Titel: | Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage. |
Autor: | B. Simmersbach |
Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 105 |
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Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
Von Ingenieur B. Simmersbach,
Wiesbaden.
SIMMERSBACH, Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
Die Verunreinigung der Gewässer durch Einleitung von Abwässern ist infolge der
neuzeitigen Entwicklung des Städtebauwesens und der Ausdehnung der Industrie in
überaus raschem Anwachsen begriffen. Die erhöhten Ansprüche der Bevölkerung an die
Reinlichkeit und Gesundheit der Wohnstätten haben das Bestreben, nach möglichst
vollständiger Abschwemmung aller Unratstoffe, auch der Exkremente, aus dem Bereiche
der bewohnten Gebiete gezeitigt. Desgleichen sucht die Industrie das fließende
Wasser in immer mehr zunehmendem Maße zur Abführung der Fabrikationsrückstände für
sich in Anspruch zu nehmen. Die Entstehung der Abwässerfrage war somit eine
notwendige Folge des vor etwa sieben Jahrzehnten einsetzenden wirtschaftlichen
Aufschwunges und der damit zusammenhängenden städtebaulichen Entwicklung, die
ihrerseits wiederum durch eine wesentliche Zunahme und Konzentration der Bevölkerung
bedingt war und auch durch diese beeinflußt wurde. Die öffentliche Fürsorge für die
Abwendung gemeingefährlicher Zustände an den Gewässern läßt es deshalb als eine
dringende Forderung des Gemeinwohles erscheinen, gegen die mißbräuchliche Benutzung
der Gewässer Maßnahmen zu ergreifen. In den schnell wachsenden Städten verlangte die
Errichtung mehrstöckiger Wohnhäuser sehr bald besondere Einrichtungen zur Abführung
der Brauchwässer aus den einzelnen Stockwerken, zumal auch schon die Einführung der
Wasserleitungen die früher allgemein übliche primitive Ableitung und Unterbringung
der Abwässer nicht geringe Schwierigkeiten geschaffen hatte. Die Menge der in die
Straßenrinnen gelangenden Schmutzwässer nahm sehr beträchtlich zu, ihre
Beschaffenheit wurde bedenklicher, indem auch die Abortgruben bei der Einführung der
Spülklosetts sich schneller füllten und zur Vermeidung der häufigen Entleerung die
Ueberläufe nach den Ableitungen in den Straßen entstanden. Die Beschaffenheit der
Abwässer richtet sich nach den infolge ihres Herkommens ihnen anhaftenden fremden
Beimengungen. Diese sind naturgemäß sehr verschiedener Art. Je nach dem Charakter
dieser letzteren ist es häufig unmöglich, ein Abwasser zum gleichen oder zu einem
anderen Zweck nochmals zu gebrauchen, und es kann dann auch oft unstatthaft sein,
solches Abwasser in die dem Gemeingebrauch dienenden öffentlichen Wasserläufe
einzuleiten. So ist demnach die Entfernung der schä lichen Bestandteile der
Abwässer, die durch häuslichen und gewerblichen Gebrauch verunreinigt wurden,
eine nicht minder wichtige Frage der breitesten Oeffentlichkeit, als die Versorgung
der Städte und Dörfer mit Trinkwasser, denn oft genug sind Abwässer der Herd von
Seuchen aller Art und jedenfalls der Gesundheit des Menschen nachteilig. Vieles ist
hier schon geschehen, indem man die Städte und die Industrien an der regellosen
Abfuhr ihrer gebrauchten Wässer in die Flüsse zu verhindern gewußt hat und die
Ausführung weiterer Anlagen zur Flüsseverunreinigung verbot. Das Dogma von der
Selbstreinigung der Flüsse hat insofern viel Unheil angestiftet, als es sich auf
eine größtenteils mißverstandene Aeußerung Pettenkofers zu stützen suchte und so
bewirkte, daß manche Gewässer zu nichts anderem als Kloaken herabgewürdigt wurden,
in denen der gesamte Unrat der Städte und die Abwässer der zahlreichen Fabriken
aufbewahrt wurden. Die Selbstreinigungskraft eines Flusses, welche darin besteht,
daß alle im Wasser vorhandenen gelösten und ungelösten Substanzen, soweit dieselben
nicht mineralisiert oder vergast werden, durch eine Unzahl tierischer und
pflanzlicher Individuen – Bakterien, Algen, Würmer, Kruster, Sporen u.a.m. –
aufgenommen und verarbeitet werden, findet nämlich ihre ganz natürlichen Grenzen.
Diese Grenze hängt erstens ab von der Anzahl der vorhandenen Lebewesen und sodann
von der Menge der im Wasser befindlichen Sink- und Schwemmstoffe. Stehen beide
Faktoren nicht im richtigen Verhältnis zu einander, so setzt sich nämlich schon sehr
bald eine Menge ungelöster Stoffe zu Boden. Die Pflanzen, welche das Wasser reinigen
sollen, werden überwuchert und erstickt, und damit sind dann auch zugleich die
Sauerstoffproduzenten für die Tierwelt vernichtet. Die weitere Folge davon ist dann
die, daß die Kleintierwelt, das ausschlaggebende Futter für die größeren Tiere, also
auch für die Fische, zugrunde gehen und damit die Lebensbedingungen für die Fische
selbst zerstört werden. – Solches Wasser ist einfach – „verseucht“, es kann
weder als Waschwasser für Menschen, noch als Tränkwasser für Vieh, noch zur
Wiesenbewässerung benutzt werden. Jeder Betrieb, der gezwungen ist, es dennoch zu
benutzen, muß es durch umständliche und kostspielige Verfahren filtrieren. Die
Einzelheiten der verschiedenen Verfahren, die Abwässer mechanisch und chemisch zu
verbessern, sofern dies überhaupt möglich ist, sind vielfach recht
komplizierter Natur. Wie sehr die Verunreinigung der Flüsse wächst, wird durch
folgendes Beispiel treffend illustriert: In der Kampagne 1859/60 verarbeiteten zwei
Zuckerfabriken 326000 Zentner Rüben und führten 2600 Zentner fäulnisfähige
organische Substanzen der Oker zu; im Winter 1876/77 war letzteres Quantum auf 18000
Zentner gestiegen, 1880/81 schon auf 40000 Zentner, 1884/85 auf 57000 und 1909/10
auf 95000 Zentner. Binnen 50 Jahren hat sich also die Schmutzmenge um das 35fache
gesteigert, ohne daß die Oker im Durchschnitt inzwischen wasserreicher geworden
wäre. Es kamen also 1910 35mal mehr fäulnisfähige Substanzen auf dasselbe Quantum
Okerwasser. (Nach Prof. Halbfaß: Angewandte Geographie IV. 3.) Für Preußen existiert
schon seit längerem die „staatliche Landesanstalt für
Wasserhygiene, Berlin-Dahlem“, welche sich insbesondere mit der
Feststellung der Einwirkung der Schmutzwässer auf den Boden, Ausnutzung der
Dungstoffe und der Anforderung an den Reinheitsgrad von abfließenden Schmutzwässern
beschäftigt. Besonders schwierig, und trotz aller Bemühungen tüchtiger Fachleute,
noch keineswegs gelöst ist das Problem, die in den Schlammmassen enthaltenen
Fettstoffe zu extrahieren und zu verwenden. Die Abwässerfrage, wird, nach Prof.
Halbfaß' treffender Charakteristik, erst dann eine befriedigende Lösung erlangt
haben, wenn die schädlichen Stoffe der in den Städten, Industrien und sonstigen
Betrieben entstehenden, aber nicht zu vermeidenden Abwässer nicht nur unschädlich
gemacht werden, was vom hygienischen Standpunkte aus von einschneidendster Bedeutung
ist, sondern auch landwirtschaftlich genügend ausgenutzt werden. Letzterer Umstand
ist sehr wichtig, damit nicht die wertvollen Schwemm- und Sinkstoffe einfach in den
Ozean fortgeschwemmt werden und so der menschlichen Nutzung verloren gehen.
Unter gewöhnlichen Verhältnissen benutzt man also die Flußläufe als natürliche
Sammel- und Ablagerungsstätten der Schmutzwässer, sowohl derjenigen, die dem
menschlichen Haushalte ihre Entstehung verdanken, als auch derjenigen, die aus
industriellen Betrieben stammen. Da aber das Wasser der Flüsse nicht gar selten
wieder zur Versorgung größerer Gemeinwesen mit Trink- und Gebrauchswasser
herangezogen werden muß, so ist es selbstverständlich, daß die Behörden die Frage
der Flußverunreinigung stetig überwachen. Denn eine übermäßige Flußverunreinigung
kann durch Verbreitung übelriechender Dünste, durch Entstehung verheerender
Fischseuchen u.a. hygienisch und nationalökonomisch bedenkliche Folgen zeitigen.
Durch die rasche Ableitung sowie durch die örtlich konzentrierte Einleitung größerer
Abwassermengen entstehen zunächst partielle Verschmutzungen und
Verschlammungsstellen in der Vorflut, entsprechend den verschiedenen Einlaufen und
der längs des Flusses sich erstreckenden städtischen oder industriellen Bebauung.
Während anfangs derartige örtliche Verschmutzungsherde nichts Bedenkliches für die
Allgemeinheit boten, steigerte sich die Flußverunreinigung allmählich doch mit dem
allgemeinen wirtschaftlichen und besonders dem industriellen Aufschwung im letzten
Viertel des vorigen Jahrhunderts zu einem erheblichen und nicht mehr zu übersehendem
Grade. Zufolge der Natur der Schmutzstoffquellen enthalten die Abwässer, mit oder
ohne Regenwässer; ungelöste, suspendierte und halbgelöste, sowie gelöste organische
und anorganische Stoffe. Bei der gemeinschaftlichen Abführung von Schmutz- und
Regenwässern werden durch letztere auch noch weitere Schmutzstoffe zugeführt,
so daß oftmals genug die Gesamtmenge an Abwasser ein Vielfaches des
Trockenwetterabflusses erreicht. Je nach den Witterungsverhältnissen und je nach der
Stadt ist die Gesamtmenge an Schmutzwasser pro Kopf und Tag sehr schwankend; in
ländlichen Bezirken und kleinen Städtchen kann sie auf 20–30 Liter angenommen
werden. Im Mittel rechnet man wohl für größere Städte mit 80–100 Litern pro Kopf und
Tag, doch steigt die Tagesmenge selbst bis auf 500 Liter an und mehr, wie solche
Fälle in Amerika z.B. bekannt sind. Die Lösung der Abwässerfrage ist deshalb eine so
außerordentlich schwierige und verwickelte, weil sich hierbei die verschiedensten
Interessen oft kraß gegenüberstehen. Die Industrie läßt sich vielfach nur unter
Benutzung der fließenden Gewässer zur Fortführung ihrer unreinen Abgänge
gewinnbringend gestalten.
Auch die Städte sehen in der Einführung ihrer Abfallstoffe in die Flüsse ein so
bequemes Mittel, sie schnell und vollständig loszuwerden, daß man es ihnen nicht
verdenken kann, wenn sie nur ungern darauf verzichten. Andererseits aber sind an der
Reinhaltung der Gewässer die gesamte Wasserversorgung, die Landwirtschaft, die
Fischerei, die Gesundheitspflege und die ganze moderne Kultur so nachhaltig
interessiert, daß mit vollem Rechte die neueren Landeswassergesetze den hygienischen
Standpunkt allgemein als den wichtigsten vorangestellt haben. Dabei gibt dieser
Standpunkt dennoch vollkommen zu, daß in sehr vielen Fällen das Gedeihen für die
Volkswirtschaft sehr wichtiger Industrien absolut undenkbar ist, wenn es diesen
Industriebetrieben nicht erlaubt sein sollte, ihre Abwässer, unter gewissen
Vorsichtsmaßnahmen den Flüssen zuzuführen. Andererseits schadet die Einfuhr von
Abwässern den Flüssen gar nichts, sofern nur diese Einfuhr in genügend verdünntem
Maße erfolgt, ja, sie ist dann manchmal sogar noch für die Fischerei von Vorteil.
Die schädliche Wirkung hängt somit in erster Linie von dem Grad der Verdünnung ab,
den die Abfallstoffe im Flußwasser erreichen, und dieser wiederum ist bedingt durch
die im Fluß vorhandene Wassermenge, welche ihrerseits natürlich wiederum sehr
weitgehenden Schwankungen unterliegt. Diejenigen Fabrikabwässer, welche einen hohen
Gehalt an organischen und stickstoffhaltigen Stoffen aufweisen, sind, sofern sie im
richtigen Verhältnis zur Wassermenge der Flußläufe stehen, in die sie eingeleitet
werden, an und für sich der Fischzucht keineswegs nachteilig, sondern eher sogar
noch förderlich. Solche Abwässer sind z.B. jene der Schlachthäuser, Molkereien,
Brauereien, Brennereien, Zuckerfabriken, Hefen-, Stärke- und Margarinefabriken, Leim
werke; ferner auch alle Abwässer, welche zwar reich an organischen Bestandteilen
sind, aber keine wesentlichen Stickstoff mengen besitzen, wie die Abwässer aus
Spinnereien, Webereien, Bleichereien, Färbereien, Papierfabriken, Oelmühlen,
Wollwäschereien und andere.
Es gibt aber noch eine dritte Gruppe organischer Abwässer, welche direkt schädliche
und giftige Stoffe dem Wasser zuführen. Als solche sind zu nennen die Abwässer von
Gasanstalten, Teerdestillationen, Ammoniakfabriken, Braunkohlenschwelereien,
Farbenfabriken, Cellulosefabriken, Holzessigfabriken u.a.m. Diese Abwässer würden am
besten den Flußläufen gar nicht zugeführt, da eine hinreichend genügende Klärung
derselben nicht möglich ist und sie somit den Flußläufen stets schädliche Stoffe
zuführen; andererseits aber eine weitgehende Klärung derartiger Abwässer immerhin recht hohe Kosten
bedingen würde. Die Behandlung von Abwässern jeglicher Art hat daher immer ein sehr
reges Interesse gefunden, aber erst durch die ständige, jahrzehntelange
Beschäftigung mit den Entwässerungsfragen und durch systematische Untersuchungen der
verschiedenen in Aufnahme gekommenen Reinigungsverfahren an praktisch ausgeführten
Anlagen gelangte man zur Klarheit über das wirklich Erreichbare und das billig zu
Fördernde. Um diese Erhebungen fortsetzen und die Behörden, Gemeinden und
Industriellen mit Rat und Tat unterstützen zu können, wurde für Preußen im Jahre
1901 die Versuchs- und Prüfungsanstalt für Abwasserversorgung und
Abwässerbeseitigung, später „Landesanstalt für Wasserhygiene“ ins Leben
gerufen. Auf der 29. Hauptversammlung des Preuß. Medizinalbeamtenvereins zu Berlin
berichtete Abel über neuere Verfahren der Abwässerreinigung; er gab zunächst einen
kurzen Ueberblick über die Entwicklung der Frage der Abwässerbeseitigung in
Deutschland und über die Wandlungen, welche die wissenschaftlichen Anschauungen
sowie die behördlichen Anforderungen im Laufe der Zeit erfahren haben. Die Erfahrung
auf dem Gebiete der gesamten Abwässerfrage hat gelehrt, daß sich für die Ableitung
und Reinigung von Abwässern einheitlich bestimmte Forderungen nach allgemeinen
Grundsätzen nicht aufstellen lassen. Hier muß vielmehr von Fall zu Fall geprüft
werden und das auf Grund der örtlichen Verhältnisse Notwendige und unbedingt zu
Fordernde dann verlangt werden, aber auch nicht mehr oder nicht weniger. Die
Gesichtspunkte, nach denen dabei zu verfahren ist, sind für Preußen zusammengefaßt
in der Verfügung vom 20. Februar 1901. Die Einleitung von Abwässern in die Vorfluter
wird auch noch weiter nach diesen Grundsätzen geregelt bleiben, nachdem späterhin
das preußische Wassergesetz vom 1. April 1914 in Kraft getreten war. Die gegenüber
dem Einleiten von Abwässern in Vorfluter zu schützenden Interessen liegen auf
hygienischem, ästhetischem, gewerblichem, landwirtschaftlichem und fischereilichem
Gebiet; dabei geben die ersteren, die gesundheitlichen Interessen, ihrer Bedeutung
nach noch immer bei weitem den überwiegenden Ausschlag an. Wie weit die Abwässer vor
ihrer Ableitung zu reinigen sind, um die verschiedenen Interessen zu wahren, hängt
naturgemäß von einer ganzen Reihe von Umständen ab. Wir haben die wichtigsten dieser
Umstände bereits oben genannt; es handelt sich z.B. um die Menge und die
Konzentration der Abwasser, um die Wasserführung und Beschaffenheit des Vorflutes
und um die Verwendung seines Wassers im weiteren Verlaufe. – Heute verfügen wir über
so verschiedene, untereinander abgestufte Möglichkeiten der Abwässerreinigung, daß
für die Lösung der Frage in Wohnplätzen ziemlich allgemein von vorneherein mit
Sicherheit ein zum Ziele führendes Verfahren angegeben werden kann, so daß also die
Einrichtung einer Versuchskläranlage hierfür heute kaum noch irgendwo erforderlich
ist. Nach ihren Zielen lassen sich die Verfahren zur Reinigung der Abwässer in drei
große Gruppen einteilen, nämlich in Abfisch- und Absiebanlagen, Absitzanlagen und in
Anlagen für biologische Behandlung. Zu den erstgenannten Einrichtungen, die
besonders in Deutschland in immer vollkommener Form konstruiert und, bei günstigen
Vorflutverhältnissen, auch zu selbständigen Klärverfahren ausgebildet worden sind,
gehören: der Uhlfeldersche Rechen, das Geigersche Siebschaufelrad, die Rhiensche
Separatorscheibe, die Metzger-Windschildsche Siebtrommel und als besonders für
industrielle Betriebe in Frage kommend der Lehmannsche Fasernfänger und der
Brabowskische Stülpefänger. Die Wirkung solcher Anlagen, durch welche die gröberen
Stoffe, wie Kotballen, Papier, Knochen, Streichhölzer, Küchenabfälle etc., aus dem
Abwasser ausgeschieden werden, liegt zunächst wesentlich auf ästhetischem Gebiet.
Die Menge der so abgefischten Stoffe beträgt, wie Abel in seinem Vortrage angiebt,
pro Kubikmeter Abwasser höchstens 0,5–1 Liter. Absitzanlagen, in denen die
Schwebestoffe durch Verlangsamung des Abwasserstromes zu Boden sinken, werden
ausgebildet als Becken, Brunnen, Türme und Kessel verschiedenster Bauweise. Bei
einer Durchflußzeit des Abwassers von etwa zwei Stunden lassen sich durch
Sedimentation durchschnittlich etwa 70 % der gesamten ungelösten Bestandteile
ausscheiden. Diese Menge kommt etwa 85 % der überhaupt so zu beseitigenden Stoffe
gleich. Naturgemäß schwanken die Betriebsergebnisse zahlenmäßig sehr, je nach der
Beschaffenheit des Abwassers, doch bildet 70 % bzw. 85 °/o immerhin eine annehmbare
Vergleichsziffer. Besondere Schwierigkeiten verursachte ursprünglich die Beseitigung
und Trocknung des sehr wasserhaltigen, stark fäulnisfähigen und nur schwer
drainierbaren Schlammes. Bei den neueren Verfahren jedoch, die eine automatische
Abscheidung und Zersetzung in inoffensiver Weise anstreben, rutscht der Schlamm
durch Schlitze am Boden der Absitzräume in darunter liegende Becken, aus denen er
nach der Ausfaulung durch den Druck der darüberliegenden Wassersäule entfernt wird.
Man hat auch geeignete Einrichtungen geschaffen, die es ermöglichen, den in einem
Sammelraum abgesetzten Schlamm, um ihn möglichst konzentriert zu erhalten, gegen das
Abwasser dicht abzuschließen, bevor er in die Zersetzungsräume, oder auf die
Schlammbeete überführt wird. Bauweisen solcher Art sind z.B. das Travisbecken, der
Emscherbrunnen, der Krämer-Imhoffbrunnen, der Stiagbrunnen, das Neustädter Becken,
das Försterbecken und die Schlammzylinder und Schlammschleusen der Gesellschaft für
Abwasserklärung, Berlin-Schöneberg. Bisher noch nicht in Deutschland zur Ausführung
gekommene, von Dibdin angegebene, sind aus lose geschichteten Schieferplatten
bestehende Körper, die nach Art der Füllkörper betrieben werden. In ihnen soll sich
der Schlamm während der Periode des Leerstehens oxydieren. Zur Reinigung der
Abwässer hat P. Degener die Füllung mit Torfbrei oder Braunkohle in fein verteiltem
und geschlämmtem Zustande vorgeschlagen, in Verbindung mit Eisensalzen. Man erhält
dadurch einen Schlamm, der sich zu Briketts pressen läßt und dann ein immerhin gut
brauchbares Brennmaterial abgibt. Ueberhaupt, wenn die Umstände eine weitergehende
Reinigung des Abwassers erfordern, etwa bis zur völligen Fäulnisunfähigkeit, so ist
dies außer durch das sogenannte Kohlebreiverfahren nur durch biologische Behandlung
auf natürlichem oder künstlich hergestelltem Boden möglich. Die verschiedenen
Methoden, welche der Abwässerreinigung dienen, wie die Bodenberieselung,
intermittierende Bodenfiltration, Untergrundberieselung, die Anwendung von Füll- und
Tropfkörpern sind alle nach ihrer Leistungsfähigkeit, Anwendbarkeit und
Wirkungsweise nur im einzelnen jeweils auf Grund der besonderen Sachlage zu würdigen
bzw. zu prüfen. Vielfach wurde neuerdings auch auf die Abwasserreinigung durch
Fischteiche hingewiesen, da diese nicht nur zur Nachklärung biologisch behandelter
Abflüsse geeignet sind, sondern nach Hofer, sogar eine durchgreifende Reinigung frischer Abwässer bis zur Fäulnisunfähigkeit bewirken
sollen. –
Da die natürliche Reinigung der Abwässer, besonders diejenige großer städtischer
Gemeinwesen, sich sehr oft als unzureichend erwiesen hat, so war man gezwungen, nach
Mitteln zu suchen, die diese Reinigung künstlich zu bewirken imstande sind. Von
derartigen Mitteln zur Beseitigung der Abwässer sind die Berieselung und die Füllung
generell die wichtigsten. Die Notwendigkeit von Klärvorrichtungen an den
Notauslässen der Kanäle und an den Mündungen der Regenkanäle bei
getrenntkanalisierten Städten wird heute wohl allgemein als vorliegend angesehen.
Die Berieselung muß dabei entschieden als eine sehr gute und auch in ihrer Art
ziemlich vollkommene Methode der Abwasserreinigung bezeichnet werden. Große, mit
Gräben durchzogene Landstrecken, – eben die Rieselfelder – werden bei diesem
Verfahren mit den Abwässern überrieselt; hierbei werden die Verunreinigungen, die
auch meistens gleichzeitig wertvolle Dungstoffe sind, aufs beste ausgenutzt.
Bewiesen ist heute längst, daß die auf solchen Rieselfeldern sachgemäß angelegten
Pflanzungen vorzüglich gedeihen. Damit auf Rieselfeldern keine Uebersättigung
eintritt, müssen sehr große Landstrecken zur Verfügung stehen; man rechnet dabei
erfahrungsmäßig mit einem Hektar Rieselland auf je 500 Einwohner. Die Berieselung
wirkt überall dort, wo sie richtig ausgeführt wird und wo die Felder gut drainiert
sind, befriedigend. Alle Mikroorganismen werden dabei im Boden zurückgehalten; die
gelösten organischen Stoffe werden um 60 bis 80 %, die anorganischen um 20–60 %
vermindert. Wichtig ist gleichfalls eine durchgreifende Desinfektion der Abwässer.
Es hat sich heute als praktisch undurchführbar erwiesen, die Abwässer vor ihrer
Ableitung in die Vorfluter allgemein und ständig zu desinfizieren – wie man dies
früher forderte –. Man versucht darum das Hineingelangen von Krankheitskeimen in die
Abwässer nach Möglichkeit zu unterbinden; dazu dient einmal die Anzeigepflicht bei
Infektionskrankheiten, ferner auch die laufende Desinfektion am Krankenbette selbst
und in größeren Anstalten, Krankenhäusern usw., womöglich auch auf öffentliche
Kosten. Unter Berücksichtigung dieser heutigen Schutzmaßnahmen wird man wohl
besondere Desinfektionseinrichtungen auf Kläranlagen ohne große Bedenken fallen
lassen können. Sollte sich dennoch in einzelnen Ausnahmefällen eine
Abwasserdesinfektion als notwendig erweisen, so wird sich, nach dem Urteil der
Fachleute, eine solche wohl durchführen lassen durch ein zeitweises Aufstauen der
Abwässer in einem Teile des Kanelnetzes, oder in Erdbecken, die sich dazu schnell
herstellen lassen. Als wirksamstes Desinfektionsmittel kommt dabei immer Chlor in
Betracht, und zwar in der Form von Chlorkalk, als komprimiertes Gas, oder aber aus
Kochsalzlösung elektrolytisch hergestellt. – Die Anwendung von Chemikalien hat
übrigens nicht nur den Zweck, als Desinfiziens zu wirken, sondern in weit größerem
Umfange dient der Zusatz von Chemikalien zum Schmutzwasser dazu, um Niederschläge zu
erzeugen, welche dann ihrerseits wiederum die Schwebestoffe einhüllen und mit
niederreißen. Letzten Endes beruht somit die Anwendung chemischer Fällungsmittel auf
einer Sedimentation. Als chemische Reagenzien hat man für die Abwässerbehandlung
eine ganze Anzahl empfohlen und erprobt, als welche besonders Kalk, Kalkmilch und
Zusätze hierzu verwandt werden. Solche Zusätze, neben Kalk, sind Calciumphosphat,
Glaubersalz, Eisenvitriol und Kohlenstaub, Eisenchlorid und Eisenchlorür,
Tonerdesulfat. Ferner nimmt man auch eisenreiche Schlacke und selbst
Pflanzenfasern; an sonstigen Chemikalien hat man Sulfite und Hyposulfite
vorgeschlagen, dann auch Kalk-Chlor- und Karbolsäure. Die Wirkung dieser einzelnen
Mittel ist chemisch jeweils eine verschiedene, alle aber schlagen sie im Abwasser
gelöste Stoffe nur unvollständig nieder, wenn überhaupt; manchmal kommt es sogar
vor, daß der Gehalt des angeblich gereinigten Abwassers an gelösten Stoffen oft noch
größer ist, als vor dieser Reinigung, was natürlich zu Unzuträglichkeiten führen
muß. Die Anwendung chemischer Fällungsmittel ist daher ganz besonders in jedem
Einzelfalle auf ihren Wirkungsgrad zu prüfen. Von großer Bedeutung ist auch die
Unterbringung des entstandenen Schlammes, da dieser immerhin einen gewissen Wert als
Düngemittel hat. Zuweilen verfährt man in der Weise, daß man durch rohe mechanische
Scheidung die gröberen Teile des Schlammes, welche bei der Abscheidung mit Kalk
erzeugt werden, von dem feineren Schlamm trennt. Diesen Feinschlamm kann man dann in
Ringöfen zu hydraulischem Mörtel brennen, nachdem man ihn vorher mit Ziegellehm
vermischt hat. Den Grobschlamm vermischt man auch wohl mit Straßenkehricht und
verwertet dieses Gemisch zur Düngung. J. v. Kruszewski hat ein Verfahren
ausgearbeitet zur Herstellung eines Abwässerreinigungsmittel, wobei man den
verkokten feinpulverigen Fäkalschlamm gleichmäßig mit sehr geringen Mengen von
löslichem oder nur schwerlöslichen Kupferverbindungen vermischt. (D. R. P. 288294.)
Ein solches Reinigungsmittel, wie es nach dem Vorschlage von v. Kruszewski für die
Klärung von städtischen Abwässern Verwendung finden kann, enthält auf 1 kg Pulver 1
g metallisches Kupfer in Form von Kupferverbindungen. Diese Menge genügt
durchschnittlich zur Reinigung von 1 cbm Kanaljauche. Die überraschend keimtötende
Wirkung des Mittels gibt sich daraus zu erkennen, daß sich der Bakteriengehalt eines
Abwassers, welches in 1 cbm 2 Millionen Keime enthielt, auf den hundertsten Teil
verringerte, wobei alle fäulnisfähigen Keime abgetötet wurden, so daß das gereinigte
Wasser nunmehr dauernd fäulnisunfähig bleibt. Der größte Teil des einmal verwendeten
Kupfers bleibt bei dieser Methode in Lösung; der Rest aber, welcher in den
niedergeschlagenen Schlamm mitübergeht, ist so gering, daß er die Qualität des
Schlammes weder für seine Verwendung als Brennmaterial, noch für seine Verarbeitung
als Düngemittel irgendwie beeinträchtigt. Zu diesem Verfahren J. v. Kruszewskis wird
noch bemerkt, daß so geringe Mengen von Kupferperbindungen, wie sie hier vorliegen,
nach neueren Feststellungen für die Vegetation sogar förderlich sind und sich
namentlich bei Halm- und Hülsenfrüchten als ertragsteigernd erwiesen haben. – Wenn
wir nun letzteren Punkt auch nicht gerade als sicher und zutreffend anerkennen
können, die Wachstumssteigerung wird wohl auf andere Gründe eher beruhen, als auf
dem geringen Cu-Gehalte, so scheint es uns doch richtig, daß dieses
Abwässerreinigungsmittel ganz unschädlich wirkte. – Ueber die Vergasung von Schlamm
aus städtischen Abwässern berichtet F. Abt in der Zeitschr. des Vereins der Gas- und
Wasserfachmänner in Oesterreich-Ungarn (Bd. 56, 129). Der sich im Betriebe ergebende
Schlamm wird getrocknet, brikettiert und dann vergast. Aus 100 kg Trockenschlamm
lassen sich dann 24 cbm gereinigten Leuchtgases erzeugen. Der nach einer
zweistündigen Vergasungsdauer zurückbleibende Koks besitzt einen Heizwert von 2400
Kalorien. – Um die aus Abwässern abgeschiedenen Rückstände zu trocknen und geruchlos
zu machen, hat
W. Wurl ein Verfahren ausgearbeitet, bei welchem gleichzeitig der Fettgehalt des
Schlammes gewonnen wird. (D. R. P. 286664.) Wurl befreit zunächst die aus den
Abwässern abzuscheidenden Rückstände auf Rechen- und Siebanlagen möglichst
weitgehend von ihrem Wassergehalte und dann wird das Material in einer Trockenanlage
noch so weit vorgetrocknet, bis es in einem Extraktionsgefäß mit einem
Fettlösungsmittel behandelt werden kann. Als Endresultat gewinnt man dann
gleichzeitig Fett und trockenen Kunstdünger. Das Fettlösungsmittel, z.B. Benzin,
kann vielfach teilweise wiedergewonnen werden.
Unter den neuen Methoden zur Abwasserreinigung beanspruchen zwei ganz besonderes
Interesse. Einmal die Behandlung mit aktiviertem Schlamm, die möglicherweise auf dem
Gebiete der Abwasserreinigung eine erneute Umwälzung hervorzurufen vermag, zweitens
dann das bereits genannte Hofersche Fischteichverfahren. Die Behandlung mit
aktiviertem Schlamm wurde seinerzeit in der Zeitschrift für angewandte Chemie (Bd.
28 II 230 und 409; Bd. 29 II 205) eingehend besprochen, wir kommen darauf zurück.
Bei dem Hoferschen Verfahren genügt für je 2000 bis 3000 Einwohner 1 ha Gelände, um
das gesamte Abwasser in Fischteichen durchgreifend zu reinigen. Wie W. P. Dunbar in
der Münchener Zeitschrift Gesundheitsingenieur (Bd. 39 S. 69) mitteilt, können die
Teiche durch Aufführung von Dämmen in der Weise hergerichtet werden, daß sie in der
Mitte 50–70 cm, am Rande etwa 30 cm tief sind. Es handelt sich also nur um
verhältnismäßig flache Fischteiche. Ein glatter Ablauf des Wassers und ein völliges
Trockenlegen der Teiche muß gewährleistet sein. Wesentlich ist ferner, daß die
Abwässer bis zu mindestens 50 % von ungelösten Stoffen befreit sind und daß sie
außerdem frisch, nicht aber etwa in schon zersetztem Zustande in die Fischteiche
gelangen. Ein Teil der Abwasser wird mit 2–3 Teilen reinem Wasser gemischt. Die
Zuführung soll nicht an einem Punkte erfolgen, sondern
über eine größere Uferstrecke verteilt, damit man auf diese Weise die Bildung von
Schlammbänken verhindere. Notwendig ist des weiteren, eine Reihe von Tierarten
einzusetzen, nämlich Mollusken, Kruster, Schlammwürmer in Massen. Die Beseitigung
von Schwimmpflanzen aller Art, die der Belichtung und Durchlüftung des Wassers
hinderlich sind, kann durch Einsetzen von Enten erfolgen. – Das Verfahren selbst
basiert auf der natürlichen Selbstreinigungskraft des Wassers, die Hofer, der
Hauptsache nach, als eine Transformation lebloser organischer Substanz in lebende
Organismen auffaßte. Das Hofersche Verfahren war schon vor dem Kriege an
verschiedenen Orten eingeführt und man hat die gründlichsten Studien darüber in
Straßburg i. Eis. angestellt. Die dortige Stadtverwaltung äußerte schon vor 1914
ihre Ueberzeugung, daß die Hofersche Methode zur Abwässerreinigung tatsächlich einen
wirtschaftlichen Nutzen erbringe. – In der bayrischen teichwirtschaftlichen
Versuchsstation zu Wieselbach hat Hofer auch Versuche angestellt mit dem Abwasser
von Sulfitzellstoff- und Holzschliff-Fabriken, wodurch gezeigt wurde, daß von einer
Schädigung des Plankton- und Fischlebens durch die bislang so gefürchteten
Sulfitlaugen bei Verdünnungen, wie sie in den Vorflutern unserer Zellstoff-Fabriken
eingehalten werden, nicht die Rede sein kann. (Allgem. Fischereizeitung 1915, Nr.
21, Wochenschrift für Papierfabrikation, Bd. 46, 2157.) Vom Holzschliff waren bei
dem Hoferschen Versuch bei der Abfischung noch erhebliche Teile unzersetzt
geblieben, während die Zellulose nach drei Monaten, infolge Zellulosegärung, ganz
verschwand. Diese Erfahrungen sind für solche Fabriken bei Prozessen mit Fischern
stets von Bedeutung. – Das Problem der Zellulosegärung ist offenbar von großer
wirtschaftlicher Bedeutung und das Studium der verschiedenen Arten der Zersetzung
von Zellulose ist zweifellos von hohem wissenschaftlichem Wert und nicht geringer
praktischer Bedeutung. Zellulose ist der Grundstoff von Pflanzenüberresten. Man
unterscheidet eine Wasserstoff- und eine Methangärung der Zellulose. Die Erreger
dieser beiden Gärungsvorgänge der Zellulose sind der Bacillus cellulosae
hydrogenicus und der Bacillus cellulosae methanicus, die beide zur Gruppe der
Buttersäurebakterien gehören. Die technische Bedeutung der Zellulosegärung
beschränkt sich fürs erste in der Praxis auf ihre Anwendung zur Stärkegewinnung nach
Völckers Methode, wobei die Zellenhäute durch Bakterien zersetzt werden. Dieselbe
Gärung spielt auch eine Rolle bei der Zubereitung von braunem Heu und – was hier am
meisten interessiert – in den Fäulnisbassins bei den dort sich abspielenden
Gärungsprozessen der biologischen Abwässerreinigung. In all diesen Fällen benutzt
man als Agens die auf natürlichem Wege entstehende Zellulosegärung.
(Fortsetzung folgt.)