Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 337, Jahrgang 1922, S. 87 |
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Polytechnische
Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Weitere Bemerkungen zur Kritik der verschiedenen Methoden
der Reinigung von Kesselspeisewasser. (Vergl. Heft 1 und 2.) Der Bedingung,
das Rohwasser vom Luftsauerstoff und freier Kohlensäure zu befreien, entspricht das
Permutit-System auch dann nicht, wenn das gereinigte Wasser vor dem Eintritt in den
Kessel in Anwärmern oder Oeconomisern auf eine mehr oder minder hohe Temperatur
erhitzt wird, weil das Wasser auf seinem Wege von dem Permutitfilter bis zum Kessel
in Rohrleitungen eingeschlossen ist, die natürlich das Entweichen der Gase
verhindern.
Bei dem Ph. Müllerschen System wird der Soda-Zusatz lediglich durch, die bleibende
Härte bedingt, muß aber, weil, der calcinierte Soda nicht 100prozentig ist, einen
Ueberschuß von ca. 10 v. H. erfahren. Die Carbonat-Härte soll nach den Angaben der
Firma durch die im Reiniger herrschenden Temperaturgrade von 70–80°, welche
teilweise aus den Bicarbonaten die Kohlensäure austreiben, im Reiniger selbst
niedergeschlagen werden. Der in den Kessel gelangende Rest der Bicarbonate wird dort
vollständig zerlegt, und der dabei sich bildende Schlamm wird durch die
continuierliche Schlammrückführung in den Reiniger zurückgebracht.
Nach der Ansicht der Mehrzahl der Chemiker findet im Kessel bei den dort herrschenden
Drücken und Temperaturen eine teilweise Zerlegung der Soda in Aetznatron und
Kohlensäure statt. Das Aetznatron gelangt dann mit dem Schlammwasser und dem darin
sich konzentrierenden Soda-Rest in den Reiniger und nimmt an Stelle von Kalk, der ja
bei diesem System nicht angewendet wird, wirksamsten Anteil an den Zersetzungen. Bei
Verwendung von Oeconomisern ist zu beachten, daß das gereinigte Wasser mit einer
Mindest-Temperatur von 40° in den Oeconomiser eintreten muß, weil sie sonst unter
den Temperaturunterschieden des kühlen Wassers und der Erhitzung der Apparate
Schaden leiden können. Bei der in Heft 2 Seite 12 durchgeführten Berechnung würde
demnach nur ein Temperaturunterschied von 3° statt 6° in Frage kommen, und diese
Differenz würde sich dann wohl durch eine höhere Ueberhitzung im Oeconomiser
ausgleichen. Von hohen Wärmeverlusten und dem entsprechenden Kohlenaufwand, der von
Seite der Anhänger des Permutit-Systems ausgerechnet wurde, kann also keine Rede
sein.
Einige Zeit lang machten die Vapor- und Gestra-Apparate, die die rein thermische Wasserreinigung bezwecken, viel von sich
reden. In der Tat wurden bei ihrer Verwendung die Kesselsteinbildner und zwar sowohl
die bleibende als auch vorübergehende Härte in zweckmäßig konstruierten Filtern, die
im Kessel-Dampf räum untergebracht sind, durch welche also das Speisewasser
durchströmen muß, niedergeschlagen und im Filter zurückgehalten, ohne daß Soda und
Glaubersalz in das Filtrat gelangen. Die frei werdenden Gase, Kohlensäure und!
Luftsauerstoff, werd%n vom Dampfstrom mit fortgerissen.
Die Erfahrung hat nun aber ergeben, daß gipshaltige Wasser dabei nicht vollständig
enthärtet werden. Denn wenn es auch zutreffend wäre, daß Gips schon bei einer
Temperatur von 150° vollständig niedergeschlagen werde, was aber von anderer Seite
bezweifelt wird, so gehört doch dazu eine längere Zeit für die Einwirkung dieser
Temperatur, die wohl in den allermeisten Fällen nicht einzuhalten ist, weil die
Kesselspeisung beinahe unausgesetzt vor sich gehen muß, also unaufhörlich neue
Mengen hartes Wasser in den Kessel eintreten. Bei einem Gipsgehalt des Wassers müßte
also jedenfalls eine vorherige Reinigung mit Soda stattfinden. Aber auch dem
vollständigen Niederschlage der Carbonathärte wird die gleiche Bedingung, daß eine
gewisse Zeit dazu nötig ist, Hindernisse bereiten.
Bei Betrieben, in denen abwechslungsweise sehr starke Dampferzeugungen gefordert
werden, überhaupt bei allen größeren Dampfanlagen, stoßen also die Forderungen einer
längeren Zeit zur Einwirkung der Wärme auf das durchströmende Wasser auf
Unerfüllbarkeit. Dazu kommt, daß bei hartem Wasser die Filter sich rasch verstopfen,
daß also das Wasser dann ungereinigt in den Wasserraum hinabströmt. Dieser
Uebelstand könnte nur durch häufige Reinigung der Filter beseitigt werden, was aber
mit Betriebsstörungen verbunden wäre.
B. Preu.
Druckfehler-Berichtigungen zum Artikel Kritik der
verschiedenen Methoden der Reinigung von Kesselspeisewasser. Heft 1, Seite 2, Absatz
1, Zeile 8 von oben, „Anfressungen“ statt „Auffressungen“. Heft 1,
Seite 3, Spalte 2, Zeile 20 von oben, „Regenerativ-Verf.“ statt
„Ragenerativ-Verf.“ Heft 1, Seite 3 Spalte 2, Zeile 15 von unten,
„Wartung“ statt „Wertung“. Heft 1, Seite 4, Spalte 1, Zeile 14 von
oben, ist vor „Härtegrad“
„bleibender“ einzuschalten.
Der Indicator Manograph OSA, Konstr. Otto Schulze. Zum
Indizieren von schnellaufenden Motoren, insbesondere von Verbrennungsmotoren, hat
sich der Indicator Manograph, Konstr. Otto Schulze, früher in Straßburg i. E.,
bestens bewährt. Die Entstehung dieses Apparates datiert bis zum Jahre 1901 zurück.
Im Jahre 1902 wurde der Indicator Manograph auf der Pariser Automobil-Ausstellung im
Betriebe vorgeführt und hat nach der vorliegenden Referenzliste seither weitgehende
Verbreitung in Automobil- und Flugzeug-Motorfabriken, Schiffswerften, technischen
Hochschulen in Europa und Amerika gefunden. Die Herstellung und der Vertrieb des
Indicator Manographen ist inzwischen der OSA Apparate-Gesellschaft m. b. H. in
Frankfurt a. M., Hohenzollernstraße 12, übertragen worden.
Das Prinzip des Indicator Manograph beruht im Wesentlichen auf der Ablenkung eines
auf einen Spiegel auffallenden und reflektierenden Lichtstrahls. Die normal
gebräuchlichen Indicatoren mit Kolben und reibendem Schreibzeug versagen bei hohen
Tourenzahlen in der Hauptsache infolge der relativ großen Masse des
Schreibzeugmechanismus. Diesen Uebelständen hilft der Indicator Manograph in
weitgehendster Art ab. Die Schrift erfolgt auf optischem Wege reibungslos. Das
Diagramm erscheint in helleuchtender ununterbrochener Linie auf dunklem Grund und
kann laufend in seiner ganzen Entwicklung übersehen werden. Die Festhaltung des
Diagramms kann auf photographischem Wege erfolgen.
Textabbildung Bd. 337, S. 88
Abb. 1 und 2.
Abb. 1 und 2 zeigen schematisch
die Anordnung des Indicator Manograph in Aufriß und Grundriß.
Die Stahlmembrane in Kapsel ist mit kurzer, wassergekühlter Rohrleitung mit dem
Motorzylinderkopf in Verbindung gebracht. Die Bewegung dieser Stahlmembrane, deren
Durchbiegung auf maximal 0,5 mm beschränkt ist, wird durch Bolzen 2 unter
Zwischenschaltung einer Balkenfeder auf den Spiegel 6 übertragen. Der Spiegelträger
selbst ist durch eine Blattfederanordnung auf den Schlitten 5, welcher um den Zapfen
4 schwingt, befestigt.
Textabbildung Bd. 337, S. 88
Abb. 3.
Die Wirkungsweise des Indicator Manograph ist folgende: Der steigende oder fallende
Druck im Motorzylinder hebt und senkt die Membrane, wobei sich die Winkelstellung
des Spiegels zur Mattscheibe entsprechend ändert. Diese Aenderung in der vertikalen
Winkelstellung des Spiegels gegen die Lichtquelle L verzeichnet sich durch einen
leuchtenden Punkt in der Vertikalen auf der Mattscheibe und dieser leuchtende Punkt
gibt den jeweiligen Druck im Motorzylinder an. Die horizontale Aenderung der
Spiegelstellung zur Lichtquelle wird durch einen im Schlitten untergebrachten
Kurbelmechanismus bewirkt. Dieser Kurbelmechanismus des Indicators wird mit dem des
Motors durch ein rotierendes Gestänge, wie in Abb. 4
ersichtlich, in Verbindung gebracht. Um einrichtiges Diagramm zu erzeugen, muß
Phasengleichheit vorhanden sein, d.h. das Kurbelverhältnis im Indicator muß mit dem
am Motor übereinstimmen. Zu diesem Zwecke kann der Kurbelmechanismus im Indicator
von 1 : 4 bis 1 : 6 verändert werden, welche Aenderungsmöglichkeit sich in der
Praxis als ausreichend erwiesen hat.
Abb. 3 zeigt die praktische Anordnung des Indicators
Manograph für einen Vierzylindermotor einschließlich des Trägers L und
herausragender Transmission der Kurbelbewegung. An diesem Transmissionsgestänge ist
bei M die Einstellvorrichtung zwischengeschaltet, vermittelst welcher der Gang des
Indicators mit dem des Motors, während des Betriebes, in Uebereinstimmung gebracht
werden kann.
Abb. 4 zeigt die schematische Montage des Indicator
Manograph an einem Vierzylindermotor. Die Kurbeltransmission ist in dieser Abb. an
die Steuerwelle gekuppelt. Erschütterungen des Motors haben auf die Funktion des
Indicators keinen Einfluß. Der Indicator Manograph kann für Motore bis zu 3000
Umdrehungen p. Minute und darüber benutzt werden. Die Länge des Diagramms ist 70 mm
auf der Mattscheibe und erscheint in helleuchtender, ununterbrochener Linie. Soll
die Diagrammkurve festgehalten werden, so wird anstelle der Mattscheibe eine
Kassette mit hochempfindlicher Trockenplatte 9 × 12 cm eingesetzt. Für die
photographische Aufnahme sind die Einsteckrohre E, F, G und H der Lichtquellen mit
Momentschalter versehen.
Zum Indizieren von Automobil- und Flugmotoren hat sich der Maßstab von 3 mm für das
kg Druck am zweckmäßigsten erwiesen; für Dieselmotore empfiehlt sich ein Maßstab von
2 mm. Zur Vorkontrolle des Motors in angetriebenem Zustande, zur genauesten Feststellung der
effektiven Kompression sowie des Unterdrucks bei der Gasansaugung bewährt sich ein
besonderer Indicator Manograph mit 10 mm Maßstab.
Textabbildung Bd. 337, S. 89
Abb. 4.
Abb. 5 zeigt ein normales Arbeitsdiagramm in
verkleinerter Größe mit 3 mm Maßstab, während Abb. 6
eine Kompressions- und Unterdruckkontrolle mit Maßstab von 10 mm zeigt. In letzterem
Diagramm ist auch die im Betriebe des Motors gezogene atmosphärische Linie
sichtbar.
Textabbildung Bd. 337, S. 89
Abb. 5.
Textabbildung Bd. 337, S. 89
Abb. 6.
Der Indicator Manograph wird für Einzylinder- und Mehrzylinder-Motoren geliefert. Für
Mehrzylinder-Motoren empfiehlt sich auch, entsprechende Mehrfach-Indicatoren
anzuwenden, um von sämtlichen Zylindern gleichzeitig die Diagramme beobachten und
festhalten zu können. Arbeiten alle Zylinder gleichartig, so müssen auch alle
Diagramme gleichartig erscheinen. Da dem Beobachter stets die ganze Diagrammkurve
sichtbar vorschwebt, so ist der Arbeitsprozeß auch in seinem ganzen Verlauf
verfolgbar und Mängel sind in der Ansaugung, Kompression – Zündung oder in der
Ventilfunktion sofort erkennbar. Für Demonstrationszwecke wird ein besonderes
Einsteckrohr mit Projektionsobjektiv eingesetzt, vermittelst welchem die Diagramme
bis zu 500 mm Länge vorgeführt werden können.
Die Anwendung der optischen Pyrometer im praktischen
Betriebe. Im Hochofen-, Stahlwerks- und Gießereibetrieb übt die
Gießtemperatur einen bemerkenswerten Einfluß auf die Güte der Erzeugnisse aus. Es
erscheint demnach ungerechtfertigt, daß man die Temperatur in vielen Fällen
lediglich durch Abschätzen zu ermitteln sucht. Auch die Benutzung von
Thermoelementen gibt oft zu Beanstandungen Veranlassung. Sie ist in Stahlwerken
infolge der dort auftretenden hohen Wärmegrade ausgeschlossen. Als Ersatz kann ein
optisches Pyrometer dienen. Es beruht auf dem Gesetze, daß ein hocherhitzter Körper
um so helleres Licht ausstrahlt, je höher seine Temperatur ist. Bei der Benutzung
optischer Pyrometer betrachtet man die von dem zu messenden Körper ausgehende
Gesamtstrahlung durch ein Glasfilter, das nur Licht von einer Wellenlänge
hindurchläßt. Sodann regelt man die Strahlung einer Glühlampe so lange ein, bis
diese die gleiche Helligkeit wie der zur Untersuchung gelangende Körper zeigt. Die
Größe der Regelung ermöglicht die Bestimmung der Temperatur. Nach der Art der
Regelung unterscheidet man die Pyrometer von Wanner und
von Holborn-Kurlbaum. Bei ersteren beobachtet man
polarisiertes Licht durch ein Nicol. Die Helligkeit kann durch Drehung des
Analysator-Nicols verändert werden. Die Größe der Drehung bildet das Maß. Beim
Holborn-Kurlbaum-Pyrometer verändert man den Strom, der die Vergleichsglühlampe
speist. Wenn deren Helligkeit mit der des zu messenden Körpers übereinstimmt, stellt
man die erforderliche Stromstärke fest und findet auf diesem Wege das gesuchte
Ergebnis. Bei den beiden beschriebenen Pyrometern ist die Meßvorrichtung mit einem
Fernrohre vereinigt. Unter Umständen bereitet es bei Verwendung des
Wanner-Pyrometers Schwierigkeiten, einen sich bewegenden Körper zu verfolgen, da man
im Instrument nicht den Gegenstand selbst, sondern das polarisierte Licht sieht. Ein
solcher Uebelstand entfällt bei den Holborn-Kurlbaum-Pyrometern. Sofern man diese
benutzt, erblickt man den Körper infolge des astronomischen Ferngrohres auf dem
Kopfe stehend. Die Vorrichtung wird so eingestellt, daß sich die Spitze des Fadens
der Glühlampe auf der zu messenden Stelle des Gegenstandes befindet. Die Regelung
muß so lange fortgesetzt werden, bis die Spitze verschwindet. In diesem Falle hat
sie nämlich dieselbe Helligkeit wie der untersuchte Körper. Leider geben die den
Pyrometern beiliegenden oft mißverständlichen Gebrauchsanweisungen vielfach
Veranlassung zu unrichtigen Messungen. Deren physikalische Grundlagen müssen stets
im Auge behalten werden. Die Instrumente zeigen nämlich nur die Temperatur an, die
ein „optisch schwarzer“ Körper hat, wenn er die gleiche Helligkeit wie der
zur Untersuchung kommende Gegenstand ausstrahlt. Optisch schwarze Körper gibt es nun
allerdings nicht. Indessen strahlt auch ein Gegenstand, der sich in einem Raume
befindet, welcher mit ihm dieselbe Temperatur hat, die Helligkeit aus, die er
empfängt, und erfüllt somit die Bedingungen der schwarzen Körper. Wenn die Umgebung
eines Gegenstandes eine geringere Temperatur als dieser hat, so sendet er weniger
Strahlen aus als seinem Wärmegrade entspricht. Dies findet z.B. bei flüssigem Eisen
statt, das außerhalb des Ofens gemessen wird. Man muß in diesem Falle die wahre
Temperatur aus der schwarzen Temperatur errechnen.
Leider sind die optischen Messungen nicht registrierbar. Man kann diesen Nachteil
beseitigen, indem man einen Teil der von dem heißen Gegenstande ausgehenden
Wärmestrahlen durch einen Hohlspiegel oder ein Linsensystem auf der Lötstelle eines
kleinen Thermoelementes sammelt. Dessen Strom wird durch ein registrierendes Millivoltmeter
bestimmt. Schwierigkeiten entstehen bei Anwendung derartiger Vorrichtungen dadurch,
daß der Brennpunkt genau eingestellt werden muß. Zu dieser Einstellung ist eine
gewisse Zeit erforderlich. Für die Temperaturbestimmung bei fließendem Stahl kommen
die letztgenannten Vorrichtungen somit nicht in Frage. Nicht unerwähnt möge es
bleiben, daß Staub und Dämpfe einen Teil der Strahlung absorbieren. Sie lassen daher
den Wärmegrad als zu niedrig erscheinen. Demgegenüber mißt man zu hohe Temperaturen,
wenn der beobachtete Körper von hellen Flammen bestrahlt wird. Bei der Untersuchung
eines fließenden Metallstrahles visiere man die Mitte an. Die Ränder zeigen meist
einen etwas geringeren Wärmegrad. Im Gießereibetrieb ist die Temperatur von
ausschlaggebender Bedeutung für die Graphitausscheidung und das Bruchgefüge. In noch
höherem Maße macht sich in Stahlwerken der Einfluß der auftretenden Wärmegrade
bemerkbar. Unter anderem wirkt er wesentlich auf die Makrostruktur ein. Mit Vorteil
lassen sich optische Pyrometer zur Ueberwachung des Ofenganges in Stahlwerken
verwenden. Man kann beispielsweise mit ihrer Hilfe den Temperaturabfall in der
Umsteuerperiode messen und beim Auftreten von Unregelmäßigkeiten deren Ursache
finden, indem man die Kammertemperatur feststellt. Auch ist ein Vergleich des
Ofenganges bei Verwendung verschiedener Gase möglich. Beachtenswert ist es, daß im
Auslande, insbesondere in Amerika, die Pyrometrie weit mehr Fortschritte gemacht hat
als in Deutschland. Es wäre daher an der Zeit, diesen Vorsprung einzuholen. Im
Inlande baut die Siemens-Halske A.-G. sowie die A. E. G. die oben beschriebenen
Holborn-Kurlbaum-Pyrometer. (Karl Daeves in Stahl und Eisen 1922, Nr. 4.)
Schmolke.
Versuche mit Gasbrennern an Kesseln und Cowpern. Um die
Frage zu klären, welche Brenner unter bestimmten Verhältnissen für die Ausnutzung
der Hochofengase am zweckmäßigsten sind, wurden im Eisen- und Stahlwerk Hoesch
Vergleichsversuche an einer Kesselgruppe vorgenommen. Man rüstete sie mit Brennern
verschiedener Systeme aus. Zur eingehenden Prüfung gelangten aber nur die
Vorrichtungen von Terbeck, Moll und Eickworth. Bei der erstgenannten tritt das Gas durch eine ringförmige Düse
in den Mischraum ein und saugt infolge seiner Strömungsenergie die durch ein
Tellerventil zuströmende Verbrennungsluft an. Infolge einer kegeligen Verjüngung des
Mischrohres erfährt das ausströmende Gas-Luftgemisch eine derartige Vergrößerung der
Austrittsgeschwindigkeit, daß ein Zurückschlagen der Flamme nicht zu befürchten ist.
An der Verbrennungsstelle tritt durch Schlitze Sekundärluft hinzu. Eine Regelung der
Luftzufuhr kann durch Verstellen des Tellerventils sowie der Schlitze bewirkt
werden. Beim Moll-Brenner wird der Gasstrom durch Anordnung einer größeren Anzahl
von Mischrohren und Düsen unterteilt. Das Gas tritt durch die innere Düse in ein
Mischrohr ein, an dessen Ende die Verbrennung mit Zusatzluft erfolgt. Auch in diesem
Falle wird die Menge der durch die Strömungsenergie des Gases angesaugten Luft von
der Hand geregelt. Man erkennt somit, daß die beschriebenen Vorrichtungen nach dem
Vorbilde der Bunsenbrenner gebaut sind. Dies ist beim Eickworth-Brenner nicht der
Fall. Hier treten Primärluft und Gas aus dem gleichen, ringförmigen Querschnitt aus.
Dieser ist in der Weise unterteilt, daß abwechselnd hintereinander zwei Oeffnungen
für Luft und zwei für Brennstoff liegen. Die Sekundärluft wird durch weitere
Oeffnungen zugeführt, die sich innerhalb des ringförmigen Querschnitts befinden. Vor
den Luft- und Gasöffnungen dreht sich ein Schaufelrad, Dasselbe zerschneidet den
Brennstoff-Luftstrom ständig in einzelne kleine Teile. Es findet infolgedessen
elfte innige Mischung statt. Ueberdies lagern sich in jeder Schaufelzelle bei der
schnellen Drehung des Rades Gas- und Luftteilchen hintereinander. Hierdurch ist die
Möglichkeit einer weitgehenden, selbsttätigen Regelung geschaffen. Es befindet sich
nämlich im Schaufelraume immer ein Luftteilchen zwischen zwei Gaskolben. Verringert
sich nun der Druck des Brennstoffes und somit die strömende Energie der Gaskolben,
so erstreckt sich diese Aenderung ohne Weiteres auch auf die geförderte Luftmenge.
Ferner erhalten Gas und Primärluft durch die Richtung der Austrittsöffnungen in dem
ringförmigen Querschnitt einen Drall, der ein Ansaugen der Sekundärluft bewirkt, Der
Eickworth-Brenner bedarf also, wie aus dem Gesagten hervorgehen dürfte, keiner
sorgfältigen, der Gaszufuhr entsprechenden Luftregelung. Ein Wechsel der Drehzahl
des Schaufelrades bewirkt vielmehr Selbsttätig eine Veränderung der Luftzufuhr. Es
ist daher nicht erstaunlich, daß die Verwendung des Eickworth-Brenners zu besonders
günstigen Ergebnissen führte. Es zeigte sich, daß schon bei einer Gasmenge von 750
m3 eine gute Verbrennung mit 21 v. H.
Kohlensäuregehalt stattfand. Bei 1700 m3 wurde der
nach der Zusammensetzung der Giftgase höchste erreichbare Kohlensäuregehalt von 24
v. H. erzielt. Dann sank die Güte der Verbrennung allmählich. Beim Moll-Brenner
betrug die Menge der Kohlensäure in den Verbrennungsprodukten 21 v. H., wenn die
Gasmenge eine Steigerung auf 1000 m3 erfahren
hatte. 22,5 v. H. wurden bei 1150 m3 erreicht.
Dann trat eine Verschlechterung ein. Bei Benutzung des Terbeck-Brenners erzielte man
21 v. H. CO2, wenn die Gasmenge 1200 m3 betrug, und 22,5 v. H. CO2 bei einem Verbrauche von 1450 m3. Wurde der letztgenannte Wert überschritten, so
fand sofort wieder eine Abnahme des Gütegrades der Verbrennung statt. Wenn man beim
Eickworth-Brenner die Schaufelzahl des Rades verminderte, so trat ein schnelles
Sinken des Gehaltes an Kohlensäure ein, weshalb der Nutzen dieser Vorrichtung als
erwiesen gelten dürfte.
Außer den Vergleichsversuchen an Dampfkesseln nahm man auch an Cowpern eine
Untersuchung von Brennern verschiedener Art vor. Zur Prüfung gelangten die
Vorrichtungen von Dingler und Eickworth. Ueberdies wurde ein Cowper in der gewöhnlichen Weise beheizt.
Beim Dingler-Brenner wird die Primärluft von der strömenden Energie des Gases und
dem Auftrieb im Winderhitzer durch ein zentrales Rohr angesaugt. Dieses ist in
Richtung seiner Längsachse verschiebbar und vorn kegelförmig erweitert, so daß durch
Hereindrehen des Rohres die ringförmige Gaseintrittsöffnung geschlossen und eine
Regelung der Brennstoffzuführung erfolgen kann. Im äußeren Ende des Luftrohres ist
eine Drosselklappe, die sich selbsttätig beim Hereindrehen des Rohres schließt.
Sekundärluft tritt am Umfange des Mischrohres in den Cowperschacht. Durch dessen
Wand ist ein Zündrohr geführt, welches die Inbetriebsetzung des Brenners ermöglicht
und während der Heizdauer eine Ueberwachung von außen gestattet. Das Mischrohr ist
in Richtung des Brennschachtes gekrümmt, um zu verhindern, daß die auftretenden
Stichflammen das Mauerwerk des Winderhitzers beschädigen. Man erzielte im
Dingler-Brenner eine Ausnutzung des Brennstoffes von 67,5 v. H. Letztere betrug 64
v. H. beim Eickworth-Brenner, der für Kessel und Cowper etwa die gleiche Bauform
zeigte. Wenn man in üblicher Weise das Gas in den Schacht treten, sich dort mit der
aus 2 Klappen strömenden Luft vermischen und auf dem Wege zur Kuppel verbrennen
ließ, so sank die Ausnutzung des Heizwertes der Giftgase auf 56,3 v. H. Eine recht umfangreiche
Einrichtung wird neuerdings in Amerika zum Zwecke der Cowper- und Kesselbeheizung
getroffen. Die durch einen Ventilator unter Druck gesetzte Luft tritt von oben, das
Gas nach Durchströmen eines Absperrventils von unten in den Brenner ein. Die
Austrittsflächen von Gas und Luft sind durch viele Rippen unterteilt und die so
entstehenden Oeffnungen gegen einander derart versetzt, daß sich Luft- und
Brennstoff unter einem rechten Winkel strahlenförmig zerschneiden. Eine innige
Mischung wird hierdurch hervorgerufen. Zur Erzielung eines gleichen Druckes in Luft-
und Gaskammer dient ein Regler. Er besteht in der Hauptsache aus 2 Tauchglocken, die
sich in Verbindung mit dem Gas- bzw. dem Luftraume befinden. Die Drosselklappe für
Luft wird durch den Regler mit Hülfe eines Druckwasser-Servomotors entsprechend der
Spannung des Gases eingestellt. Ob diese beträchtlichen Raum beanspruchende Form der
Regelung praktisch ist, erscheint fraglich. Große Schwankungen in der Gasversorgung
wird sie doch nicht ausgleichen können. Tritt ernstlicher Brennstoffmangel ein, so
muß man vermutlich sets zum Abhängen irgend einer Verbrauchsstelle schreiten.
(Weymann in Stahl und Eisen, Nr. 6.)
Schmolke.
Gewinnung von Alkohol aus Koksofengas. Aus England wurde
in der letzten Zeit wiederholt berichtet, daß man dort in Gaswerken und Kokereien
die Gewinnung von Alkohol aus dem Steinkohlengas einzuführen beabsichtige und daß
man den auf diesem Wege gewonnenen Spiritus in Mischung mit Benzol als Betriebsstoff
für Kraftwagenmotoren verwenden wolle, um den Benzinmangel zu mildern. Die
technische Möglichkeit der Alkoholgewinnung aus Steinkohlengas ist schon lange
bekannt, und es wurden bereits in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts
eingehende Untersuchungen hierüber in einer westfälischen Kokerei ausgeführt. Das
Verfahren, das in der Folge in Vergessenheit geriet und erst im Laufe des Krieges
wieder Beachtung fand, beruht auf der Auswaschung des im Steinkohlengas enthaltenen
Aethylens mit Hilfe von starker Schwefelsäure und der nachfolgenden Zersetzung der
hierbei gebildeten Aethylschwefelsäure in Aethylalkohol und Schwefelsäure. Die
Durchführung dieser beiden Prozesse bietet technisch keine sonderlichen
Schwierigkeiten, indessen ist die Frage der Wiedergewinnung der Schwefelsäure sowie
des Wärmeaufwandes namentlich bei dem zweiten Prozeß, der Zersetzung der
Aethylschwefelsäure, für die Wirtschaftlichkeit des ganzen Verfahrens entscheidend.
Auf diesen Umstand ist es hauptsächlich zurückzuführen, daß die seinerzeit in
Westfalen unternommenen Versuche nicht zur Anwendung des Verfahrens in der
Kokereipraxis führten, und auch aus den neuerdings in England erschienenen
Veröffentlichungen ist nicht zu ersehen, ob es bei dem heutigen Stande der Technik
möglich ist, die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens so zu verbessern, daß seine
Einführung sich empfiehlt.
Aus diesem Grunde haben Thau und Bertelsmann alle Einzelheiten des Verfahrens einer nochmaligen gründlichen
Nachprüfung unterzogen, worüber sie in der Zeitschrift „Glückauf 1921“, Heft
9 und 10, ausführlich berichten. Die benutzte Versuchsanlage war an einem 1000 cbm
fassenden Gasbehälter angeschlossen, der von Benzol und Schwefelwasserstoff
befreiten Koksofengas enthielt. Der Aethylengehalt des Gases betrug 2,2 v. H., zur
Waschung des Gases dienten 2 hintereinander geschaltete Eisenzylinder von 2 m Höhe
und 50 cm lichter Weite, die innen ausgebleit und zu drei Vierteln ihrer Höhe mit
Quarzbrocken gefüllt waren. Über diese rieselte aus einem Hochbehälter ständig
Schwefelsäure von 66° Be, während das Gas den entgegengesetzten Weg nahm. Die beiden
Wäscher waren ferner mit Heizmänteln versehen, so daß die Absorption des Aethylens
auch bei erhöhter Temperatur vorgenommen werden konnte. Da es für die Erzielung
einer guten Absorption des Aethylens wichtig ist, daß das Gas frei von Wasserdampf
ist, wurde das Gas zunächst in einem ganz ähnlichen, aber mit nur 60grädiger
Schwefelsäure berieselten Wachszylinder von jeglicher Feuchtigkeit befreit. Zwischen
diesem Trockner und den beiden Waschtürmen war eine mit Dampf beheizte
Wärmeaustauschvorrichtung eingeschaltet, mit deren Hilfe die Gastemperatur nach
Wunsch geregelt werden konnte. Die Versuche wurden bei Temperaturen von 60 bis 135°
C ausgeführt, wobei sich ergab, daß die günstigste Absorptionstemperatur zwischen 70
und 80° liegt, das die Apparate verlassende Gas enthielt in diesem Falle noch 0,7 v.
H. Aethylen. Wurde die Absorptionstemperatur über 90° gesteigert, so war die
Auswaschung zwar vollständiger, zugleich trat aber eine Zersetzung des Aethylens
ein, die sich durch Braunfärbung der Säure und durch Aetherbildung zu erkennen gab.
Bei einer Temperatur von 70° wurden auf 1 cbm Gas 20,7 g absoluter Alkohol gewonnen,
was einer Ausbeute von 5,85 kg Alkohol aus 11 Kohle entspricht. Weiter wurde
festgestellt, daß zur Absorption des Aethylens auf 1 cbm Gas 1,2 kg frische
Schwefelsäure gerechnet werden muß. Die gewonnene Aethylschwefelsäure wurde mit dem
dreifachen Volumen Wasser verdünnt und hierauf destilliert, wobei der Alkohol
überging, allerdings nicht in chemisch reinem Zustand, da er je nach der bei der
Absorption des Aethylens innegehaltenen Temperatur nach Aether bezw. nach Pyridin
roch und schmeckte.
Bezüglich des Wärmeverbrauchs konnten an der kleinen Versuchsanlage keine auf den
Großbetrieb übertragbaren Messungen angestellt werden. Dagegen kommt man bei näherer
Betrachtung der für die einzelnen Operationen des Verfahrens erforderlichen
Wärmemengen zu dem Ergebnis, daß zwar der durch die Entziehung des Aethylens
bedingte Heizwertverlust des Gases und die zu seiner Erwärmung auf die günstigste
Absorptionstemperatur notwendige Wärmemenge unbedeutend sind, daß aber die dauernde
Erwärmung der Schwefelsäure auf 80°, das Abtreiben des gebildeten Alkohols, sowie
vor allem die Regeneration der Säure einen so großen Wärmeaufwand beanspruchen, daß
die wirtschaftliche Durchführung des Verfahrens nur dort möglich ist, wo große, für
andere Zwecke nicht verwertbare Wärmemengen vorhanden sind. Weit günstiger lägen die
Verhältnisse, wenn es gelänge, die zur Auswaschung des Aethylens erforderliche
Schwefelsäure im eigenen Betriebe aus dem im Koksofengase enthaltenen
Schwefelwasserstoff herzustellen.
Sander.
Neue Kalorimeterbombe aus Chrom-Nickelstahl. Die bisher
zur Heizwertbestimmung von festen und flüssigen Brennstoffen benutzten
Kalorimeterbomben waren zum Schütze gegen die bei der Verbrennung gebildete
Salpeter- und Schwefelsäure innen meist mit einem Emailüberzug versehen, während die
Präzision-Instrumente mit Platinblech ausgekleidet waren. Beide Ausführungen waren
außen vernickelt, um ein Rosten der Bombe im Kalorimeterwasser zu verhindern. Die
Platinauskleidung kommt heute wegen ihres unerschwinglichen Preises nicht mehr in
Betracht, die Emailauskleidung hat jedoch den Nachteil, daß sie im Betriebe leicht
beschädigt wird und dann nicht mehr erneuert werden kann, da be)m Aufbrennen einer
neuen Emailschicht ein Verziehen des Gewindes unvermeidlich ist.
Man war daher schon seit längerer Zeit bemüht, eine säurefeste Legierung
ausfindig zu machen, bei der jeder Schutzüberzug entbehrlich ist. Ein solches
Material ist nunmehr in dem Kruppschen V2A-Chrom-Nickelstahl gefunden, der sowohl
rostfrei als auch säurebeständig ist. Infolgedessen kann bei der Verwendung dieses
Materials nicht nur die innere Schutzschicht, sondern auch der äußere Nickelüberzug
der Kalorimeterbombe wegfallen. Die neue Ausführung der Kalorimeterbombe besteht
vollständig aus dem säurefesten Stahl, lediglich das bis fast auf den Boden
reichende Röhrchen für die Zuführung des Sauerstoffs mußte aus Silber gefertigt
werden, da es bisher noch nicht gelungen ist, enge gebogene Röhren aus dem
Sonderstahl herzustellen. Eingehende Versuche, die Prof. Roth von der Technischen
Hochschule in Braunschweig mit diesem neuen Bombenmodell ausgeführt hat, ergaben der
„Zeitschrift für angewandte Chemie“ 1921, S. 537, zufolge, daß bei jeder
Verbrennung im Mittel nur 0,2 mg Eisen, dagegen Nickel überhaupt nicht in Lösung
geht und daß diese geringe Eisenmenge das Ergebnis der Verbrennung in keiner Weise
beeinflußt. Bei Verbrennung schwefelreicher Stoffe ging zwar etwas mehr Eisen in
Lösung, doch zeigte sich, daß die Angreifbarkeit des Stahles mit der Dauer der
Benutzung abnimmt, so daß nach längerem Gebrauch der Bombe auch Stoffe mit höherem
Schwefelgehalt fehlerfrei verbrannt werden können. Für die praktisch in Frage
kommenden Brennstoffe, auch schwefelreiche Kohle, Koks und Treiböl, kann die
Verwendung der neuen Kalorimeterbombe aus homogenem Stahl somit ohne jeden Vorbehalt
empfohlen werden. Die Bombe wird mit zwei Ventilen ausgerüstet, um an die
Verbrennung die in der Praxis gebräuchlichen Analyse der Verbrennungsgase
anschließen zu können.
Sander.
Neue Vorschläge zur Verarbeitung des Ammoniaks. Unter dem
Titel „Veredelung des Kalkstickstoffs“ macht J. Baumann eine Reihe
beachtenswerter Vorschläge zur Weiterverarbeitung des aus dem Kalkstickstoff
abgespaltenen Ammoniaks. Die Bindung des Ammoniaks an freie Schwefelsäure scheidet
Verf. dabei von vornherein aus, ebenso die Umsetzung mit Gips. Das salpetersaure
Ammonium kommt abgesehen von seiner Gefährlichkeit und seiner hygroskopischen
Eigenschaften um deswillen nicht in Betracht, weil der Landwirt die getrennte
Verwendung von Ammoniakstickstoff und Salpeterstickstoff liebt. Das Gleiche gilt für
das phosphorsaure Ammonium, obwohl auch dieses Salz ein ausgezeichnetes Düngemittel
wäre. Das Chlorammonium hat sich erst in letzter Zeit als Düngemittel eingeführt,
weil sich die Landwirtschaft früher gegen die Verwendung von Chloriden ablehnend
verhielt. Die billige Herstellung dieses Salzes ist durch die Verknüpfung des
Ammoniaksodaprozesses mit der Kalkstickstoff Herstellung möglich; für diese
Kombination, die in den letzten Jahren verschiedentlich zur Ausführung gelangt ist,
hat Verf. bereits im Jahre 1911 die wirtschaftlichen Unterlagen berechnet, die er
eingehend an Hand der damals ermittelten Zahlen darlegt. Danach erweist sich diese
Kombination als recht vorteilhaft, weil das in dem Kochsalz enthaltene, bisher
verloren gegangene Chlor durch die Bindung an Ammoniak nutzbringend verwertet wird
und überdies die beträchtlichen Kalkmengen, die bisher zur Wiedergewinnung des
Ammoniaks aus den Chlorammoniumlaugen notwendig waren, erspart werden.
Das Chlorammonium eignet sich ferner sehr gut zur Herstellung von Mischdüngern mit
Superphosphat. Versuche in dieser Richtung ergaben, daß auch nach längerer Lagerung
die Mischung staubtrocken und von gutem Aussehen war; der Gehalt an unlöslicher
Phosphorsäure war sogar nicht unwesentlich zurückgegangen. Bezüglich der Herstellung
von Harnstoff ist Verf. der Ansicht, daß diese Umwandlung schon aus Rücksichten auf
die umfangreiche Apparatur nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der
Kalkstickstofferzeugung in Frage kommen dürfte. Dagegen hält er die Ueberführung des
Ammoniaks in Bikarbonat (NH4 HCO3) für die beste Lösung der gestellten Aufgabe, weil
dieses Salz sehr einfach herzustellen ist und sehr vorteilhafte Eigenschaften
besitzt. Die Herstellung könnte in einem Turm, ähnlich wie er zur Fabrikation von
Ammoniaksoda benutzt wird, erfolgen, indem Ammoniak mit Kalkofen-Kohlensäure
zusammengebracht und der Niederschlag auf einem Trommelfilter gesammelt wird,
während die abfließende konzentrierte Ammoniumbikarbonatlösung in den Prozeß
zurückkehrt. Nur die Trocknung des Salzes ohne Verlust bereitet einige
Schwierigkeiten. Die Vegetationsversuche mit diesem Salz fielen sehr günstig aus,
die Wirkung war die gleiche wie bei dem Ammonsulfat, dazu hat sich auch der
Kohlensäuregehalt des Salzes als sehr vorteihaft für die Stengel- und Blattbildung
erwiesen. Zur Herstellung von Phosphorsäure-Mischdüngern ist dieses Salz im
Gegensatz zum Chlorammonium allerdings nicht verwendbar. (Chem.-Ztg., 44. Jahrg., S.
158–159).
Sander.
Wiederbenutzung entwerteter Heeres-Stahlflaschen. Um die
Heeres-Stahlflaschen unbrauchbar zu machen, mußten diese auf Anordnung der
Kontrollkommission der Entente mit einem Loch von 30–40 mm Durchmesser versehen
werden. Eine Reihe von Händlerfirmen, die diese gelochten Flaschen aufgekauft haben,
hat nun versucht, die eingebrannten Löcher auf ein bestimmtes Maß zu bringen, ein
feingängiges Gewinde hineinzuschneiden, in dieses einen mit dem gleichen Gewinde
versehenen Stöpsel hineinzudrehen, zu verschweißen und sauber zu verfeilen, so daß
die ausgebesserte Stelle kaum wahrnehmbar ist. Die auf diese Weise wieder
gebrauchfähig gemachten Stahlflaschen sollten, wie die Zeitschrift „Karbid und
Azetylen“ 1921, S. 89, berichtet, als Sauerstoffflaschen Verwendung
finden.
Zu dieser Angelegenheit, hat der Preußische Minister für Handel und Gewerbe Stellung
genommen und in einem Erlaß darauf hingewiesen, daß derart ausgebesserte
Stahlflaschen nicht als nahtlose Behälter im Sinne der Polizeiverordnung über den
Verkehr mit verflüssigten und verdichteten Gasen anzusehen sind und daher zum
Verkehr nicht zugelassen werden dürfen. Da die ausgebesserte Stelle angeblich schwer
aufzufinden ist, werden die mit der regelmäßigen Prüfung von Stahlflaschen betrauten
Dienststellen angewiesen, alle aus Militärbeständen stammenden Stahlflaschen vor der
Stempelung sorgfältig zu untersuchen, ob sie etwa in der oben angegebenen Weise
ausgebessert worden sind. Die Heeres-Stahlflaschen haben bekanntlich kleinere
Abmessungen (etwa 136 cm Länge und 20 cm Durchmesser) als die sonst gebräuchlichen
Stahlflaschen. Angesichts der in den letzten Jahren wiederholt vorgekommenen
schweren Explosionen ist also in jedem Falle bei der Benutzung dieser kleineren
Stahlflaschen größte Vorsicht geboten.
Sander.
Motorschiffbau im Jahre 1921. Das Jahrbuch 1921 von Lloyds
Register über englischen und ausländischen Schiffbau berücksichtigt seit Beginn des
Krieges zum ersten Male wieder den deutschen Schiffbau. Im Jahre 1920 war die
Schiffbautätigkeit im allgemeinen lebhaft, im Jahre 1921 dagegen nahm die Zahl der
Schiffsneubauten merklich ab, und zwar in allen Schiffbau treibenden Ländern, besonders aber in
Amerika. Deutschland dagegen macht hier eine Ausnahme. In der ganzen Welt liefen im
Jahre 1921 von Stapel: 1377 Schiffe mit 4341679 Br.-R.-To., hiervon waren 105
Schiffe Motorschiffe mit 293247 Br.-R.-To. Hierzu kommen noch 31 kleinere aus Holz
gebaute Motorschiffe mit 13395 Br.-R.-To. Die Motorschiffe wurden in den folgenden
Ländern hergestellt:
Anzahl
Br.-R.-To.
GroßbritannienKanadaHongkongVereinigte
Staaten, Atlantische Küste „ „
Pacific-Küste „ „ Große
SeenDänemarkDeutschlandHollandItalienNorwegenSchwedenAndere
Länder
28 1 1 6 3 5 13 22 9 5 2 8 2
102356 388 167 20693 10940 7200 44828 33333 13988 13561 9930 34729 1134
105
293247
Neben Großbritannien hat Dänemark den größten Raumgehalt an Motorschiffen gebaut. Die
beiden größten dänischen Motorschiffe haben einen Rauminhalt von je 8700 t.
Am 31. Dezember 1921 waren in den folgenden Ländern Motorschiffe im Bau:
Anzahl
Br.-R.-To.
GroßbritannienVereinigte
StaatenBrasilienDänemarkFrankreichHollandItalienNorwegenSchwedenAndere
Länder
37 3 1 8 11432 51613
188396 19145 2170 30425 4617 13460 30373 14220 60347 5341
Wimplinger.
Das Auswuchtproblem schnellumlaufender Massen unter
Berücksichtigung des Lokomotiv- und Waggonbaues. (Dr.-Ing. Heymann in der Deutschen Maschinentechnischen
Gesellschaft am 21. März 1922.) Dem Vortrage entnehmen wir folgendes: Das
Auswuchtproblem befaßt sich mit der Beseitigung der Vibration und deren
Begleiterscheinungen an rasch rotierenden Massen. Im Lokomotiv- und Waggonbau ist
das Problem für Radsätze, Triebachsen, Laufachsen, gekuppelte Achsen,
Elektromotorenanker, Kuppelungen, Zahnräder usw. von Interesse. Die
Massenverlagerungen und deren Folgeerscheinungen werden vom Praktiker mit dem
Sammelwort „Unbalanz“ bezeichnet. Zunächst wird eine einwandfreie Definition
des Unbalanzbegriffes aufgestellt. Danach wird zwischen statischer, dynamischer und
allgemeiner Unbalanz unterschieden. Auf Grund dieser Definition wird gezeigt, daß
die heute noch weit verbreitete Methode der statischen Balanzierung mittels
Schneiden, Rollen, Schwerpunktswagen und ähnlichen Apparaten als Unbalanz ein
Zufallsprodukt voraussetzt, und daß mithin das Gelingen des Massenausgleichs mittels
derartiger Apparate ebenfalls vom Zufall abhängig ist. Im Anschluß an diese
Beweisführung werden die Folgeerscheinungen der Unbalanz kurz gestreift. Es sind
dies in erster Linie die Vibrationen und Erschütterungen, die Lockerung von
Sicherungen, Passungen usw., lästige Geräusche, Klemmungen und erhöhte Lagerreibung
und somit eine Erhöhung des Antriebsenergiebedarfs, Inkonstanz der Drehzahl u.a.m.
Die dynamische Auswuchtung ist jüngeren Datums. Vor dem Jahre 1915 existierten in
Deutschland und den anderen Industriestaaten Europas nur höchst primitive,
empirische Methoden, die von Werkstatt zu Werkstatt weitergegeben wurden. Seit dem
Jahre 1915 hat die Firma Carl Schenck, G. m. b. H., Darmstadt, als einzige Firma in
Europa die Fabrikation von dynamischen Auswuchtmaschinen aufgenommen. In Amerika
sind Konkurrenz-Fabriken in den letzten Jahren entstanden. Das beste amerikanische
Fabrikat ist aber nicht viel über den Stand einer Schenckschen Maschine aus dem
Jahre 1915 hinausgekommen.
Sämtliche dynamischen Methoden werden in drei Klassen eingeteilt, nämlich in empirische Methoden, welche zu glückhaftem Probieren
zwingen, in Laboratoriums-Methoden, welche dem Arbeiter
Rechenoperationen vorschreiben, und in exakte Methoden,
welche gestatten, die Auswuchtung rein werkstattmäßig ohne jede Rechenoperation in
richtiger Weise durchzuführen. Die Klassifizierung der dynamischen Auswuchtapparate
erfolgt nicht, wie vielfach angenommen wird, auf Grund der Beschaffenheit und
konstruktiven Durchbildung der elastischen Lagerung, sondern gründet sich auf der
Frage, ob der Schwingungsmittelpunkt des federnd aufgehängten Systems frei beweglich
ist, ob nur ein Schwingungsmittelpunkt oder ob zwei Schwingungsmittelpunkte
vorhanden sind. Die Auswuchtmethode Lawaczeck-Heymann, deren Vertrieb von der Firma
Carl Schenck, G. m. b. H., Darmstadt, übernommen worden ist, ist die einzige Methode
der Klasse 3. Der Körper wird abwechselnd um zwei Schwingungsmittelpunkte
ausgewuchtet, die aus konstruktiven Gründen in die beiden Lagerstellen verlegt
werden. An Hand einfacher Kräftepläne wird der Beweis erbracht, daß ein
vollständiger Massenausgleich bei beliebig tiefer Drehzahl durch einen einfachen
Arbeiter in kürzester Zeit durchgeführt werden kann. Auf dem Doppelpendelprinzip
bauen sich noch weitere Methoden auf, die namentlich die Abkürzung des gezeigten
Auswuchtverfahrens bezwecken. Diese Abkürzungen sind mehr für den Gebrauch durch
Meister und Ingenieure zugeschnitten, so daß also für jede Kategorie von
Werkstattbeamten geeignete Verfahren zur Wahl gestellt werden können. An Hand von
Lichtbildern wurde die Aufgabe des Arbeiters gezeigt, der den Prozeß streng nach
Vorschrift durchführt, gleichgültig, ob die Unbalanz in Form von statischer,
dynamischer oder allgemeiner Unbalanz vorliegt. An Hand weiterer Lichtbilder wurde
gezeigt, welchen Umfang die Fabrikation der Auswuchtmaschinen System
Lawaczeck-Heymann im Laufe, der letzen Jahre genommen hat.
Es wurden im Bilde Spezialmaschinen vorgeführt für Drehzahlen bis zu 30000 minutlich,
wobei mit Zusatzmassen von fünftausendstel Gramm gearbeitet wird. Als Gegenstück
wurden Maschinen gezeigt, bei denen das Prüfkörpergewicht 50000 kg und mehr betragen
darf. Die Maschinen haben sich überaus leicht und schnell eingeführt und sind heute
in nahezu allen Industriestaaten Europas reichlich vertreten. Das derzeitige
Bestreben geht dahin, die Auswuchtung während eines einzigen Ganges durchzuführen.
Die Vorversuche sind vielversprechend. Bewähren sich die in Vorbereitung
befindlichen Zusatzapparate, so ist die Vorbedingung für die Aufgabe erfüllt, einen
Körper im Betriebszustand auszuwuchten.