Titel: | Das Wärmetheorem von Nernst in rechnerischer und zeichnerischer Darstellung. |
Autor: | Schmolke |
Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 91 |
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Das Wärmetheorem von Nernst in rechnerischer und
zeichnerischer Darstellung.
Von Ing. Schmolke,
Berlin.
SCHMOLKE, Das Wärmetheorem von Nernst in rechnerischer und
zeichnerischer Darstellung.
Es währte geraume Zeit, bis der 2. Wärmesatz als Hilfsmittel für technische
Rechnungen in ausgedehnterem Maße Anwendung fand. Eine ähnliche Entwicklung dürfte
sich auch hinsichtlich des Wärmetheorems von Nernst vollziehen, das man als 3.
Wärmesatz zu bezeichnen pflegt. Bereits 1906 wurde dieses letzte Grundgesetz der
Thermodynamik ausgesprochen, indessen erst in neuerer Zeit mehren sich die Anzeichen
dafür, daß man dasselbe zur Lösung technischer Aufgaben heranzieht. Hierbei treten
nicht selten Schwierigkeiten auf, die darin begründet sind, daß bisher vielfach noch
keine Klarheit über gewisse thermische Eigenschaften der Stoffe geschaffen wurde,
deren Kenntnis für die Anwendung des 3. Wärmesatzes unerläßlich ist. Sache der
experimentellen und theoretischen Forschung bleibt es, diesen Mangel zu beseitigen,
und es dürfte kein Zweifel darüber bestehen, daß der Erfolg der dahin zielenden
Bemühungen nicht ausbleiben wird. Inzwischen sind bereits eine ganze Reihe von
Darstellungen des Nernsttheorems erschienen, die dessen Verständnis dem Ingenieur
erleichtern. Zweck der nachfolgenden Zeilen ist es, das Wesentlichste einiger
besonders anschaulichen Entwicklungen des neuen Wärmesatzes in einer dem gebildeten
Techniker leicht verständlichen Form zusammenzufassen. Der Vortritt gebührt der von
Nernst selbst gegebenen, klassischen Darstellung seines Theorems.
Die Hauptaufgabe der chemischen Verwandtschaftslehre ist die Bestimmung der
Affinität, das heißt die Beantwortung der Frage, ob und mit welcher Intensität
Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Stoffen auftreten, die unter bestimmten
äußeren Verhältnissen zusammengebracht werden. Der erste Schritt, um zum Ziele zu
gelangen, bleibt die Auffindung eines einwandfreien Maßes der Affinität. Als solches
schien die Geschwindigkeit geeignet, mit der eine chemische Reaktion vor sich geht.
Es zeigte sich indessen, daß die genannte Größe stark beeinflußt wird von den im
Einzelfalle vorliegenden äußeren Umständen, beispielsweise der Temperatur. Sind
diese ungünstig, so reagieren auch solche Stoffe nicht, die unzweifelhaft eine große
Verwandtschaft zueinander besitzen. Die Geschwindigkeit erwies sich somit als
ungeeignet zur Kennzeichnung der Affinität. Man gelangte daher zu dem Gedanken, die
bei einem chemischen Prozeß auftretende Wärmeentwicklung sei ein Maß für die
Stärke der treibenden Kraft des Vorganges. Aber auch diese Auffassung erwies sich
als unhaltbar, denn sie ließ sich keinesfalls mit der Tatsache vereinigen, daß
Reaktionen stattfinden, bei denen eine Wärmeaufnahme erfolgt. Dennoch hielt man
lange Zeit hartnäckig an ihr fest. Erst van't Hoff brachte eine einwandfreie Lösung
der schwebenden Frage, indem er den Gedanken aussprach, daß die Höchstarbeit, welche
bei einer ohne Volumenveränderung erfolgenden Reaktion geleistet werden kann, das
gesuchte Maß sein müsse. Die Affinität ist nämlich nicht nur die Triebkraft der
chemischen Vorgänge, sondern auch die Quelle der Arbeitsleistung. Sie wird daher
durch die letztgenannte Größe gemessen. Demzufolge läuft eine Bestimmung der
Affinität auf die Feststellung der Höchstarbeit hinaus. Diese erhält man
bekanntlich, wenn eine isotherme, reversible Zustandsänderung stattfindet. Eine
solche betrachtete daher der erwähnte hervorragende Chemiker bei der nachstehenden
Entwicklung einer Formel für A.
Es möge sich der Vorgang 2 H2 + O2 = 2 H2 O bei der
Temperatur T in der Weise vollziehen, daß die in Wechselwirkung tretenden Stoffe im
freien Zustande die Konzentrationen C1, C2 sowie C1' besitzen
und in einen Reaktionsraum gelangen, in dem Gleichgewicht besteht, während die
Konzentrationen daselbst cl, c2 und c1' sind. Der
Druck und das Volumen seien im freien Zustande bzw. in Raum I P und V, im
Gleichgewichte oder in Raum II p und v. In diesem Falle wird man beim
Hineinbefördern eines Moles in das Reaktionsgemisch zunächst die Arbeit PV gewinnen,
da das Gas den Raum I verläßt. Anschließend daran erfolgt eine isotherme Aenderung
des Volumens von V bis v, die bekanntlich mit der Arbeitsleistung R\,T\,\mbox{ln}\,\frac{v}{V}
verknüpft ist, und endlich muß für den Eintritt des Moles in Raum II die Arbeit p v
aufgewendet werden. Weil gleichbleibende Temperatur vorausgesetzt wurde, ist im
Sinne des Gesetzes von Mariotte PV = pv, und man kann demnach unter Berücksichtigung
des Umstandes, daß sich die spezifischen Rauminhalte umgekehrt wie die
Konzentrationen verhalten, den gesamten Arbeitsgewinn A=R\,T\,\mbox{ln}\,\frac{C}{c} setzen. Er ist
doppelt so groß,
wenn 2 Mole in den Reaktionsraum gelangen, und verwandelt sich in einen Verlust,
sofern es sich darum handelt, einen Stoff aus Raum II hinauszubefördern. Beachtet
man jetzt, daß bei dem betrachteten Vorgange einerseits 2 Mole Wasserstoff sowie 1
Mol Sauerstoff in das Reaktionsgemisch eintreten und andrerseits 2 Mole Wasserdampf
entfernt werden, so erkennt man leicht, daß die gesamte Arbeitsleistung A=2\,R\,T\,\mbox{ln}\,\frac{C_1}{c_1}+R\,T\,\mbox{ln}\,\frac{C_2}{c_2}-2\,R\,T\,\mbox{ln}\,\frac{C_1}{c_1},
ist. Diese Gleichung kann in der Form A=R\,T\,\mbox{ln}\,\frac{{C_1}^2\,C_2}{{C'_1}^2}-R\,T\,\mbox{ln}\,\frac{{c_1}^2\,c_2}{{c'_1}^2} geschrieben werden. Den Bruch im
zweiten Glied der rechten Seite pflegt man mit K zu bezeichnen. Er spielt
bekanntlich als Gleichgewichtskonstante in der physikalischen Chemie eine bedeutende
Rolle, worauf näher einzugehen sich an dieser Stelle erübrigt. Stellt man sich
ferner den Verlauf der Wasserbildung so vor, daß fester oder flüssiger Sauer- bzw.
Wasserstoff in den Gleichgewichtsraum hineindestilliert werden und man zugleich den
gebildeten Wasserdampf zum festen oder flüssigen Wasser hinüberdestilliert, so würde
an die Stelle von C die Sättigungskonzentration ξ treten. Es gilt daher allgemein
die Gleichung A = – RT (ln K – Σνlnξ), worin das letzte Klammerglied die Summation
ν1lnξ1 + ν2lnξ2 + ... – v'1lnξ'1 – ...
bezeichnet und ν die Molzahl ist, mit der die in Frage kommenden Stoffe auftreten.
Diese Formel zeigt, daß man A finden kann, wenn die Bestimmung von K gelingt, denn
alle anderen auftretenden Größen sind experimentell feststellbar. Die Ermittlung der
Höchstarbeit wurde daher auf die Berechnung von K zurückgeführt.
Zu diesem Zwecke benutzt man eine andere wichtige Beziehung, die sich aus der an
erster Stelle entwickelten Gleichung für A finden läßt. Zunächst kann dieser
Ausdruck, wenn man von dem betrachteten Sonderfalle absieht, in der allgemeinen Form
A=R\,T\,\mbox{ln}\,\frac{{C_1}^{n1}\,{C_2}^{n2}....}{{C'_1}^{n1'}\,{C'_2}^{n2'}....}-R\,T\,\mbox{ln}\,K geschrieben werden. Es ist hierbei n die Molzahl, die oben für den Fall,
daß an die Stelle von C die Sättigungskonzentration tritt, ν genannt wurde. Durch
Differentiation folgt \frac{d\,A}{d\,T}=R\,\mbox{ln}\,\frac{{C_1}^{n1}\,{C_2}^{n2}...}{{C'_1}^{n1'}\,{C'_2}^{n2'}..}-R\,\mbox{ln}\,K-R\,T\,\frac{d\,\mbox{ln}\,K}{d\,T}. Führt man jetzt die Werte für A sowie den soeben
gefundenen Differentialquolienten in die bekannte Helmholtzsche Gleichung A-U=T\,\frac{d\,A}{d\,T}
ein, in der U die gesamte Energieänderung während eines Vorganges ist, so ergibt
sich sofort U=R\,T^2\,\frac{d\,\mbox{ln}\,K}{d\,T}. Nun kann man erfahrungsgemäß U = Uo + αT + βT2 + γT3 + ... setzen, wenn Uo die Größe U nahe dem absoluten Nullpunkt bezeichnet und die griechischen
Buchstaben Stoffkoeffizienten sind. Es folgt daher durch Integration des für U
ermittelten Ausdruckes \mbox{ln}\,K=-\frac{U_0}{R\,T}+\frac{\alpha}{R}\,\mbox{ln}\,T+\frac{\beta}{R}\,T+\frac{\gamma}{2\,R}\,T^2+...J. Hierbei ist J eine Konstante, deren Kenntnis
fehlt. Ihre Berechnung wäre der letzte Schritt zur Bestimmung der Höchstarbeit sowie
der Affinität. Sie ist mit Hilfe des Theorems von Nernst möglich.
Der genannte Forscher gelangte nämlich auf Grund der Beobachtung, daß der Unterschied
zwischen A und U bei Reaktionen fester oder flüssiger Stoffe oft sehr klein ist, zu
der Ueberzeugung, daß für solche Substanzen in unmittelbarer Nähe des absuluten
Nullpunktes beide Größen zusammenfallen. Er gab diesem Gesetze die Form
\mbox{lim}\,\frac{d\,A}{d\,T}=\mbox{lim}\,\frac{d\,U}{d\,T} (T = 0). Ferner benutzte Nernst für die Wärmetönung beim Gleichgewichte
zwischen Dampf und fester oder flüssiger Phase, das heißt für die Kondensationswärme
λ, einen Ansatz, der dem erwähnten Ausdruck für U durchaus entspricht. Er lautet λ =
λo + α0T + β0T2 + γ0T3 + ... und
führt analog der obigen Entwicklung mit Notwendigkeit zu der Beziehung \mbox{ln}\,\xi=-\frac{\lambda_0}{R\,T}+\frac{\alpha_0}{R}\,\mbox{ln}\,T+\frac{\beta_0}{R}\,T+\frac{\gamma_0}{2\,R}\,T^2+...\,i.
Der hierbei auftretende Festwert i läßt sich durch den Versuch bestimmen. Wenn man
jetzt in die Gleichung A = – RT (lnK – Σνlnξ) die soeben gefundenen Werte für K und
ξ einführt, die Differentialquolienten \frac{d\,A}{d\,T} sowie \frac{d\,U}{d\,T} bildet, beide
gleichsetzt und T Null werden läßt, so bemerkt man, daß J = Σνi sein muß, wenn das
Theorem erfüllt werden soll. Ueberdies ist es notwendig, daß der Koeffizient des in
dem Differentialquolienten \frac{d\,A}{d\,T} auftretenden Gliedes das In T enthält,
verschwindet, da sonst für T=\mbox{Null}\,\frac{d\,A}{d\,T} unendlich groß werden würde. Das erste
Ergebnis ist das ausschlaggebende. J wurde auf eine Summe durch Messung zu
ermittelnder Konstanten i zurückgeführt, und es kann daher K sowie A bei Kenntnis
der erforderlichen thermischen Größen berechnet werden. Ein wichtiger Erfolg ist
erreicht. Dessen ganze Bedeutung wird aber erst durch folgende Betrachtung klar.
A und U sind eindeutige Funktionen der ein System kennzeichnenden veränderlichen T, ν
usw. Es bedeutet dies, daß A2 – A1 sowie U2 – U1 unabhängig sind von dem Wege, auf welchem man von
dem Zustand 1 in den Zustand 2 gelangte. Stellt man also die genannten Differenzen
nach verschiedenen Methoden fest, so erhält man Beziehungen zwischen den im
Einzelfalle gemessenen Größen. Nun ist die Bestimmung von U stets möglich. Für A
trifft dies aber nicht immer zu. Als eine der wichtigsten Aufgaben der Thermodynamik
erweist sich daher die Berechnung von A aus U. Es liegt nahe, zu diesem Zwecke die
schon erwähnte Formel A-U=T\,\frac{d\,A}{d\,T} heranzuziehen. Nach Division durch T2 folgt aus ihr -\frac{U}{T^2}=-\frac{A}{T^2}+\frac{1}{T}\,\frac{d\,A}{d\,T}=\frac{d}{d\,T}\,\left(\frac{A}{T}\right). Demnach ist \frac{A}{T}=-\int\,\frac{U}{T^2}\,d\,T+k
oder A=-T\,\int\,\frac{U}{T^2}\,d\,T+k\,T. Hierin bezeichnet k die unbestimmte Integrationskonstante. Man
findet sie folgendermaßen: Durch Einführung des oben für U angegebenen Wertes in die
Ausgangsgleichung und Intregation ergibt sich A=U_0+k\,T-\alpha\,T\,\mbox{ln}\,T-\beta\,T^2-\frac{\gamma}{2}\,T^3-.... Andererseits ist \frac{d\,U}{d\,T}=\alpha+2\,\beta\,T+3\,\gamma\,T^2+...
sowie \frac{d\,A}{d\,T}=k-\alpha\,\mbox{ln}\,T-\alpha-2\,\beta\,T-\frac{3}{2}\,\gamma\,T^2-..... Die in diesen Ausdrücken auftretende Größe α muß Null sein, da
sonst für T = O der Quotient \frac{d\,A}{d\,T} unendlich groß werden würde infolge des
Gliedes αlnT. Verschwindet aber α, so ist \mbox{lim}\,\frac{d\,U}{d\,T}=0, und im Sinne des
Nernsttheorems gilt dasselbe für \mbox{lim}\,\frac{d\,A}{d\,T}. Es wird mithin der Festwert k gleich Null, so
daß man schreiben kann A=-T\,\int\limits_0^T\,\frac{U}{T_2}\,d\,T. Diese Beziehung ist von grundlegender Bedeutung
für die allgemeine Thermodynamik. Sie bringt den Abschluß derselben, indem sie die
noch fehlende Verbindung zwischen A und U herstellt. Gleichzeitig wurde die überaus
wichtige Aufgabe gelöst, die größte Arbeit zu berechnen, die durch Ausnutzung eines
Brennstoffes gewonnen werden kann.
Nernst hat dem von ihm angegebenen Gesetze im Laufe der Zeit noch verschiedene andere
Ausdrucksformen verliehen. Zunächst zeigen die vorstehenden Darlegungen, daß der
Inhalt des Theorems vollständig durch die Gleichung \mbox{lim}\,\frac{d\,A}{d\,T}=0 (für T = 0)
wiedergegeben wird, denn diese führt notwendig zu den Folgerungen k 0 sowie α = 0 Betrachtet man ferner die Ausdehnung eines Körpers
um Δν, so liefert die Helmholtzsche Gleichung die Beziehung p\,\Delta\,v-\frac{\delta\,U}{\delta\,v}\,\Delta\,v=T\,\frac{\delta\,p}{\delta\,T}\,\Delta\,vδ bedeutet im Folgenden niemals eine Variation,
sondern stets ein partielles Differential. oder p-\frac{\delta\,U}{\delta\,v}=T\,\frac{\delta\,p}{\delta\,T},
woraus sich mit Hülfe des 3. Wärmesatzes sofort ergibt \mbox{lim}\,\frac{\delta\,p}{\delta\,T}=0 (für T = 0).
Aendert aber eine Temperatursteigerung bei gleichbleibendem Volumen den Druck nicht,
so darf sich auch bei konstanter Spannung der Rauminhalt nicht infolge einer
Erhöhung des Wärmegrades ändern. Es ist demnach auch \mbox{lim}\,\frac{\delta\,v}{\delta\,T}=O (für T = 0). Das
hierdurch gekennzeichnete, auffällige Verhalten der Stoffe bei tiefen Temperaturen
ließ sich experimentell bestätigen.
Gerade die letztgenannte Aussage des Theorems wurde neuerdings einer recht
anschaulichen geometrischen Darstellung desselben zugrunde gelegt, wie unten gezeigt
werden wird. Zunächst sei aber auf eine sehr einfache Formulierung des 3.
Wärmesatzes durch M. Planck hingewiesen. Der Genannte zieht zu diesem Zwecke den
Entropiebegriff heran. Bekanntlich ist die Veränderung der Entropie d\,S=\frac{d\,Q}{T}, wenn
Q die zugeführte Wärme bezeichnet, und für gleichbleibende Temperatur gilt daher
S_2-S_1=\frac{Q}{T}. Ferner kann nach dem Satze von der Erhaltung der Energie Q = A – U
gesetzt werden, so daß man schreiben darf S_2-S_1=\frac{A-U}{T}. Nun ist die rechte Seite
dieses Ausdruckes nach der Helmholtzschen Formel gleich \frac{d\,A}{d\,T}, weshalb eine
Anwendung des Theorems unmittelbar ergibt lim (S2 –
S1) = O (für T = O). Ueber diese bereits von
Nernst ausgesprochene Gleichung geht Planck hinaus, indem er nicht nur die
Entropieänderung, sondern die Einzelentropien gleich Null setzt. Er stützt sich
dabei auf die experimentell gefundene Tatsache, daß die Molekularwärme c bei sehr
tiefen Temperaturen verschwindend klein wird. Diese Beobachtung führt nämlich zu der
angegebenen Schlußfolgerung, wie leicht ersichtlich ist, wenn man beachtet, daß
d\,S=\frac{c\,d\,T}{T} gesetzt werden darf. Planck verleiht seinem Gedanken Ausdruck durch die
Gleichung S=\int\limits_0^T\,\frac{c\,d\,T}{T}. Indessen ist diese Form des 3. Wärmesatzes nicht haltbar,
wenn die Molekularwärme nahe dem absoluten Nullpunkte einem zwar sehr kleinen, aber
dennoch endlichen Werte zustrebt, was jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen
erscheint. Es ist daher mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die letztgenannte
Gleichung später aufgegeben werden muß. Keinem Zweifel kann es unterliegen, daß der
von Planck angegebene Ausdruck eine speziellere Form des Theorems und die Beziehung
lim (S2 – S1) O (für
T = O) die allgemeinere Fassung des Gesetzes ist.
Verhältnismäßig einfach und gerade dem Techniker leicht verständlich ist die
Darstellung, welche W. Schule für die wesentlichsten Aussagen des 3. Wärmesatzes
gibt. Er geht von der Reaktion n1A1 + H n2A2 + ... = n1'A1' + n2'A2' + ... aus, wobei n1, n2 usw. die Molekülzahlen der in
Wechselwirkung tretenden Stoffe sind. Es wäre daher, wenn m das Molekulargewicht
bezeichnet, unter Voraussetzung gleichbleibender Spannung die Veränderung der
Wärmetönung mit der Temperatur \frac{d\,W\,p}{d\,T}=n_1\,m_1\,cp_1+n_2\,m_2\,cp_2+....-n'_1\,m'_1\,cp'_1... U und Wp sind durch die Gleichung Wp = U –
äußere Arbeit verbunden. Bei kondensierten Stoffen fällt ein Unterschied zwischen cp
und cν natürlich fort. Für Gase aber kann man schreiben \frac{d\,W\,p}{d\,T}-\Sigma\,n\,(m\,cp). Folgt man
jetzt der früher herrschenden Annahme, daß auch bei den tiefsten Temperaturen Σn
(mcp) = α + βT gesetzt werden kann, sofern α und β Festwerte sind, so ergibt sich
sofort dWp = (α + βT) dT. Nun ist nach der Helmholtzschen Gleichung, wie bereits
gezeigt wurde, \frac{A}{T}=-\int\,\frac{W\,p}{T^2}\,d\,T+K, und durch Umformen nach dem Verfahren der teilweisen
Integration folgt hieraus A=W\,p-T\,\int\,\frac{d\,W\,p}{T}+k\,T. Eine Differentiation bei gleichzeitiger
Einführung des soeben für dWp gefundenen Wertes ergibt jetzt unmittelbar \frac{d\,A}{d\,T}=-\alpha\,\mbox{ln}\,T-\beta\,T+k.
Es würde somit für den absoluten Nullpunkt \frac{d\,A}{d\,T} unendlich groß werden, und
eine in ein Wp – T = Schaubild eingetragene A-Kurve müßte tangential zur
Ordinatenachse verlaufen. (Abb. 1). Wie leicht
erkannt wird, gelangt man auch, wenn Wp irgend eine nicht lineare Temperaturfunktion
ist, zu demselben Ergebnis. Dieses ist widersinnig und steht im schroffen Gegensatze
zu den neueren Forschungen bezüglich der spezifischen Wärmen im Bereiche tiefer
Temperaturen, denn, wie schon erwähnt, soll die Wärmekapazität bei Annäherung an den
absoluten Nullpunkt verschwinden. Alle Schwierigkeiten werden durch Anwendung des
Nernsttheorems beseitigt.
Textabbildung Bd. 338, S. 93
Abb. 1.
Textabbildung Bd. 338, S. 93
Abb. 2.
Aus der mehrfach benutzten Formel \frac{d\,A}{d\,T}=\frac{A-W\,p}{T} folgt nämlich infolge Ableitung des
Zählers u. Nenners der rechten Seite nach 1 die Beziehung \frac{d\,A}{d\,T}=\frac{d\,A}{d\,T}-\frac{d\,W\,p}{d\,T}. Ist nun im Sinne des 3.
Wärmesatzes \left[\frac{d\,A}{d\,T}\right]_{T-0}=\left[\frac{d\,W\,p}{d\,T}\right]_{T-0}, so erhält man sofort \left[\frac{d\,A}{d\,T}\right]_{T-0}=O. Dies bedeutet, daß die A-
und Wp-Kurve nahe dem absoluten Nullpunkte wagerecht verlaufen und sich tangieren.
Ein solches Verhalten erscheint in keiner Weise widernatürlich und befindet sich im
besten Einklang mit den Versuchserfahrungen, so daß wiederum das Theorem als
experimentell bestätigt gelten kann.
Es dürfte vielleicht auffallen, daß der 3. Wärmesatz im vorstehenden Abschnitt auf
Gase angewendet wurde, während ihn Nernst entsprechend den obigen Ausführungen
anfänglich auf feste und flüssige Stoffe beschränkte. Dies darf kein Befremden
erregen. Der Erwähnte zeigte später selbst, daß sein Theorem für alle Substanzen
gelten muß, deren Wärmekapazität bei tiefen Temperaturen verschwindet. Die
letztgenannte Erscheinung legt nämlich zunächst die Anschauung nahe, daß es ganz
einfach sein müsse, den absoluten Nullpunkt zu erreichen, sofern es möglich ist, in
dessen Nähe durch irgend einen Vorgang einen, wenn auch ganz unbedeutenden
Wärmeaustausch mit der Umgebung hervorzurufen. Ein derartiges Ergebnis würde aber zu
Erscheinungen führen, die allen Naturgesetzen widersprechen Es wird verhindert, wenn
Q bezw A – U bei den geringsten Wärmegraden unendlich klein von mindestens zweiter
Ordnung wird, das heißt A-U=\frac{T\,d\,A}{d\,T}=a\,T^2 ist. Es wäre in diesem Falle \left(\frac{d\,A}{d\,T}\right)_T=\underset{O.}{a\,T}=O. Man
gelangt somit zum Nernsttheorem, welches aus diesem Grunde mit Recht auch das
Prinzip der Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes heißt. Dessen unmittelbare
Anwendung auf Gase ist allerdings erst seit dem Zeitpunkte möglich, an welchem
festgestellt wurde, daß es auch für diese Stoffe ein Gebiet verschwindend kleiner
Wärmekapazität gibt.
Textabbildung Bd. 338, S. 94
Abb. 3.
Recht beachtenswert ist die Entwicklung der von Nernst ausgesprochenen Gedanken unter
Zuhilfenahme eines geometrischen Verfahrens durch Viktor Fischer (Abb. 3.) Es wird hierbei ausgegangen von der als
Ausdruck des Theorems zu betrachtenden Gleichung \left(\frac{\delta\,v}{\delta\,T}\right)_p=O. Sie bietet die
Möglichkeit, in ein Tν = Diagramm Isobaren einzuzeichnen. Diese müssen entsprechend
obiger Beziehung in unmittelbarer Nähe der ν-Linie parallel der T-Achse verlaufen,
da dort das Gebiet der tiefsten Temperaturen zu suchen ist. Diese Parallelität
bleibt innerhalb der Wärmegrade O und dT erhalten. Die Schnittpunkte der Isobaren
mit der ν-Linie oder der Nullisotherme A, Al, A2 ... liegen daher senkrecht unter ihren
Schnittpunkten A', A'1 ... mit der Isothermen für
dT°. In gleicher Weise lassen sich Kurven unveränderlichen Volumens in ein
pT-Schaubild eintragen, das in der Abbildung unter Benutzung derselben Ordinaten
links vom Tν-Diagramm angeordnet ist. Es müssen dort im Sinne der Gleichung
\left(\frac{\delta\,p}{\delta\,T}\right)_v=0 naturgemäß die Linien gleichen Rauminhaltes anfänglich lotrecht auf der
Abszisse stehen. Auch hier liegen die Schnittpunkte dieser Kurven mit den Isothermen
für O° und dT° untereinander. Ihre Bezeichnung ist wiederum A, A1 ... sowie A', A'1
... Es bereitet nun keine Schwierigkeiten, diese Punkte in ein pν-Diagramm zu
übertragen, das zweckmäßig unter dem νT-Schaubilde seinen Platz findet. Man erkennt,
daß in dieser Darstellung A, A' usw. zusammenfallen müssen, denn in beiden Punkten
sind Spannung und Rauminhalt gleich. Demgemäß werden auch die bisher als Doppellinie
erscheinenden Isothermen zu einer einzigen OdT-Kurve. Diese kann von e nem
Linienzuge für eine beliebige andere gleichbleibende Zustandsgröße Z entweder
geschnitten oder berührt werden. Der erstere Fall ist in der Abbildung durch die
Kurve Zs konst. dargestellt. Für deren Schnittpunkt
mit der mit der OdT-Linie muß nun unbedingt gelten \left(\frac{\delta\,Z_s}{\delta\,T}\right)_p=\left(\frac{\delta\,p}{\delta\,T}\right)_{Z_s}=\left(\frac{\delta\,Z_s}{\delta\,T}\right)_v=\left(\frac{\delta\,v}{\delta\,T}\right)_{Z_s}=O, wie man leicht
erkennt, wenn man das Zusammenfallen der mehrfach genannten Isothermen beachtet. Ein
die OdT-Kurve in A – A1 tangierender Linienzug ist
Zt. Für ihn gilt die Gleichung \left(\frac{\delta\,Z_t}{\delta\,v}\right)_{T=0}=O, wie
die Darstellung von Zt in Tν-Diagramm deutlich
zeigt. Die beiden soeben gefundenen partiellen Differentialquotienten bieten jetzt
die Möglichkeit, das Theorem auf andere Zustandsgroßen auszudehnen, indem man
feststellt, ob diese Funktionen vom Charakter Zs
oder Zt sind.
Es gilt beispielsweise, da der Wärmeinhalt i als Funktion von p und T ausgedrückt
werden kann, das totale Differential d\,i=\left(\frac{\delta\,i}{\delta\,T}\right)_p\,d\,T+\left(\frac{\delta\,i}{\delta\,p}\right)_T\,d\,p. Vereinigt man dasselbe mit der
bekannten thermodynamischen Formel d\,i=cp\,d\,T-w\,\left[^T\left(\frac{\delta\,v}{\delta\,T}\right)_p-v\right]d\,p, in der w das Wärmeäquivalent
darstellt, so wird für den absoluten Nullpunkt \left(\frac{\delta\,i}{\delta\,p}\right)_{T=0}=w\,b=w\,f\,o\,(p), sofern b den Rauminhalt
bei 0° bezeichnet, der lediglich eine Funktion des Druckes ist. Wäre nun i eine
Funktion vom Charakter Zt, so müsste dem gegenüber
gelten \left(\frac{\delta\,i}{\delta\,p}\right)_{T=0}=O, wie ein Blick auf die Abbildung lehrt. Beide Gleichungen sind
unvereinbar, und es folgt mithin, daß der Wärmeinhalt durch die Funktion Zs gekennzeichnet wird. Man darf daher schreiben
\left(\frac{\delta\,i}{\delta\,T}\right)_p=O. In gleicher Weise erhält man bei Betrachtung der inneren Energie die
Ausdrücke d\,U=\left(\frac{\delta\,U}{\delta\,T}\right)_v\,d\,T+\left(\frac{\delta\,U}{\delta\,v}\right)_T\,d\,v sowie d\,U=c\,v\,d\,T+w\,\left[^T\left(\frac{\delta\,p}{\delta\,T}\right)_v-p\right]\,d\,v. Eine Zusammenfassung beider ergibt in analoger Weise wie oben
\left(\frac{\delta\,U}{\delta\,v}\right)_{T=0}=-w\,p_b=-w\,f\,o\,(v), wobei pb den Druck bei – 273° darstellt,
und man findet somit wiederum \left(\frac{\delta\,U}{\delta\,T}\right)_v=O. In ähnlicher Form läßt sich auch die Aussage des
Neresttheorems bezüglich der Höchstarbeit ableiten. Dieselbe wird definiert durch
die Gleichung A = U – TS. Ueberdies gilt die Formel dU = TdS – wpdν. Es folgt
hieraus dA = – SdT – wpdν, und ferner ist wie früher d\,A=\left(\frac{\delta\,A}{\delta\,T}\right)_v\,d\,T+\left(\frac{\delta\,A}{\delta\,v}\right)_T\,d\,v. Man darf deshalb
für T = O abermals schreiben \left(\frac{\delta\,A}{\delta\,v}\right)_{T=0}=-w\,p_b=-w\,f\,o\,(v), woraus schließlich folgt \left(\frac{\delta\,A}{\delta\,T}\right)_v=O. Noch
in vieler Hinsicht kann die Anwendung des Schaubildes erweitert werden Indessen
würde es über den Rahmen dieses Aufsatzes hinausführen, näher darauf einzugehen. Die
vorstehenden Darlegungen dürften hinreichen, das Verfahren Fischers zu kennzeichen.
Es wird in Technikerkreisen infolge der Anwendung zeichnerischer Hilfsmittel zur
Unterstützung der Rechnung fraglos manchen Anhänger finden.
Die Zahl der Darstellungen des Nernsttheorems ist mit den besprochenen Beispielen
keineswegs erschöpft. Unter anderen verdient eine schon vor längerer Zeit
erschienene Schrift von F. Pollitzer Erwähnung wegen der außerordentlich klaren
Behandlung des Themas. Der Verfasser stützt sich auf die vom physikalischen
Standpunkte selbstverständliche Voraussetzung, daß A, U sowie \frac{d\,A}{d\,T} bis zum
absoluten Nullpunkte stetig verlaufen. Es wäre mithin daselbst lim A = Ao, lim U = Uo und
\mbox{lim}\,\frac{d\,A}{d\,T}=B, sofern B ein beliebiger positiver oder negativer Wert oder auch Null
ist. Nun folgt durch Differentiation der Gleichung von Helmholtz für T = 0 der
Ausdruck \mbox{lim}\,\left[\frac{d\,U}{d\,T}\right]=-\mbox{lim}\,\left[\frac{T\,d^2\,A}{d\,T^2}\right], und ferner hat die obige Voraussetzung bezüglich
\frac{d\,A}{d\,T} die Folge, daß die rechte Seite der letzten Formel verschwindet. Es ist
demnach \mbox{lim}\,\frac{d\,U}{d\,T}=0 (für T = 0), woraus sich bei der Annahme, daß A und U beim
absoluten Nullpunkte zusammenfallen, wieder \mbox{lim}\,\frac{d\,A}{d\,T}=0 (für T = 0) ergibt. Man
sieht, daß die Ableitung der Hauptgleichung auf einem verhältnismäßig einfachen Wege
erfolgte. Auch hinsichtlich der Anwendung des Theorems für Aufgaben physikalischer
und chemischer Natur bedeutete die Abhandlung Pollitzers, dem Nernst weitgehende
Unterstützung zuteil werden ließ, einen bemerkenswerten Fortschritt.
Daß die Feststellung des chemischen Gleichgewichts auch für die Maschinentechnik im
engeren Sinne unter Umständen wichtig ist, zeigen beispielsweise die Arbeiten von K.
Neumann über die Vorgänge in Gasmaschinen und Generatoren sowie die
Veröffentlichungen W. Nusselts betreffend Verbrennung auf dem Rost, Wärmeübergang
usw. Ferner ist die Ermittlung der Höchstarbeit für die Berechnung des
Wirkungsgrades der Kraftmaschinen von ausschlaggebender Bedeutung. Indessen auch zur
Bestimmung von Schmelzpunkten, Umwandluegspunkten und anderer nicht nur für den
Chemiker und Physiker, sondern auch für den Ingenieur bedeutungvoller Größen wird
sich der 3. Wärmesatz in Zukunft heranziehen lassen, wenn die Kenntnis gewisser
wichtiger thermischer Werte, vor allem der spezifischen Wärmen, eine weitere
Förderung erfahren hat. In diesem Sinne zu wirken, ist eine Aufgabe der
Spezialforschung, nachdem das Ziel der allgemeinen Thermodynamik durch Aufstellung
des Nernsttheorems erreicht wurde.