrierverfahren bis zu jeder praktisch vorkommenden Teufe
und in jedem Gebirge mit noch so verwickelten geologischen Verhältnissen anzuwenden.
Mit den neueren Lotapparaten (Gebhardt und Hausmann-Anschütz) ist man
imstande, die Richtung von Bohrlöchern bis in 1000 m Teufe mit einer für die Praxis
ausreichenden Genauigkeit zu verfolgen. Bei dem Gebhardtschen Apparat bedient man sich zur Lotung der Gefrierbohrlöcher eines
Pendels mit Feinmechanismus zur Aufzeichnung der Ausschläge in der jeweiligen Lage
des Bohrlochs Aus der Länge des Pendels und diesen Ausschlägen berechnet man die
lineare Abweichung.
Der eigentliche Lotapparat befindet sich in einem wasserdicht verschlossenen
Zylinder, der an einem festen Gestänge in das Bohrloch eingelassen wird. Mit diesem
Gestänge, dessen einzelne Teile mit Kreuzgelenke miteinander verbunden sind, wird
gleichzeitig die Orientierung vorgenommen. Bei dem erst ganz neuerdings zum Loten
angewandten Apparat von Hausmann-Anschütz wird die
Orientierung durch einen Kreisel mit hoher Drehzahl herbeigeführt, wodurch sich die
Rotationsachse, genau wie beim Kreiselkompaß für Schiffe, in den astronomischen
Meridian einstellt.
Auf die Einrichtung des Gefrierverfahrens braucht hier wohl nicht näher eingegangen
zu werden. Es sei nur noch erwähnt, daß die industrielle Herstellung von Tiefkälte
alle früheren Schwierigkeiten überwunden hat und beim Tiefkälteverfahren neuerdings
Temperaturen von mehr als – 45° C hergestellt werden können. Das Kompressionsgas,
neuerdings meist Kohlensäure, wird dabei in zwei Stufen komprimiert; und zwar wird
es aus den Refrigatoren mit etwa 9 bis 11 at in Niederdruckkompressoren angesaugt
und hier bis auf etwa 30 bis 40 at gepreßt. Mit dieser Spannung leitet man es
alsdann in die Hochdruckkompressoren, wo es auf 70 bis 80 at gedrückt wird. Zwischen
diese beiden Kompressoren schaltet man Kühlvorrichtungen, sogenannte Zwischenkühler
in die Leitung ein, um die Temperatur der durch die Pressung erhitzten Gase
herabzumindern. Die hohen Temperaturen sind dem exakten Arbeiten der Kompressoren
sehr hinderlich. Um Betriebsstörungen möglichst zu vermeiden, läßt man auch wohl in
die Zylinder der Hochdruckkompressoren direkt fertig gekühltes Kältegas aus der
Druckleitung von den Refrigeratoren expandieren. Außerdem müssen diese Kompressoren
stets durch Eis und Wasser gekühlt werden. Durch Undichtigkeiten der
Stoffbüchsen etwa ausweichende Gase werden neuerdings durch besondere
Absaugvorrichtungen aufgefangen und der Saugleitung wieder zugeführt. Eine weitere
Neuerung besteht darin, daß man die Eismaschinenanlage von vornherein so einrichtet,
daß sie zunächst mit einfachen Temperaturen arbeiten, und erst dann für das
Tiefkälteverfahren umgeschaltet werden, wenn tiefere Kältegrade erreicht werden
müssen. Um den Laugenumlauf möglichst dauernd und sofort übersehen zu können, baut
man neuerdings sogenannte Flüssigkeitsmesser in die Laugeleitung ein. Die größte
bisher gebaute Gefrieranlage ist zurzeit auf der bereits mehrfach erwähnten
Schachtanlage Wallach bei Wesel in Betrieb, in der stündlich etwa 3000000 mg
Wärmeeinheiten (Frigorien) erzeugt werden können.
Das Tiefkälteverfahren ist bisher am meisten dort angewandt, wo es sich darum
handelte, das laugenführende Deckgebirge von Salzlagerstätten zu durchteufen. Vor
allem waren es die Salzhorste mit den verworrenen geologischen Verhältnissen, den
sogenannten Salzhutbildungen. In derartigen Gebirgsabschnitten wendet man neben dem
Tiefkälteverfahren neuerdings zugleich noch das Zementierverfahren an, um
Laugenansammlungen, die etwa nicht ausgefroren sein sollten, durch Einführung von
Zement zu versteinen und so unschädlich zu machen. Erfahrungsgemäß sollte man hier
jedoch nicht zu hohe Drucke anwenden, um das teilweise sehr milde Gebirge nicht
unnötig in Unruhe zu bringen, wodurch leicht neue Oeffnungen geschaffen werden, die
dem Wasser einen Austritt gestatten. Auf jeden Fall ist zweckmäßig, stets eine
Zementiereinrichtung in Bereitschaft zu haben. Es ist mehr als einmal
vorgekommen, daß Gefrierschächte im Bereich von Salzhüten ersoffen sind.
Schächte mit schwierigen Wasser Verhältnissen, wie sie in den eingangs erwähnten
Gebirgen auftreten, sind bisher nur mit gußeisernen Tübbings ausgekleidet worden, da
alle anderen Arten des Schachtausbaues dem hohen Wasserdruck nicht standhielten. An
Stelle des einen einfachen Tübbingszylinders, der auf der Außenseite mit Beton
verstampft wird, hat man neuerdings z.B. auf Lohberg (Deutscher Kaiser) und Karl
Alexander, um die Widerstandsfähigkeit zu vergrößern, die Schächte mit
Doppelküvelage versehen, und den Zwischenraum zwischen den beiden Tübbingszylindern
mit Eisenbeton ausgefüllt. Die Zweckmäßigkeit dieser Maßkegel dürfte in Anbetracht
dessen, daß die Schächte lange zu halten haben (sicherlich 100 Jahre), nicht von der
Hand zu weisen sein.
Ihre hohe Entwickelung verdankt die Schachtbautechnik nicht allein den oben erwähnten
Verbesserungen, sondern auch zu einem ganz erheblichen Teile der hohen Entwicklung
der Gießereipraxis. Heutzutage ist man schon imstande, Tübbings bis 150 mm
Wandstärke sachgemäß zu gießen, was man bis noch vor wenigen Jahren für vollständig
unmöglich hielt. Auf die Herstellung von Tübbings muß ganz besonders Sorgfalt gelegt
werden. Die Lieferungbedingungen werden meist durch besondere Verträge festgelegt.
Unterhalb 400 m verwendet man neuerdings für 6 m weite Schächte sogenannte
Breitflanschtübbings.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Anwendung der bekannten Verbundtübbinge
besonders in Verbindung mit gußeisernem Ausbau größere Verbreitung zuteil wird.