Titel: | Die Treibmittel der Leichtmotoren. |
Autor: | Wimplinger |
Fundstelle: | Band 336, Jahrgang 1921, S. 360 |
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Die Treibmittel der Leichtmotoren.
Von Dipl.-Ing. Wimplinger,
Berlin-Südende.
WIMPLINGER, Die Treibmittel der Leichtmotoren.
Als inländisches Treibmittel für Leichtmotoren kommt in Deutschland nur Benzol
in Betracht, das bei richtiger Anwendung das ausländische Benzin ersetzen könnte,
wenn es in genügenden Mengen vorhanden wäre. Es ist bereits früher (D. p. J. Bd.
335, Seite 153) darauf hingewiesen worden, daß kurz vor Ausbruch des Krieges mit
Erfolg als geeignetes Treibmittel für Leichtmotoren das Benzol eingeführt wurde. Die
deutsche Benzolerzeugung betrug im Jahre 1913 etwa 160000 t. Es muß in Zukunft
versucht werden, durch vernünftige Wärmewirtschaft und durch sachgemäße Aufarbeitung
unserer Kohlenschätze die Benzolgewinnung zu vergrößern. Die deutsche
Benzolgewinnung kann uns aber in der Treibmittelbeschaffung niemals gänzlich
unabhängig vom Auslande machen.
Neben dem Benzol kann aber auch ein anderes Nebenprodukt der Kokserzeugung, das
Naphtalin, als Treibmittel für Leichtmotoren Verwendung finden. Die
Naphtalinerzeugung betrug im Jahre 1912 etwa 50000 t, in den folgenden 3 Jahren ist
sie auf etwa 80000 t gestiegen. Der Preis schwankte zu dieser Zeit beim Rohnaphtalin
je nach dem Reinheitsgrad von 30–75 M., beim Reinnaphtalin von 100–180 M. Um als
Treibmittel für Leichtmotoren verwendet werden zu können, muß das bei gewöhnlicher
Temperatur feste Naphtalin zuerst auf seinen Schmelzpunkt von 80° C erhitzt werden.
Die Versuche, die bereits längere Zeit vor dem Kriege mit Naphtalinmotoren
ausgeführt wurden, haben kein praktisches Ergebnis gehabt.
Die zukünftige Entwicklung des Leichtmotorenbaues kann aber nicht allein darin
erblickt werden, den Motor und seine Zubehörteile, wie Vergaser, Zündung usw.
weiterhin zu verbessern, sondern auch die Brennstoffchemie muß das ihrige dazu
beitragen, einen wirtschaftlichen und betriebsicheren Brennstoff als Ersatz für
Benzin zu schaffen. Es ist nun bei uns bereits versucht worden, Braunkohlenteer für
die synthetische Herstellung des Benzins zu verwenden. Der Braunkohlenteer wird
dabei in Gegenwart von Wasserstoff bei hohem Druck erhitzt, wobei der Wasserstoff
sich dem im Braunkohlenteer enthaltenen Kohlenwasserstoff chemisch angliedert. Auf
diese Weise wird Benzin als leichter Kohlenwasserstoff erhalten.
Während des Krieges ist es auch gelungen, das Naphtalin durch Hydrierung, also durch
katalytische Anlagerung von Wasserstoff, in ein Treibmittel umzuwandeln, das bei
gewöhnlicher Temperatur bereits flüssig ist. Die Herstellung dieses
Treibmittels, mit der chemischen Bezeichnung Tetrahydro-Naphtalin, kurz Tetralin
genannt, wird bereits in Deutschland im großen Maßstabe, mit einer Tagesproduktion
von etwa 100 t, ausgeführt. Obwohl dieses chemische Erzeugnis einen hohen Siedepunkt
hat, ist es doch sehr gut als Treibmittel verwendbar. Die Hydrierungstechnik hat
sich aber weiterhin entwickelt, so daß auch minderwertige Nebenerzeugnisse der
Destillation des Braunkohlen- und Steinkohlenteers in wasserstoffreiche Verbindungen
überführen lassen. Die bisherigen Erfahrungen mit hydrierten Erzeugnissen des
Braunkohlen- und Steinkohlenteers beweisen, daß sie wohl in ihrer Mehrzahl als
Treibmittel für Leichtmotoren in Betracht kommen. Mit Berücksichtigung des Preises
dürfte das bereits erwähnte Tetralin eine allgemeine Anwendung als Treibmittel für
die genannten Motoren finden.
Das aus dem Naphtalin (C10 H8) gewonnene Tetralin (C10 H12) ist eine wasserhelle Flüssigkeit
mit einem spezifischen Gewicht von 0,975. Der Flammpunkt liegt bei 80 °, der
Siedepunkt bei 205 °. Der Heizwert beträgt 11600 WE. Der Gefrierpunkt liegt bei –
30°. Sein tiefer Gefrierpunkt, sein hohes spezifisches Gewicht und sein großer
Heizwert machen das Tetralin als Treibmittel der Motoren für Verkehrszwecke
besonders geeignet. Um am Motor bei Verwendung des Tetralins keine Aenderungen
vornehmen zu müssen (z.B. Aenderung der Vergasereinstellung, des
Verdichtungsverhältnisses usw.) ist es zweckmäßig, es mit Benzin zu mischen. Wie die
Zeitschrift „Autotechnik“ 1921, Heft 13, berichtet, sind bereits in der
Versuchsanstalt für Kraftfahrzeuge der technischen Hochschule Berlin mit einer
Mischung aus 1 Gewichtsteil Benzin vom spez. Gewicht 0,720–0,735 und 1 Gewichsteil
Tetralin die günstigsten Ergebnisse erhalten worden, d.h. bei einer Mischung, die 10
v. H. unter 100° und 30 v. H. unter 150° siedende Anteile enthält. In gleicher Weise
kann das Tetralin auch mit Benzol vermengt werden. Einer Mischung von Tetralin und
Benzol kann dann auch noch Spiritus in fast beliebigem Mischungsverhältnis zugesetzt
werden.
Von der jährlich erzeugten Benzolmenge stehen zur Zeit nur 30000 t für den
Motorbetrieb zur Verfügung. Die Tetralinerzeugung könnte in kürzester Zeit ebenfalls
auf 30000 t gesteigert werden, so daß mit Zusatz von Spiritus bis zu 100000 t eines
inländischen Treibmittels für Leichtmotoren zur Verfügung ständen. Ausschlaggebend für die
Verbraucher ist auch hier die Preisfrage. Die Zahlentafel gibt über die Preise
Aufschluß, die vor kurzer Zeit noch in Betracht kamen.
Benzin
Benzol
Tetralin
Tetralin-Benzin1 : 1
Tetralin -Benzol1 : 1
Spez. Gewicht
0,730
0,860
0,980
0,860
0,920
Wärmewert W E/kg
11000
9700
11000
11000
10400
Preis f. 1 kg ℳ
10,00
8,00
10,00
10,00
9,00
Preis f. 1000 WE ℳ
0,91
0,83
0,91
0,91
0,87
Das neue Treibmittel, oder seine Mischung mit anderen bekannten Kraftstoffen, ergeben
noch keine wesentlichen wirtschaftlichen Vorteile gegenüber dem Benzin. Der neue
Brennstoff muß aber, wenn er allgemein eingeführt werden soll, nach jeder Richtung
hin den Kampf mit dem bekanntesten Treibmittel, das ist das Benzin, aufnehmen
können. Der Rohstoff, das ist hier das Naphtalin, aus dem das Tetralin gewonnen
wird, wird in Zukunft voraussichtlich keinen Preisabbau erfahren. Es muß deshalb
versucht werden, das Herstellungsverfahren des Tetralin zu verbilligen.
Wiederum ist durch den Machtspruch unserer Feinde wertvolles deutsches Land, der
größte Teil von Oberschlesien, verloren gegangen, in dem deutsche Ordnung und
deutscher Fleiß eine gewaltige Industrie geschaffen haben, die für die
Benzolgewinnung ebenfalls von großer Wichtigkeit war. 35000 Tonnen Benzol sind
außerdem auf Grund des Friedensvertrages jährlich an Frankreich abzuliefern, dabei
ist zu berücksichtigen, daß das wichtige Saargebiet für Benzollieferung an uns zur
Zeit nicht in Betracht kommt. Benzin wird durch den steigenden Weltkonsum und durch
unsere Geldentwertung für uns weiterhin im Preise steigen. Die amerikanische
Zeitschrift „Motor Age“ gibt im Septemberheft 1921 die gesamte amerikanische
Erdölgewinnung mit folgenden Zahlen an (1 Gallone = 4,54 l).
1918: 13557
Millionen
Gallonen,
1919: 14774
„
„
1920: 17033
„
„
Der Zunahme der Erdölgewinnung steht aber das viel schnellere Anwachsen der
Kraftwagenzahl, Motortraktoren, ortfesten Motoren und Schiffsmotoren gegenüber.
Die graphische Darstellung der amerikanischen Erdölgewinnung für die Jahre 1918,
1919 und 1920 gibt zugleich die Gewinnung der Destillationsprodukte an. Die
amerikanische Zeitschrift weist dabei darauf hin, daß bei allgemeiner Verwendung von
Gasöl und Heizöl in unseren Motoren die Menge der verfügbaren Motortreibmittel mehr
als verdoppelt werden könnte.
Textabbildung Bd. 336, S. 360
Die amerikanische Automobilindustrie ist im steten Zunehmen begriffen und die im
Lande erzeugten Brennstoffe für Leichtmotoren werden mehr und mehr für die eigenen
Kraftwagen gebraucht. Im Jahre 1920 waren in Amerika 2205197 Kraftwagen hergestellt
(1883158 Automobile, 322039 Lastkraftwagen), das ist 12 v. H. mehr als im Jahre
1919. Von diesen Kraftwagen wurden nur 7½ v. H. ausgeführt. Die im Jahre 1920 in den
Vereinigten Staaten vorhandenen Kraftwagen stiegen auf 9211295. Die Zunahme
gegenüber dem Vorjahre beträgt 22 v. H. Es wurde im Jahre 1920 an Benzin 4882546699
Gallonen hergestellt, davon im eigenen Land 4256428005 Gallonen verbraucht. Die
Benzinausfuhr ist dementsprechend gering. Nach Ansicht vieler wird die zukünftige
amerikanische Benzinausfuhr noch geringer werden.
Für die deutsche Motorentechnik ist es deshalb vor allem wichtig, daß uns die
Entwicklung der Brennstoffchemie, vor allem die Hydrierungstechnik, immer mehr
freimacht von den aliphatischen Verbindungen (Benzin usw.), die aus dem Erdöl
gewonnen werden. Die bis jetzt widerspenstigen aromatischen Destillate der
Steinkohle werden für Leichtmotoren immer mehr geeignete Treibmittel werden, wenn
die organische Chemie und der Motorenbau zusammen an diesem wichtigen Problem der
Gegenwart arbeiten.