Titel: | Sparsame Temperaturwirtschaft. |
Autor: | K. Schreber |
Fundstelle: | Band 337, Jahrgang 1922, S. 62 |
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Sparsame Temperaturwirtschaft.
Von Dr. K. Schreber.
(Schluß.)
SCHREBER, Sparsame Temperaturwirtschaft.
Beispiele aus der Werktätigkeit. Diese Rechnung wird
anschaulicher, wenn man sieht, wie der ihr zugrunde liegende Gedanke in der
Werktätigkeit angewendet wird.
Um dem Wechsel von Kraft- und Wärmebedarf nachkommen zu können, arbeitet man in der
Werktätigkeit viel mit Entnahmedampfmaschinen, d.h. mit Dampfmaschinen, bei denen an
einer Stelle, an der der passende Dampfdruck herrscht, so viel Dampf entnommen wird,
wie die Heizung verlangt.
Da bei den der Oeffentlichkeit mitgeteilten Versuchsergebnissen solcher Anlagen der
Kesselwirkungsgrad nur in den seltensten Fällen angegeben wird, so lasse ich ihn für
das Folgende überhaupt weg und kümmere mich nur um die gekürzte Verwertungszahl v',
welche aus den zweiten Ausdrücken in (15) (16) und (17) entsteht, wenn man ηk als für alle Anlagen gleich ansieht und deshalb
als für den Vergleich nicht nötig wegläßt.
Ist ε die Leistungszahl der in der Anlage als wirksam gedachten Kältemaschine, N die
Zahl der von der untersuchten Maschine geleisteten Pferdestärken, A die
Umrechnungszahl der Energie aus Arbeits- in Wärmemaß, so is AL die geleistete Arbeit
in Wärmemaß und die aus dem. Grundwasser entnommene Wärme εAN. Es wird also der
Heizleitung durch die Kältemaschine die Wärmemenge (ε + 1) NA zugeführt.
Ist ferner
ik die Erzeugungswärme des
Frischdampfes vom Kesseldruck,
ih die Erzeugungswärme des
Dampfes in dem Zustande, wie er der Heizleitung zugeführt wird,
is die Flüssigkeitswärme des
Speisewassers, alle drei wie sie aus den Tabellen entnommen werden,
Dt die Menge des
Frischdampfes,
Dh die Menge des
Heizdampfes,
und setzen wir ik – is = i und ih – is = i', so ist iDf
die im Frischdampf und i'Dh die im Heizdampf zur
Verfügung stehende Wärme. Wir bekommen mit diesen Bezeichnungen
18. v'=\frac{(\epsilon+1)\,NA+i'\,D_h}{i\,D_f}=(\epsilon+1)\,\eta_K+\eta_H
wo ηK und ηH die Wirkungsgrade der Kraftmaschine und der
Heizungsanlage in der üblichen Bedeutung sind. Es setzt sich also die gekürzte
Verwertungszahl in einfachster Weise aus den überall mitgeteilten
Wirkungsgraden der Kraftmaschine und der Heizungsanlage zusammen. Die Leistungszahl
wird, wie bisher bei allen Beispielen, 5,46 gesetzt.
Ich bearbeite zuerst die von BlauZ. Dampk.- usw. Betrieb 1915. 125. veröffentlichten
Versuchsergebnisse. Die Turbinendampfmaschine arbeitet mit 15,7 at und 325°; der
Verflüssigerdruck ist 0,069 at; der Entnahmedruck 2,85 at. Das Ergebnis der Rechnung
ist in folgender Zusammenstellung enthalten:
N
1302
1240
KW
NA
1120
1066
103 cal/st
Df
8048
11730
kg/st
iDf
5634
8211
103 cal/st
ηK
0,199
0,130
Dh
0
5430
kg/st
i'Dh
0
3326
103 cal/st
ηH
0
0,405
ηK + ηH
0,199
0,535
v'
1,286
1,245
Nach der üblichen Berechnung, in welcher Arbeit und Wärme als gleichwertig betrachtet
werden, hat man einfach die Wirkungsgrade von Kraftmaschine und Heizung
zusammenzuzählen, um den Gesamtwirkungsgrad zu erhalten. Man sieht wie dieser durch
die Entnahme ganz unerwartet größer wird. Beachten wir dagegen den Wert der Arbeit,
d.h. berechnen wir die Verwertungszahl, so sehen wir, daß diese durch die Entnahme
verkleinert wird.
Bei den Ergebnissen einer an derselben Stelle veröffentlichten Untersuchung einer
anderen Anlage ist der Wirkungsgrad der Kraftmaschine nicht so günstig wie hier,
deshalb wird bei dieser auch die Verwertungszahl mit zunehmender Entnahmemenge
größer, aber nur in ganz geringem Betrag.
Leider sind die Versuche nicht so ausführlich mitgeteilt, daß sich der Fluß der
Arbeit und der Wärme hätte aufzeichnen lassen; es fehlt die Angabe jeglicher
Temperatur.
Als zweites Beispiel gebe ich aus Schneider: Abwärmeverwertung, einen Teil seiner
Zusammenstellung 33, welche für eine 500-PS-Entnahmedampfmaschine mit 14,5 at Druck
und 250° Temperatur des Frisch dampf es berechnet ist bei einem Entnahmedruckvon 4 at. Es sind
Kolbendampfmaschinen K und Turbinendampfmaschinen T in der Rechnung angenommen
worden. Schneider gibt die Werte ηK und ηH, so daß die
Umrechnung nach (18) leicht ausgeführt ist. Die Zahlen sind nachfolgend
zusammgestellt. Ueber V wird später gesprochen werden.
K
N
Dh
ηK
ηH
ηK + ηH
v'
V
408
0
0,167
0
0,167
1,069
6,8
416
625
0,139
0,217
0,356
1,115
6,0
419
1430
0,119
0,427
0,546
1,176
5,3
414
2580
0,098
0,640
0,738
1,274
4,7
T
408
0
0,186
0
0,186
1,131
7,6
416
625
0,144
0,234
0,378
1,164
6,1
419
1430
0,114
0,422
0,536
1,159
5,1
414
2580
0,089
0,600
0,689
1,176
4,2
Bei der Kolbendampfmaschine wird die Verwertungszahl langsam größer, bei der
Turbinendampfmaschine bleibt sie nahezu ungeändert. Da der Frischdampfdruck etwas
schwächer, aber namentlich der Entnahmedruck wesentlich stärker ist als im vorigen
Beispiel, so ist der Wirkungsgrad der Kraftanlage viel schlechter und deswegen
dieses Ergebnis; es ist weniger auf sparsame Temperaturwirtschaft gesehen als bei
Blau. Wäre als Entnahmedruck 1 at angenommen worden, was allerdings für die Heizung
etwas größere Heizfläche verlangt hätte, so würden sicherlich auch für die
Kolbenmaschine die Verwertungszahlen mit zunehmender Entnahmemenge kleiner geworden
sein. Es ist sehr zu bedauern, daß keine Versuchsergebnisse bekannt gegeben worden
sind, in denen als Entnahmedruck 1 at oder gar noch schwächerer Druck angewendet
worden ist. Die nach dem alten Verfahren der Beurteilung der Brennstoffverwertung
gebildete Summe der Wirkungsgrade wird in beiden Fällen mit zunehmender
Entnahmemenge ganz bedeutend größer. Das würde heißen: je weniger die Anlage zu
Kraftzwecken gebraucht wird, um so wirtschaftlicher ist sie; Krafterzeugung schadet
der Brennstoff Verwertung.
Schneider behandelt wohl den einen Grenzfall, daß die
Entnahmemenge 0 ist, nicht aber den anderen, wo sämtlicher Dampf zu Heizzwecken
verwendet wird. Wir können uns diesen bei einer Kolbendampfmaschine leicht
durchgeführt denken, indem wir, während der Kolben festgestellt ist, Ein- und
Auslaßventil derselben Seite offen gehalten denken und zwar letzteres gerade so
weit, daß der an dieser Seite vorbeiströmende Dampf auf den Druck der Heizleitung
gedrosselt wird. Bei der Turbinendampfmaschine ist diese Einstellung nicht so
einfach, aber man kann sie sich doch einmal durchgeführt denken. Dann ist der
Wirkungsgrad der Kraftmaschine ηK = 0, dagegen der
der Heizung ηH = 1, ihre Summe also ebenfalls 1. Das
ist der größte Wert, den die Summe erreichen kann; sie erreicht ihn, wenn der
Heizungsanlage keine Kraftmaschine vorgeschaltet ist. Also folgt unwiderleglich aus
der Anschauung, daß Wärme und Arbeit gleichwertig seien, daß es unvorteilhaft ist,
einer Heizungsanlage eine Kraftmaschine vorzuschalten.
Die Ergebnisse der Werktätigkeit beweisen, daß diese Folgerung den Tatsachen
widerspricht; Eberle hat ja gerade dadurch, daß er der Heizungsanlage im Stuttgarter
Stadtbade eine Kraftmaschine vorschaltete, eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit
erzielt. Es muß also die Grundlage dieser Rechnung falsch sein: Wärme und Arbeit
sind zwar gleichmaßig aber nicht gleichwertig.
Die Verwertungszahlen erhalten in diesem von mir hinzugefügten Grenzfall den Wert 1,
der kleiner ist als alle anderen, d.h. die Heizungsanlage ohne vorgeschaltete
Kraftanlage gibt die schlechteste Verwertung des Brennstoffes. Die
Uebereinstimmung dieser Folgerung mit der Wirklichkeit bestätigt die ihr zugrunde
liegende Auffassung, daß Wärme und Arbeit nicht gleichwertig sind.
Wir haben bisher mit dem Wertverhältnis ε = 5,46 gerechnet, welches sich ergibt, wenn
man mit Hülfe einer Kältemaschine Wärme aus dem Grundwasser zum Heizen von
Wohnräumen gewinnen will. Ich hatte aber schon oben darauf hingewiesen, daß man
unter anderen Umständen auch andere Wertverhältnisse erhalten kann, z.B. beim
Eindampfen durch Schwadenverdichtung.
Wie es nun neben dem durch den Nährwert gegebenen Wertverhältnis zwischen Zucker und
Kartoffel auch noch ein volkswirtschaftliches gibt, welches durch die Preise der
Stoffe bedingt ist, so können wir aus den Preisen von Arbeit und Wärme auch ein
volkswirtschaftliches Wertverhältnis zwischen diesen beiden Energiearten
berechnen.
Ist a der Preis der Arbeitseinheit, der Kalorie, die ich hier der Deutlichkeit wegen
wieder mit cala bezeichnen will, und w der Preis der Wärmeeinheit, der Wärmekalorie
calw, so ist ε = a/w das volkswirtschaftliche Wertverhältnis zwischen Arbeit und
Wärme. Hier in Aachen kostet augenblicklich im Kleinhandel die KWst 3,5 M, das macht
als Preis der Arbeitseinheit a = 0,40 Pf./cala. Kohle von rund 6500 cal/kg kostet
512 M/t; das macht bei einem Kesselwirkungsgrad ηk =
0,75 als Preis der Wärmeeinheit w = 0,01 Pf./calw. Aus diesen Angaben erhält man ε =
40 calw/cala.
Mit diesem Wertverhältnis sind die Verwertungszahlen V berechnet. Bei beiden
Maschinenarten nimmt V mit der Zunahme der Entnahmemenge ab, die Verwertung des
Brennstoffes wird schlechter. Bei teuerer Arbeit ist es vorteilhaft, recht viel
Arbeit aus der Kohle zu erzeugen; man muß suchen, den Wirkungsgrad der Kraftmaschine
möglichst groß zu machen; man muß sparsame Temperaturwirtschaft treiben. Auf die
Entnahmedampfmaschinen angewendet, heißt das, man muß den Entnahmedruck so schwach
wählen, wie es die Heizungsverhältnisse irgend zulassen, man muß den an der
Heizleitung verwüsteten Arbeitswert so klein wie möglich machen.
Verlangt irgend ein Vorgang, z.B. ein chemischer eine besonders warme
Heizungstemperatur, so muß man die Kosten der deshalb weniger gewonnenen Arbeit zu
den Herstellungskosten des chemischen Erzeugnisses rechnen. Das ist bei der
Selbstkostenberechnung wohl zu beachten.
Auch die Betriebskosten der Abdampfheizung sind gleich den Kosten der in der Heizung
verwüsteten Arbeit zu setzen, ein Umstand, der bei der bisherigen Auffassung von der
Gleichwertigkeit von Arbeit und Wärme nicht zum Ausdruck gebracht werden konnte. Es
fehlte noch die Gleichung (18), in welche man für ε + 1 das Preisverhältnis
einsetzen konnte.
Sparsame Temperaturwirtschaft. Der Trieb des Menschen,
sich von körperlicher Arbeit zu befreien und trotzdem ein angenehmes Leben zu
führen, d.h. ein Leben, in welchem auch andere als die unmittelbarsten
Lebensbedürfnisse befriedigt werden können, hat ihn zur Anstrengung seines Geistes
gezwungen, die für denjenigen, der die nötigen Geistesanlagen von der Natur auf
seinen Lebensweg mitbekommen hat, bequemer ist, als die körperliche Anstrengung, und
ihn zu Erfindungen veranlaßt, welche die Kräfte der Natur in seine Dienste zu
stellen ermöglichen.
Da aber die Naturkräfte ebenfalls nur unter Aufwendung menschlicher Anstrengung
gewonnen werden können, so hat man sich bemüht, diese Gewinnung immer mehr und mehr zu
erleichtern und die Ausnutzung der einmal gewonnenen immer vollkommener zu
gestalten. Man denke an die Entwicklung der Wasserkraftmaschinen von den einfachen
Stoßschaufeln der in den Fluß gestellten Wasserräder des Mithridates bis zu den
Schaufeln der jetzigen schnellaufenden Turbinen der großen Wasserkraftwerke.
Dieselbe, allerdings viel später einsetzende, dafür aber auch namentlich seit der
Anwendung der wissenschaftlichen Wärmelehre bedeutend schnellere Entwicklung, zeigt
sich auf dem Gebiet des Wärmekraftmaschinenbaues. Man vergleiche die erste von Papin gebaute Dampfmaschine, welche nur einen ganz
geringen in der Nähe des atmosphärischen Siedepunktes des Wassers gelegenen
Temperaturunterschied zur Verwandlung von Wärme in Arbeit ausnutzte, mit den
jetzigen Turbinendampfmaschinen, deren Temperaturbereich sich von 200° bis 33°
erstreckt. Aber noch ist das Ziel nicht erreicht, noch immer muß viel menschliche
Arbeit aufgewendet werden, um die Bedürfnisse des Menschen, die allerdings im selben
Maße üppiger werden, zu befriedigen. Wir. müssen uns also noch weiterhin bemühen,
menschliche Arbeitskräfte beim Herbeischaffen von Naturkräften zu ersparen und die
herbeigeschafften immer sparsamer zu verwenden. Wir müssen sparsame
Energiewirtschaft treiben.
Auf dem hier allein in Betracht kommenden Gebiet der Wärmekraftmaschinen zerfällt
diese Aufgabe ohne weiteres in 2 Teile. Der eine ist die sparsame Wärmewirtschaft.
Sie hat Abwanderungen der Energie, sowohl der chemischen wie der Wärmeenergie von
dem Wege, welchen der auf ihre Umwandlung in Arbeit gerichtete Wille des Menschen
ihr vorgeschrieben hat, festzustellen und unmöglich zu machen.
Diese Abwanderungen der Energie sind zum Teil mit Abwanderungen von Stoffen, den
Energieträgern, unmittelbar verbunden und deshalb leicht in die Augen fallend. Durch
den Rost hindurchfallende Kohle, aus undichten Flanschen abblasende Dampfmengen usw.
nehmen Energie aus dem ihr vorgeschriebenen Wege mit sich heraus. Das zu vermeiden,
sind Aufgaben, welche jeder Werkmeister, jeder Heizer zu versorgen imstande ist.
Bei unrichtiger Verbrennung sowohl infolge mangelnder Luft als auch übermäßigen
Luftüberschusses, bei unrichtiger Einhüllung von Dampfkessel, Leitung, Zylinder usw.
genügt das Ablesen einfacher Meßvorrichtungen, welche Werkmeister und Heizer
ebenfalls ausführen können.
Es ist Aufgabe des Wärmeingenieurs, durch Feststellen der einzelnen abwandernden
Kalorien diese Werkbeamten ständig auf Nachlässigkeiten in der Erfüllung ihrer
Pflicht aufmerksam zu machen. Vielfache Erfahrungen haben schon längst gelehrt und
immer wieder bestätigt, daß der Mensch gegenüber von Aufgaben, welche er täglich zu
lösen hat, gleichgültig wird. Dann muß der Wärmeingenieur von Zeit zu Zeit
erscheinen, den Beamten zeigen, wo sie nachlässig gewesen sind, und sie durch
ständig wiederholte Erinnerung zur Pflichterfüllung erziehen. Der Wärmeingenieur hat
hauptsächlich die Aufgabe des Erziehers und, falls die Erziehung nichts hilft, die
des Aufsichtsbeamten.
Er erfüllt seine Aufgabe am besten, wenn er von jeder von ihm untersuchten Anlage
einen Wärmeplan, Wärmefluß, aufstellt, auf welchem er den Weg der Energie von der
aufgeworfenen Kohle bis zu der die Arbeit abgebenden Welle hin verfolgt. Dieser Fluß
muß zusammen mit allen seinen Abzweigungen wegen des Energiesatzes eine
unveränderliche Breite behalten. Wird er schmaler, so hat der Wärmeingenieur
Wärmemengen, die sich entziehen, nicht erfaßt und muß suchen, bis er sie findet. An
der Hand dieses Wärmeflusses hat er gegebenen Falles die Werkbeamten auf
Nachlässigkeiten aufmerksam zu machen.
Der andere Teil der sparsamen Energiewirtschaft ist die sparsame
Temperaturwirtschaft. Sie ist deshalb schwieriger als die sparsame Wärmewirtschaft,
weil sie nicht sofort im Betriebe gelöst werden kann, sondern am Rechentisch zu Ende
geführt werden muß. Sind im Betriebe die Temperaturmessungen ausgeführt, so müssen
die diesen Temperaturen zugehörigen Arbeitswerte berechnet und wie in den obigen
Abbildungen der Fluß der Arbeit durch die Anlage in den Wärmefluß eingetragen
werden. Zeigt dieser Fluß zu große Unstetigkeiten, so muß der Temperaturingenieur
auf Abhilfe sinnen; er muß jeden nicht genutzten Temperaturunterschied zur
Arbeitsleistung heranzuziehen suchen.
Die Aufgabe der sparsamen Temperaturwirtschaft läßt sich in zwei Teile zerlegen, von
denen der erste, die Vortemperaturverwertung der erfolgversprechendere und trotzdem
der leichtere ist. Auf dem Rost entstehen sehr heiße Temperaturen, während die des
Dampfes im Kessel im Vergleich hiermit recht mäßige sind. Deshalb die große
Arbeitsverwüstung, welche die obigen Bilder an der Kesselwand aufweisen. Unsere
Baustoffe erlauben uns aber noch nicht, diesen Temperaturunterschied auszunutzen.
Wir können noch nicht Kessel bauen, die mit genügender Sicherheit Drucke aushalten,
welche stärker sind als der der Temperatur von 200° des Wasserdampfes zugehörige.
Zwar hat BauerBauer Schiffsbautechn. Gesellsch. 1911. 27. schon vor dem Kriege
Versuche mit Kesseln angestellt, welche 40 at aushalten sollten. Ebenso hat sich
jetzt W. Schmidt, der Förderer der Heißdampfmaschine,
Versuche mit Kesseln von 60 at vorgenommen. Beide kostspieligen Versuchsreihen haben
aber noch nicht zu Ergebnissen geführt, welche die Einführung dieser Drucke in die
Werktätigkeit sichern.
Bei der Beurteilung dieser Versuche muß man bedenken, daß wenn man nach (7) die
Wirkungsgrade für die verschiedenen Drucke berechnet und dann δη/δρ bildet, die so
erhaltenen Werte zeigen, daß der Wirkungsgrad immer langsamer größer wird, je
stärker der Druck schon ist. Die Wärmeersparnis in v. H. für 1 at Drucksteigerung
wird um so kleiner, je stärker der Druck ist.Heilmann, Wärmeausnutzung bei Kraftmaschinen Z, Dampfk. usw. Betrieb. 1921.
315. Abb. 1.
Da nun die Herstellungs- und Wartungskosten schneller zunehmen, als die
auszuhaltenden Drucke, so ist mit der baulichen Möglichkeit die wirtschaftliche
Möglichkeit noch nicht sofort gegeben. Diese muß bei beiden Versuchen erst noch
erbracht werden. Jedenfalls liegen aber beide Versuche in der Richtung der
bisherigen Entwickelung des Dampfkesselbaues, auf die schon Heft 6, S. 52,
hingewiesen worden ist, und deshalb werden sie in mehr oder weniger langer Zeit auch
die wirtschaftliche Möglichkeit finden.
Auf anderem Wege gelangt man zur Vortemperaturverwertung mit Hülfe des osmotischen
Energiespeichers. Dieser speichert die den Wasserdampfmaschinen nicht zugänglichen
Temperaturen in Gestalt der osmotischen Energie auf für Zeiten, in denen, oder für
Orte, an denen keine Feuerung vorhanden ist und doch arbeitsfähiger Dampf verlangt
wird. Da die Kessel des osmotischen Energiespeichers vom Druck in derselben Weise
beansprucht werden, wie die der Dampfmaschine, so wird er stets für die Verwertung
der Vortemperaturgeeignet bleiben, so lange die Dampfkessel eine solche bedingen.
Schwieriger ist die Zwischentemperaturverwertung, d.h. die Verwertung der
Temperaturen, welche zwischen dem Auspuff einer Wärmekraftmaschine irgend einer Art
und der atmosphärischen Temperatur liegen.
Dieser Schwierigkeit verdankt die sparsame Wärmewirtschaft so manche Fehlschläge. Die
abwandernden Kalorien waren gefunden. Sie ließen sich aber nicht verwerten, weil die
noch vorhandenen Temperaturunterschiede eine Verwertung unwirtschaftlich machten;
denn man darf bei Berechnung des Arbeitswertes nicht unmittelbar die Temperaturen
einsetzen, mit denen sie abwandern, sondern muß überlegen, ob sie nicht auf einen
anderen Energieträger übertragen werden müssen und daß zu dieser Uebertragung
Temperaturunterschiede gehören. Diese Unterschiede gehen von den vorhandenen
Temperaturen ab und erst nach diesem Abzug ist der Arbeitswert zu berechnen.
Nun sind diese abzuziehenden Temperaturen sehr von der Größe der zur Uebertragung der
Wärme nötigen Heizflächen abhängig. Hier muß der Temperaturingenieur
volkswirtschaftlich arbeiten. Oft kann das zur Beschaffung der Heizflächen nötige
Kapital so groß sein, daß der zu gewinnende Arbeitswert nicht hinreicht, es zu
verzinsen und zu tilgen. Volkswirtschaftliche Bedingungen ändern sich leicht von Tag
zu Tag, während naturwissenschaftliche immer gelten; deshalb ist die heut gültige
Entscheidung morgen nachzuprüfen, ob sich die volkswirtschaftlichen Bedingungen
nicht geändert haben.
Ganz besonders zu beachten ist die Zwischentemperaturverwertung bei der
Energiespeicherung. Will man Energie irgendwelcher Art, z.B. Wärme für eine Zeit
aufspeichern, wo sie günstiger verwertet werden kann, so muß man sie in den meisten
Fällen, wenn nicht gerade in eine andere Energieart verwandeln, so doch mindestens
auf einen anderen Träger überführen. Bei jeder solchen Umwandlung oder Ueberführung
geht Temperatur verloren. Es ist ein Beweis von Rateaus Gefühl für sparsame
Temperaturwirtschaft, daß er bei seinem Speicher die Druckschwankungen möglichst
klein machte. Durch die Speicherung im Rateauschen und ähnlichen Speichern gehen
schlimmsten Falles 5° verloren. Die dadurch veranlaßte Arbeitsverwüstung muß durch
den größeren Wert der Arbeit am anderen Ort oder zur anderen Zeit wieder wett
gemacht werden.
Ganz schlimm ist in dieser Beziehung der Ruths-Speicher. Ruths „geht gleich auf
das Ganze“; er speichert sehr große Mengen, aber ihm kommt es auch nicht auf
Temperaturverluste der schlimmsten Art an, Arbeitsverwüstung kümmert ihn nicht. Wenn
ein Speicher mit Dampf von z.B. 16 at und 300° gespeist wird, dem ein Verflüssiger
von 0,06 at zur Verfügung steht, so ist der Arbeitswert des zu speichernden Dampfes
(726,6 – 510,0 = 216,6) cal/kg. Der Ruths-Speicher gibt den Dampf besten Falles mit
6 at und ohne Ueberhitzung wieder. Bei demselben Verflüssiger hat dann der aus dem
Speicher wieder gegebene Dampf einen Arbeitswert von (660,0 – 500,0 = 160,0) cal/kg.
Das ist ein Arbeitsverlust von 56,6 cal/kg, d.h. der Ruths-Speicher verwüstet mehr
als ¼ des Arbeitswertes des Dampfes. Er kann nur dort verwendet werden, wo die
Arbeit nichts kostet, wo die Arbeit umsonst ist.
Der oben erwähnte osmotische Energiespeicher bedingt selbstverständlich auch
Temperaturverluste, aber infolge seiner Eigenschaften liegt dieser Temperaturverlust
im Bereich der Temperaturen, welche der Dampfmaschine nicht zugänglich sind, die
also auf jeden Fall verloren gehen würden. Innerhalb der der Dampfmaschine
zugänglichen Temperaturen bedingt der osmotische Energiespeicher keinen
Temperaturverlust; der aus ihm kommende Dampf hat genau denselben Arbeitswert wie
der durch unmittelbare Feuerung erzeugte. Der osmotische Speicher arbeitet in diesem
Sinne ohne Arbeitsverwüstung.
Jede Aufgabe aus dem Gebiet der Wärmetechnik muß zuerst unter dem Gesichtspunkt der
Temperaturwirtschaft behandelt werden. Diese hat nach den allgemeinen Naturgesetzen
zu erfolgen, wie sie die allgemeine Wärmelehre bringt. Was auf Grund dieser Gesetze
richtig ist, ist es nicht nur heut, sondern ist es stets, und muß deshalb auf seine
Volkswirtschaftlichkeit geprüft werden. Was diesen Gesetzen widerspricht,
widerspricht ihnen zu allen Zeiten und ist deshalb ohne weitere Prüfung
volkswirtschaftlich unbrauchbar.
Die Forderungen der sparsamen Temperaturwirtschaft sind nicht immer ohne
Schwierigkeit zu erfüllen. Z.B. steht dem Verlangen nach möglichst heißer
Temperatur, für den Fall, daß man beim Wasser als Vermittler der Energieumwandlung
bleiben will, die Festigkeit der Kesselwandung entgegen. Aber trotzdem ist dieses
Verlangen richtig, denn es entspricht den allgemeinen Naturgesetzen, und unter
seinem Einfluß ist die Festigkeit immer besser geworden. Unter seinem Einfluß sind
die oben erwähnten Versuche mit Kesseln für 40 und 60 at angestellt worden, während
man noch vor garnicht allzu langer Zeit einen Druck von 6 at für gefahrdrohend stark
ansah. Forderungen der Temperaturwirtschaft, die aus irgendwelchen Gründen zu einer
Zeit nicht haben erfüllt werden können, müssen von Zeit zu Zeit von neuem
aufgenommen werden, ob die neuen Verhältnisse ihre Durchführung gestatten.
Temperaturwirtschaftliche Forderungen sind die Grundlage aller wirtschaftlichen
Ueberlegungen.
Sind die temperaturwirtschaftlichen Forderungen festgelegt, so sind die
wärmewirtschaftlichen zu behandeln. Diese sind zwar auch durch Naturgesetze bedingt,
sind aber trotzdem viel wandelbarer, weil sie von der Auswahl der Stoffe abhängen.
Eine Forderung, welche mit dem einen Stoff nicht zu erfüllen ist, kann vielleicht
mit einem anderen erfüllt werden. Infolgedessen lassen sich die wärme
wirtschaftlichen Forderungen auch leichter erfüllen.
Zuletzt kommt dann die allerdings auch ausschlaggebende volkswirtschaftliche
Behandlung. Verlangen die von der Temperatur- und Wärmewirtschaft aufgestellten
Forderungen ein größeres Anschaffungsgeld, als bei dem augenblicklichen Preis der
Arbeit verzinst und getilgt werden kann, so findet sich das Anlagegeld zur
Ausführung der gemachten Vorschläge nicht und es muß an den Forderungen beider so
lange geändert werden, bis die Aufgabe volkswirtschaftlich durchführbar ist.
Zur Durchführung der von der Temperaturwirtschaft geforderten Ausdehnung des
Temperaturbereiches der Dampfmaschinen hatte die Wärme Wirtschaft die
Mehrstoffdampfmaschinen vorgeschlagen; die Volkswirtschaft hat sie aber abgelehnt,
weil sie zu viel Versuchskosten veranlassen würden. Sie hat lieber die durch
Nichtausnutzung der heißen Temperaturen entstehende Arbeitsverwüstung hingenommen;
die Erfüllung der berechtigten Forderung der Temperaturwirtschaft, den Fortschritt
zu heißeren Temperaturen, der langsamen Entwicklung des Kesselbaues überlassend.
Bei diesem großen Einfluß der volkswirtschaftlichen Ueberlegung auf den Bau von
Anlagen ist aber nicht außer Acht zu lassen, daß sich, wie schon einmal
hervorgehoben, die volkswirtschaftlichen Bedingungen von Tag zu Tag verschieben: was
heute teuer ist, kann morgen billig sein, und umgekehrt. Die Bedingungen der
Volkswirtschaft sind flüssig, die naturwissenschaftlichen Gesetze der Temperatur-
und Wärmewirtschaft sind unveränderlich fest. Deshalb ist, was die
Temperaturwirtschaft verlangt, heute so berechtigt wie morgen; was heute
volkswirtschaftlich richtig ist, braucht es deshalb noch lange nicht morgen zu
sein.
Es gab eine Zeit, wo die Volkswirtschaft es ablehnte, Wasserkräfte auszubauen, weil
in der Nachbarschaft liegende Kohlengruben die Arbeit billiger erzeugten. Wären sie
damals dennoch ausgebaut worden, so wäre das Anlagekapital heute vollständig
getilgt, sie wären schuldenfrei und könnten bei den heutigen Preisen der aus Kohle
erzeugten Arbeit vorzügliche Geschäfte machen. Damals schien der Nichtausbau
volkswirtschaftlich, heute zeigt sich, daß er volksschädlich war.
Die oben aus den augenblicklichen und örtlichen Preisen von Arbeit und Wärme
berechnete Leistungszahl ε = 40 hat eine sehr beschränkte Bedeutung. Wer will sagen,
wie der Preis der Kohle in einiger Zeit sein wird? Hat er sich geändert, dann muß
auch sofort diese Leistungszahl wieder geändert werden. Dagegen hat die aus den
physikalischen Gesetzen errechnete Leistungszahl ε = 5,46 unverändert ihre
Bedeutung, so lange Menschen leben, deren Bluttemperatur 37° ist. Die allgemein
gültigen Gleichungen müssen mit dieser aufgestellt und entwickelt werden. Für die
Anwendung muß die erstere jedesmal neu berechnet und in die Gleichungen eingesetzt
werden.
Ergebnis. Die vollständig angewendeten Gesetze der
allgemeinen Wärmelehre ergeben, daß die Energieeinheit Arbeit wertvoller ist, als
die Energieeinheit Wärme; daß Wärme und Arbeit nicht gleichwertigt sondern nur gleichmaßig sind. Daraus folgt, daß in reinen Kraftanlagen,
reinen Heizungsanlagen und in vereinigten Kraft- und Heizungsanlagen die
Verwertungszahl des Brennstoffes sehr verschieden ist. Zahlenmäßig durchgeführte und
zeichnerisch dargestellte [Beispiele lassen diese Verschiedenheit und die Gründe
dafür leicht erkennen.
Schon aus den beiden Beispielen für die vereinigte Kraft- und Heizungsanlage ergibt
sich, daß man nicht nur auf die Wärme als solche zu achten habe, sondern noch viel
mehr auf die Temperaturunterschiede, daß man sparsame Temperaturwirtschaft treiben
müsse; denn Arbeit kann nur dann aus Wärme erzeugt werden, wenn
Temperaturunterschiede vorhanden sind. Die günstigste Verwertung des Brennstoffes
erhält man in den vereinigten Kraft- und Heizungsanlagen; man solle also jeder
Heizungsanlage eine Kraftmaschine vorschalten.
An Beispielen wird gezeigt, wie der Gedanke, daß die Arbeitseinheit wertvoller ist
als die Wärmeeinheit, in der Werktätigkeit angewendet wird.
Zum Schluß wird die Notwendigkeit der Trennung der sparsamen Energiewirtschaft in
sparsame Temperaturwirtschaft und sparsame Wärmewirtschaft bewiesen, die Aufgaben
jeder von beiden genannt und das Verhältnis der volkswirtschaftlichen Bedingungen zu
den temperaturwirtschaftlichen und wärme wirtschaftlichen Gesetzen entwickelt.