Titel: | Emil Arnold Budde †. |
Fundstelle: | Band 336, Jahrgang 1921, S. 291 |
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Emil
Arnold Budde †.
28. 7. 1842–15. 8. 1921.
[Emil Arnold Budde †.]
Am 15. August d. J. ist in Feldafing am Starnberger See
Prof. Dr. phil., Dr.-Ing. E. h. Emil Arnold Budde im 80.
Lebensjahre nach kurzer Krankheit gestorben. Mit ihm ist ein hervorragender
mathematischer Physiker dahingegangen, der zugleich ein tiefes Verständnis für die
grundlegenden und großen Fragen der Technik, vor allem der Elektrotechnik, und ihre
wirtschaftlichen Zusammenhänge besaß.
Textabbildung Bd. 336, S. 291
Budde stammt aus einer Pastoren- und Gelehrtenfamilie, er wurde am 28. Juli 1842 in
Geldern geboren als Sohn des Lehrers Moritz Budde und seiner Frau Katharina, geb.
Konen. Er besuchte zunächst das Gymnasium in Arnsberg und erwarb dann auf dem
Düsseldorfer Gymnasium das Zeugnis der Reife. Darauf studierte er an der Universität
Bonn Physik und Mathemathik und war eine Zeitlang Assistent des berühmten
Mathematikers und Physikers Plücker. In den Jahren
1865–69 war er Lehrer an der Realschule in Mayen und habilitierte sich 1870 als
Privatdozent in Bonn; 1872 ging er zur Journalistik über und wirkte als
Berichterstatter der Kölnischen Zeitung in Paris, Rom und Konstantinopel, wobei ihm
seine umfassenden wirtschaftlichen Kenntnisse und sein hervorragendes Verständnis
für politische Vorgänge zugute kamen. 1883 verheiratete er sich in Konstantinopel
mit der Tochter des Konsuls Reiser und dessen Ehefrau
geb. Spadler. Aus seiner überaus glücklichen Ehe sind 5
Kinder, 3 Söhne und 2 Mädchen hervorgegangen. 1887 kehrte er nach Berlin zurück und
übernahm die Redaktion der „Fortschritte der Physik,“ eines Unternehmens, dem
die Berichterstattung über sämtliche Erscheinungen aus dem Gebiete der Physik
oblag. In dieser Tätigkeit, während welcher er in den Jahren 1890 bis 1893 die
Jahrgänge 1884 bis 1887 herausbrachte, hat sich Budde um die Physik bleibende
Verdieste erworben. Im Jahre 1892 trat er als Physiker bei Siemens & Halske ein
und wurde bereits ein Jahr später Direktor des Charlottenburger Werkes. Er widmete
sich hier neben der Elektrotechnik besonders den Fragen der Wirtschaft, wie er sich
denn auch mit Prof. Ehrenberg zur Begründung einer
exakten Wirtschaftsforschung zusammenschloß. 1899 wurde er Mitglied des
Aufsichtsrates der Siemens elektr. Betriebe, schied 1911 aus dem Vorstand von
Siemens & Halske aus und wurde in den Aufsichtsrat der S. S. W. gewählt, dem er
bis zu seinem Tode angehört hat.
Buddes wissenschaftliche Begabung war außerordentlich vielseitig. Als Physiker hat er
sich bekanntgemacht durch sein „Lehrbuch der Physik,“ durch das Werk
„Allgemeine Mechanik der Punkte und starren Systeme,“ wo er als einer der
ersten den Graßmannschen Vektorbegriff in die Physik einführte, und durch zahlreiche
Abhandlungen in den Annalen der Physik, in den Verhandlungen der Deutschen
Physikalischen Gesellschaft und in der Physikalischen Zeitschrift. Ein wie großes
Interesse er auch mathematischen Fragen entgegenbrachte, zeigt sein Lehrbuch über
die Tensoren, das diese Erweiterung des Vektorbegriffs dem Verständnis der Physiker
näher gerückt hat, und aus einer Reihe von Abhandlungen über den gleichen Gegenstand
im Archiv der Mathematik und Physik. Budde war auch Vertreter der deutschen Elektrotechnik in
dem Internationalen Komitee für Masse und Gewichte, das ihn auf mehrere Jahre zu
seinem Vorsitzenden ernannte. Mit Wilhelm von Siemens
zusammen verfaßte er die Schrift „Das Recht der Angestellten an den
Erfindungen,“ und dem Andenken Werner Siemens ist ein Aufsatz gewidmet, den
Budde bei der 100jährigen Wiederkehr des Geburtstages von Werner Siemens in Dinglers Polytechnischem Journal 1916 veröffentlicht
hat. Budde war Ehrenmitglied des Verbandes Deutscher Elektrotechniker und wurde 1918
von der Berliner Techn. Hochschule zum Dr.-Ing. e. h. ernannt. Er war ein glänzender
Stilist, wie aus seinen Schriften „Staunemeyers röm. Kunstfahrten,“ Bonn
1884, „Erfahrungen eines Hadschi,“ Leipzig 1888, „Blätter aus meinem
Skizzenbuch,“ Berlin 1893 und „Naturwissenschaftliche Plaudereien,“
Berlin 2. Aufl. 1898, hervorgeht. Noch bis in das höchste Alter hinein besaß
Budde eine unermüdliche Schaffenskraft und bewundernswerte Geistesfrische, wie seine
erst 1919 und 1920 erschienenen Aufsätze über Fragen der Akustik und seine Polemik
mit Herrn Prof. Waetzmann in den Verhandlungen der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft und in der Phys. Zeitschrift bezeugen. Bis
zuletzt war er bestrebt, seine wirtschaftliche und politische Erkenntnis vermöge
seiner weitreichenden Verbindungen dem Vaterlande nutzbar zu machen. Im persönlichen
Verkehr war Budde von großer Liebenswürdigkeit. Er war ein glänzender Plauderer,
hatte weite künstlerische Interessen und war selber ausübender Musiker. Mit Budde
ist ein seltener Mann dahingegangen, dessen Wirken auf vielen Gebieten tiefe Spuren
hinterläßt.
Schriftleitung.