Titel: | Rechtswesen. |
Autor: | Werneburg |
Fundstelle: | Band 336, Jahrgang 1921, S. 351 |
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Rechtswesen.
Rechtswesen.
Die Versicherung von Maschinen gegen Feuersund
Explosionsgefahr. Den Umfang des von dem Versicherer bei der Versicherung
von Maschinen gegen Feuersgefahr eingegangenen Gefahrenrisikos regelt der § 82 des
Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag, gemäß welchem der Versicherer hier für
den durch Brand, Explosion oder Blitzschlag entstehenden Schaden haftet. Ergänzend
hierzu bestimmt dann noch der § 83 dieses Gesetzes (V. V. G.), daß der Versicherer
im Falle des Brandes den durch die Zerstörung oder Beschädigung der versicherten
Sachen – hier der Maschinen – entstehenden Schaden zu ersetzen hat, soweit die
Zerstörung oder die Beschädigung auf der Einwirkung des Feuers beruht oder die
unvermeidliche Folge des Brandereignisses ist. Der Versicherer hat ferner nach
dieser Vorschrift auch den Schaden zu ersetzen, der bei dem Brande durch Löschen,
Niederreißen oder Ausräumen verursacht wird, wobei das Gleiche von einem Schaden
gilt, der dadurch entsteht, daß versicherte Sachen bei dem Brande abhanden kommen.
Diese Grundsätze gelten auch bei Schäden, die durch Explosion oder Blitzschlag
entstehen.
Bemerkenswert ist zunächst, daß diese beiden Bestimmungen der §§ 82, 83 V. V. G. nur
dann eingreifen, wenn eine besondere Regelung der Haftung des Versicherers –
Umgrenzung der Haftung – in dem Versicherungsvertrage selbst nicht erfolgt ist, weil
einmal diese Bestimmungen frei abänderbar sind und eben andrerseits nur dann Platz
greifen, wenn der Versicherungsvertrag (bezw. dessen Bedingungen) eine ausdrückliche
Abgrenzung des Gefahrenkreises nicht vorgenommen hat.
Bei Maschinen kommt von den in dem § 82 V. V. G. bezeichneten Gefahrereignissen
vornehmlich die Explosionsgefahr in Betracht, so insbesondere also die Gefahr von
Dampfkesselexplosionen. Diese Dampfkesselexplosionen entstehen dadurch, daß die
Kesselwände dem Druck des Dampfes nicht widerstehen können, weil entweder die
Dampfspannung zu hoch ist oder die Wände des Dampfkessels zu schwach sind. Ist nun
in dem Versicherungsvertrage ausdrücklich die Haftung des Versicherers für
Explosionsschäden der Maschinen ausgeschlossen, so haftet eben der Versicherer
für solche Dampfkesselexplosionen, die durch den bloßen mechanischen Druck des
Dampfes und ohne jede Einwirkung eines gleichzeitigen unbeabsichtigten Feuers
entstehen, nicht. Fraglich ist nur, ob der Versicherer bei dieser
Maschinenfeuerversicherung unter Ausschluß der Explosionsgefahr für die Folgen der
durch ein Brandereignis – also ein durch Versicherung zweifellos an sich gedecktes
Ereignis – hervorgerufenen Explosion einzutreten hat. Diese Frage ist m. E. aus der
bereits genannten Bestimmung des § 83 V. V. G. zu beantworten und dürfte hiernach
für die Mehrzahl der möglichen Fälle zu bejahen sein; dies jedenfalls dann, wenn die
Wände des Kessels der Maschine durch das ausgebrochene Feuer so stark erhitzt
wurden, daß sie infolge dieses Umstandes platzen mußten und demgegenüber den Druck
des Dampfes, der oben erwähnt wurde, völlig zurücktritt bezw. als belanglos
erscheint; denn in Fällen dieser Art ist eben das Schadensereignis – das Platzen der
Wände des Dampfkessels – eine Folge der Einwirkung des Feuers (also für den
Versicherer haftungsbegründend) nicht eine Folge der Dampfspannung des in dem Kessel
enthaltenen Wasserdampfes. In Uebereinstimmung hiermit unterscheidet auch das
Kammergericht A. Z. VII 48/20 reine Explosionsschäden, d.h. solche, die durch
Luftdruck infolge Erhitzung und Wärmeunterschied in verschiedenen Räumen entstehen
und solche anderweitigen sogenannten Explosionsschäden, die direkt durch die
Einwirkung von Feuer entstehen.
Ist nun die Explosionsgefahr bei der Maschinenfeuerversicherung nicht in den
Bedingungen des Versicherungsvertrages ausdrücklich von den Vertragsparteien
ausgeschlossen worden, was wie gesagt rechtlich zulässig ist, so haftet der
Versicherer an sich auch für die vorbezeichneten reinen Explosionsschäden des
Dampfkessels (selbstverständlich um so mehr auch für die anderen durch Einwirkung
von Feuer entstandenen Explosionsschäden). Gleichwohl kann auch bei dieser Sach- und
Rechtslage die Haftung des Versicherers im Einzelfalle zum Fortfall kommen, und zwar
auf Grund der allgemeinen Bestimmung des §. 61 V. V. G., die für alle
Versicherungszweige gilt. Nach dieser Bestimmung des § 61 V. V. G. ist nämlich der
Versicherer von seiner Verpflichtung zur Leistung (Zahlung der Versicherungssumme)
frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall – hier die Explosion des
Dampfkessels durch den übermäßigen Druck des Kesseldampfes – vorsätzlich oder durch
grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Wenn nun auch regelmäßig Vorsatz auf Seiten des
Versicherungsnehmers bei derartigen Dampfkesselexplosionen nicht vorliegen wird, so
kann doch oft der Tatbestand einer groben Fahrlässigkeit (Außerachtlassung der
allergewöhnlichsten Sorgfalt) auf Seiten des Versicherungsnehmers bezw. seiner
Hülfspersonen gegeben sein.
Die Ursache der Dampfkesselexplosion kann nämlich vielfach hauptsächlich in der
mangelhaften Beschaffenheit des Kessels infolge fehlerhafter Konstruktion,
mangelhafter Arbeit, schlechter Materialqualität oder auch zweitens in mangelnden
Sicherheitsvorrichtungen, Verrosten oder mangelhafter (bzw. ganz fehlender)
Reparatur desselben bestehen, ferner können drittens Fehler im Betriebe vorliegen,
wie Wassermangel, nachlässige Wartung, übermäßige Dampfanspannung infolge grob
fahrlässiger Ueberhitzung oder ungenügender Reinigung von Kesselstein oder
Schlamm.
Von den erstgenannten Ursachen wird deren Vorhandensein wohl niemals dem
Versicherungsnehmer als grobe Fahrlässigkeit angerechnet werden können (im Sinne des
erwähnten § 61 V. V. G), weil eben die Konstruktionsfehler oder die schlechte
Beschaffenheit des Kessels infolge Mangelhaftigkeit des Materials dem Hersteller der
Maschinenanlage zur Last fallen, nicht demjenigen, der die Maschine später
tatsächlich benutzt (es sei denn, daß es sich um technisch ganz grobe Fehler
handelt, die schon bei der Besichtigung und vor der Ingebrauchnahme des Kessels bei
sachverständiger Bedienung sofort erkannt bzw. beseitigt werden konnten). Bei
Vorliegen der an zweiter und dritter Stelle bezeichneten Ursachen kann dagegen
regelmäßig grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers im Sinne des § 61 V. V. G.
angenommen werden, da es eben seine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem
Versicherer ist, für die Abwendung einer Explosion auch möglichst Sorge zu tragen.
Selbstverständlich hat aber der Versicherer, der sich auf die Bestimmung des § 61 V.
V. G. in allen Fällen dieser Art beruft, den in jeder Beziehung schlüssigen Beweis
zu erbringen, daß zwischen jenen von dem Versicherungsnehmer grob fahrlässig
hervorgerufenen Explosionsgefahren und der tatsächlich eingetretenen Explosion der
ursächliche Zusammenhang vorliegt, daß also mit anderen Worten die Explosion des
Dampfkessels gerade durch das grob fahrlässige Verhalten des Versicherers (oder
seiner Hilfspersonen) in der Behandlung der Maschine veranlaßt worden ist, und zwar
ausschließlich. Wenn also zum Beispiel der Versicherungsnehmer den Gegenbeweis
erbringt, daß die Explosion durch eine andere Ursache oder ohne sein Verschulden
eingetreten ist, so kann der Versicherer seine Haftung auf Grund des § 61 V. V. G.
nicht abwenden, selbst wenn objektiv auch daneben noch ein Umstand der oben
bezeichneten Art vorliegt.
Ob die grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Versicherungsnehmers selbst vorliegt oder
auf Seiten eines seiner Angestellten, ist im übrigen für die Anwendung des § 61 V.
V. G. ohne Belang. Es tritt also unter den bezeichneten Umständen eine Befreiung des
Versicherers von seiner Haftung gemäß § 61 V. V. G. auch dann ein, wenn auf Seiten
des Ingenieurs oder des Heizers des Dampfkessels eine grobe Fahrlässigkeit im obigen
Sinne vorliegt, da das Verschulden dieser sogenannten Hilfspersonen des
Versicherungsnehmers rechtlich als dessen eigenes Verschulden gilt (§ 278 B. G. B.,
der nach herrschender Meinung auch für das Gebiet des Versicherungsrechtes Anwendung
findet).
Bemerkenswert und in letzterer Beziehung noch besonders wichtig ist, daß auch die
Gesetzgebung selbst zur Abwendung von Dampfkesselexplosionen durch
Präventivvorschriften eingegriffen hat. So bestimmt zunächst der § 24 der
Reichsgewerbeordnung, daß zur Anlegung von Dampfkesseln, mögen diese zum
Maschinenbetrieb eingerichtet sein oder nicht, die Genehmigung der nach Landesgesetz
zuständigen Behörde erforderlich ist. Dem Gesuche sind die zur Erläuterung
erforderlichen Zeichnungen und Beschreibungen beizufügen. Hatte also der
Versicherungsnehmer entgegen dieser Vorschrift zum Betriebe des Dampfkessels nicht
die erforderliche Genehmigung der staatlichen Behörde erhalten oder nicht
nachgesucht, so kann dieses Verhalten des Versicherungsnehmers diesem als eine grobe
Fahrlässigkeit im Sinne des § 61 V. V. G. ausgelegt werden, weil eben eine
Nachprüfung seitens der staatlichen Sachverständigen möglicherweise die mangelhafte
Beschaffenheit usw. des Dampfkessels ergeben und demzufolge auch die Explosion
desselben verhindert haben würde. Als weitere gesetzliche Bestimmungen kommen die
allgemeinen polizeilichen Vorschriften über die Anlegung von Dampfkesseln vom 5. 8.
1890 (R. G. Bl. S. 163) in Betracht, die sich hauptsächlich mit dem Bau, der
Ausrüstung und Ummauerung des Kessels befassen. Den Betrieb von Dampfkesseln selbst
regeln die einzelstaatlichen Gesetze, in Preußen die Gesetze über den Betrieb der
Dampfkessel vom 3. Mai 1872 und vom 9. 3. 1900 (Min. Bl., S. 142); dazu kommt
insbesondere noch die Geschäftsanweisung des Ministers für Handel und Gewerbe für
Dampfkesselüberwachungsvereine.
Nach dem Gesetz über den Betrieb der Dampfkessel haben Besitzer und Kesseswärter für
die bestimmungsmäßige Benutzung der Sicherheitsvorrichtungen zu sorgen, ferner für
die Außerbetriebsetzung solcher Kessel, deren Zustand nicht gefahrlos ist. Sie haben
ferner die amtliche Revision zu gestatten und die nötigen Arbeitskräfte und
Vorrichtungen bereitzustellen sowie die Kosten der Revision zu tragen. Die Anweisung
vom 9. März 1900 enthält Ausführungsvorschriften zu der Bekanntmachung des
Reichskanzlers vom 5. 8. 1890, deren wichtigste Bestimmungen sich mit den
regelmäßigen Untersuchungen befassen. Mindestens alle zwei Jahre muß nach diesen
eine äußere Untersuchung vorgenommen werden, bei beweglichen und Dampfschiffkesseln
alle Jahre, mindestens alle vier Jahre eine innere Untersuchung, bei beweglichen
Kesseln alle drei Jahre und bei Dampf schiff kesseln alle zwei Jahre, mindestens
alle acht Jahre eine Wasserdruckprobe, die bei beweglichen und Dampfschiff kesseln
mindestens alle sechs Jahre stattfinden muß. Die innere Untersuchung kann durch eine
Wasserdruckprobe ersetzt werden; diese muß vorgenommen werden, wenn an dem Kessel
wegen seiner Bauart keine gründliche innere Revision vorgenommen werden kann. Die
äußere Revision fällt bei Kesseln auf dem Lande in dem Jahre fort, in dem eine
innere Untersuchung oder eine Wasserdruckprobe vorgenommen wird. Der Zweck der
Untersuchung ist nach der Anweisung Prüfung der Betriebsweise und der zu dieser
erforderlichen Einrichtungen, der Beschaffenheit des Kesselkörpers, der
Kesselsteinablagerungen, der Ventile, Sicherheitsvorrichtungen und der
Feuereinrichtung; die Wasserdruckprobe soll Schwächen des Materiales erkennen lassen,
insbesondere durch bleibende Formveränderungen.
Wenn nun der Maschinenbesitzer diese gesetzlichen oder polizeilichen Bestimmungen
nicht einhält, insbesondere also die Dampfkesselrevisionen nicht einhält oder
unmöglich macht, so liegt auf seiner Seite regelmäßig ein grobes Verschulden vor,
auf das sich der Versicherer bei späterem Eintritt des Versicherungsfalles – der
Kesselexplosion – zwecks Befreiung von seiner Zahlungspflicht gemäß § 61 V. V. G.
mit Erfolg berufen kann.
Zweifelhaft ist die Frage, ob, falls ein Ausschluß der Explosionsgefahr vertragsmäßig
nicht erfolgt ist (so daß also der Versicherer auch die Explosionsgefahr trägt), der
Versicherer auch den Schaden zu ersetzen hat, der an den versicherten Maschinen
durch eine in der Nachbarschaft stattfindende Explosion verursacht wird. Bei der
Entscheidung dieser Frage ist davon auszugehen, ob der Versicherungsnehmer seiner
Anzeigepflicht gemäß dem § 61 V. V. G. bezüglich einer in der Nachbarschaft seiner
Maschinenanlagen bestehenden Explosionsgefahr – anderer explosionsgefährlicher
Fabrikbetriebe –, soweit ihm dieser Umstand selbst bekannt war, bei Schließung des
Versicherungsvertrages Genüge getan hat oder nicht. Hatte der Versicherungsnehmer
seine Anzeigepflicht schuldhafterweise verletzt, d.h. also das Bestehen einer in
seiner unmittelbaren Nachbarschaft bestehenden Explosionsgefahr trotz seiner
Kenntnis hiervon dem Versicherer verschwiegen, so kann der Versicherer von dem
Versicherungsvertrage gemäß den §§ 16 ff. V. V. G. ohne weiteres zurücktreten und
Zahlung der Versicherungssumme bei derartigen Explosionsschäden verweigern bzw. die
etwa bereits gezahlte Versicherungssumme von dem Versicherungsnehmer zurückfordern.
Hatte dagegen der Versicherungsnehmer diesen ihm bekannten Gefahrumstand seiner
unmittelbaren Nachbarschaft dem Versicherer ordnungsgemäß angezeigt, so haftet der
Versicherer auch für derartige Explosionsschäden gemäß § 82 V. V. G., weil ihm dann
ja eben das Bestehen dieses Gefahrumstandes bei Schließung des
Versicherungsvertrages bekannt war; gleiches gilt auch dann, wenn dem
Versicherungsnehmer das Bestehen der in seiner Nähe bestehenden Explosionsgefahr
unbekannt war, da dann eben auf seiner Seite eben auch kein Verschulden und keine
schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht vorliegt.
Haftet der Versicherer dem Gesagten zufolge dem Besitzer der Maschinen auf Ersatz, so
bestimmt sich der Umfang des zu leistenden Ersatzes in Ermangelung ausdrücklicher
Bestimmungen des Versicherungsvertrages in dieser Beziehung (insbesondere in
Ermangelung einer vereinbarten Taxe) nach der bereits oben bezeichneten Bestimmung
des § 83 V. V. G. Hiernach hat der Versicherer also dem Versicherungsnehmer den
durch die Zerstörung oder die Beschädigung der Maschinen entstehenden Schaden zu
ersetzen, soweit die Zerstörung oder Beschädigung auf der Einwirkung der Explosion
(bei Feuerschäden auf der Einwirkung des Feuers) beruht oder die unvermeidliche
Folge der Explosion ist. Der Versicherer hat ferner auch den Schaden zu ersetzen,
der bei der Explosion der Maschinenkessel durch Niederreißen oder Ausräumen
verursacht wird. Hier spielt insbesondere die Frage des ursächlichen Zusammenhanges
– des Kausalzusammenhanges – eine große Rolle; maßgebend in dieser Beziehung ist der
sogenannte adäquate Kausalzusammenhang, mit anderen Worten der ursächliche
Zusammenhang bei Unterstellung der gewöhnlichen regulären Verhältnisse.
Berlin-Schöneberg.
Rechtsanwalt Dr. Werneburg.