Titel: | Energie und Arbeit. |
Autor: | Carl Michalke |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 275 |
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Energie und Arbeit.
Von Dr. Carl
Michalke.
MICHALKE: Energie und Arbeit.
Man unterschied früher physikalisch zwischen potentieller und kinetischer
Energie. Unter der ersteren verstand man aufgespeicherte Energie. Eine Gewichtsmenge
Kohle stellt einen bestimmten Energiewert dar. Ebenso enthält ein gehobenes Gewicht,
Wasserdampf, in Kondensatoren aufgespeicherte elektrische Energie, magnetische
Energie usw. genau berechenbare Energiewerte. Die kinetische, sich betätigende
Energie bezieht sich auf einen Arbeitvorgang, der zu einer Zustandänderung, zur
Aenderung des Energieinhalts führt. Entsprechende neuere Bezeichnungen sind Energie
und Arbeit. Maßtechnisch sind sie gleichdimensional, d.h. beide lassen sich in
gleichen Einheiten, z.B. kgm ausdrücken.
Physikalisch mag es gerechtfertigt erscheinen, die einzelnen Zustände und
Zustandänderungen begrifflich zu unterscheiden. In der Technik kann man aber stets
mit einem Begriff auskommen. Im Gegenteil kann die Anschaulichkeit gewinnen, wenn
technisch die Unterscheidung fallen gelassen wird. Auch dem Laien kann dadurch das
Verständnis erleichtert werden, was für viele Vorgänge im bürgerlichen Leben von
Vorteil ist, obwohl selbstverständlich nicht mit Rücksicht auf
Gemeinverständlichkeit die Strenge in der Scheidung verschiedener Begriffe leiden
darf. Im folgenden wird der Nachweis versucht, mit einem Begriff auszukommen, wobei
es gleichgültig ist, ob man sich für den Ausdruck Energie oder Arbeit entschließt
oder beide als gleichberechtigt zuläßt.
Unter Arbeit im volkstümlichen Sinne wird sowohl die Tätigkeit des Arbeitens, also
eine Handlung verstanden, die technisch als Leistung bezeichnet und in Kilowatt oder
der älteren Einheit in Pferdestärken ausgedrückt werden kann, andererseits versteht
man unter Arbeit auch das Ergebnis des Arbeitens, das man als Arbeitertrag
bezeichnen könnte. Dieser Arbeitertrag kann in Kilowattstunden, in Meterkilogramm,
in Kalorien oder dergleichen Einheiten gemessen werden. Wählt man als
Einheitbezeichnung des Arbeitertrages die Kilowattstunde, so macht dies den
Eindruck, als ob in der Einheit die Zeit enthalten ist, während die anderen
gleichwertigen Einheiten unabhängig von der Zeit sind. Es kommt dies daher, daß bei
Wahl der elektrischen Arbeiteinheit von der Leistung, dem Kilowatt, ausgegangen
wird. Arbeit oder Energie sind tatsächlich unabhängig von der Zeit, während im
Begriff „Arbeiten oder Leisten“ die Zeit enthalten ist. Arbeit und Leistung
stehen bekanntlich in der Beziehung, daß Arbeit gleich dem Produkt von Leistung und
Zeit ist.
Arbeiten im technischen Sinne heißt umformen, es wird durch das Arbeiten eine
Energie- oder Arbeitform in eine andere gleichartige oder ungleichartige
übergeführt. Es entspricht der Aufnahme auf der einen Seite eine genau entsprechende
Abnahme auf der anderen Seite. Man könnte sagen, die positive Arbeit ist gleich der
negativen Arbeit. Wenn ein Pferd einen Wagen eine Strecke zieht, steht dem positiven
Arbeitertrage, der mechanischen Arbeit, eine genau gleichwertige negative Arbeit,
Verbrennung von Fett im tierischen Körper, entgegen. Dem verbrannten Zink im
galvanischen Element steht eine dem Gewichtsverlust des Zinks genau entsprechende
Zahl von Wattstunden gegenüber usw. Von Arbeit „erzeugung“, von Schaffen im
Sinne von Erschaffen, kann also in technischer Beziehung keine Rede sein. Es handelt
sich lediglich bei allem Arbeiten im Sinne von Leisten um ein Umformen, bei dem in
der Regel außer der beabsichtigten Umformung noch gewissermaßen Nebenumformungen
auftreten, die als Verluste bezeichnet werden. Wird beispielsweise elektrische
Arbeit (ausgedrückt in Kilowattstunden) in einen Motor geschickt, so wird außer der
gewünschten mechanischen Arbeit (in Kilowattstunden oder PS-Stunden) noch in
unerwünschter Weise Wärmearbeit
(in Kalorien) geleistet, durch die der Motor erwärmt wird, es werden Luftwirbel
erzeugt, die schließlich wieder Wärme erzeugen usw. Unter Berücksichtigung dieser
Verluste ist bei jedem Umwandlungsvorgang die gesamte positive Arbeit gleich der
negativen. Dies gibt die Grundlage zur Berechnung der einzelnen
Umwandlungsergebnisse. Insofern kann man vom Gesetz der Erhaltung der Arbeit
sprechen.
Die gegebenen Betrachtungen beziehen sich naturgemäß nur auf Arbeitformen, die sich
letzten Endes in kgm ausdrücken lassen, nicht auf geistige Arbeiten, für die es ein
Meßgerät und demgemäß eine Maßeinheit trotz aller Fortschritte der Psychotechnik
noch nicht gibt, wofür also entsprechende Gesetze nicht aufgestellt werden
können.
Durch das Arbeiten wird der Energie- oder Arbeitinhalt durch Entnahme oder Zuführung
von Arbeit dem Arbeitertrage auf der einen Seite vermindert, auf der anderen
vermehrt. Es handelt sich darum, ob es wünschenswert oder überflüssig ist, den
Arbeitinhalt vom Arbeitertrage zu unterscheiden und ersteren etwa mit Energie,
letzteren mit Arbeit zu bezeichnen. Will man den gesamten Arbeitinhalt eines Körpers
aufnehmen, so kommt man zu riesigen und dabei ganz unsicheren Zahlenwerten, die
zudem für die Technik keinerlei Bedeutung haben. Um den gesamten Arbeitinhalt zu
bestimmen, muß man ihn in Beziehung zum Nullwert bringen, also in Beziehung zu einem
Zustande, in dem der Körper keinerlei Arbeit mehr abgeben kann, zum Zustand der
vollkommenen Ruhe, des vollkommenen Nichts. Beispielsweise hat eine Wassermenge auf
einem Berge bei stetigem gleichen Zu- und Abfluß einen Arbeitinhalt, der sich aus
verschiedenen Größen zusammensetzt. Im Herabfallen kann das Wasser mechanische
Arbeit leisten. Schon hierbei stößt man auf Unsicherheit. Praktisch verwertbar ist
im allgemeinen nur das Gefälle bis zum Tal. Das ausnutzbare Gefälle kann verstärkt
werden, wenn Rohrleitungen bis in die Ebene oder bis etwa Meereshöhe geführt werden,
soweit ein Wegführen der herabfallenden Wassermenge möglich ist. Aber das gibt noch
nicht den ganzen mechanischen Arbeitinhalt. Theoretisch müßte man das Gefälle bis
zum Erdmittelpunkt in Betracht ziehen. Außerdem hat wärmetechnisch das Wasser noch
Arbeitinhalt. Dieser ist gleich der Arbeit, die aufzuwenden ist, um das Wasser von
0° absoluter Temperatur auf den natürlichen Wärmegrad zu bringen, wobei noch die
Arbeit zu berücksichtigen ist, durch die das Wasser aus dem festen in den flüssigen
Zustand zu überführen ist. Dieser Arbeitinhalt ist technisch nicht zu verwerten,
obwohl er z.B. klimatisch zum Wärmeausgleich in Betracht kommt. Man könnte ferner
noch den großen Arbeitinhalt berücksichtigen, der in den Wassermolekeln steckt. Nur
ein kleiner Teil des gesamten Arbeitinhaltes ist ausnutzbar. Es wäre daher nur für
den technisch ausnutzbaren Teil des Arbeitinhaltes eine besondere Bezeichnung
gerechtfertigt.
Zur Aenderung eines Arbeitsinhaltes ist eine Zeit nötig. Dieses Aendern ist das
„Arbeiten“, dessen Ergebnis der Arbeitertrag ist. Der Arbeitertrag nach
dem zeitlichen Verlauf des „Arbeitend“ ist demnach der Unterschied des
Arbeitinhalts am Anfang und am Ende des Arbeitvorgangs. Der Arbeitertrag als
Ergebnis des Arbeitens ist demnach ein Teilertrag des gesamten Arbeitinhalts, soweit
dieser verwertbar oder, allgemein ausgedrückt, soweit er umformbar ist. Bezeichnet
man diesen Teilbetrag, das Ergebnis des Arbeitens, den Arbeitertrag mit dem Ausdruck
„Arbeit“, so liegt für den Techniker kein zwingender Grund vor, den
gesamten Arbeitinhalt grundsätzlich anders zu benennen, Man könnte hier einwenden,
daß ähnliche Verhältnisse bei den elektrotechnischen Begriffen von elektrischem
Potential oder Spannungszustand und Potentialunterschied oder Spannung
vorliegen. Wenn beim Unterschied zweier Potentiale P1 – P2 der
eine Wert etwa P2 Null
wird, so gehen die Begriffe von Potential und Spannung ineinander über, man kann vom
Potential P1 als
Grenzwert der Spannung gegenüber dem Nullpotential sprechen. Bei Arbeitinhalt und Arbeitertrag handelt es sich aber um wesengleiche Begriffe
von Ganzen und Teilen, weshalb eine unterschiedliche Benennung nicht
erforderlich erscheint.
Es wurde vielfach auch die Energie als die Fähigkeit bezeichnet, Arbeit zu leisten,
als Arbeitsvermögen, wofür auch schon das Wort „Macht“ vorgeschlagen, aber
wieder verworfen wurde. In dieser Weise würde eine Eigenschaft gekennzeichnet sein,
die dem Arbeitinhalt anhaftet. Sie besagt, daß der gesamte Arbeitinhalt oder ein
Teil davon umgeformt werden kann, daß also z.B. der Arbeitinhalt von einem Körper
auf einen anderen in veränderter Form übergeführt werden kann oder, wie Wechselstrom
sich durch Transformatoren in solchen, anderer Spannung, durch Periodenumformer in
solchen anderer Frequenz, umformen läßt. Die Worte „Arbeitvermögen“,
„Macht“ können als Eigenschaft keine etwa in mkg darstellbare Einheit
bezeichnen. Man müßte sich dazu verstehen, als Arbeitvermögen den Bruchteil des
Arbeitinhaltes zu bezeichnen, der technisch ausnutzbar ist.
Ein Vorrat Kohle möge benutzt werden, um mittels Dampfmaschine einen Hochbehälter mit
Wasser zu füllen. Der Arbeitinhalt der Kohle besitzt die „Fähigkeit, Arbeit zu
leisten“. In der Zeit der Arbeitleistung (ausgedrückt in kgm/sek) wird
Wasser gehoben. Das Gewicht des Wassers, multipliziert mit der Hubhöhe, stellt die
geleistete Arbeit dar. Ist der Behälter gefüllt, enthält er einen Arbeitinhalt, der
seinerseits wieder die Fähigkeit hat, Arbeit zu leisten. Es ist doch nicht
notwendig, die geleistete Arbeit, solange noch eine Zustandänderung stattfindet,
d.h. solange sich der Arbeitinhalt noch ändert, anders zu benennen als vom Zeitpunkt
an, in dem der Arbeitinhalt sich nicht mehr ändert, und er als Arbeitspeicher dienen
kann, d.h. bei dem gewählten Beispiel, wenn der Behälter genügend gefüllt ist. Es
liegt keine zwingende Veranlassung vor, daß man den Arbeitertrag, d.h. Wassergewicht
mal Hubhöhe „Arbeit“ nennt und diese Arbeit, da sie die Fähigkeit besitzt,
den ganzen Arbeitinhalt oder einen Teil wieder für eine andere Arbeitform abzugeben,
Energie nennt. Eine strenge Unterscheidung ist nicht nötig, erhöht auch nicht die
Klarheit.
Man kann daher unterscheiden „Arbeitinhalt“ als Gesamtinhalt ausnutzbarer und
nicht ausnutzbarer Energie oder Arbeit, „Arbeitvermögen“ als Zahl, die den
Bruchteil der Verwertbarkeit des Arbeitinhalts darstellt und „Arbeitertrag“
als Unterschied des Arbeitinhalts vor und nach dem „Arbeiten“. Wenn für
Arbeitvermögen in der erläuterten Fassung der verwertbare Bruchteil des gesamten
Arbeitinhalts verstanden wird, so kann man die drei Ausdrücke, die gleichwertige
gleichdimensionale Größen darstellen, einheitlich mit Arbeit oder Energie
bezeichnen.Daß die Ausdrücke gleichdimensionale Größen darstellen, wäre an sich noch
kein Grund, sie gleich zu benennen. Beispielsweise ist auch das Drehmoment
gleichdimensional mit einer Arbeit. Elektrische Kapazitäten und Längen
können gleichartig in cm gemessen werden. Lichtstrom und Leuchtstärke sind
gleichfalls gleichdimensional. Am deutschen Worte „Arbeit“ für
„Energie“ wurde vielfach Anstoß genommen, weil volkstümlich der
Begriff der Arbeit nicht eindeutig ist und im Volk mit dem Begriff von
Arbeit stets die Vorstellung einer Zustandänderung als Ergebnis des
Arbeitens verstanden wird, während der Begriff des Arbeitinhalts ganz
allgemein ohne Rücksicht auf etwaige Veränderungen des Zustands
gilt.
Arbeitinhalt und Arbeitertrag sind im praktischen Leben oft schwer zu trennen und
gehen häufig ineinander
über, so daß eine Unterscheidung in Energie und Arbeit die Uebersicht
erschweren kann. Beispielsweise war in der Rechtspflege Diebstahl von Elektrizität
schwer zu erfassen, während für Diebstahl von Kohle als einer beweglichen Sache ein
Strafgesetzparagraph vorhanden war. Kohle ist aber im Sinne der gemachten
Ausführungen gleichwertig mit Arbeitinhalt, bisher Energie genannt, Kilowattstunden
mit Arbeitertrag, bisher Arbeit genannt, da bei ersterem keine Zustandänderung mit
der Zeit verbunden ist, während die Kilowattstunden während ihrer Wirkung mit
Zustandänderung verbunden sind. Beides benennt man daher vorteilhaft mit Energie
oder Arbeit, die sich in kgm ausdrücken läßt. Würde allgemein eine Straffestsetzung
für Diebstahl von Energie oder Arbeit gemacht werden, die sich letzten Endes in kgm
ausdrücken läßt, so ist der Diebstahl von 1 kg Kohle, die bei verlustloser
Umsetzung etwa 8 Kilowattstunden entsprechen würde, gleich zu beurteilen, wie der
Diebstahl von Elektrizität. Wer als blinder Passagier an einer Fahrt teilnimmt, hat
Arbeitertrag, kurz Arbeit oder Energie entwendet, die für seine Fahrt mehr
verbraucht wurde, die sich genau ausrechnen läßt, sei es als Mehrverbrauch von
Kohle, Benzin oder einem anderen Brennstoff, Mehrverbrauch von herabfallendem
Wasser, bei tierischer Zugkraft Mehrverbrauch an Fett im tierischen Organismus usw.
Dieser Verbrauch kann in irgend einer der Arbeiteinheiten ausgedrückt werden. So
lassen sich viele andere Beispiele finden, die vereinfachte Klärung herbeizuführen,
wenn nur mit dem einen Begriff Arbeit oder Energie gerechnet wird.