Titel: | Die neue Röntgenanlage der chirurgischen Universitätsklinik in Würzburg. |
Autor: | C. Stein |
Fundstelle: | Band 337, Jahrgang 1922, S. 176 |
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Die neue Röntgenanlage der chirurgischen
Universitätsklinik in Würzburg.
Von Ingenieur C. Stein,
Spandau.
STEIN, Die neue Röntgenanlage der chirurgischen Universitätsklinik
in Würzburg.
Nicht nur die Sichtung der während des Krieges bei der Anwendung von
Röntgenstrahlen gesammelten Erfahrungen, sondern auch die Entwicklung der
Elektrophysik in den letzten Jahrzehnten hat Anstoß zu einer Umgestaltung der
Röntgeneinrichtungen gegeben, so daß es sich wohl lohnt, die Anlage eines in der
letzten Zeit ganz neu ausgerüsteten Röntgeninstitutes kennen zu lernen. Ein
günstiges Beispiel für eine solche Betrachtung bildet das Röntgeninstitut der
chirurgischen Universitätsklinik im Luitpoldkrankenhaus in Würzburg. Einerseits
wurde es zu einer Zeit dem Betrieb übergeben, in der die Entwicklung des
Röntgenwesens einen Höhepunkt erreicht hatte, andererseits ist seit der Eröffnung
eine hinreichende Zeit verstrichen, um beurteilen zu können, inwieweit sich die
eingeführten Neuerungen bewährt haben.
Die Ausrüstung des Röntgeninstituts ist von der Siemens & Halske-A.-G. und den
Siemens-Schuckertwerken nach einheitlichem Plane geliefert worden. Von ihnen sind
auch die übrigen elektromedizinischen Anlagen sowie die automatische
Fernsprechanlage, Lichtsignale und elektrischen Uhren eingerichtet.
Röntgenuntersuchungen und Röntgenbehandlung stellen verschiedene Ansprüche an das
Röntgengerät. Für Untersuchungen, d.h. Durchleuchtungen und photographische
Aufnahmen, braucht man Röntgenstrahlen, die die verschiedenen Gewebe des
menschlichen Körpers in deutlich verschiedenem Grade durchdringen. Zu ihrer
Erzeugung werden Röhren benutzt, die mit verhältnismäßig niedrigen Spannungen aber
größeren Stromstärken arbeiten. Besonders hohe Stromstärken sind, wenn auch nur auf
kurze Zeit erforderlich, sobald Schnell- oder Momentaufnahmen von bewegten Organen,
wie Magen, Herz verlangt werden.
Zum Betrieb der Röntgenröhren für Untersuchungszwecke wird in der chirurgischen
Klinik in Würzburg zunächst durch einen an das Gleichstromnetz angeschlossenen
Einankerumformer ein Wechselstrom erzeugt, der dann durch einen Hoch
Spannungsumformer bis auf 120000 Volt Spannung gebracht werden kann. Da aber die
Röntgenröhren nur mit gleichgerichteten Stromstößen betrieben werden dürfen, sollen
sie nicht in kürzester Zeit unbrauchbar werden, so wird der hochgespannte
Wechselstrom durch einen mit der Welle des Einankerumformers gekuppelten rotierenden
„Gleichrichter“ stoßweise in einer Richtung durch die Röntgenröhre
gesandt. Die Stärke des Hoch Spannungsstromes kann auf 150 Milliampere und darüber
hinaus gesteigert werden. Die Schalt- und Regelvorrichtungen für diese Anlage
befinden sich in einem gegen Röntgenstrahlen gesicherten Raum, der vom
Untersuchungszimmer, das ja während der Beobachtung verdunkelt sein muß, auch
lichtdicht abgeschlossen ist. Die Verständigung vom Beobachtungszimmer zum
Schaltraum erfolgt durch ein lautsprechendes Telephon. Im Schaltraum befinden sich
auch Geräte zum Registrieren der Spannung und Stromstärke. Solche Registriergeräte
wurden im Röntgenwesen bisher wohl nicht benutzt; da aber die Leistung der
Röntgenapparate von der Netzspannung abhängig ist, so ist eine genaue Kenntnis des
zeitlichen Verlaufs der Spannung im Netz für die Beurteilung der Ergebnisse
unerläßlich.
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Abb. 1.Durchleuchtungsraum.
Um das zu untersuchende Organ und die strahlende Röhre in geeignete gegenseitige Lage
zu bringen, sind im Untersuchungsraum zwei Geräte vorhanden; das eine, das
Siemens-Universalstativ dient zu Durchleuchtungen oder Aufnahmen der Organe
am stehenden oder sitzenden Kranken, das andere besteht aus einem Lagerungstisch für
Aufnahmen am liegenden Kranken (Abb. 1). Die
Strahlen der an einem Säulenstativ angebrachten Röntgenröhre gehen von oben nach
unten durch den Körper.
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Abb. 2.Der Multivoltapparat.
Eine besondere Einrichtung wurde für Operationen zur Entfernung von Fremdkörpern
unter Leitung der Röntgenstrahlen geschaffen. Sie erlaubt dem operierenden Arzt,
gleichzeitig das hellbeleuchtete Operationsfeld und auf einem vor Nebenlicht
geschützten Leuchtschirm das Röntgenbild zu beobachten. Dadurch wird zielsicheres
Auffinden des Fremdkörpers bei kleiner Operationswunde und geringem Blutverlust
ermöglicht. Die Röntgenröhre wird hier durch einen Induktor erregt, der in einem
Raum unter dem Untersuchungszimmer aufgestellt ist.
Im Gegensatz zu den Bedürfnissen der Röntgenuntersuchung fordert die
Röntgenbehandlung „harte“ Strahlen, das sind solche größter
Durchdringungskraft. Zu ihrer Erzeugung müssen Ströme höchster Spannung durch
Röhren, aus denen die Luft bis auf Spuren entfernt ist, geschickt werden. Dagegen
sind die Anforderungen an Stromstärke weit geringer; gegenüber den 150 Milliampere,
die für Diagnostikröhren gebraucht werden, genügen für Therapieröhren 3–5
Milliampere. Die hohen Spannungen, unter denen die Zuleitungen stehen, bedingen
weitgehende Schutzvorrichtungen. Bei hohen Spannungen ist sogenannte Glimmentladung
an den Leitungen nicht ganz zu vermeiden; unter ihrem Einfluß bilden sich aus den
Bestandteilen der Luft Ozon und schädliche nitrose Gase. Endlich müssen Arzt,
Hilfspersonal und Kranke gegen Hochspannung und unbeabsichtigte Einwirkung von
Röntgenstrahlen geschützt werden. Namentlich die auf die Dauer gefährlichen weichen
Strahlen, die auch die harte Strahlung stets begleiten, müssen unschädlich gemacht
werden.
Eine restlos befriedigende Lösung all dieser Aufgaben bei der Neueinrichtung des
Würzburger Instituts erschien der ausführenden Siemens & Halske-A.-G. nur durch
Neugestaltung aller Teile und Anlagen möglich. Sie baute daher für Therapie eine
eigene Röntgenanlage, den Siemens-Multivoltapparat.
In dem über dem Behandlungszimmer gelegenen Stockwerk ist für den
Siemens-Multivoltapparat der Hochspannungsgenerator aufgestellt (Abb. 2). Der Gleichstrom des Netzes wird durch einen
Einanker-Umformer in Wechselstrom verwandelt, dann durch zwei in Reihe geschaltete
Hochspannungsumformer auf eine Spannung bis zu 220000 Volt gebracht und durch einen
rotierenden Gleichrichter besonders großer Abmessungen in Stromstößen gleicher
Richtung an die Röntgenröhre gegeben. Alle Hochspannungsleitungen sind in einen
Schacht verlegt, der auch Trennschalter, Stromzeiger und noch einige andere Geräte
enthält (Abb. 3). Die Türen zum Schacht und zum
Maschinenraum sind mit Sicherungen versehen, die die Anlagen stromlos machen, wenn
eine Tür während des Betriebes geöffnet wird, und umgekehrt eine Inbetriebsetzung
verhindern, solange eine Tür geöffnet ist. Der Multivoltapparat wird vom
Behandlungsraum aus durch Fernschalter bedient.
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Abb. 3.Schacht für die Hochspannungsleitungen.
Die Röntgenröhren für zwei von einander vollständig unabhängige Arbeitsplätze
befinden sich in Schutzkasten aus Bleiblech, welche den Strahlen nur durch eine
Oeffnung am Boden des Kastens Ausgang in bestimmter Richtung gestatten, den übrigen
Raum aber vollständig gegen Röntgenstrahlung schützen (Abb. 4). Der Kranke wird auf leicht fahrbaren Tischen, die in der Höhe
verstellbar sind, in die richtige Lage zur Strahlungsquelle gebracht. Mit dem
unbedingten Schutz gegen unbeabsichtigte Bestrahlung verbindet diese Einrichtung den
Vorteil, daß es auf den Kranken ungemein beruhigend wirkt, wenn er Arzt und
Schwester sich frei in seiner unmittelbaren Nähe bewegen sieht. Die Bestrahlungskasten
erfüllen aber noch einen anderen Zweck; an den Zuleitungsdrähten für die
Röntgenröhren entwickeln sich schädliche Gase. Die Schutzkasten verhindern ihren
Austritt in den Behandlungsraum und führen sie durch Kaminwirkung dem Schacht zu,
aus dem sie durch Ventilatoren abgeblasen werden.
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Abb. 4.Behandlungsraum.
Auch die Röntgenröhren selbst haben eine Umgestaltung erfahren und weichen zum
Teil erheblich von der bisherigen Form ab. Die „Siemens-Coolidge-Röhre“, ein
Wunderwerk der Technik, hat hier V-förmige Gestalt und enthält nur etwa den
¾milliardensten Teil der Luftmenge, die unter gewöhnlichen Umständen den gleichen
Raum füllt. Trotz des ungeheuren äußeren Luftdruckes von nahezu einem kg je
Quadratzentimeter der Wandung ist es gelungen, die Wandstärke an der
Durchtrittstelle für die Strahlen nur mit 3 bis 4 Zehntelmillimetern zu bemessen.
Dabei birgt die Röhre eine Antikathode, deren Temperatur 1600 bis 2000° C. erreicht.
Sie hat eine Spannung von durchschnittlich 200000 Volt im Dauerbetrieb aufzunehmen
und setzt eine Energie von 750–1000 Watt um. Auch der Nichtfachmann wird aus diesen
Angaben erkennen, welcher Leistungen der Technik es bedurfte, um unter so hohen
Anforderungen sicherwirkende Arbeitsgeräte zu schaffen.
In der Tat hat sich die seit November 1921 in Betrieb befindliche Anlage im
Luitpold-Krankenhaus in allen Teilen bewährt und gezeigt, daß der hier gewählte Weg
eines Ausbaus bis in die kleinsten Einzelheiten unter einheitlichen Gesichtspunkten
der richtige ist.