Titel: | Ein neues Meßgerät für hohe Temperaturen: das „Ardometer“. |
Autor: | G. Quaink |
Fundstelle: | Band 336, Jahrgang 1921, S. 324 |
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Ein neues Meßgerät für hohe Temperaturen: das
„Ardometer“.
Von Oberingenieur G. Quaink.
QUAINK, Ein neues Meßgerät für hohe Temperaturen: das
„Ardometer“.
Zum Messen hoher Temperaturen, soweit sie den Meßbereich der
Widerstands-Fernthermometer (etwa 800° C) überschreiten, standen der Technik,
beispielsweise der Eisen-, Glas- und keramischen Industrie, bisher die
thermoelektrischen und die Lichtstrahlungspyrometer zur Verfügung. Beide haben ihre
Vorzüge, u.a. den, daß ihre Meßgenauigkeit für die Bedürfnisse der Praxis, d.h. für
betriebsmäßige Messungen, bei weitem ausreicht. Jede
der beiden Instrument-Gattungen bietet darüber hinaus auch noch andere Vorteile, die
mit der anderen nicht zu erreichen sind: die Thermoelemente z.B. den, daß man ihre
Angaben in einfachster Weise durch ein Zeigermeßgerät sichtbar machen, auf beliebige
Entfernungen übertragen und durch Registrierinstrumente aufzeichnen lassen kann, die
Lichtstrahlungspyrometer, unter ihnen das weit verbreitete Holborn-Kurlbaumsche,
z.B. den, daß sie für alle Glühtemperaturen, auch solche
über 1600° C, brauchbar sind. Obendrein vermag man mit den
Lichtstrahlungspyrometern, weil der Beobachter in genügender Entfernung bleiben
kann, höchste Temperaturen auch an Stellen zu messen, die wie das Innere von Oefen
oder glutflüssige Metallmassen in Mischern, Gießpfannen und Tiegeln, auf andere
Weise nur unter größten Schwierigkeiten oder überhaupt nicht festzustellen
wären.
Die genannten Vorzüge der thermoelektrischen und der Lichtstrahlungs-Pyrometer
vereinigt in sich das neue Ardometer von Siemens &
Halske. Es ist im Gegensatz zum Holborn-Kurlbaumschen
ein Gesamtstrahlungs-Pyrometer, d.h. auf seinen wärmeempfindlichen Teil wirken die
Strahlen aller Wellenlängen ein, nicht blos die
sichtbaren, die vom erhitzten Körper oder Raum, dem „Strahler“, ausgehen.
Abb. 1 zeigt die wichtigsten Einzelteile des
Ardometers. Die Objektivlinse des Fernrohrs vereinigt die Strahlen und wirft sie auf
ein kreisrundes, geschwärztes Platinplättchen. An dieses sind zwei Paar ganz dünne
Thermodrähte gelötet, und höchstmögliche Empfindlichkeit wird dadurch erzielt, daß
Plättchen und Thermoelement in ein luftleer gemachtes Glasgefäß eingeschlossen sind.
Damit sich die Temperatur schneller ausgleicht und das Glasgefäß gegen
Beschädigungen geschützt ist, wird eine metallene Schutzkappe darübergestülpt,
die natürlich Bohrungen zum Durchtritt der Strahlen hat. Gemessen wird die am
Thermoelement entstehende elektromotorische Kraft in der bei Thermoelementen
allgemein üblichen Weise durch ein Galvanometer.
Textabbildung Bd. 336, S. 323
Abb. 1. Einzelteile des Ardometers.
Wieso ist nun die im Thermoelement erzeugte E M K ein Maß für die Temperatur des
Strahlers? Zunächst hängt von dieser Temperatur die Stärke der Strahlung- ab, nach
den Strahlungsgesetzen ist sie proportional der 4. Potenz der absoluten, also der um
273° vermehrten Strahlertemperatur in Celsiusgraden. Die Strahlen werden vom
Platinplättchen absorbiert, und dadurch entsteht an ihm eine Uebertemperatur, die
ebenfalls der 4. Potenz der absoluten Temperatur des Strahlers proportional ist.
Verwendet man ein Thermoelement, dessen E M K sich mit der Uebertemperatur geradlinig ändert,
so ist auch die E M K des Thermoelementes proportional derselben 4. Potenz.
Textabbildung Bd. 336, S. 324
Abb. 2. Ardometer an elektrisch geheizten Salzbad-Härteöfen.
Zwar gilt dies nicht ganz genau, weil die Objektivlinse des
Fernrohrs einen Teil der Strahlung absorbiert, aber die Abweichung wird dadurch
ausgeglichen, daß man durch Versuche die Durchlässigkeit der Glassorte ermittelt,
aus der die Linsen hergestellt werden. Die Messung ist dann vollständig
zuverlässig. Vorauszusetzen ist nur, wie bei allen Strahlungspyrometern, daß der
Strahler wie ein im physikalischen Sinne „schwarzer“, d.h. nicht
reflektierender Körper Strahlen aller Wellenlängen aussendet. Sehr gut
„schwarz“ strahlt z.B. das Innere von hocherhitzten Hohlräumen, deren
Wände wärmeundurchlässig sind und nur kleine Oeffnungen besitzen, also mit vollauf
genügender Annäherung die in der Industrie verwendeten Oefen. Weniger vollkommen
schwarz ist die Strahlung, die von den Oberflächen glühender Metallmassen in offenen
Gefäßen oder beim Ausfließen aus Oefen ausgeht. Die Messung mit dem Ardometer ergibt
dann zu niedrige Temperaturen, doch ist die Abweichung von den wahren Werten unter
gleichen Umständen immer gleich groß. Braucht man nicht die wahren, sondern nur
Vergleichswerte – was bei betriebsmäßigen Messungen sehr oft vollständig ausreicht –
so schaden die Abweichungen ja überhaupt nichts.
Textabbildung Bd. 336, S. 324
Abb. 3. Ardometer an einer Flaschen-Blasemaschine, Meßinstrument neben
Einrichtung zum Regeln der Gaszufuhr eingebaut.
Das Hauptanwendungsgebiet des Ardometers ist demnach die Messung von
Ofen-Innentemperaturen, und zwar mit ortfest eingebauten Instrumenten. Zwei
Beispiele dafür sind in Abb. 2 und 3 dargestellt. Abb. 2
zeigt einen elektrisch geheizten Salzbad-Härteofen. Da an Oefen mit elektrischer
Heizung Stichflammen nicht zu befürchten sind, ist es möglich gewesen, die
Objektivlinse ohne weiteren Schutz vor die Schauöffnung zu setzen. Ist mit
Stichflammen zu rechnen, z.B. bei gasgeheizten Oefen, wie der Flaschenblasemaschine
nach Abb. 3, so setzt man in die Ofenwand ein
Glührohr aus feuerfestem Stoff ein und richtet das Fernrohr, das in den rechts oben
sichtbaren eisernen Schutztopf eingebaut ist, auf den in den Ofenraum
hineinragenden, glühenden Rohrboden. Sehr vorteilhaft ist, daß das Meßinstrument
nicht mit dem Fernrohr zusammengebaut zu sein braucht, sondern irgendwo an passender
Stelle angebracht sein kann: im Falle der Abb. 2 hat
man es mit auf die Schalttafel gesetzt, die die Vorrichtungen zum Ueberwachen und
Regeln der elektrischen Heizung enthält, und bei dem gasgeheizten Ofen ist es, wie
aus Abb. 3 zu ersehen, unmittelbar neben der
Einrichtung zum Regeln der Gaszufuhr eingebaut. Bei elektrischer Heizung läßt sich
auch noch eine andere wertvolle Eigenschaft des Ardometers, daß es nämlich
Temperaturänderungen sehr rasch folgt, mit Vorteil ausnutzen, indem man es dazu
verwendet, einen selbsttätigen Feuertemperaturregler zu steuern. Es ist auf diese
Weise gelungen, eine normal 1300° C betragende Ofentemperatur auf ± 1°C konstant zu
halten.
Das Einstellen des Ardometers ist sehr einfach. Hat man das Fernrohr auf die glühende
Fläche gerichtet und die Okularlinse so verschoben, daß man das Platinplättchen und
die Thermodrähte scharf sieht – bei zu großer Helligkeit kann man das Auge durch ein
vors Okular gesetztes Rotglas (s. Abb. 1) schützen –
so hat man nur noch
darauf zu achten, daß das Bild der Strahlungsfläche allzeitig etwa 1 mm über das des
Plättchens hinausragt (Abb. 4). Wäre die
Strahlungsfläche zu klein (Abb. 5), so würden zu
niedrige Temperaturen angezeigt werden. Bei richtiger Größe der Fläche hat dann aber
die Entfernung keinen Einfluß auf die Angaben des Instrumentes. – Die Bedienung des
Ardometers beschränkt sich, wenn das Fernrohr richtig eingestellt ist, auf das
Ablesen des Zeigermeßgeräts.
Textabbildung Bd. 336, S. 325
Abb. 4. Richtige Einstellung des Ardometers.
Da die Temperaturerhöhung des Platinplättchens mit einem Thermoelement gemessen wird,
sind die von den thermoelektrischen Pyrometern her bekannten Schaltungen auch bei
den Ardometern anwendbar. So kann man sie zu mehreren an ein einziges Meßgerät
anschließen, wobei man die einzelnen Ardometer in bequemster Weise durch
Druckknopf-Tastenschalter, die zusammen mit dem Meßgerät auf einer kleinen
Schalttafel angebracht sind, wahlweise mit dem Meßgerät verbindet. Auch der
Anschluß an selbsttätige Temperaturschreiber, einzeln an Einfarben- oder bis zu
sechs an Mehrfarbenschreiber, ist ohne weiteres möglich, ebenso das Parallelschalten
eines anzeigenden und eines schreibenden Meßgeräts. Die letzgenannte Anordnung
bietet noch den besonderen Vorteil, daß man das anzeigende Instrument so anbringen
kann, daß es der Ofenwärter ständig vor Augen hat, und das schreibende so, daß es
der überwachende Meister oder Betriebsingenieur bequem zu beobachten vermag. Dann
haben die beiden Stellen des Betriebs, die für die Einhaltung der richtigen
Ofentemperatur in erster Linie verantwortlich sind, jederzeit die Möglichkeit, sich
über deren augenblicklichen Stand zu unterrichten, abgesehen natürlich von den
sonstigen, wohl allgemein bekannten Vorteilen, die die Registrierung von
Meßergebnissen immer hat.
Textabbildung Bd. 336, S. 325
Abb. 5. Beobachtungsbild am Ardometer bei zu kleiner Strahlungsfläche.