Titel: | Die Anordnung oberirdischer blanker Fernsprechdoppelleitungen. |
Autor: | Karl Ammon |
Fundstelle: | Band 337, Jahrgang 1922, S. 236 |
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Die Anordnung oberirdischer blanker
Fernsprechdoppelleitungen.
Von Karl Ammon.
AMMON, Die Anordnung oberirdischer blanker
Fernsprechdoppelleitungen.
Wenn man zwei oder mehrere eindrähtige Fernsprechleitungen am gleichen Gestänge
führt, indem man die Erde gewissermaßen als Rückleitung benutzt, so erlebt man etwas
ganz Merkwürdiges: Man hört jedes auf einem der Drähte geführte Gespräch auf allen
anderen mit, genau so, als ob alle Drähte metallisch miteinander verbunden wären.
Man glaubte zuerst an eine Ueberleitung der Ströme von einer Leitung zur anderen;
noch lange, nachdem man die wahre Ursache erkannt hatte, gab es Vertreter dieser
Ueberleitungstheorie, die ihre Ueberzeugung in Wort und Schrift vertraten.
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Abb. 1.
Heute kennen wir die Ursache: Jeder Draht ist beim Sprechen von einem zylindrischen
magnetischen Feld umgeben (Abb. 1), das den Rhythmus
der Sprache nach Stärke und Richtung mitmacht und so in allen anderen Drähten, die
sich in dem Felde befinden, Sprechströme gleicher Art hervorzaubert. Man nennt den
Vorgang Induktion.
Nun sagte man sich Folgendes: Wenn man statt der Erdrückleitung zwei Drähte für jedes
Gespräch anordnet, gewissermaßen den einen als Hin- und den andern als Rückleitung,
so haben die Ströme in den beider Drähten der Doppelleitung in jedem Augenblick
dieselbe Stärke, aber die umgekehrte Richtung. Die um die beiden Drähte herum
entstehenden magnetischen Felder müssen also entgegengesetzte Richtung haben, sie
müssen sich aufheben, ihre Wirkung nach außen muß gleich Null sein. Als man aber
nach diesem einfachen Rezept Doppelleitungen baute, mußte man erfahren, daß die
Induktion einer Doppelleitung auf eine andere, etwa am gleichen Gestänge
befindliche, zwar gemildert aber keineswegs beseitigt war, daß somit der Bau von
Doppelleitungen, mithin die Verdoppelung der Leitungskosten, durchaus nicht das
Allheilmittel war, für das man es gehalten hatte. Man sah bald ein, daß man noch
weitere Maßnahmen ergreifen mußte, um die Doppelleitungen wirklich
„induktionsfrei“ gegen einander zu machen.
Es ist ja auch ganz klar, daß die magnetische Wirkung einer Doppelleitung nach
außen nicht überall gleich Null sein kann. Betrachtet man z.B. die Abb. 1, so wird dies sofort klar: Der Draht 5 wird
selbstverständlich vom Draht 2 stärker beeinflußt, als von dem mit diesem eine
Doppelleitung bildenden Draht 1. Induktionsfreiheit herrscht nur in einer Linie, die
durch die Schnittpunkte der Kraftlinien gleicher Stärke gelegt ist, also in einer
Fläche, die in der Mittellinie der Drähte 1 und 2 auf der durch diese Drähte
gelegten Ebene senkrecht steht. Ordnet man die Drähte 3/4, die eine zweite
Doppelleitung bilden, so in dieser Ebene an, daß sie von der Mittellinie von 1/2
gleichen Abstand haben, so wird diese Doppelleitung nicht induziert und sie
induziert auch 1/2 nicht wie eine einfache Betrachtung zeigt.
Man wendet deshalb diese Anordnung häufig an, sei es indem man die Leitungen nach der
Abb. 2 auf zwei Querträgern anbringt, wobei 1/4,
3/2, 5/8 und 7/6 je eine Doppelleitung bilden, oder auch nach der Abb. 3 bei wechselständiger Anbringung von
Einzelisolatoren, wobei dann der oberste und der unterste Isolator eine, die beiden
anderen die andere Doppelleitung tragen.
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Abb. 2.
Betrachtet man nun die Anordnung nach der Abb. 2
näher, so findet man, daß zwar die 2 Doppelleitungen rechts von der Stange gegen
einander induktionsfrei sind, ebenso die beiden Doppelleitungen links von der Stange
gegen einander. Aber die Leitungen rechts von der Stange induzieren die links von
der Stange liegenden und umgekehrt, weil z.B. der Draht 3 dem Draht 5 näher ist als
dem Draht 8, sodaß 5 von 3 stärker induziert wird als 8, und ohne daß der ebenfalls
weit entfernte Draht 2 die Wirkung von 3 aufheben kann.
Es ist auch klar, daß es sehr schwierig ist, bei der Anordnung nach der Abb. 3 eine weitere Doppelleitung induktionsfrei
anzubringen.
Es gibt nun im wesentlichen außer der beschriebenen Anordnung von 2 Doppelleitungen
mit zwei sich rechtwinkelig durchdringenden Ebenen zwei Mittel zur Erzielung von
Induktionsfreiheit. Das eine Mittel ist die Verdrillung der Leitungen, das andere
die Kreuzung.Die
Verdrillung wendet man gewöhnlich mit dem ersten Mittel zusammen an. Die Abb. 4 zeigt ein Beispiel dieser Anordnung: Die
Doppelleitungen 1/4 und 2/3 stehen mit ihren Ebenen senkrecht aufeinander und sind
deshalb gegeneinander induktionsfrei. Nun bleibt aber, wenn man an der Leitung
entlang geht, der Draht 1 nicht auf dem oberen, linken Isolator (Abb. 2), sondern er geht auf den oberen Isolator
links neben der Stange; der Draht 3 geht entsprechend auf den unteren Querträger
links neben die Stange und so drehen sich alle Drähte umeinander herum. Es ist dabei
nicht nötig, daß die Drähte nun an jeder folgenden Stange um einen Platz weiter
wandern; man kann sie vielmehr auf etwa 250 m auf denselben Plätzen lassen und immer
erst nach 250 m um einen Platz weiterdrehen. Entsprechend verdreht man die Drähte
rechts neben der Stange, gibt ihnen aber eine andere Drallänge, z.B. so, daß sie
sich auf 2 km einmal herumgedreht haben, während die links der Stange sich schon
nach 1 km wieder auf den ursprünglichen Plätzen befinden.
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Abb. 3.
Die Verdrillung der Leitungen ist elektrotechnisch ideal, sie hat aber in der
goldenen Praxis schwere Mängel, abgesehen von den Schwierigkeiten beim Bau,
insbesondere den, daß sich die Drähte immer in der Luft zwischen zwei Stangen
überschneiden, was häufig zu Berührungen führt, namentlich, wenn sich einer der auf
dem oberen Querträger liegenden Drähte etwas längt. Außerdem weiß man aber auch nie,
welcher Doppelleitung ein Draht angehört, wenn man sie auf freiem Felde suchen
muß.
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Abb. 4.
Man wählt daher auch häufig den letzten Weg nämlich die Anordnung von Kreuzungen,
manchmal in Verbindung mit rechtwinkelig zu einanderstehenden Doppelleitungen,
manchmal auch für sich allein.
Wendet man Kreuzungen in Verbindung mit rechtwinkelig aufeinander stehenden Leitungen
an, also z.B. bei Leitungen in der Anordnung nach der Abb.
2, so verfährt man beispielsweise so, daß man den Draht 4 mit dem Draht 1
und den Draht 3 mit dem Draht 2 alle 4 km die Plätze wechseln läßt. Bei den
Doppelleitungen rechts neben der Stange nimmt man die entsprechenden Kreuzungen nach
den ersten 2 km vor, und dann wieder alle 4 km. Die beiden rechten Doppelleitungen
sind dann immer auf der Mitte der Felder der beiden linken gekreuzt – und umgekehrt.
Man erreicht dadurch, daß jeder Draht einer Doppelleitung von jedem Draht einer
anderen Doppelleitung durchschnittlich denselben Abstand hat; dann aber herrscht
Induktionsfreiheit. Jede Doppelleitung bleibt bei dieser Anordnung immer an ihrem
Platze, nur die Zweige jeder Doppelleitung sind in sich vertauscht.
Die senkrechte Aufeinanderstellung mit gleichzeitiger Verdrillung zweier
Doppelleitungen hat besonders dann einen großen Vorzug vor allen Anordnungen, bei
denen man jede Doppelleitung für sich führt und die Induktionsfreiheit durch Kreuzen
allein herstellt, wenn man je zwei Doppelleitungen für ein drittes Gespräch
ausnutzt. Dies geschieht in der Weise, daß die eine Doppelleitung die Hinleitung,
die andere aber die Rückleitung für das dritte Gespräch bildet. Während aus den
sogenannten Stammleitungen der Strom bei Stammgesprächen auf einem Draht hin-
und auf dem anderen zurückfließt, z.B. auf 1 hin und auf 4 zurück, ebenso auf 3 hin
und auf 2 zurück, fließt er für das dritte Gespräch auf 14 hin und auf 3/2 zurück.
Durch die Verdrillung wird dann auch die Einwirkung des dritten Gesprächs sowohl auf
die Stammleitungen einer anderen sogenannten Viererleitung, wie auch auf das dritte
Gespräch einer anderen Viererleitung aufgehoben. Führt man aber solche Leitungen,
auch wenn sich ihre Ebenen senkrecht durchschneiden, glatt durch und ordnet man
dabei Kreuzungen an, so genießen die dritten Gespräche keinen Induktionsschutz und
stören sich gegenseitig. Man muß zu weiteren verwickelteren Maßnahmen greifen, um
auch diese Gespräche gegeneinander induktionsfrei zu machen.
Man kann nun auf die senkrechte Anordnung zweier Doppelleitungen zueinander überhaupt
verzichten und z.B. die Drähte nach der Abb. 2
folgendermaßen zu Doppelleitungen zusammenfassen: 1/2, 3/4, 5/6, 7/8 oder auch 1/3,
5/7, 2/4, 6/8. In beiden Fällen muß man die Induktionsfreiheit durch Kreuzen
herbeiführen. Wählt man die Anordnung 1/2, 3/4, 5/6, 7/8, so teilt man die Leitung
in Strecken zu beispielsweise 4 km ein – gleich der linken Hälfte der Abb. 5 – und kreuzt etwa so, wie es gezeichnet ist.
Dann steht jedem Draht der ungekreuzten Doppelleitung I bald der Draht 3, bald der
Draht 4 näher (die Drähte mit geraden Zahlen liegen dabei in Wirklichkeit unter den
ungeraden) und, zwar ist jeder der Drähte 3 und 4 auf 2 km dem Draht 1, auf 2 km dem
Draht 2 näher. Die Induktionswirkungen heben sich also vollkommen auf.
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Abb. 5.
Bei der Leitung III muß man bedenken, daß sie gegen die Leitung II und gegen die
Leitung I induktionsfrei sein muß. Die Kreuzungen von II und III auf km 2 heben sich
zwar scheinbar auf, was aber nichts zu sagen hat, da ja ein vollkommener Ausgleich
zwischen diesen Leitungen schon auf 2 km stattfindet. Die Leitung III ist gegen I
durch die Kreuzung auf km 2 induktionsfrei. 2 km genügen hier, weil III von I weiter
entfernt ist als II von I, sodaß die Unterschiede im Abstand der Einzeldrähte der
einen Doppelleitung von denen der anderen ohnedies kleiner werden. Die Leitung IV
ist gegen die drei ersten Leitungen ebenfalls induktionsfrei, denn man kann sich
leicht davon überzeugen, daß jeder ihrer beiden Drähte 7/8 von jedem Draht einer der
anderen Doppelleitungen durchschnittlich denselben Abstand hat. Sie sind alle
Kilometer gegeneinander abgekreuzt.
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Abb. 6.
Bei der geschilderten Anordnung kann man die Leitung I vollkommen ungekreuzt
durchlaufen lassen; es ist aber, da der Draht 2 dabei eine größere Kapazität gegen
Erde hat, als der Draht 1, besser, auch diese Abb.
6. Leitung alle 4 km zu kreuzen. Man erhält dann eine Einheitsstrecke von 8
km, nach der alle Drähte wieder so liegen, wie am Anfang.
Diese Anordnung ist auch brauchbar, wenn alle 8 Drähte nebeneinander liegen,
oder wenn in der Anordnung nach der Abb. 2 1/3, 5/7,
2/4, 6/8 die Doppelleitungen bilden. Ebenso brauchbar ist. das Kreuzungsschema nach
der Abb. 5 für die Anordnung der Leitungen nach der
Abb. 6.
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Abb. 7.
Liegen die Leitungen nebeneinander oder in der Anordnung nach der Abb. 6, so müssen bei mehrfacher Ausnutzung der
Leitung auch Kreuzungen für die dritten Gespräche vorgesehen werden. Ein Schema für
zwei dreifach ausgenutzte solche Doppelleitungen gibt die Abb. 7. Dabei ist zwischen zwei Platzwechseln immer einmal die Leitung I
und einmal die Leitung II gekreuzt was zur Folge hat, daß die Drähte 1 und 2 von km
4 bis km 6 in der umgekehrten Anordnung liegen, wie zwischen 0 und 2. Die Drähte 3
und 4 stehen den Drähten 1 und 2 zwischen zwei Platzwechseln auf diesen Strecken –
(0 bis 2 und 4 bis 6) jedesmal in den beiden möglichen Anordnungen gegenüber, sodaß
Induktionsfreiheit erzielt wird.
Liegt ein weiteres dreifach ausgenutztes Doppelleitungspaar neben oder unter den
Leitungen I und II, so muß der Platzwechsel selbstverständlich auf den km 1, 3, 5
usw. vorgenommen werden und die Stammleitungen 5/6 und 7/8 sind gegen das dritte
Gespräch I/II, gegen die Stammleitungen I und II und gegen die andere zu der
Viererleitung III/IV gehörende Doppelleitung abzukreuzen.
Die Reste müssen besonders berücksichtigt und nach demselben Schema durchgekreuzt
werden. Das Schema ist dazu entweder auf die Länge des Restes zusammenzudrücken oder
mit der vorhergehenden Strecke zu vereinigen und dementsprechend in die Länge zu
ziehen. Zweckmäßig fügt man solche verkürzten oder verlängerten Strecken in der
Mitte der Leitung ein, damit die Leitungen von Ende zu Ende betrachtet symmetrisch
bleiben, oder man verlängert oder verkürzt alle Strecken um so viel, daß kein Rest
bleibt. Bei kurzen Leitungen empfiehlt sich dies immer.
Auch sonst können solche Anpassungen von Vorteil sein. Hatmanz. B. pupinisierte Leitungen zu kreuzen, so kann es zweckmäßig sein,
die Kreuzungen und Platzwechsel der durch die Pupinisierung geschaffenen Einteilung
anzupassen. Man wird dann z.B. die Platzwechsel nach der Abb. 7 nicht alle 2 km, sondern alle 2,5 km anordnen, sodaß immer 4
Strecken zwischen zwei 10 km voneinander entfernten Pupinspulen liegen und man an
jeder Spule dieselbe Anordnung der Drähte hat. Das erleichtert die Uebersicht ganz
außerordentlich.
Auch Leitungen, die irgendwo vom Gestänge abgehen, müssen mit ihrem Rest richtig
gegen die anderen Leitungen abgekreuzt werden.
Wenn man sich den Zweck der Kreuzungen und Platzwechsel vor Augen hält, so sollte es
eigentlich nicht schwer sein, sie richtig zu machen. Und doch sieht man gerade auf
diesem Gebiete ungemein viel Falsches. Es scheinen manche Leute der Ansicht zu sein:
Wenn nur überhaupt gekreuzt ist, dann ist die Induktion weg – ganz einerlei, wie
gekreuzt ist. Viele verfahren auch wie das Dienstmädchen, das die Matratze alle Tage
umdrehen sollte, sie aber nur alle zwei Tage umdrehte, dafür dann aber gleich
zweimal. Sobald man sich eingehend mit diesen Fragen befaßt hat, kommt man
jedenfalls zu dem Ergebnis, daß es eine Kunst ist, richtige Kreuzungen zu machen,
wenigstens wenn man den Begriff des Wortes Kunst dahin auslegt, daß es nur wenige
können.
Es lohnt sich immer, auf richtige Anordnung der Kreuzungen und Platzwechsel Mühe zu
verwenden: Man erntet dafür einen durchaus reinen Fernsprechverkehr ohne störendes
Mitsprechen aus anderen Leitungen, das andernfalls bei den Sprechenden meist die
Redewendung vom „Rausscheeren aus meiner Leitung“ auslöst. Ehe man aber
falsche Kreuzungen macht, sollte man lieber den goldenen Mittelweg gehen und gar
keine machen, denn dann gewinnt man das Durcheinandersprechen aller Leitungen auf
viel einfachere und betriebssicherere Weise.
Kreuzt und platzwechselt man aber gut, dann kann man viele Sachen machen, die anderen
nie gelingen, z.B. auch die siebenfache Ausnutzung von 4 Doppelleitungen, gegen die
man merkwürdiger Weise immer noch eine große Abneigung hat. Freilich muß man dann
auch noch Platzwechsel für das siebente Gespräch einbauen, die aber praktisch gar
nicht so schwierig herzustellen sind, wie man annehmen sollte.
Vor allen Dingen braucht man aber, wenn man saubere Leitungen hat, nicht zu dem
Mittel zu greifen, das man leider auch oft angewendet findet und vertreten hört,
nämlich das, daß man die Verständigung absichtlich schwächt, nur um das Mitsprechen
gleichzeitig zu schwächen, z.B. indem man mit zu schwachen Strömen arbeitet oder die
Fernhörer schlecht einstellt. Das sind verwerfliche Mittel, weil sie dann wieder zu
vermeidbarer Erhöhung der Leitungsquerschnitte oder zu anderen Geld kostenden
Maßnahmen zwingen.