Titel: | Fernsprecheinrichtungen für Hochspannungsanlagen. |
Autor: | G. Quaink |
Fundstelle: | Band 336, Jahrgang 1921, S. 213 |
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Fernsprecheinrichtungen für
Hochspannungsanlagen.
Von G. Quaink.
QUAINK, Fernsprecheinrichtungen für
Hochspannungsanlagen.
Neuzeitliche Ueberlandzentralen mit ihren große Gebiete überspannenden
Leitungsnetzen und zahlreichen, weit von den Kraftwerken entfernten Transformatoren-
und Schaltstationen erfordern ein betriebssicheres Verständigungsmittel, durch das
die Betriebsleitung sich jederzeit rasch mit den größeren Stromabnehmern oder
wichtigen Verteilungsstellen in Verbindung setzen und ebenso dem mit der Wartung der
Leitungsanlage betrauten Personal Weisungen über auszuführende Arbeiten zukommen
lassen kann. Wie wichtig ein solches Mittel zum schnellen Uebertragen von
Nachrichten beliebigen Umfangs für die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ist, geht
daraus hervor, daß es die Möglichkeit gibt, die Zeit, die bis zum Beseitigen
plötzlich auftretender Störungen vergeht, aufs Mindestmaß abzukürzen. Das in jeder
Beziehung geeignetste Verständigungsmittel ist der Fernsprecher, und zwar eine
eigene Fernsprechanlage. Denn den öffentlichen (Post-)Fernsprecher könnte man in
kleineren Orten nachts überhaupt nicht, und tagsüber nur während der Dienststunden
der Post benutzen, und bei Betriebsstörungen des Fernsprechers müßte man warten, bis
sie seitens der Post behoben werden; aus beiden Ursachen können erhebliche Ausfälle
in der Stromlieferung entstehen, die entsprechende Einnahme-Ausfälle zur Folge
haben. Auch hat die Erfahrung gelehrt, daß die der Post für die Benutzung des
Fernsprechers zu zahlenden Gebühren meist höher sind als die Beträge, die man zur
Verzinsung und Tilgung der Anschaffungskosten einer eigenen Anlage und zu deren
Unterhaltung aufzuwenden hat.
Die Leitungen einer eigenen Fernsprechanlage wird man, um die Anlagekosten möglichst
niedrig zu halten, als Freileitungen am Gestänge der Hochspannungsleitungen verlegen
– besondere Erdkabel, an sich die beste Lösung, würden meist zu teuer werden, und
die Aufhängung von Luftkabeln an den Hochspannungsmasten scheitert meist daran, daß
man wegen des ziemlich hohen Gewichtes der Kabel stärkere, also teurere Masten
aufstellen müßte.
Fernsprech-Freileitungen an Hochspannungsmasten sind aber, wenn nicht etwa durch
Schutznetze jede Berührung der Fernsprechleitungen mit den Hochspannungsleitungen
verhindert wird (was wiederum erhöhte Kosten, für die Schutznetze selbst und
für stärkere Masten, erfordern würde), als Hochspannungsleitungen zu behandeln.
Dementsprechend sind also wirksame Vorkehrungen gegen alle Gefahren zu treffen, die
sich für die Fernsprechleitungen aus der unmittelbaren Nachbarschaft der
Hochspannungsleitungen ergeben können.
Abgesehen von dem immerhin seltenen unmittelbaren Uebertreten von Hochspannung
infolge Reißens einer Hochspannungsleitung oder Herüberhängens von Baumzweigen
unterliegen Fernsprechleitungen, die an demselben Gestänge wie die
Hochspannungsleitungen aufgehängt sind, dauernd Induktions- und Influenzwirkungen,
die, wenn sie nicht beseitigt oder genügend abgeschwächt werden, einen geordneten
Fernsprechbetrieb unmöglich machen können. Durch Induktion entstehen in den
Fernsprechleitungen Wechselströme von derselben Periodenzahl wie der Starkstrom, und
diese würden in den empfindlichen Fernhörern ein lautes Brummen verursachen, das
jede Verständigung ausschlösse. Eine Einfach-Fernsprechleitung, mit Erde als
Rückleitung, wäre also überhaupt nicht verwendbar. Bei Doppelleitungen kann man die
Wirkungen der Induktion dadurch genügend herabsetzen, daß man die
Fernsprechleitungen in möglichst gleichen Abständen, alle 200 bis 250 m, verdrillt.
Restinduktionen, die infolge ungleicher Mastabstände etwa noch verbleiben, beseitigt
man durch besondere Ausgleichsschleifen.
Textabbildung Bd. 336, S. 213
Abb. 1. Erdungs-Drosselspule.
Zur Ableitung der durch Influenz entstehenden elektrostatischen Ladungen, durch die
die Fernsprechleitungen mehr oder minder hohe Spannungen annehmen, haben sich die
Erdungs-Drosselspulen von Siemens & Halske als sehr geeignet erwiesen. Abb. 1 zeigt den äußeren Aufbau, Abb. 2 die Schaltung. Der Grundgedanke ist, zwischen
die Fernsprechleitungen Drosselspulen zu schalten die den Ruf- und
Sprechwechselströmen so hohen Widerstand entgegensetzen, daß nur ein ganz kleiner
Teil des Stromes durch die Spule geht, er also nur unwesentlich geschwächt wird, die
aber den statischen Ladungen ein Abfließen zur Erde ermöglichen. Die Drosselspulen
sind auf einen magnetisch geschlossenen Eisenkern gewickelt, der aus dünnen Blechen
zusammengesetzt ist. Die Enden der Spulen sind an die Fernsprechleitungen, ihre
Mitten an gute Erdleitungen angeschlossen. Die volle Wirkung der Drosselspulen würde
durch starke Unterschiede in der Isolation der beiden Fernsprechleitungen
beeinträchtigt werden; auf eine dauernd gleichmäßige, gute Isolation der Leitungen
ist also großer Wert zu legen. Geschieht dies aber und werden die Spulen richtig
über die Leitung verteilt, so gelingt es, die Leitungen so zu entladen, daß sie
praktisch spannungslos werden.
Textabbildung Bd. 336, S. 214
Abb. 2. Grundsätzlicher Aufbau einer Erdungs-Drosselspule.
Textabbildung Bd. 336, S. 214
Abb. 3. Hochspannungsschutz-System.
Grobschutz ca. 3000 Volt;
Trennschalter; Grobschmelzsicherungen ca. 8 Amp.; Spitzenblitzableiter ca.
1300–1800 Volt; Luftleerpatronen ca. 300–350 Volt; Plattenfunkenstrecke ca.
400–600 Volt; Schutz-Transformator; Luftleerblitzableiter mit Fernsicherungen
0,3 Amp.; Niederspannung.
Gegen den wenn auch seltenen, jedoch immerhin möglichen unmittelbaren Uebergang von
Hochspannung aus den Starkstromleitungen schützt man die Fernsprechleitungen am
wirksamsten durch völliges Abtrennen der Fernsprechapparate von den Leitungen und
Ersetzen der leitenden Verbindung durch eine induktive Koppelung, einen besonderen
Fernsprech-Transformator. Dieser, ergänzt durch verschiedene Grob- und
Feinsicherungen, einen Trennschalter und mehrere Blitzableiter, ermöglicht einen
vollkommen gefahrlosen Fernsprechbetrieb. Das Schaltbild des der Siemens &
Halske A.-G. patentierten Schutzsystems ist in Abb.
3, die einzelnen Teile des Apparates sind in den Abb.
4 bis 6 dargestellt.
Textabbildung Bd. 336, S. 214
Abb. 4. Zusammenbau zweier Grobspannungsableiter mit einem
Trennschalter.
Zunächst ist als Grobspannungsschutz eine Funkenstrecke vorgesehen, die bei 3000 bis
3500 Volt anspricht, also alle höheren Spannungen sicher zur Erde ableitet. Zwei
solche Funkenstrecken, für jede Leitung eine, werden mit je einem doppelpoligen
Trennschalter zusammengebaut (Abb. 4) durch den man
die ganze Fernsprecheinrichtung, z.B. wenn an ihr Arbeiten auszuführen sind, von den
Leitungen abschalten kann.
Textabbildung Bd. 336, S. 214
Abb. 5. Sicherungssystem.
Das die Grobsicherung mit dem Fernsprechapparat verbindende
Kabel führt zunächst zu einem Sicherungssystem (Abb.
5); dies besteht aus zwei auswechselbaren Schmelzsicherungen für 5000 Volt
(höhere Spannungen als etwa 3500 Volt können hinter dem Grobschutz nicht auftreten),
einem Spitzenblitzableiter, der Spannungen über 1500 Volt Gelegenheit zum Ausgleich
gegen Erde gibt und gleichzeitig zum Ableiten atmosphärischer Entladungen dient –
treten hierbei Stromstärken von mehr als 8 Amp. auf, so schmelzen die
vorgeschalteten Hochspannungssicherungen ab –, und 2 Luftleer-Blitzableitern, die
einen Spannungsausgleich zwischen den beiden Fernsprechleitungen ermöglichen. An das
Sicherungssystem ist der Schutztransformator (Abb. 6)
angeschlossen.
Textabbildung Bd. 336, S. 214
Abb. 6. Fernsprech-Transformator.
Sein Uebersetaungsverhältnis (3 : 1) ist so gewählt, daß
sowohl eine ausreichend gute Uebertragung der Ruf- und Sprechströme gesichert als
auch der Forderung entsprochen wird, daß die hinter dem Sicherungssystem noch
vorhandene Restspannung die Oberspannungswickelung des Transformators nicht
beschädigen kann; er kann dauernd an einer Wechselspannung von 600 Volt (bei 50
Perioden) liegen, ohne daß er sich schädlich erwärmt. Bei höherer Oberspannung würde
eine dem Transformator parallel geschaltete, empfindliche Schutzfunkenstrecke in Wirksamkeit
treten, unter Umständen sogar zusammenschmoren und damit die Oberspannungswickelung
kurzschließen. Die Niederspannungswickelung ist durch Erden ihres Mittelpunktes
gegen etwaige Ladungserscheinungen durchaus zuverlässig geschützt; außerdem sind auf
der Niederspannungsseite noch 2 Abschmelz-Feinsicherungen (für 0,3 Amp.) vorgesehen,
damit nicht bei Kurzschluß zwischen den angeschlossenen Leitungen oder in den
Apparaten die Oberspannungswickelung einen zu hohen Strom aufnimmt und durch die
hierbei auftretende Erwärmung beschädigt wird. Wird an die Niederspannungswickelung
eine längere Freileitung angeschlossen, z.B. von der Haupt-Fernsprechleitung eine
auf besonderem Gestänge verlegte Fernsprechleitung zur Wohnung eines
Streckenmonteurs abgezweigt, so schaltet man noch 2 geerdete Luftleer-Blitzableiter
ein, die einen guten Schutz gegen atmosphärische Entladungen bieten.
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Abb. 7. Fernsprech-Endstelle.
Der beschriebene Hoch Spannungsschutz bewirkt, wie durch oszillographische Aufnahmen
bestätigt worden ist, daß auf der Niederspannungsseite niemals höhere Spannungen als
250 Volt auftreten. Er ist daher vom deutschen Reichspostministerium als ausreichend
anerkannt und allgemein zugelassen worden. An Kreuzungsstellen von Abzweigleitungen,
die in dieser Weise geschützt sind, mit Postleitungen sind daher nur noch die
Vorschriften für die Niederspannungs-Starkstromleitungen einzuhalten.
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Abb. 8. Fernsprech-Zwischenstelle.
An die erwähnten Schutzvorrichtungen kann man als Fernsprecher alle gebräuchlichen
Wand- und Tischapparate anschließen. Der Hochspannungsschutz für sie kann getrennt
von den Apparaten an geeigneter Stelle angeordnet werden, was einen nicht zu
unterschätzenden Vorteil bedeutet. Da aber das Uebersetzungsverhältnis des
Transformators eine sorgfältige Abstimmung der Wickelungen der Fernhörer verlangt,
auch der Rufinduktor wegen der oft sehr langen, mit zahlreichen Fernsprechern
besetzten Linien besonders kräftig gewählt und außerdem dem Transformator genau
angepaßt werden muß, haben sich Sonderkonstruktionen herausgebildet. Abb. 7 zeigt einen für Endstellen, Abb. 8 einen für Zwischenstellen vielfach verwendeten
Apparat. In den kräftigen Gußeisengehäusen, wie sie für rauhe Betriebe durchaus am
Platze sind, sind die Apparate gegen Feuchtigkeit und Staub vollkommen
geschützt.
Bei den regelmäßigen Begehungen der Strecke ist ein tragbarer Fernsprecher oft sehr
erwünscht, mit dem man unmittelbar von der Strecke aus sprechen kann. Diesem
Bedürfnis genügen Mastanschlußstellen nach Abb. 9,
die in bequemer Höhe am Mäste befestigt sind und einen Schutztransformator
enthalten. An ihm, also hochspannungssicher, wird der tragbare Fernsprecher durch
einen beigegebenen Schaltstöpsel angeschlossen. Das Gehäuse der Anschlußstelle ist
durch einen hochklappbaren Verschlußdeckel gegen Eingriffe Unbefugter geschützt und
gut zu erden. Der tragbare Fernsprecher wiegt einschließlich Ledertasche nur etwa 6
kg und kann bequem als Tornister auf dem Rücken getragen werden.
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Abb. 9. Fest eingebaute Sprechstelle.
Soll mit den beschriebenen Apparaten größtmögliche Sicherheit und gute Verständigung
erzielt werden, so ist bereits beim Bau der Leitungen auf die Fernsprechanlagen
Rücksicht zu nehmen. Nur wenn das geschieht, ist deren technisch zweckmäßigste
Anordnung und Ausführung möglich. Auch beim Entwerfen der Schalt- und
Transformatorenhäuser muß man von vornherein an die Fernsprechanlagen denken, damit
man geeignete Plätze für sie vorsehen kann und nicht gezwungen ist, sie nachträglich
irgendwo, z.B. in mehr oder weniger geräuschvollen Räumen oder an Wandflächen
unterzubringen, die Erschütterungen ausgesetzt sind. Hierdurch würde eine gute
Sprachübertragung sehr erschwert werden.