Titel: | Rechtswesen. |
Autor: | Werneburg |
Fundstelle: | Band 337, Jahrgang 1922, S. 199 |
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Rechtswesen.
Rechtswesen.
Zum Maschinenkaufvertrag (Klausel
„Freibleibend“). Der Kaufvertrag über Maschinen, Motoren und anderen
beweglichen Gegenständen kennzeichnet sich seiner rechtlichen Natur nach als ein
gegenseitiger (Kauf-)Vertrag, so daß bei schuldhafter Nichterfüllung der gekauften
Maschine die Bestimmung des § 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu Gunsten des
Käufers eingreift. Wenn also der Verkäufer mit der Lieferung der Maschine in
(schuldhaftem) Verzüge ist, d.h. trotz Mahnung oder nicht zu dem kalendermäßig
bestimmten Zeitpunkt liefert, so kann ihm der Käufer zur Bewirkung der Lieferung
eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Annahme der Maschine
nach Ablauf der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist ist dann der Käufer
berechtigt, von dem Verkäufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen
oder von dem Kaufvertrage zurückzutreten, wenn nicht die Lieferung der Maschine
rechtzeitig erfolgt; der Anspruch auf Erfüllung ist dann aber ausgeschlossen. Hat
die Erfüllung des ganzen Kaufvertrages infolge dieses Verzuges des Verkäufers für
den Käufer kein Interesse, so stehen diesem die vorbezeichneten Rechte, Rücktritt
von dem Vertrage oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung, gegen den Verkäufer zu,
ohne daß es der Bestimmung einer Frist bedarf.
Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichtes ist zunächst eine Verbindung der
Fristbestimmung mit der Mahnung zulässig (R. G. Z. Bd. 50, S. 262). Wie bereits
bemerkt wurde, bedarf es der Bestimmung einer Frist zur Lieferung der Maschine
überhaupt nicht, wenn der Kaufer derselben an der Lieferung infolge des vorliegenden
Lieferungsverzuges seines Verkäufers an der nunmehrigen Lieferung überhaupt kein
Interesse mehr hat, wofür der Käufer allerdings beweispflichtig ist; erbringt also
der Käufer der Maschine den Beweis, daß er infolge des Lieferungsverzuges seines
Verkäufers an der Nichtlieferung der Maschine überhaupt kein Interesse mehr hat, so
kann er von dem Verkäufer ohne weiteres – d.h. also ohne jene Fristbestimmung –
Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder von dem Kaufvertrage
zurücktreten.
Nach weiterer Rechtsprechung des Reichsgerichtes bedarf es nun einer solchen
Fristbestimmung seitens des Käufers auch dann nicht, wenn der säumige Verkäufer die
Bewirkung seiner Leistung – Lieferung der Maschine vorliegend – von ganz
unzulässigen Bedingungen abhängig gemacht hat (R. G. Jur. Wochenschr. 1903, S. 139),
ferner auch dann nicht, wenn der Verkäufer der Maschine bestimmt endgültig die
Erfüllung des Kaufvertrages verweigert und durch sein Verhalten dargetan hat, daß er
auf die Fristbestimmung keinen Wert legt (R. G. Bd. 67, S. 317).
Letzterer Grundsatz ist dann von dem Reichsgericht nun in seinem Urteil vom 7.
Oktober 1917 weiter dahin ausgedehnt worden, daß bei einer strikten Weigerung des
Verkäufers, den Vertrag zu erfüllen, seitens des Käufers gar nicht einmal die
Fälligkeit der Lieferungspflicht des Verkäufers abgewartet zu werden braucht, der
Käufer vielmehr ohne weiteres dann sofort die Schadensersatzklage gegen den
Verkäufer erheben kann. Nach dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt
hatte die Barmer A.-G. für Besatzindustrie am 3. 3. 1917 von dem Kaufmann H. einen
50pferdigen Drehstrommotor zu 9200 Mark gekauft; die Lieferung sollte binnen 8–10
Tagen erfolgen. Wenige Tage nach dem Vertragsschluß teilte H. mit, daß er den Motor
nicht vor Ablauf von 3 bis 4 Monaten liefern könne; als die Käuferin das nicht
zugab, erklärte der Verkäufer, dann liefere er überhaupt nicht. Die Käuferin stellte
darauf am 6.3. eine Nachfrist zur Lieferung, nach deren Ablauf sie Schadensersatz
klage gegen den Verkäufer der Maschine erhob. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen
erklärte das Reichsgericht diese Schadensersatzklage der Käuferin für berechtigt,
indem es hierzu im wesentlichen folgendes ausführte: Es hat von Seiten des
Beklagten, des Verkäufers der Maschine, eine strikte Weigerung, den Vertrag so zu
erfüllen, wie er geschlossen worden ist, vorgelegen. Hiernach brauchte die Käuferin,
die Klägerin, nicht mehr die Fälligkeit der Lieferung abzuwarten, um dann noch eine
Nachfrist zu setzen; denn das wäre zwecklos gewesen. Die Klägerin war vielmehr nach
der Lossagung des H. vom Vertrage berechtigt, die Klage auf Schadensersatz
unmittelbar anzustrengen.
Vielfach wird den gegenseitigen Verträgen seitens einer der Parteien oder seitens
beider Parteien die Klausel „freibleibend“ beigefügt. Bei der Beurteilung der
nunmehr eintretenden Rechtslage ist ein Unterschied zu treffen, einmal in
freibleibende Angebote und in freibleibende Abschlüsse. Nach dem Gutachten der
Handelskammer Berlin ist die Einschränkung „freibleibend“ ursprünglich nur
bei Angeboten angewendet worden, um eine Bindung des Anbietenden auszuschließen und
ihm die Möglichkeit des Zwischenverkaufs offen zu lassen. Freibleibende Angebote
stellen also rechtlich nur eine unverbindliche Benachrichtigung des die Ware
Besitzenden an den Reflektanten dar, wobei durch Klausel „freibleibend“ oder
„Zwischenverkauf vorbehalten“ die vollständige Unverbindlichkeit des
Angebotes klar zum Ausdruck gebracht wird.
Bemerkenswert hierzu ist die Entscheidung des Reichsgerichtes vom 11. Mai 1920; nach
dieser Entscheidung kann der Verkäufer, der „freibleibend“ anbietet,
während der Käufer fest übernimmt, nicht mehr auf den Vorbehalt zurückkommen, wenn
er die Annahme des Käufers seinerseits wieder vorbehaltlos bestätigt. Das dies den
Grundsätzen von Treu und Glauben entspricht, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Zu den freibleibenden Abschlüssen der zweiten oben bezeichneten Möglichkeit wird von
dem Gutachten der Handelskammer folgendes festgestellt:
Bei der Unsicherheit der wirtschaftlichen Verhältnisse, Versorgung mit Rohstoffen und
deren Preisschwankungen, sowie den durch Arbeitsstreitigkeiten und Streiks
hervorgerufenen Produktionsstockungen und Lohnsteigerungen hat es sich im
geschäftlichen Verkehr im wachsenden Umfange eingebürgert, den Vorbehalt
„freibleibend“ auch in dem endgültigen Kauf- und Lieferungsvertrag
aufzunehmen.
Die einfache Klausel „freibleibend“ ohne den weiteren Zusatz kann hier
bedeuten: Freibleibend in bezug auf die Zeit der Lieferung, die Menge der zu
liefernden Waren, die Art der zu liefernden Waren, den Preis. Ist die Ausschließung
der vertraglichen Bindung für eine dieser vier Möglichkeiten nicht durch
ausdrücklichen Zusatz, wie z.B. „Preise freibleibend“ usw. hervorgehoben, so
ist aus dem Inhalte des angeschlossenen Vertrages nach Treu und Glauben und mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte sinngemäß zu entnehmen, welche Freiheit sich der
Verkäufer in dem besonderen Falle ausbedungen hat. Für den Regelfall kann nach den
bisherigen Gepflogenheiten des Handelsverkehres festgestellt werden, daß die Klausel
„freibleibend“ ein einseitiges Recht des Verkäufers bezw. eine einseitige
Bindung des Käufers darstellt und als solche einen wesentlichen Bestandteil des
Kaufvertrages bildet, mit dem sich der Käufer durch die Annahme des
Lieferungsangebotes ausdrücklich einverstanden erklärt. Es bleibt belanglos ob der
Zusatz auf dem Briefbogen vorgedruckt, abgestempelt, durch Hinweis auf bestehende
Lieferungs- und Zahlungsbedingungen oder in Form eines besonderen Teiles des
Schreibens angebracht wird.
Der Vorbehalt „freibleibend“ begründet also für den Käufer nicht das Recht,
seinerseits vom Vertrage zurückzutreten, weil der Verkäufer in Ausübung seiner
„freibleibenden“ Befugnisse eine Aenderung der vertraglichen Zahlungs-
oder Lieferungsvereinbarungen eintreten läßt. Das kann rechtlich nur dann der Fall
sein, wenn der Käufer seinerseits das „Freibleiben“ von der Annahme der Waren
vom Verkäufer zugestanden erhielt.
Von den einzelnen Möglichkeiten des Vorbehaltes „freibleibend“ bedeutet die
Klausel „Zeit und Art der Lieferung freibleibend“ oder „vorbehalten“,
daß der Verkäufer berechtigt ist, die Lieferungsfrist zu überschreiten und die
Lieferung gegebenen Falles in einzelnen Teilen auszuführen. Inwieweit hierbei
größere Zwischenpausen eintreten dürfen, kann nicht allgemein, sondern nur nach den
Gepflogenheiten innerhalb der bestimmten Gewerbezweige beurteilt werden. In Jedem
Falle ist dem Käufer, der sich wegen Ablaufs einer übermäßig langen Frist an den
Vertrag nicht mehr gebunden halten will, zu empfehlen, vor dem Rücktritt von dem
Vertrage der Sicherheit halber dem Verkäufer eine Nachfrist gemäß § 326 des
Bürgerlichen Gesetzbuches zu stellen (vgl. hierzu die obigen Ausführungen).
Die weiteste Anwendung des Vorbehaltes „freibleibend“ ist nach dem Gutachten
der Handelskammer bei Vereinbarung über die Preise festzustellen. Hierfür haben sich
nach dem Gutachten im Handelsverkehr folgende Formeln herausgebildet: „Preise
freibleibend“, „Preiserhöhung vorbehalten“, „Preise am Tage der
Lieferung“ usw.
Bei der Klausel „Preise freibleibend“ erhebt sich zunächst die Frage, ob
der Verkäufer verpflichtet ist, die Preiserhöhung dem Käufer vor der Lieferung
mitzuteilen. Das Gutachten stellt hierzu fest, daß zwar vielfach eine
Benachrichtigung der Käufer von der erfolgten Preiserhöhung vor der Lieferung
erfolgt ist; jedoch ist nach dem Gutachten kein Handelsbrauch festgestellt worden,
nach welchem der Verkäufer ganz allgemein hierzu verpflichtet wäre.
Zu der weiteren Frage, in welchem Umfange die Preiserhöhung erfolgen dürfe, äußert
sich das Gutachten dahin, daß dieses nur von Fall zu Fall entschieden werden könne.
Grundsätzlich und besonders, wenn in Lieferungs- und Zahlungsbedingungen oder in dem
Briefwechsel der Vorbehalt „freibleibend“ unter Begründung mit den bekannten
Erscheinungen auf dem Rohstoffmarkte, den Lohnerhöhungen usw. gefordert wurde, werde
der Käufer verlangen können, daß die Erhöhung der tatsächlichen Veränderung den
Verhältnissen entsprechend angemessen sei. Entscheidend hierbei seien aber nicht die
Verhältnisse des einzelnen Falles, sondern die allgemeine Lage des betreffenden
Gewerbes.
Schließlich wird die Frage, ob die Klausel auch die Herabsetzung der Preise
begründet, dann bejaht, wenn ausdrücklich vereinbart wurde, daß nur die Preise am
Tage der Lieferung gültig sein sollten. Ueber die Klausel „Lieferungsmöglichkeit
vorbehalten“, kann nach dem Gutachten der Handelskammer ein Handelsbrauch
nicht festgestellt werden.
Bemerkenswert ist in letzterer Beziehung noch die Entscheidung des Reichsgerichtes
vom 11. Mai 1920 (Recht 1920 Nr. 3456), nach der eine angebliche Handelssitte,
wonach der Verkäufer auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt nachträgliche
Preiserhöhungen auf den Käufer abzuwälzen berechtigt sein solle, unverbindlich
ist.
Ist der Maschinenlieferant Kaufmann im Sinne des § 1 des Handelsgesetzbuches (wie das
regelmäßig der Fall ist), so hat er, wenn der Käufer mit der Abnahme der Maschine im
Verzüge ist, nicht nur die vorerwähnten Rechte aus § 326 B. G. B., sondern auch die
weiteren Rechte aus § 375 H. G. B., da die angegebenen Vorschriften des B. G. B, für
den Handelsverkehr nicht ausreichen. Ist in einem solchen Falle der Käufer der
Maschine mit deren Annahme im Verzug, so kann der Maschinenverkäufer die verkaufte
Maschine auf Gefahr und Kosten des Käufers in einem öffentlichen Lagerhause oder in
sonst sicherer Weise hinterlegen. Weiterhin kann der Verkäufer das Recht des
Selbsthilfeverkaufs ausüben. Er ist nämlich befugt, nach vorgängiger Androhung die
Maschine öffentlich versteigern zu lassen, wobei es einer Androhung überhaupt nicht
bedarf, wenn Gefahr im Verzüge ist oder die Androhung aus anderen Gründen
untunlich ist. Da der Selbsthilfeverkauf seitens des Verkäufers auf Rechnung des
säumigen Käufers erfolgt, so erlangt der Käufer nunmehr an Stelle des Rechtes auf
Lieferung der Maschine das Recht auf Auszahlung des bei dem Selbsthilfeverkauf
erzielten Versteigerungserlöses; dabei kommt der über den vereinbarten Kaufpreis
erzielte Erlös dem säumigen Käufer zugute. Nach erfolgtem Selbsthilfeverkauf ist der
Maschinenverkäufer nunmehr jeder weiteren Fürsorge für die Maschine enthoben. Ist
auch der Maschinenkäufer Kaufmann, so ist noch besonders bemerkenswert dessen
Verpflichtung aus § 377 H. G. B. Nach dieser Bestimmung hat nämlich der Käufer die
gekaufte Maschine unverzüglich nach deren Ablieferung durch den Verkäufer zu
untersuchen, soweit das nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist und ist dem
Verkäufer, wenn sich ein Mangel zeigt, unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern,
Anzeige zu machen. Unterläßt der Maschinenkäufer diese Anzeige, so gilt die Maschine
hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von ihm als genehmigt, es sei denn, daß es sich um
einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war – also bei
heimlichen Mängeln –; zeigt sich ein solcher Mangel später, so muß die Anzeige von
dem Käufer unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden, andernfalls die Maschine
auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt gilt. Ist die Anzeige von dem
Maschinenkäufer hiernach nicht rechtzeitig abgesendet worden, so hat er nunmehr
seine Rechte gegen den Verkäufer wegen Mängel der Maschine verloren.
Fordert der Maschinenverkäufer unter Aufhebung des Kaufvertrages von dem Käufer wegen
Abnahme- und Zahlungsverzug gemäß § 326 B. G. B. Schadensersatz wegen
Nichterfüllung, so kann er seinen Schaden in verschiedener Weise berechnen und
begründen. Hat die Maschine nämlich einen Marktpreis (wohl seltener und regelmäßig
nur bei kleineren Maschinen der Fall), so kann der Verkäufer den Unterschied
zwischen dem vereinbarten und dem Marktpreise der Maschine zur Zeit der Erfüllung am
Lieferungsorte von dem Käufer als Schaden verlangen. Hat die Maschine keinen
Merktpreis (wie regelmäßig), so kann der Verkäufer den Unterschied zwischen dem
vereinbarten Kaufpreise und dem Selbstkostenpreise seinem Schadensersatzanspruch
gegen den Käufer zu Grunde legen. Dies ist die sogenannte abstrakte
Schadensberechnung. Der Maschinenverkäufer kann aber seinen Schaden bei derartigem
Abnahme- bezw. Annahmeverzug auch konkret berechnen; dies in der Weise, daß er die
Maschine anderweitig verkauft und den bei diesem sogenannten Realisationsverkauf
erzielten Preis zum Rechnungsfaktor seiner Schadensberechnung macht, bezw. also die
entstandene Differenz von dem Käufer als Schaden geltend macht.
Rechtsanwalt Dr. Werneburg, Berlin-Schöneberg.