Titel: | Schutzmaßnahmen gegen Elektrolyse durch Streuströme elektrischer Bahnen. |
Autor: | Michalke |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 205 |
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Schutzmaßnahmen gegen Elektrolyse durch
Streuströme elektrischer Bahnen.Diese Mitteilungen ergänzen zusammenfassend die vorhergehend behandelten
Einzelheiten des wichtigen Gegenstandes (Die
Schriftleitung).
Von Oberingenieur Dr. Michalke, Berlin-Charlottenburg.
MICHALKE: Schutzmaßnahmen gegen Elektrolyse durch Streuströme
elektrischer Bahnen.
Das Austreten von Strömen aus den in stromleitendem Erdboden eingebetteten
Gleisen elektrischer Bahnen ist bekanntlich nicht völlig zu verhindern. Man muß sich
begnügen, das Eindringen in Gas- und Wasserröhren und Kabelbewehrungen oder
Kabelbleimantel nach Möglichkeit zu erschweren. Die große Bedeutung, die
Streustromfragen für den Schutz der Metallmassen in der Erde haben, ist in
Deutschland schon frühzeitig erkannt worden. Auf Grund eingehender, theoretischer
Erwägungen und praktischer Erfahrungen in verschiedenen Anlagen sind eine Reihe von
Vorsichtsmaßnahmen durchgearbeitet worden, worüber zahlreiche Veröffentlichungen
vorliegen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurden zunächst ohne Rücksicht
auf Schäden durch Streuströme oder unter Anwendung unzweckmäßiger Bekämpfungsmittel
elektrische Bahnen von großer Ausdehnung gebaut. Erst in letzter Zeit haben die
Amerikaner, gewarnt durch aufgetretene Schäden, eingehende theoretische
Untersuchungen und praktische Versuche im Laboratorium angestellt, worüber in einer
Reihe von Sonderheften in den Technologie Papers of the Bureau of Standards
berichtet wird. Heft Nr. 52 „Electrolysis and its Mitigation“ von E. B. Rosa und Burton Mc. Collum,
Washington 1918, gibt über das Ergebnis aller bisherigen Versuche zusammenfassenden
Bericht. Es werden je nach dem Fortschritt der Arbeiten weitere
Sonderveröffentlichungen in Aussicht gestellt. Bis zum Jahre 1918 waren zwölf
Sonderhefte, welche die Elektrolyse durch Streuströme behandeln, erschienen.
Die Hauptschäden durch Streuströme sind Anfressungen von Gas- und Wasserröhren und
Kabelschutzmänteln an den Stellen, wo die eingedrungenen Streuströme aus den
Metallteilen heraustreten. Bei geeigneter Bodenbeschaffenheit ist auch ein rein
chemischer Angriff ohne Mithilfe von Streuströmen möglich. Zur Klärung ist daher
eine genaue Untersuchung erforderlich. Wenngleich Korrosionserscheinungen die
Hauptschäden durch Streuströme bilden, so können bei groben Verstößen gegen
bestehende Vorschriften sonstige Schäden so groß werden, daß Feuer, Explosionen und
dergl. entstehen können, was aber bei einigermaßen sorgsamer Ausführung der
Gleisanlage ausgeschlossen ist. Außerdem sind Schäden möglich im armierten Beton,
wenn die Spannungsverhältnisse ungünstig liegen, oder wenn dem Beton während der
Herstellung oder Verarbeitung, um ein Gefrieren vor dem Erstarren zu verhüten, Salz
beigemengt wird.
Die Hauptsorge war stets die Anfressung von Röhren und Kabeln. Im allgemeinen kommen
Schutzmaßnahmen an den Röhren selbst erst in zweiter Linie als Mittel zur
Verminderung elektrolytischer Schäden in Betracht. Das zuverlässigste Mittel bildet
eine richtige Herstellung und Unterhaltung der Schienenrückleitung. In vereinzelten
Fällen können allerdings Abwehrmaßnahmen nur an den gefährdeten Metallteilen in Erde
mit Vorteil angewendet werden.
Isolierende Bedeckung der Oberfläche der Röhren bietet auf die Dauer keinen
ausreichenden Schutz. Durch feine Poren der nicht wasserfesten Schutzstoffe,
Anstriche, Umwicklungen usw. dringt Feuchtigkeit ein, die zu Schäden durch
austretende Streuströme unter der Schutzdecke Veranlassung geben.
Die Stärke der Anfressung hängt auch von der Beschaffenheit des Bodens ab, in den die
Ströme beim Austritt aus dem Metall eindringen, von der Feuchtigkeit, dem Wärmegrad
usw. Lösliche Hydroxyde suchen das Eisen passiv, also unangreifbar, zu machen,
während andere Stoffe, insbesondere Chloride und Sulphate, das Entgegengesetzte
bewirken. Es befolgt dabei der Strom nicht in voller Stärke das Faradaysche Gesetz der Metallzersetzung, der Bruchteil,
der durch die „Angriffszahl“ bestimmt wird, hängt von der Bodenbeschaffenheit
ab. Mäßig starke Lösungen von Natrium- oder Kalium- oder Kalziumhydroxyd können
Anfressungen verhüten, solange die Lösung sich an den Röhren befindet und nicht im
Boden versickert ist. Kalziumhydroxyd oder Kalziumhydrat ist von den genannten
Stoffen am wenigsten löslich, kann daher in einem damit vollgesättigten
Boden einige Zeit Schutz gewähren, solange nämlich nicht Lösungen von
Chloriden, Sulphaten, Karbonaten und dergl. nach den Röhren hindurch sickern und die
Schutzwirkung beeinträchtigen. Da derartige Salze sich fast stets im Erdboden
befinden und sich an den Röhren ablagern, ist der Schutz nur vorübergehend. Wollte
man den Boden mit Schutzsalzlösungen durchfeuchten, so stände der vergängliche
Schutz daher in keinem Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Kosten.
Zementumkleidungen würden einen Schutz geben, wenn durch diese Umkleidungen der
Uebergangswiderstand zur Erde vermehrt werden würde. Der Widerstand wurde aber in
wassergesättigtem Zement nur wenig höher als im Mittel der des Erdbodens gefunden,
so daß die gefährliche Stromdichte nicht viel vermindert wird. Zudem leidet Zement,
wenn er vom Strom durchflössen wird, an der Ein- und Austrittsstelle des Metalls,
insbesondere, wenn ihm bei der Herstellung Salze beigemengt waren oder Salzlösungen
nachträglich eindringen.
Eine Anzahl von Patenten wurde genommen, um Röhren dadurch zu schützen, daß sie durch
Hilfsstromquellen dauernd oder wechselnd auf einen negativen Spannungszustand oder
auf das Nullpotential des umgebenden Erdbodens gebracht wurden, so daß keine
gefährdenden Ströme aus den Röhren in den Erdboden austreten könnten, sei es, daß
die in die Röhren eingedrungenen Ströme in den Erdboden oder unmittelbar in die
Gleise geleitet wurden. Dies erfordert aber teure Einrichtungen, wenn der Schutz
sich auf weite Strecken ausdehnen soll und bedingt gutleitende Verbindung der Röhren
untereinander.
Ein anderes beachtenswertes Schutzmittel ist eine günstige Lage der Rohre in bezug
auf die Gleise. Insbesondere im gefährdeten Bezirk seilen die Rohre nicht zu nahe an
den Gleisen liegen. Kreuzungen der Röhren mit den Gleisen sollen nach Möglichkeit
vermieden werden. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, die Hauptrohre zu beiden Seiten
der Gleise in möglichst großer Entfernung, nicht unter 1 m, zu legen, wodurch die
Anzahl der erforderlichen Kreuzungen vermindert wird. Nötigenfalls sind die Röhren
so tief wie möglich zu legen. Die Röhren unmittelbar unter die Gleise zu legen, ist
besonders gefährlich, insbesondere da die nach dem Salzstreuen in den Boden
eindringenden mit Salzlösung gesättigten Sickerfäden gute Ueberleitung geben.
Es wurde auch daran gedacht, die Röhren mit einer leitenden Schutzhülle zu umgeben,
die durch den austretenden Strom nicht angegriffen wird. Edelmetalle kommen hierfür
aus naheliegenden Gründen nicht in Betracht. Gegen das Aufbringen einer Schicht von
Eisenoxyd, Koks, Graphit oder dergl. sprechen die gleichen Bedenken, wie bei
isolierenden Schutzschichten. Diese Schichten bleiben nicht dauernd dicht, erhalten
Risse oder Sprünge, an denen die Röhren angegriffen werden. Diese Stoffe sind zudem
stark negativ (stromsaugend) gegenüber dem Eisen, so daß sie örtlich wie ein Element
schädlich auf die ungeschützte Eisenoberfläche wirken.
Wird das die Röhren umgebende Erdreich auf gleichen Spannungszustand, wie die Röhren,
gebracht, so treten keine Ströme in den Erdboden aus, die Röhren werden nicht
angegriffen. Am vollkommensten wird dies erreicht, wenn das gefährdete Rohr von
einem Schutzrohr allseitig umgeben und mit dem Rohr metallisch verbunden wird, falls
das zu schützende Rohr mit dem Schutzrohr nicht schon unmittelbare Verbindung hat.
Es genügt vielfach, wenn angenommen werden kann, daß die Streuströme im wesentlichen
nur auf der den Gleisen zugewandten Seite aus den Röhren austreten, zwischen Rohr
und Gleis eine eiserne Schutzplatte zu legen, die mit dem Rohr metallisch verbunden
wird. Die Anfressungen werden von dem zu schützenden Rohr auf das Schutzrohr
oder die Schutzplatte übertragen. Derartige Schutzmittel haben jedoch nur örtliche
Bedeutung, wenn an einer besonders gefährdeten Stelle das Rohr geschützt werden
soll.
Eine größere Bedeutung als in Deutschland wurde in den Vereinigten Staaten den in die
Rohrleitungen eingefügten, mehr oder weniger isolierend hergestellten
Zwischenstücken beigelegt. Durch die Isolierstücke wird ein gefährliches
Verschleppen von Potentialen aus großer Entfernung verhindert. Die Rohre erhalten
nahezu den Spannungszustand des umgebenden Erdreichs, die Rohrströme werden
wesentlich vermindert. Die gewöhnliche Verbindung der schmiedeeisernen oder
Stahlröhren ist fast widerstandslos, während der Verbindungswiderstand bei Gußrohren
unbeständig ist, im Mittel etwa dem Widerstand einer Rohrlänge, oft auch dem
Widerstand von 100 m oder gar 1000 m Rohrlänge, entspricht. Doch genügen solch
unsichere Widerstände nicht, um das Eindringen der Streuströme genügend
herabzumindern. Um Fehlschläge, wie sie bei Einbau isolierender Zwischenstücke
anfänglich eintraten, zu vermeiden, müssen sie in nicht zu großen Abständen
eingesetzt werden, die je nach den örtlichen Verhältnissen 60 bis 150 m betragen, so
daß an den Trennungsstellen keine gefährliche Spannung auftritt. Als Isolierstücke
bewährten sich solche aus Holzrohren, Holzringen, gedichtet durch Asphalt,
Faserstoff usw., aus Zementzwischenlagen, die gleichfalls durch Hanf oder dergl.
abgedichtet wurden. Durch Papierumhüllung wurde nötigenfalls gesorgt, daß bei
verschiedenem Spannungszustand der elektrisch getrennten Rohre starker Strom von
einem Rohr durch die Erde auf das benachbarte auf kurze Entfernung übertreten
könnte. Die Spannung zwischen den durch Isolierstücke getrennten Röhren soll bei
Gußeisenröhren 0,1 bis 0,4 Volt nicht überschreiten, bei Schmiedeeisenröhren sollte
nur etwa der dritte Teil dieses Wertes zugelassen werden.
Abweichend von den deutschen Ausführungen wird in Amerika die Verbindung der Röhren
mit den Gleisen, das sogen. Dränieren, vielfach angewendet. Es werden hierdurch die
Röhren in den Gefahrbezirken in der Nähe der Schienenspeisepunkte auf den
Spannungszustand der Gleise gebracht. Die in die Röhren eingedrungenen Ströme kehren
so in metallischer Leitung zu den Gleisen zurück, ohne gefahrbringend in den
Erdboden einzutreten. In einfachster Ausführung werden die Röhren unmittelbar mit
den Gleisen verbunden. Man hat hierbei wenig Uebersicht über die Höhe der aus den
Gleisen überführten Ströme, die Rohrströme können hierbei übergebührlich ansteigen,
wenn in dem Gleise hohe Spannung herrscht. Die Anordnung wurde daher so abgeändert,
daß die Röhren nicht mit den Gleisen, sondern mit den negativen Sammelschienen
verbunden werden, von denen die Gleise unmittelbar oder unter Einfügen von
Ausgleichwiderständen gespeist werden. Entsprechend werden in die
Verbindungsleitungen von Sammelschiene und Rohr abgestufte Widerstände eingefügt
(entsprechend D. R. P. 184660 vom 26. Mai 1906), wenn nur eine Absaugleitung
verwendet wird. In Deutschland wurde durch eine ähnliche Anordnung empfohlen, die
abgesaugten Rohrströme nicht in die Gleise oder die negative Sammelschine, sondern
unter Vermittlung von Erdplatten in den Erdboden abzuführen (D. R. P. 211612). Durch
dieses Absaugen der Rohrströme, das sogen. Drainieren, wird stets der Rohrstrom
vergrößert. Damit das Verfahren wirksam ist, muß für beste metallische Verbindung
zwischen den einzelnen Rohrteilen gesorgt werden. Auch müssen alle den drainierten
Röhren benachbarten metallischen Leitungen im Erdboden mit angeschlossen werden,
wenn sie nicht gefährdet werden sollen. Die Gefährdung kann sonst leicht auf andere
Stellen übertragen werden. Es wird daher vom
Bureau of Standards besondere Vorsicht und Zurückhaltung beim beabsichtigten
Drainieren der Röhren empfohlen.
Alle diese erwähnten, an den Röhren vorzunehmenden Abwehrmaßnahmen, wobei die
Rückleitungsverhältnisse an den Bahnen nicht berücksichtigt sind, werden nur als
Notbehelfe angesehen. Wichtiger erscheinen die Maßnahmen an den Bahnen selbst.
Am vollkommensten wird die Anfressungsgefahr für die Röhren beseitigt, wenn die
Bahnen mit Wechselstrom betrieben werden. Dort, wo ein Betrieb mit Einphasenmotoren
oder Drehstrommotoren sich durchführen läßt, sind Anfressungen durch Streuströme
nicht zu befürchten. Ein Betrieb mit Wechselstromzuleitungen und Umformung durch
Gleichrichter im Wagen sind bisher nicht im Betrieb.
Doppelleitungsanlagen, bei denen die Gleise nicht zur Stromrückleitung benutzt
werden, sind gleichfalls frei von Streustromstörungen. Sie wurden z.B. in
Cincinnati, z. T. in Washington und New York, (in Budapest 1890 und 1894 in Berlin)
bei unterirdischer Stromzuführung verwendet. Die Anlagen sind aber teuer und führen
zu mancherlei Herstellungsschwierigkeiten bei Kreuzungen usw.
Aus mancherlei Gründen wird die Oberleitung mit der positiven Sammelschiene
verbunden. In Deutschland ist diese Art Stromzuführung für Bahnen vorgeschrieben.
Die Gefahrzonen, in denen der Strom aus den Röhren in die Erde übertritt, entwickeln
sich hierbei in der Nähe der Schienenspeisepunkte. Diese Zonen sind weniger
ausgedehnt als die sogenannten Einzugsgebiete, in denen die Ströme aus der Erde in
die Röhren eintreten. Die Spannung zwischen Rohr und Erdreich ist daher in der
Gefahrzone größer. Bei Umkehr der Polarität würde der Gesamtangriff auf die Röhren
zwar der gleiche bleiben, er würde sich aber auf eine größere Strecke verteilen und
Schäden würden so erst nach längerer Zeit in Erscheinung treten. Es ist aber meist
erwünscht, die Gefahrenbezirke auf kleinere Flächen beschränkt zu haben. Ein Mittel,
die Schäden zu beseitigen, ist die veränderte Polarität nicht.
Wird die Polarität periodisch umgekehrt, so können die Schäden durch Streuströme
vermindert werden. In einer Halbperiode der Stromumkehrung wird durch den aus dem
Rohr austretenden Strom das Eisen angegriffen, in der nächsten Halbperiode wird es
mehr oder weniger vollkommen zurückgebildet. Der Schutz ist um so größer, je öfter
die Stromrichtung umgekehrt wird. Schon bei täglicher Umkehrung werden die
Streustromschäden auf den vierten Teil herabgesetzt. Um Bleikabel in gleicher Weise
zu schützen, muß die Umkehrung öfter erfolgen. Dies Verfahren stört die Einfachheit
des Betriebes. (Man könnte daran denken, bei einer großen Zahl von passend
ausgewählten Schienenspeisepunkten diese wechselnd so ein- und auszuschalten, daß
die Gefahrgebiete und Einzuggebiete wechseln, wobei die Gleisströme sich umkehren,
so daß annähernd die gleiche Wirkung wie bei Polumkehr erhalten wird, ohne daß die
Oberleitungen umgepolt zu werden brauchen. Diese Anordnung erfordert aber viel
Kabelleitungen und der Gewinn ist unter Umständen nicht viel größer, als wenn alle
Schienenspeiseleitungen gleichzeitig eingeschaltet sind.)
Am sichersten wird das Auftreten schädlicher Streuströme vermindert, wenn die
Spannung in den Gleisen möglichst gering gehalten wird. Dies erfordert sorgfältigen
Bau, sowie gute Leitfähigkeit der Gleise. Weitere Maßnahmen sind Verwendung von
Speiseleitungen parallel mit den Gleisen, Verwendung von Speiseleitungen mit
Ausgleichwiderständen, Speiseleitung mit Saugmaschinen, Dreileiteranlage, Bau
verschiedener, richtig verteilter Unterwerke.
Sorgfältiger Bau der Gleisanlage ist Hauptbedingung. Beste Schienenverbindung
mit sicheren, möglichst widerstandslosen Stößen oder verschweißten Schienen sind
erforderlich, ferner Querverbindungen in Abständen von etwa 60 bis 150 m, um bei
fehlerhaften Stößen noch sichere Leitfähigkeit zu erhalten, sicherer Anschluß der
Speiseleitungen an die Gleise, nicht zu schwacher Gleisquerschnitt, Entwässerung des
Gleisbettes, um Uebergang von Streuströmen zur Erde zu erschweren.
Ein Gewaltmittel, um den Rückleitungswiderstand zu vermindern, ist das Erden der
negativen Leitungen und Gleise nahe dem Kraftwerk und in einzelnen Abständen,
wodurch die Erde zur Rückleitung absichtlich herangezogen wird. Der Widerstand und
somit die Spannung in den Gleisen wird hierdurch vermindert. Es ist aber in letzter
Zeit in Amerika von maßgebender Stelle als irrig erkannt worden, daß durch dieses
Erden die Anfressungsgefahr verringert würde.
Eine Leitung parallel zu den Gleisen zu legen und an verschiedenen Stellen mit den
Gleisen unmittelbar zu verbinden, hat nur den Erfolg, den Leitungsquerschnitt der
Gleise dem Querschnitt der Kupferleitung entsprechend zu verbessern und bei
fehlerhaften Stoßverbindungen ausgleichend zu wirken. Sind diese
Verstärkungsleitungen unisoliert, können sie die nach Erde abirrenden Streuströme
vergrößern. Um wesentlich das Spannungsgefälle in den Gleisen herabzudrücken, müßten
die Kupferquerschnitte der Kabel unwirtschaftlich groß sein.
Die in Deutschland verbreitetste Art der Schienenspeisung besteht darin, daß zur
wirksamen Verminderung der Streuströme die Gleisanlage passend unterteilt wird und
die einzelnen Abschitte durch isolierte Kabel gespeist werden. Durch Widerstände
werden die Ströme in den einzelnen Speiseleitungen so ausgeglichen, daß an den
verschiedenen Speisepunkten nahezu gleicher Spannungszustand herrscht. Obwohl die
Vorteile dieser Speisungsart 1895 in Amerika zuerst von Farnham veröffentlicht wurde, hat man dort erst sehr spät sich zu
derartiger Schienenspeisung entschlossen. Ist der Ausgleich nicht so vollkommen, daß
der Spannungszustand an den einzelnen Speisepunkten nicht genau gleich ist, so
addiert sich die Spannung zwischen den Speisepunkten zu dem Spannungsabfall in den
Gleisen, aber auch in solchen Fällen ist das Verfahren der Vielfachspeisung noch von
Vorteil. An Stelle der verschiedenen unabhängigen Speiseleitungen kann auch eine
gemeinsame Leitung mit einzelnen Abzweigungen zu den Gleisen unter Einschalten von
Widerständen treten, was zuerst durch das Siemens-Patent
D. R. P. 184660 1906 bekannt gemacht wurde. Diese Art der Schienenspeisung war
zuerst von Frischmuth 1895 angegeben worden. In
Deutschland wurde dies Verfahren nicht praktisch angewendet, obwohl es mit nicht zu
großen Mitteln eine weitgehende Unterleitung und so Entlastung der Gleise
zuläßt.
An Stelle von Ausgleichwiderständen können Saugmaschinen treten, durch die die Ströme
aus den Gleisen abgesaugt und die Gleise so von Strom entlastet werden können.
Beim- Dreileitersystem werden die Gleise mit dem Nulleiter verbunden. Die Oberleitung
wird abschnittweise durch die beiden Außenleiter gespeist. Die Gleise führen hierbei
wenig Strom oder starken Strom in ungefährlicher Weise nur auf kurze Entfernung in
wechselnder Richtung, was wenig schädlich ist. Das Dreileitersystem ist z.B. in
Nürnberg mit Erfolg verwendet.
In noch wirksamerer Weise als durch isolierte Leitungen mit eingeschalteten
Ausgleichwiderständen geschieht das Speisen der Gleise durch eine Anzahl vorteilhaft
verteilter Unterwerke. Eine Durchrechnung muß entscheiden, ob eine solche Anlage
wirtschaftlich ist.
Wie auch in Deutschland die Erfahrungen lehrten, können allgemein anzunehmende
Vorschriften zur Verminderung der Angriffe durch Streuströme nur auf dem Wege des
Vergleichs aufgestellt werden. Es ist den zum Teil widerstrebenden Forderungen der
Gas- und Wasserfachgesellschaften, der Besitzer von Straßenbahnen und der
Elektrizitätsgesellschaften Rechnung zu tragen. In den Vereinigten Staaten wurden
gleichfalls wirksame Schutzvorschriften in Erwägung gezogen. Wissenschaftlich und
technisch werden Streustromfragen von dem American Committee on Electrolysis
behandelt, die sich auch mit dem Entwurf von Vorschriften befassen soll. Die oben
beschriebenen Abwehrmittel können als Grundlage für Vorschriften dienen. Zur
Beurteilung der Gefährdung genügt es nicht, einfach eine Mindestspannung in den
Gleisen vorzuschreiben. Solche Messungen können zu falschen Schlüssen Veranlassung
geben. Bei guter Isolation der Gleise gegen Erde dürfen ohne Schaden höhere
Spannungen auftreten, während bei starker Ueberleitung zur Erde bei großer
Gefährdung ein geringer Gleiswiderstand gemessen werden kann. (In den Deutschen
Vorschriften ist der rechnerisch ermittelte Wert für die zulässige Höchstspannung in
den Gleisen maßgebend, wodurch derartige Bedenken fortfallen.)
In England darf die Spannung in den Geisen 7 Volt, in Deutschland 2½ Volt „bei
mittlerem, fahrplanmäßigen Betriebe der Anlage“ nicht überschreiten. Diese
Bestimmungen werden noch nicht für genügend eindeutig gehalten, da nicht angegeben
ist, ob es sich um Spitzen- oder Mittelwerte handelt. Als annehmbar gelten die
deutschen Werte, wenn der Mittelwert der Spannung bei gewöhnlichem Betriebe gemeint
ist; der Wert gilt als zu hoch, wenn nur vorübergehend auftretende Werte bei
mittlerem Betriebe gemeint sind. Mittelwerte sollen unter Berücksichtigung der
Korrosionsmöglichkeit festgestellt werden. Es werden daher Mittelwerte, die sich
über längere Zeiträume ausdehnen, denen, die sich auf nur eine halbe Stunde oder auf
wenige Minuten erstrecken, bei Aufstellung von Vorschriften vorgezogen. Ein
Tagesmittel von 2 bis 4 Volt wird für die meisten Betriebe einem Höchstwerte während
des stärksten Betriebes von 3 bis 10 Volt entsprechen. Für das Spannungsgefälle
werden Werte von 0,9 bis 1,2 Volt auf das Kilometer für zulässige Grenzwerte
gehalten. Als Meßlänge erscheint eine Länge von etwa 300 m geeignet. Zur dauernden
Ueberwachung der Spannung in den Gleisen sollen Meßdrähte vorgeschrieben werden.
Metallische Verbindungen zwischen Gleis und Röhren sollen in den Bezirken, in denen
die Röhren gegen Erde negativ sind, also saugend wirken, verboten sein, während sie
unter Vorsichtsmaßnahmen in der Nähe der Speisepunkte gestattet sein sollten.
Befinden sich an einem Ort verschiedene, sich kreuzende Gleisanlagen, so sind sie
elektrisch leitend zu verbinden, um Stromausgleich durch die Erde zu vermeiden.
Solche Verbindungen sollen auch zwischen Bahngleisen hergestellt werden, die auf
längere Strecke parallel laufen oder sich stellenweise bis auf einige hundert Meter
nähern.
Obgleich Vorschriften in diesem Sinne schon Gewähr für die Güte der Anlage geben,
soll doch noch vorgeschrieben werden, die Schienenstöße nachzuprüfen, deren
Widerstand einschließlich 1 m Schiene nicht mehr als dem Widerstände von 2 bis
3 m Schiene entsprechen soll. Querverbindungen in den Gleisen sollten in Abständen
von 70 bis 170 m gefordert werden, insbesondere in schweren Betrieben. Ausnahmen von
den strengen Vorschriften sollen entsprechend den deutschen Vorschriften zugelassen
werden, wo die Röhren über 200 m von den Gleisen entfernt sind und wo die Gleise von
Erde gut isoliert sind.
Es wird nicht für vorteilhaft gehalten, schon vorzuschreiben, durch welche Mittel die
niedrige Spannung in den Röhren zu erreichen ist. Es wird meist für die
Bahnverwaltung am vorteilhaftesten sein, Ausgleichwiderstände in die isolierten
Schienenspeiseleitungen einzubauen oder die Speisung so anzuordnen, daß nachträglich
Ausgleichwiderstände eingebaut werden können.
Bei den Vorschriften sollte beachtet werden, daß zwar die Erbauer die Verminderung
der Streuströme besonders im Auge behalten sollten, daß aber auch die Besitzer der
Kabel und Röhren eine Reihe von Mitteln besitzen, um durch örtliche Maßnahmen, wie
zweckmäßiges Legen der Kabel- oder Rohrleitungen, Herstellung isolierender
Schichten, Einbau isolierender Zwischenstücke in die Rohrleitungen und dergl. die
Gefährdung zu verringern.
Wenn Vorschriften als nötig befunden werden, wird empfohlen, daß diese vom Staate
oder den einzelnen Städten anerkannt werden und deren Beachtung gefordert wird. Am
unparteiischsten würden dann staatliche Beamte mit der Ueberwachung betraut werden.
Die Vorschriften selbst sollten möglichst kurz gehalten werden, zumal bei einzelnen
Bahningenieuren eine Abneigung gegen Maßnahmen zur Verminderung der Streuströme
bestehen soll.
Forderungen über den ~ulässigen Höchstwert der Stromdichte an den Röhren werden
hiernach in Amerika nicht gestellt, obwohl für die Stärke des Angriffs die aus der
Oberfläche der Röhren austretende Strommenge maßgebend ist.
Die Dichte des aus den Röhren in den Erdboden austretenden Stromes, von Kallmann treffend Freßdichte benannt, ist im wesentlichen
abhängig von der Spannung zwischen Gleis und Rohr, dem Abstand von Rohr und Gleis,
deren Abmessungen, Art der Gleisbettung und der Leitfähigkeit des Erdbodens. Sind
diese Werte bekannt, so läßt sich rechnerisch die Stromdichte bestimmen.Vergl. Archiv der Mathematik und Physik (3) 12, S. 51, 1907. Falls
nicht ungewöhnlich ungünstige Verhältnisse herrschen, wie übergroße Annäherung der
Röhren an die Gleise, hohe Leitfähigkeit eines feuchten, stark salzhaltigen Bodens
und dergl., kann angenommen werden, daß bei geringer Spannung in den Gleisen, etwa
2,5 V im Tagesmittel, keine unzulässig hohe Stromdichte an den Röhren auftritt, so
daß Vorschriften über Spannung Höchstwerte in den Gleisen für genügend erachtet
werden können. Nach den deutschen Vorschriften soll die Stromdichte den Mittelwert
von 0,75 Milliampère auf das dm2 nicht
überschreiten. Wirkt eine solche Stromdichte dauernd das ganze Jahr bei aktivem,
d.h. angriffsfähigem Zustande des Eisens (Angriffszahl = 1), so wird an dem Rohr
eine Schicht von 0,086 mm Dicke zerstört. Die genaue Messung der Stromdichte mit
Haberschen, unpolarisierbaren Elektroden macht dem Ungeübten freilich einige
Schwierigkeiten.