Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 246 |
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Polytechnische
Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Maschinentechnik.
Oelfeuerung bei Lokomotiven. Wegen Kohlenmangels wurden im
Jahre 1919 auf der Paris-Lyon- Mittelmeerbahn Versuchsfahrten mit flüssigen
Brennstoffen ausgeführt. Für die Zerstäubung des Brennstoffes benutzte man Dampf.
Der angewandte amerikanische Brenner besteht aus einem Gehäuse mit zwei übereinander
liegenden Kanälen von 60 mm Breite. Der Oelzufluß hat 25 mm ⌀. Aus dem Kanal tritt
das Oel in einem 4,5 mm dünnen und 60 mm breiten Strahl gegen eine geriffelte
Fußplatte aus. Der Dampf durchströmt den zweiten Kanal und stößt in einem 60 mm
breiten und 0,5 mm dicken Strahl gegen die genannte Fußplatte, wodurch das Oel
zerstäubt wird. Die Dampfspannung beträgt etwa 3 bis 4 at, der Oelverbrauch etwa 80
bis 100 l/st. Eine französische Brennerausführung besteht aus drei konzentrischen
Rohren. Im mittleren Rohr fließt das Oel und durch die beiden anderen Röhrt strömt
der Dampf.
Bei der Paris–Lyon–Mittelmeerbahn sind zwei Verfahren in Gebrauch, das eine wird
bei der reinen Oelfeuerung, das andere bei Verwendung von Oel- und festem Brennstoff
angewandt. Das Oel im Behälter wird durch eine Heizschlange vorgewärmt. Zum Anheizen
der Lokomotive ist Druckluft oder Dampf notwendig. Bei der Versuchslokomotive konnte
Dampf von 10 at in 1½ Stunden erzeugt werden gegenüber 3 Stunden bei Kohlenfeuerung.
Es ist beabsichtigt, Masut zu verfeuern. Die Behälter sollen einen Oelvorrat für
zehn Tage fassen, wofür 300 t erforderlich sind. (The Engineer, 14. Mai 1920.)
Aluminium bei Schiffs-Dieselmaschinen. Mit einer
Einzylinder-Viertakt-Schiffs-Dieselmaschine wurden in England Versuche ausgeführt,
um Aluminiumkolben zu erproben. Die Maschine, Bauart Vickers, hat 368 mm Zylinder-Durchmesser, 381 mm Hub und leistet bei 380
Uml/min 100 PS. Der Kolben ist in der Ebene des Kolbenbolzens geteilt, der
Kolbenbolzen selbst ist in die
Pleuelstange eingepreßt. Die Kolbenbolzenlager sind aus Bronze hergestellt, mit
Weißmetall gefüttert und nicht nachstellbar. Sie werden durch Zusammenschrauben der
beiden Kolbenteile gehalten. Es sind wie üblich sechs gußeiserne Kolbenringe und ein
Abstreifring angeordnet. Nach einer Betriebsdauer von September 1917 bis Juli 1918
wurde der Kolben in gutem Zustande befunden. Es wurde keinerlei Wachsen des Kolbens
festgestellt Der Zustand der gußeisernen Zylinderlaufbüchse war ebenfalls
einwandfrei. Das Gesamtgewicht des Aluminiumkolbens beträgt 95,5 kg, das Gewicht des
Gußeisenkolbens dagegen 176 kg. Im Betriebe hat es sich gezeigt, daß das Kolbenspiel
im Zylinder bei Aluminiumkolben etwa um 50 v. H. größer ausgeführt werden muß als
bei Gußeisenkolben. Durch das Fressen des Kolbens wurde die Oberfläche der
Zylinderlauf büchse nicht beschädigt. (Engineering, 23. Juli 1920.)
Bodenerschütterungen bei Maschinen mit hin- und hergehenden
Massen. Beim Betriebe einer liegenden 650/850 PS-Tandem-Dampfmaschine
gerieten zahlreiche Häuser der Umgebung bis zu einer Entfernung von etwa 300 m in
Schwingungen. Das Maschinenfundament war durch einen wagerechten Riß in eine obere
und untere Hälfte gespalten, die sich beim Gange der Maschine gegeneinander
bewegten. Die freien Massenkräfte der Maschine betrugen in senkrechter und
wagerechter Richtung 10000 kg. Fernwirkungen solcher Art sind schon öfter
festgestellt worden. Hierfür ist aber nicht die Größe der freien Massenkräfte
maßgebend, sondern die Beschaffenheit des Baugrundes. Moorboden, Schlick und
Schwimmsand sind für Maschinengründung ungeeignet.
Textabbildung Bd. 335, S. 247
Um diese Störungen zu beseitigen, gibt es nur ein Mittel: den vollständigen
Massenausgleich. Bei Sechszylindermaschinen ist ein solcher ohne weiteres möglich.
Wendet man aber besondere Ausgleichsvorrichtungen an, so kann ein vollständiger
Massenausgleich auch bei Einkurbelmaschinen erreicht werden. Die Abbildung zeigt
einen derartigen Massenausgleich, wie er bei der erwähnten Tandemmaschine verwendet
wurde. Die freien wagerechten Massenkräfte, die hier die Störungen hervorgerufen
haben, setzen sich wie bekannt aus einer Grundschwingung von der gleichen Frequenz
wie die Umlaufzahl der Maschine und einer Oberschwingung doppelter Frequenz
zusammen. Die Grundschwingung wird somit durch zwei Massen a ausgeglichen, die sich mit derselben Umlaufzahl wie die Maschinen
drehen. Da sich die beiden Gewichte a gegenläufig
bewegen, hebt sich die Komponente der Fliehkraft, die senkrecht zur Richtung der
hin- und hergehenden Massen liegt, auf. Das Gewicht b,
das die Oberschwingungen ausgleicht, ist aus der gleichen Ursache in vier Teile
zerlegt, die sich mit der doppelten Umlaufzahl der Maschine drehen. Die so
erhaltenen Fliehkräfte sind bei allen Umlaufzahlen der Maschine mit den freien
wagerechten Kräften der Maschine gleich. Sie befinden sich in derselben Ebene und
sind den freien Kräften der Maschine entgegengesetzt gerichtet. Auf diese Weise
werden somit keine freien Kräfte oder Momente auf das Maschinenfundament übertragen.
Die Vorrichtung wird von der Steuerwelle angetrieben und hat einen sehr geringen
Kraftverbrauch. Aber auch die freien senkrechten Kräfte bringen das
Maschinenfundament in Schwingungen. Durch geeignete Gegengewichte an der Kurbel
könnten aber auch die umlaufenden Massen ausgeglichen werden. Auf diese Weise wurden
die Störungen auf die Nachbargebäude beseitigt. (Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing.
1920, S. 759 bis 760.)
W.
Gastechnik.
Sulfitablauge als Düngemittel. Obwohl die Ablaugen der
Zellstoffabriken im Kriege die mannigfachste Verwendung fanden, ist ihre allseitig
befriedigende Verwertung bisher noch nicht möglich. Da die Mengen dieser Ablaugen in
den meisten Fabriken sehr beträchtlich sind, z.B. erzeugt eine einzige
Zellstoffabrik in Oberbayern rund 140 Millionen Liter jährlich, so ist die
wirtschaftliche Verwertung der Ablaugen eine recht dringliche Aufgabe. Man ist in
den letzten Jahren zwar dazu übergegangen, aus dem in der Lauge enthaltenen Zucker
durch Vergären Alkohol herzustellen, aber auch hierbei erhält man wieder große
Mengen von Ablaugen, die bisher ungenutzt in die den Fabriken benachbarten Flüsse
abgelassen wurden. Dies bedeutet eine große Verschwendung, denn die entzuckerte
Lauge ist noch reich an organischen Stoffen, die als Pflanzendünger Verwendung
finden können. Versuche, die Prof. Bokorny in dieser
Richtung angestellt hat, hatten der „Chemiker-Zeitung“ 1920, S. 174, zufolge
ein recht befriedigendes Ergebnis. Schon die Tatsache, daß die entzuckerte
Sulfitablauge beim Stehen an der Luft rasch verpilzt, ist ein Beweis dafür, daß
Pflanzennährstoffe darin enthalten sind. Die Wirkung der Ablauge im Boden beruht auf
einer Steigerung der Kohlenstoffernährung, die bisher fast ausschließlich der an
Kohlenstoff so armen atmosphärischen Luft überlassen wurde. Durch das Einbringen der
Ablauge in den Boden soll einmal in der Bodenluft und in den unteren Luftschichten
der Kohlensäuregehalt erhöht werden, da durch die Einwirkung von Pilzen auf die
Ablauge Kohlensäure gebildet wird, ferner sollen die zur Ernährung der Pflanzen
tauglichen Bestandteile, wie Zucker, organische Säuren und andere direkt in den
Boden eindringen und von den Pflanzenwurzeln aufgenommen werden. Daneben müssen
jedoch auch noch die üblichen Düngemittel Stickstoff, Kali und Phosphorsäure dem
Boden zugeführt werden. Diese drei Bestandteile sind z.B. im menschlichen Harn
enthalten, mit dessen Zusatz zu der Ablauge Prof. Bokorny
gute Erfahrungen gemacht hat. Zugleich konnte experimentell bewiesen werden, daß das
Lignin der Ablaugen durch Pilze tatsächlich zu Zellsubstanz und Kohlensäure
verarbeitet wird.
Bei Freilandversuchen wurde bei Getreide, ferner bei Hülsenfrüchten und Feldkohl eine
durchaus günstige Wirkung der Sulfitablauge beobachtet, indem sowohl die
Erntegewichte, als auch der Wuchs sowie die Zeit der Blüten- und Fruchtreife günstig
beeinflußt wurden. Auch von Kern, der mit einem Gemisch
von Sulfitablauge und Kieselgur entsprechende Düngungsversuche anstellte, wurde ein
gleich günstiges Ergebnis erzielt. Es wäre zu wünschen, daß derartige Versuche an
möglichst vielen Stellen unternommen werden, denn auf diese Weise wäre die
Ablaugenfrage in recht einfacher und nutzbringender Weise zu lösen, einerlei ob aus
der Ablauge vorher Alkohol gewonnen wurde oder nicht. Freilich käme dieses neue
Düngemittel nur der unmittelbaren Umgebung von Zellstoffabriken zu Gute, da die
Ablaugen wegen ihres hohen Wassergehaltes eine Verfrachtung nicht ermöglichen.
Teerfettöl. Der empfindliche Mangel an Schmierölen, der
bald nach Ausbruch des Krieges unsere gesamte Industrie sowie unser Verkehrswesen
lahmzulegen drohte,
verlangte gebieterisch nach der Auffindung von Ersatzstoffen. Von den
zahlreichen Stoffen, die zu diesem Zweck vorgeschlagen wurden, haben nur die aus dem
Steinkohlenteer der Kokereien und Gaswerke gewonnenen Teerfettöle weitere
Verbreitung erlangt. Das Teerfettöl, dessen Beschaffenheit im Verlaufe des Krieges
erheblich vervollkommnet wurde, wird, wie K. Bruhn in
„Stahl und Eisen“ 1919, S. 402 bis 406, 469 bis 474 berichtet, aus den
oberhalb 300° siedenden Anteilen des Teers, dem sogen. Anthrazenöl, gewonnen, das
durch Abkühlen und Filtrieren von dem gelösten Anthrazen befreit und hierauf nach
verschiedenen Methoden eingedickt wird, damit es die zum Schmieren notwendige
Viskosität erhält. In dünner Schicht ist das Teerfettöl braun bis dunkelgrün
durchscheinend, sein spez. Gewicht ist stets größer als 1, es ist somit schwerer als
Wasser; der Flammpunkt liegt über 100°, oft sogar über 130°. Die Viskosität kann je
nach der Herstellung des Oeles bei 50° C zwischen 1,5 bis über 5 Englergraden
schwanken, jedoch erfolgt der Abfall der Viskosität mit steigender Temperatur bei
dem Teerfettöl etwas rascher als bei Mineralöl. Die Teerfettöle sind in der Regel
noch bei Temperaturen von weit unter 0° flüssig, wobei jedoch meist ein Bodensatz
entsteht, der von dem Auskristallisieren der in dem Oel gelösten festen
Kohlenwasserstoffe herrührt. Es ist nicht leicht, das Teerfettöl ganz wasserfrei
herzustellen, jedoch bleibt der Wassergehalt in der Regel unter 1 v. H. und das
Wasser setzt sich bei längerem Lagern des Oeles an der Oberfläche ab, so daß es
abgelassen werden kann. Mit Mineralöl kann das Teerfettöl nur in der Wärme (bei etwa
80°) gemischt werden, beim Mischen in der Kälte trennen sich die beiden Oelsorten
nach längerem Stehen wieder in zwei Schichten. Diese Erscheinung ist bei der völlig
verschiedenen chemischen Zusammensetzung der beiden Oelarten durchaus
verständlich.
Die chemische Zusammensetzung des Teerfettöls und seines Ausgangmaterials, des
Anthrazenöls, ist nur zum Teil bekannt, denn sie stellen ein kompliziertes Gemisch
einer ganzen Anzahl flüssiger und gelöster fester aromatischer Verbindungen dar. Ein
wesentlicher Unterschied gegenüber dem Mineralöl besteht jedoch darin, daß das
Teerfettöl keine Säuren enthält, sondern nur hochmolekulare Phenole, die keine
ätzenden oder sonst ungünstigen Wirkungen auf Metalle haben. Dagegen übt es bei
Leuten mit empfindlicher Haut Reizerscheinungen aus, die zu Entzündungen
Veranlassung geben können, wenn bei dem Umgang mit dem Oel nicht sorgfältig darauf
geachtet wird, daß die Beschmutzung der Hände und Kleider vermieden wird. Die
Lagerung des Teerfettöls soll möglichst bei gleichbleibender Temperatur, die auch im
Winter nicht unter 10° fallen soll, erfolgen; auf diese Weise läßt sich die Bildung
von Ausscheidungen und Bodensatz nahezu vermeiden. Diese Ausscheidungen greifen
übrigens die zu schmierenden Lager nicht an, da sie sich namentlich bei Anwesenheit
von etwas Oel schnell wieder verflüssigen. Weniger harmlos sind dagegen die
Ausscheidungen, die sich bisweilen aus Mischungen von Teerfettöl und Mineralöl
absetzen und einen festen zähen Bodensatz bilden. Diese Ausscheidungen sind auf
einen hohen Asphaltgehalt des Mineralöls zurückzuführen, weshalb man zur Herstellung
von Mischölen nur asphaltfreies Mineralöl und gut abgelagertes, satzfreies
Teerfettöl verwenden darf, oder aber man muß dem Mischöl Zeit zur Bildung der
Abscheidungen geben und hierauf das klare Oel vom Bodensatz abziehen. Da die
Viskosität eines Mischöls erheblich unter dem aus der Viskosität der beiden
Komponenten berechneten Mittelwert liegt, muß man vor der Herstellung von Mischöl
stets erst einen Versuch im kleinen ausführen, um das richtige Mischverhältnis
ausfindig zu machen. Auch Starrschmieren lassen sich mit Hilfe von Teerfettöl in
vorzüglicher Beschaffenheit herstellen, so z.B. aus verseiftem Montanwachs
unter Zumischen von Teerfettöl. Diese Starrschmieren können als Staufferfett,
Förderwagenfett, Walzenbriketts und noch für andere Zwecke verwendet werden. Nimmt
man die Jahreserzeugung unserer Kokereien und Gaswerke an Teer zu 1,5 Mill. t an, so
können aus dieser Teermenge bis zu 150000 t Teerfettöl hergestellt werden. Infolge
der heutigen Kohlennot ist die Erzeugungsmöglichkeit zweifellos erheblich
geringer.
Verfasser macht weiter ausführliche Angaben über Schmierversuche an Wagenachsen,
Elektromotoren und Dampfmaschinen, die ein durchaus befriedigendes Ergebnis
lieferten.
Sander.
Werkstattstechnik.
Geschichte der Gewindenormen und der Herstellang von
Schrauben. Die ältesten Gewinde waren mit Absicht möglichst wild, weil sich
jede Fabrik für Reparaturen unentbehrlich machen wollte. Ausgang des 18.
Jahrhunderts führte Maudslay feste Gangzahlen 3, 3¼, 4,
4½, 6, 8 Gänge auf einen Zoll ein, allerdings zunächst nur für eigenen Bedarf. Clement setzte für jeden Durchmesser eine bestimmte
Gangzahl fest. Die Gewindeform blieb zunächst noch nicht normalisiert. Etwa um 1840
stellte Whitworth nach einer Sammlung der verschiedensten
Schrauben aus englischen Fabriken sein System für Schrauben- und Rohrgewinde auf,
bei dem nun auch das Gewindeprofil festgelegt wurde. Im Jahre 1857 wurde das alte
Whitworth-Gewinde durch ein neues ersetzt, das sich
in Europa verbreitete. In Amerika faßte das Whitworth-Gewinde kaum Fuß. Dort kam das Sellers-Gewinde in Aufnahme, das gegen 1880 die Oberhand gewonnen hatte. 1898
wurde das S.-I.-Gewinde auf dem internationalen Kongreß zur Vereinheitlichung der
Gewinde in Zürich festgelegt.
Das älteste Verfahren zur Herstellung von Gewinde bestand darin daß man auf einen
gedrehten Dorn zwei Drähte von bestimmtem Durchmesser dicht nebeneinander
aufwickelte. Der eine Draht wurde wieder abgewickelt und der andere auf dem Dorn
festgelötet. Die so erhaltene Schraube diente entweder als Leitspindel für die
Herstellung anderer Schrauben oder unmittelbar als Maschinenteil. Ein anderes
Verfahren bestand darin, daß man ein dreieckiges Papier mit parallelen Linien um
eine Spindel wiekelte, die Gewindelinie auf diese aufkörnte und das Gewindeprofil
mit dem Meißel oder der Feile von Hand einarbeitete. Zum Schluß wurde ein in einer
um die Spindel gegossenen Weißmetallhülse nachstellbarer Formstahl einigemale auf-
und abgeschraubt und so die Gewindegänge geglättet. Muttern wurden in Bronze oder
Weißmetall um die Spindeln gegossen.
Das Schraubenschneiden mit Patronenleitstück war seit dem späten Mittelalter bekannt.
Es konnten auf diese Weise aber nur kurze Schrauben hergestellt werden. Lange
Spindeln mußten auf diese Weise absatzweise geschnitten werden, wodurch sie
naturgemäß recht ungenau wurden. Die Leitmutter bestand oft aus Holz. Ohne
Leitapparat stellten Uhrmacher und später Maudslay
maschinenmäßig Schrauben dadurch her, daß sie ein schräg zur Drehachse gestelltes
Lineal anbrachten, welches den eigentlichen Drehstahl in der Drehachse vor dem
Werkstück vorbeizog, wenn der Querschlitten quer zum Bett geschaltet wurde. Auf
diese Weise stellte Maudslay die erste Leitspindel von
7'' Länge her, die nur auf 1/16'' ungenau war. Dieser Fehler wurde dadurch
korrigiert, daß er die Mutter mit einem Schwinghebel versah, der auf einem
entsprechend schräg gestellten Lineal geführt wurde. Die weitere genaue Herstellung
von Schrauben auf dieser Leitspindelbank war nun einfach.
Gewindestähle und Gewindestrehler wurden schon seit 1846 in England hergestellt
und gebraucht. Bodmer stellte Strehler aus einem mit Innengewinde versehenen Ring
durch Zerteilen desselben in mehrere Segmente her.
Gewindebohrer waren ursprünglich drei- oder vierkantig und wurden hin- und
hergedreht. Sie quetschten also das Gewinde anstatt es zu schneiden. Maudslay führte Anfang des 19. Jahrhunderts Gewindebohrer
mit Nuten ein, die zum besseren Schneiden hinterfeilt wurden. Auch Vor- und
Nachschneider wurden damals schon gebraucht.
Schneideisen und Schneidkluppen kamen in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts
auf. Ursprünglich bestanden sie einfach aus einer gehärteten Mutter. 1856 wurde der
Firma Dandoy-Maillard, Lucq & Co. in Maubeuge ein
Schneideisen neuzeitlicher Form patentiert. Geschlitzte, nachstellbare Schneideisen
sind zuerst 1867 in einer Veröffentlichung von Brown &
Sharpe erwähnt. (Werkzeugmaschine 1920, Heft 12.)
Genauigkeit von Grobmeßwerkzeugen. Prof. Dr. G. Berndt gibt im Betrieb 1920, Heft 9 das Ergebnis von der
Genauigkeitsprüfung einiger Betriebsschublehren, Stahlmaßstäbe und gewöhnlicher
Zollstöcke. Unter Grobmeßwerkzeugen sollen solche Werkzeuge verstanden werden, die
eine Einteilung in 1/1 oder ½ mm und durch Schätzung 1/20 mm zu ermitteln oder mit Nonius im günstigsten
Falle 2/100 mm zu
schätzen gestatten. Die Ablesung an dem Nonius soll ohne Zuhilfenahme von
Vergrößerungsgläsern möglich sein. Soll an einem Nonius 2/100 bis 4/100 mm wirklich genau abgelesen werden,
so muß vor allem verlangt werden, daß die Teilung des Maßstabes und des Nonius bis
auf diesen Grad genau ist.
Um diese Voraussetzungen zu prüfen, wurden eine amerikanische, eine deutsche und eine
schweizer Schublehre mit geeichten Parallel-Endmaßen geprüft und die Abweichung der
Teilung mit dem Mikroskop bestimmt. Es zeigten dabei die amerikanische Schublehre
auf dem eigentlichen Maßstabe Abweichungen bis zu 111/1000 mm, auf dem Nonius bis zu 37/1000 mm, die
deutsche auf dem Maßstab bis zu 96/1000 (auf 0° reduziert 58/1000 mm), auf dem Nonius 24/1000 bzw. 23/1000 mm, die
schweizer Lehre auf dem Maßstabe 7/1000 mm, auf dem Nonius 6/1000 mm. Die schweizer Lehre ist also
als Präzissionslehre anzusprechen.
Will man mit einer Lehre unmittelbar messen, so muß man außer der Genauigkeit der
Teilung noch prüfen, ob bei geschlossenen Backen die Lehre 0 mm anzeigt, was
meistens nicht der Fall sein wird. Zudem müßte das Meßstück an der Stelle zwischen
die Backen gebracht werden, die sich in der Nullstellung berühren. Wird die Lehre
nur zum Vergleich des Meßstückes mit geeichten Parallel Endmaßen benutzt, so werden
in allen Fällen die Fehler geringer. Die Prüfung der drei genannten Lehren ergab,
daß bei gewöhnlichen Werkstattschublehren nur eine Genauigkeit von 1/10 mm möglich
ist, während sie bei Präzissionsschublehren unter 1/100 mm bleibt.
Ein Stahlmaßstab ergab bei seiner Prüfung Abweichungen der Teilung um 56/1000 mm. Dabei
war aber der Fehler des ersten Millimeters bereits 40/1000 mm. Würde man also den Maßstab
nicht als Endmaßstab, sondern als Strichmaßstab benutzen, so würde sich die
Genauigkeit unter 20/1000 mm ergeben haben. Die Genauigkeit des Stahlmaßstabes kann also mit
1/10 oder 1/20 mm angenommen
werden, wobei er als reiner Strichmaßstab benutzt werden sollte.
Bei einem Holzmaßstab mit fünf Gelenken ergaben sich innerhalb der Gelenke
Abweichungen der Teilung von nur 1/20 mm, über die ganze Länge von etwas über ¼ mm,
wenn der Maßstab übermäßig in den Gelenken gereckt worden war. Es dürfte sich bei
sorgsamer Behandlung also eine Meßgenauigkeit von etwa ¼ mm erreichen lassen.
Schneidziffer beiFlächenschleifmaschinen. Die Beziehungen zwischen dem
Anpressungsdruck P eines Werkstückes an die
Schleifscheibe und der Umfangskraft P' an der
Schleifscheibe, sind, soweit bekannt, zuerst im Jahre 1902 von dem Franzosen Codron untersucht und veröffentlicht worden. Codron machte seine Versuche auf der gewölbten Seite von
Sandstein- und Schmirgelscheiben, und bestimmte die Schneidziffer f = P' : P, eine Zahl, die also mit der Reibungszahl für
gleitende Reibung vielfach zusammenfällt. Er fand bei seinen Versuchen die
nachstehend zusammengestellten Werte. Durch die Ergebnisse wird bestätigt, daß eine
weiche Scheibe sich selbst scharf erhält, was sich in dem hohen Wert für f bei weichen Scheiben wiederspiegelt. Daß
Schmirgelscheiben eine durchschnittlich höhere Schneidziffer haben als
Sandsteinscheiben dürfte gut einleuchten.
Die Diskuswerke in Frankfurt a. M. haben ähnliche Versuche
an ihren bekannten Stahlscheiben mit aufgezogenem Schleifbelag ausgeführt und
gefunden, daß die Schneidziffer wesentlich von der Güte des Schleifmittels, der
Größe des Kornes, der Beschaffenheit der Bindung und dem Grade der Verschmierung der
Scheibe ferner noch von der Schnittgeschwindigkeit und dem Anpressungsdruck abhängig
ist.
Schneidziffern an Sandsteinscheiben (Codron).
Umfangsgeschw. etwa 2 m/sek. Anpressungsdruck 30 bis 40 g/mm2.
Eisen
weichesGußeisen
nichtgehärteterWerk-zeugsthal
gehärteterWerk-zeugsthal
Weiche Scheibe
0,85–0,90
0,45–0,50
0,75–0,80
0,50
desgl. etwas ver- schmiert
0,80–0,85
0,40–0,45
0,65–0,70
0,40
mittelkörnige Scheibe, nicht verschmiert
0,75–0,80
0,35
0,70
0,40
desgl. verschmiert
0,70
0,30
0,60
0,30
Harte Scheibe mitgrobem Korn,
nicht verschmiert
0,60
0,30
0,60
0,35
desgl. verschmiert
0,50
0,25
0,50
0,30
Schneidziffern an Schmirgelschleifscheiben (Codron). Umfangsgeschwindigkeit 21,4 m/sek.
Anpressungsdruck
Eisen
weichesGußeisen
angelasse-ner Stahl
gehärteterStahl
17 g/mm2
0,95
0,40
0,85
–
27 g/mm2
0,97
0,47
0,90
0,44
37 g/mm2
–
0,52
–
0,52
Schneidziffern an Schmirgelschleifscheiben (Diskuswerke). Werkstück Flußeisen 60 × 60 mm.
Schleifscheibe
Umfangs-geschwindig-keit
Anpressungsdruck
rd.1 g/mm2
rd.1,7 g/mm2
rd.2,55 g/mm2
Alundumscheibe
rd. 22 m/sek.
0,50
0,46–0,55
0,50–0,58
desgl.
„ 32 „
0,57
0,55
0,58
feine Alundum-scheibe
„ 22 „
0,71
0,73–0,80
–
desgl.
„ 32 „
0,51–0,74
0,61–0,74
–
Karborundum-scheibe
„ 22 „
0,50–0,64
0,54
0,50–0,54
desgl.
„ 22 „
0,67
0,64–0,69
0,58–0,55
desgl.
„ 32 „
0,50
0,46–0,54
0,50
desgl.
„ 32 „
0,57–0,60
0,50–0,57
0,54
(Werkstattstechnik 1920, Heft 11.)
Ernst Preger.
Elektrotechnik.
Theorie der Streuströme. Um den Einfluß, den Widerstand
der Gleise, Ueberleitungswiderstand von den Gleisen zur Erde oder zu den Röhren
haben, Speisepunktentfernung
und dergl. bei elektrischen Bahnen richtig einschätzen und hiernach die
zweckmäßigsten Schutzmaßnahmen gegen Schäden durch Streuströme, die. aus. den
Gleisen in die Erde entweichen, treffen zu können, ist genaue Durchrechnung nötig.
Messungen an einer ausgeführten Bahnanlage können zwar für diese einzelne Anlage
maßgebende Aufklärung bringen, solche Messungen sind aber von vielen Zufälligkeiten
abhängig und haben daher meist nur örtliche Bedeutung. Aus richtig aufgestellten
Formeln oder Schaulinien kann aber vom Ingenieur leicht die Bedeutung der einzelnen
Größen abgelesen und die Gefährdung beurteilt werden. Es können hiernach die
zweckmäßigsten Maßnahmen für bestimmte Sonderfälle getroffen werden, wenn die
Widerstandsverhältnisse und dergl. bekannt sind. Die Aufstellung allgemein gültiger
Formeln hat daher nicht allein theoretische Bedeutung. Im Bureau of Standards wurden
in Heft 63 der Technologie Papers „Leakage of Current from Electric Railway“
von Burton M'Collum und K. H. Logan, Washington 1916 nach deutschem VorbildMichalke, Die vagabundierenden Ströme elektrischer
Bahnen. Braunschweig 1904. die theoretischen Grundlagen für den
Verlauf und die Stärke der Streuströme rechnerisch verfolgt.
Die Rechnungen werden unter Vernachlässigung des Widerstandes in den Röhren oder in
der Erde durchgeführt. Die Schlußfolgerungen gelten daher nur unter diesen
Voraussetzungen. Der Wert von Schutzmaßnahmen an den Röhren, wie z.B. Einfügen von
Isolierstücken in die Rohrleitung oder andererseits der Herstellung gut leitender
Verbindung der einzelnen Rohrstücke beim Absäugen von eingedrungenen Rohrströmen
kann hiernach aus den Formeln nicht entnommen werdenUnter Berücksichtigung des Rohrwiderstandes sind entsprechende Rechnungen
durchgeführt im Archiv der Mathematik und Physik (3) Bd. 12, Heft 1, S.
52,1907..
Die Berechnung der Streustromstärke und der in Betracht kommenden Spannungen führt zu
Exponentialwerten, die sich kurz in hyperbolischen Funktionen ausdrücken lassen. Da
sich die vielseitigen Schlußfolgerungen genau nur ziehen lassen, wenn mit den
strengen Formeln gerechnet wird, angenäherte vereinfachte Formeln nur unter
bestimmten Voraussetzungen gelten, ist trotz der für die Allgemeinheit
verständlicheren Näherungswerte auf solche verzichtet worden, zumal für den Kundigen
das Rechnen mit Hyperbelfunktionen, für die ähnlich den Logarithmentafeln
übersichtliche Tafeln vorhanden sind, nicht schwierig ist. Um aber auch eine
allgemein verständliche Darstellung und übersichtliche Werte zu erhalten, sind für
verschiedene, erfahrungsgemäß im Betrieb vorkommende Werte des
Ueberleitungswiderstandes von Gleis zur Erde und des Widerstandes in den Gleisen
eine Anzahl von Schaulinien gezeichnet, welche die Aenderung der Streuströme an
verschiedenen Gleisstellen unter den verschiedenartigsten Verhältnissen zeigen.
Aus den Formeln ergibt sich, daß Erhöhung des Gleiswiderstandes in gleichem Maße die
Entwicklung der Streuströme begünstigt, wie die Verminderung des
Ueberleitungswiderstandes von den Gleisen zur Erde. Dies zeigt den Wert großen
Schienenprofils und der stets gut leitend zu erhaltenden Schienenstoßverbindung und
der Isolierung der Gleise. Die Ströme treten aus den Gleisen ferner umso stärker
aus, je weiter die Speisepunkte entfernt sind. Bei kurzen Gleisstrecken gilt
angenähert das Gesetz, daß der Prozentsatz des Gesamtstroms, der aus den Gleisen
entweicht, wie das Quadrat der Speisepunktentfernung wächst. Bei großen Entfernungen
der Speisepunkte nehmen die Streuströme bei steigender Länge der Strecke nicht in
gleichem Maße zu, wie bei kurzen Entfernungen. In Außenstrecken, in denen die
Entfernung der Speisepunkte sehr groß ist, kann es vorkommen, daß fast der
gesamte Rückstrom seinen Weg durch die Erde nimmt.
Wenn, wie dies bei deutschen Bahnen stets zutrifft, die negative Sammelschiene nicht
geerdet ist, so bilden sich positive (Gefahr-) Gebiete in der Nähe des Kraftwerks
und negative (Einzugs-) Gebiete am entferntesten Ende oder in der Mitte zwischen
zwei Speisepunkten aus. Die Ausdehnung des Gefahrgebietes kann sich je nach der
Länge der Strecke nach dem Gleis- und Ueberleitungswiderstand verschieden weit
erstrecken. Würde man die Oberleitung an die negative Sammelschiene anschließen, so
würde sich zwar die Zeitdauer, in der sich ein größerer Schaden an den Röhren zeigt,
verlängern, der Angriff würde sich aber über ein größeres Gebiet ausdehnen, die
Gesamtmenge des durch die Streuströme in der Erde zerstörten Metalls an Gas- und
Wasserrohren oder Kabelmänteln würde unverändert bleiben.
Die Formeln zeigen ferner, wie ungünstig bezüglich der Entwicklung und Ausbreitung
der Streuströme das Erden der negativen Sammelschiene wirkt, so daß dieses Erden,
das nach den deutschen Vorschriften nicht gestattet ist, in amerikanischen Bahnen
aber zuweilen angewendet wird, nicht zu empfehlen ist.
Das Spannungsgefälle in den Gleisen wird durch entweichende Streuströme vermindert.
Geringes Spannungsgefälle in den Gleisen, das ist die Spannung auf die
Längeneinheit, ist daher kein untrügliches Zeichen für günstige Verhältnisse
bezüglich Rohrgefährdung. Im Gegenteil kann ein geringes Gefälle Zeichen für
überstarke Entwicklung von Streuströmen sein, wenn sich rechnerisch ein bedeutend
höherer Wert ergibt. Um solches Gefälle richtig zu deuten, müssen noch die übrigen
Gleis- und Bodenverhältnisse in Rücksicht gezogen werden. Bei langen Strecken ist
die Verminderung der Gleisspannung, das ist die höchste Spannung, die zwischen
einzelnen Stellen im Gleise auftritt, bei Nebenleitung durch die Erde größer als bei
kürzeren. Für sehr lange Strecken kann selbst bei mäßig starkem Stromentweichen die
Spannung auf den fünften Teil, bei geerdeter, negativer Sammelschiene auf den
zwanzigsten Teil sinken.
Die Spannung zwischen Gleis und Erde, die vielfach als ein Maß der Gefährdung
angesehen wird, wächst mit zunehmendem Gleiswiderstand der Speisepunktentfernung,
während niedriger Ueberleitungswiderstand diese Spannung vermindert. Hohe Gleis- und
geringe Ueberleitungswiderstände haben beide die Wirkung, die Ausdehnung des
Gefahrgebietes zu verringern, das gleiche ist bei großer Speisepunktentfernung der
Fall. Es wächst so die Gefährdung im Gefahrgebiet, da die Schäden sich zwar nur auf
ein enges Gebiet erstrecken, aber in diesem um so ernster sind. Eine verhältnismäßig
geringe Ausdehnung des Gefahrgebietes ist daher im allgemeinen ein Zeichen
gefährlicher Streustrom-Zustände.
Keinerlei Formeln sind entwickelt für die Berechnung der Stromdichte an den Rohren,
wenn die Spannung zwischen Rohr und Gleis, die Leitfähigkeit des Bodens gemessen und
die Abmessungen von Rohr und Gleis bestimmt sind, obwohl die Dichte des aus den
Rohren in die Erde austretenden Stromes für die Gefährdung der Rohre bestimmend
istVergl. Archiv der Mathematik und Physik 1907 l. c..
Dr. Michalke.
Persönliches.
Dem Seniorchef der Bergischen Stahl-Industrie, Gußstahlfabrik Remscheid, Geheimen
Kommerzienrat Böker; dem Oberingenieur Prof. Schmidthenner, Heidenheim; dem Fabrikant Koppers, Essen; dem Vorsitzenden des Vereins Deutscher
Ingenieure, Generaldirektor
Reinhardt wurde anläßlich der fünfzigjährigen Jubelfeier
der Technischen Hochschule Aachen die Würde eines Dr.-Ing. E. h. verliehen.
Unser Mitarbeiter Herr Dr.-Ing. Th. Rümelin, der sich auf
dem Gebiet der Wasserkraftanlagen weiteren Kreisen bekannt gemacht hat, ist
unerwartet am 9. November gestorben.
Berichtigung
zu Schreber: Die Zustandsfläche des
Wasserdampfes, Heft 21, S. 227: Das Bild ist um 100° zu drehen in der
Richtung