Titel: | Polytechnische Schau. |
Autor: | Schmolke |
Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 164 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Jahrestagung des Maschinenbaues. Der Verein Deutscher
Maschinenbau-Anstalten, dem gegenwärtig fast 1153 Einzelfirmen mit 64 Zweigwerken
und insgesamt rund 525000 Beschäftigten angehören und 143 Fachverbände angeschlossen
sind, tagte vom 31. Mai bis 2. Juni in München. Bedeutungsvolle Fragen waren es, die
der Spitzenverband des deutschen Maschinenbaues gerade jetzt zu erwägen hatte und
auf der Münchener Mitgliederversammlung durch den Mund seiner führenden
Persönlichkeiten kundgab.
Am 31. Mai nachmittags wurden innere Vereinsangelegenheiten, Erstattung des
Geschäftsberichtes, Rechnungslegung, Wahlen und Satzungsänderungen erledigt.
Einstimmig wurde unter dem Beifall der Mitglieder beschlossen, dem langjährigen
Vorsitzenden des Vereins, Herrn Geh. Kommerzienrat Dr.-Ing. e. h. Ernst von Borsig die Ehrenmitgliedschaft zu verleihen. Der
Erholung war ein Bierabend mit künstlerischen Unterhaltungen gewidmet, der nach der
Versammlung Mitglieder und Gäste im Münchener Künstlerverein zusammenhielt.
Die allgemeine öffentliche Mitgliederversammlung, die am l. Juni in der Technischen
Hochschule stattfand, wurde durch eine
Ansprache des Vorsitzers des
Vereines, Generaldirektor Dr.-Ing. e. h. W. Reuter, eröffnet, der als Ursache des Tiefstandes der deutschen Wirtschaft
die Schuldlüge des Vertrages von Versailles kennzeichnete.
Auch der deutsche Maschinenbau steht unter dem Zeichen des uns weiter zugefügten
Unrechts, des Einbruches in friedlich arbeitende Gebiete. Der scheinheilige Vorwand
zu diesem Rechtsbruche wird aus dem Versailler Vertrage hergeleitet, der, statt der
Welt den Frieden zu bringen, Enttäuschungen, Unsicherheit und Streit verewigt. Das
Unnatürliche des Vertrages liegt in der Verbindung von unerfüllbaren Ansprüchen mit
dem Willen zur politischen und wirtschaftlichen Vernichtung des Deutschen
Reiches.
Obwohl die innere Unwahrhaftigkeit des Vertrages längst erkannt ist, fehlt es den
verantwortlichen Staatsmännern an Mut zur Wahrheit, nachdem den Völkern als Folge
der Bestrafung des deutschen Volkes goldene Berge verheißen worden sind. Die Lüge
von der alleinigen Schuld Deutschlands am Kriege und ihre Verbreitung bis in die
kleinste Hütte der entferntesten Weltteile ist das Gift, das die schlechtesten
Leidenschaften der Völker entfacht hat. Die Schuldlüge muß
beseitigt werden.
Dr. Reuter konnte auf persönliche Erfahrungen im Auslande hinweisen, das nicht
versteht, daß das deutsche Volk nichts zu seiner Entlastung unternimmt. Unsere
ausländischen Freunde fordern als Unterstützung die Veröffentlichung aller zur
Entlastung dienenden Unterlagen durch die deutsche Regierung. Erst wenn die Legende
von der alleinigen Schuld Deutschlands am Weltkriege beseitigt ist, werden die
Völker selber ein erhöhtes Interesse an der Regelung der deutschen Frage nehmen.
Gegen die weitere von den Gegnern über Deutschland verbreiteten Lüge von der
angeblichen Blüte der deutschen Wirtschaft und dem mangelnden guten Willen der
deutschen Regierung wandte sich Redner mit aller Schärfe. Das Anerbieten des
Reichsverbandes der deutschen Industrie an den Reichskanzler beweist auch den
guten Willen der deutschen Industrie. Auch der Maschinenbau bekennt sich zur
Mithilfe.
Der Vorwurf der Prosperität der deutschen Industrie wird durch die überaus geringen
Golderträgnisse der Aktiengesellschaften widerlegt. Wenn es hoch kommt, wird eine
Goldmark als Dividende von den Unternehmungen gezahlt, das ist 0,1 v. H. des
Aktienkapitals. Die deutsche Wirtschaft muß dazu übergehen, dies deutlicher als
bisher in ihren Veröffentlichungen zum Ausdruck zu bringen, ebenso die
ungeheuerlichen Zahlen der bisherigen Leistungen aus dem Versailler Vertrag.
Solange die Schuldlüge nicht beseitigt ist, stehen wir allein im Kampfe gegen das uns
zugefügte Unrecht. Volk und Regierung müssen eines Willens sein, die
Parteiunterschiede müssen fallen; Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich die Hand
reichen. Auch im Wirtschaftsleben müssen die Beteiligten einheitlich vorgehen, um
die Arbeit weiter zu vereinfachen und zu verbilligen und Arbeitslosigkeit
fernzuhalten. Auch in der Verbandsorganisation muß diese Vereinfachung Platz
greifen, durch Vermeidung von Doppelarbeit und durch Zusammenfassung kleiner
Verbände zu größeren Gruppen. Wenn nicht sehr ökonomisch gearbeitet wird, zerfällt
die Kraft des Volkes. Dr. Reuter schloß mit den Worten:
„Lasse ein jeder von uns, die wir hier vereinigt sind im Verein Deutscher
Maschinenbau-Anstalten, sein Streben einstellen auf Aushalten in dem Kampfe, der
uns unbewaffnetem Volke durch Ueberfall mitten im Frieden aufgezwungen wurde und
der geht um Deutschlands Freiheit und Bestehen. Ebenso wie die Gegensätze der
verschiedenen Gesellschaftsklassen hinter der gemeinsamen Abwehr gegen das uns
zugefügte Unrecht zurücktreten sollten, so sollten heute auch alle Stämme
unseres lieben Vaterlandes in Nord und Süd der großen gemeinsamen Not gegenüber
ein einig Volk von Brüdern sein. Mehr denn je gilt heute für jeden Deutschen
sein Vaterland, sein Deutschland, Deutchland über alles.“
Anschließend an die Eröffnungsansprache folgten Ansprachen der Vertreter von Behörden
und der Gäste.
Als Hausherr der technischen Hochschule begrüßte S. Magn. Rektor Geheimrat v. Dyck den Maschinenbau unter Hinweis auf die
wechselseitigen Beziehungen und Aufgaben der technischen Wissenschaft zur Praxis,
Die gesamte Belegschaft des Maschinenbaues ist geinsbesonders auch hinsichtlich der
Einführung der Studierenden in die Wirtschafts-Wissenschaft. In Würdigung seiner
besonderen Verdienste um diese wurde dem 2. Vorsitzenden des Vereins, Herrn Dr.-Ing.
ter Meer, Hannover, die Doktorwürde ehrenhalber seitens
der Technischen Hochschule München verliehen.
Im Namen der Bayerischen Staatsregierung begrüßte alsdann Herr Staatsminister Dr. von Meinel insbesonders die Vertreter aus den Grenz- und
besetzten Ländern und rief zur Einigkeit auch in allen Berufsständen auf, nicht
zuletzt auch hinsichtlich der Opferwilligkeit. Die Regierung erwartet von der
Industrie, daß sie zum Besten der Wohlfahrt des Reichs zu Opfern bis zum Letzten
bereit ist unter Wahrung der durch den Selbsterhaltungstrieb gezogenen Grenzen. In
Anerkennung der Verdienste des Vorstandsmitglieds des Vereins, Baurat Dr. G. Lippart, Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg, um die
Förderung des
technischen Bildungswesens wird ihm der Titel Geheimer Baurat seitens der
Staatsregierung verliehen.
Der Vertreter der Reichsregierung, insbesonders des
Reichwirtschafts- und des Reichsverkehrministeriums, Ministerialrat Waldeck, würdigt die Schwierigkeiten des Maschinenbaues
bei der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit trotz Besetzung der Rohstoffgebiete.
Der Maschinenbau kann bei diesem Bestreben der Mithilfe der Reichsregierung
versichert sein.
Exzellenz Jahn vom Reichsfinanzhof betont die Armut des
deutschen Volkes nicht nur an materiellen Gütern, sondern auch an allen geistigen.
Ein Aufstieg aus dieser Armut wird nur möglich sein mit Hilfe der Industrie.
Als Sprecher der Wirtschaftsverbände erwähnte der Vorsitzende des Bayerischen
Industriellenverbandes Dr. Clairmont, daß der
Maschinenbau aus deutschem Material mit deutscher Arbeit eine deutsche
Veredelungs-Industrie geschaffen hat, womit sein volkswirtschaftlicher Wert erwiesen
sei. Dieser aber verpflichtet dann zur Sorge für den technischen Nachwuchs, auf daß
diesem ebensolche opferwillige und vaterländish sich verhaltende Männer entsprießen,
wie Krupp und seine Leidensgenossen, denen die heute Versammelten ehrfurchtsvollen
Gruß und tiefen Dank entbieten.
Für die technisch-wissenschaftlichen Vereine drückte Herr Prof. Matschoss vom Verein deutscher Ingenieure dem Maschinenbau Dank aus für
die stets bereitwilligst gegebene Unterstützung zur Förderung der Wissenschaft.
Hierauf ergriff Direktor Dr.-Ing. ter Meer von der
Hannoverschen Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft das Wort zum Hauptvortrage der Tagung
über
Wirtschaftsfragen des deutschen
Maschinenbaues.
Er gab einleitend einen kurzen Ueberblick über die Bedeutung des deutschen
Maschinenbaues im deutschen Wirtschaftsleben. Die Zahl der Beschäftigten im reinen
Maschinenbau beträgt zurzeit rund 750000. Die Maschineneinfuhr betrug im Jahre 1922
nur 10700 Tonnen gleich rund 2 v. H. der Maschinenausfuhr. Der Wert der gesamten
Erzeugung ist unter den heutigen Währungsverhältnissen außerordentlich schwer zu
schätzen; zurzeit wird der Maschinenbau wahrscheinlich nur noch von der
Textilindustrie, der chemischen und der Eisenhüttenindustrie übertroffen. Das
Gewicht der Erzeugung muß im ganzen auf 2 bis 2,5 Millionen Tonnen geschätzt
werden.
Das weite Gebiet des Maschinenbaues erhellt aus den mannigfaltigen
Herstellungszweigen, die in 12 Gruppen vereinigt sind. Der Maschinenbau steht nach
zwei Seiten hin im innigsten Verhältnis zu den anderen Industrien. Er ist nicht nur
Lieferer für sämtliche Industriezweige und für die Landwirtschaft, sondern bezieht
auch seine Roh- und Hilfsstoffe wieder aus der Industrie.
Aus dieser Stellung des Maschinenbaues im Wirtschaftsleben geht seine Aufgabe hervor,
nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle anderen Industrien, die er
beliefert, mit Aufwendung der geringsten Mittel an Material und Menschenkraft das in
Aussicht genommene Ziel zu erreichen. Das verkleinerte und verarmte Deutschland ist
nicht mehr so aufnahmefähig für die Erzeugnisse des Maschinenbaues wie früher. Die
gesamte Belegschaft des Maschinenbaues ist gewachsen. Deshalb muß noch mehr wie
früher Sorge getragen werden, daß vom Auslande Arbeit nach Deutschland gebracht
wird. Neben bester Konstruktion und Ausführung müssen die Maschinen preiswert
angeboten werden. Die Bestimmung der Herstellungskosten ist angesichts der
Geldentwertung eine schwierige geworden, ganz besonders für den Maschinenbau. Die
Anfertigung seiner Erzeugnisse erstreckt sich stets über viele Monate. Beim Abschluß
des Verkaufsvertrages kann nicht überblickt werden, in welchem Maße sich Werkstoffe
und Arbeitslöhne verteuern. Gleitende Preise sind deshalb eine Notwendigkeit für das
Inland. Für die Zahlung, besonders bei der im Maschinenbau üblichen Teilzahlung,
müssen besondere Abmachungen getroffen werden, um das Werk vor Verlusten zu
schützen. Nach dem Auslande kann nur zu festen Preisen und in Auslandswährung
verkauft werden, trotz des damit verknüpften großen Wagnisses.
Dadurch, daß infolge der Gleitpreise bei der endgültigen Abwicklung eines Geschäftes
stets ein höherer Betrag an Papiermark eingeht, als der ursprüngliche Preis betrug,
wird die Erkenntnis sehr erschwert, ob der Auftrag einen Gewinn gebracht hat oder ob
mit Verlust gearbeitet worden ist. Die Bilanzen, wie sie heute aufgestellt werden,
mit ihren Zusammenwerfen von Papiermark allerverschiedensten Wertigkeit und
Goldwerten lassen die so unbedingt erforderliche Bilanzklarheit und -Wahrheit
vermissen.
Wenn man die Verhältnisse für den einzelnen Auftrag erst richtig erkannt hat, ist
auch die Wiederherstellung einer Bilanzklarheit möglich. Man kann, auf einem
allerdings umständlichen Wege, zu einer richtigen Papiermarkbilanz kommen und von
dieser wieder zur Goldmarkbilanz. Die jetzt bestehende Gefahr, daß Scheingewinne
errechnet werden und von diesen Dividenden und Steuern bezahlt werden müssen, wird
dadurch beseitigt, ein Substanzverlust der Werke verhütet. Dann könnten auch
Abschreibungen und Rückstellungen wieder in richtiger Weise vorgenommen werden. Der
größeren Belegschaft, die der Maschinenbau heute aufweist, steht keine Mehrerzeugung
gegenüber. Die unproduktiven Kräfte sind unverhältnismäßig stark gestiegen. Daher
ist die Leistung der Werke, auf den einzelnen Kopf der Belegschaft berechnet,
durchweg gesunken, die Herstellungskosten sind dadurch verteuert worden. Da für jede
Tonne Fertigerzeugnis des Maschinenbaues mehrere Tonnen Kohlen gebraucht werden, so
macht sich jede Lohnerhöhung im Kohlenbergbau, jede Steuerbelastung der Kohle in
vielfach verstärktem Maße bei dem Enderzeugnis, der Maschine, bemerkbar. Der
Rückgang der Mark während der Monate Februar und März hat eine große Stockung des
Auftragseinganges, insbesondere aus dem Auslande, bewirkt und ist ein
Warnungszeichen für jene Zeit, wenn wir zu einer endgültigen Stabilisierung der Mark
kommen sollten. Dann wird eine harte Zeit für die deutsche, besonders für die
Maschinenindustrie, kommen. Daher muß dahin gestrebt werden, jede unproduktive
Arbeit, die das Erzeugnis nutzlos verteuert, zu vermeiden. Die dann vielleicht
eintretende Arbeitslosigkeit muß in energischer Weise bekämpft werden, nicht allein
dadurch, daß bereits arbeitslos Gewordene unterstützt werden, sondern daß man durch
geeignete großzügige Mittel verhütet, noch in Arbeit Stehende erst arbeitslos werden
zu lassen, um sie dann zu unterstützen.
Zum Schlusse führte der Redner aus, von welcher Wichtigkeit für den Maschinenbau ein
gut ausgebildeter Arbeiter- und Beamtenstand ist, und welche wichtige Aufgabe dabei
für die Ausbildung der Ingenieure den Technischen Hochschulen zufallen. Nur durch
einmütige Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis wird der deutsche Maschinenbau
in den Stand
gesetzt, sich den schweren Aufgaben gewachsen zu zeigen, das Inland mit guten und
preiswerten Maschinen zu versehen und auch im Auslande jenen Platz wieder zu
erobern, den er dort früher erfolgreich behauptet hat. So schwer die heutige Zeit
auch ist, so liegt doch keine Ursache vor, die Hände resigniert in den Schoß zu
legen. Vielmehr ist tatkräftiges Regen, die Zusammenarbeit aller Stände eine
unbedingte Notwendigkeit. Dann wird auch Deutschland die trübe Zeit überwinden
können und sich wieder zu seiner früheren politischen und wirtschaftlichen Höhe
aufschwingen.
Die sich anschließende Aussprache gab weitere aufklärende Anregungen zu den
vorbehandelten wirtschaftswissenschaftlichen Fragen.
Nachmittags wurde der Neubau des deutschen Museums auf der Museumsinsel besichtigt
und dann die in seinen Räumen vom Deutschen Ausschuß für Technisches Schulwesen,
Berlin, veranstaltete Ausstellung der von ihm ausgearbeiteten Lehrgänge besucht.
Baurat Dr.-Ing. Lippart, Direktor der Maschinenfabrik
Augsburg-Nürnberg, wies in einer Ansprache auf die Bedeutung der ausgestellten
Arbeiten hin, Wandtafeln zeigten Beispiele in Form von vorzüglichen
Lehrgangszeichnungen, darunter lagen auf Tischen die zugehörigen Werkstücke
ausgearbeitet, ferner die früheren literarischen Arbeiten des Ausschusses und die
Methoden der neuen Betriebsfachschule in Berlin. Den richtigen Einblick in die
geleistete mühevolle Einzelarbeit gestatteten die Lehrgänge für die einzelnen
Berufsrichtungen in ihrer Vielseitigkeit. Die Grundlagen hierfür sind unmittelbar
von den erfahrensten deutschen Großbetrieben entnommen. Das Ganze ist ein
erfreuliches Werk der Selbsthilfe des Maschinenbaues zu Nutz und Frommen des
technischen Nachwuchses.
Am Abend des l. Juni fand im Konzertsaal des Hotels Bayerischer Hof ein gemeinsames
Essen der Teilnehmer statt. Am 2. Juni wurde das Walchenseekraftwerk besichtigt.
Kohlen- und Kokszerkleinerung. Die ungeheuren Kohlen- und
Kokspreise, die heute sowohl jeden Fabrikbetrieb außerordentlich belasten, als auch
im Haushalt schwer empfunden werden, bedingen die sparsamste Verwendung aller
Brennstoffe. Es ist daher erforderlich, Kohlen und Koks in einer Stückgröße zu
verfeuern, wie die betreffende Feuerungsanlage zur Vermeidung einer unvollkommenen
Verbrennung bedingt. Da aber diese Brennstoffe von der Grube oder Zeche selten in
einer derartigen Stückgröße erhältlich sind, wie sie gerade benötigt ist, ist man
gezwungen, diese Stoffe einer Zerkleinerung zu unterziehen.
Im allgemeinen unterscheidet man im Kohlenhandel 6 verschieden groß gebrochene
Kohlensorten, nämlich
Gries unter 10 mm,
Nuß IV von 10–20 mm Korn,
Nuß III von 20–35 mm Korn,
Nuß II von 35–50 mm Korn,
Nuß I von 50–85 mm Korn,
Würfel von 85–100 mm Korn,
welche durch die Zerkleinerung der grob angelieferten
Kohlenstücke hergestellt werden müssen. Ist es aber nun schon bei Kohle zweckmäßig,
eie Stückgröße der jeweiligen Feuerung anzupassen, so lassen sich gröbere Koksstücke
wirtschaftlich überhaupt nicht verbrennen. Die Korngröße dieses Brennstoffes soll
für industrielle Zwecke im allgemeinen nicht größer als 60–90 mm, für größere
Zentralheizungsanlagen etwa 40–70 mm, für Füll- und Regulieröfen ca. 30–50 mm und
für Zimmeröfen ca. 10–30 mm sein. Es ist also die Aufgabe des Kohlen- und
Koksbrechers, diese verschiedenen Körnungen ev. unter nachfolgender Sortierung
herzustellen, dabei aber die Griesbildung möglichst zu vermeiden, weil Griese leicht
unverbrannt durch die Spalten der Roste fallen und daher verloren gehen.
Textabbildung Bd. 338, S. 166
Abb. 1. Backenbrecher
Textabbildung Bd. 338, S. 166
Abb. 2. Kleiner Backenbrecher.
Textabbildung Bd. 338, S. 166
Abb. 3. Walzenbrecher.
Die ältesten Kohlenbrecherwurden als Backenbrecher nach dem System der bekannten
Steinbrecher gebaut (Abb. 1), sie ergeben recht
zufriedenstellende Leistungen, haben aber den Nachteil einer ziemlich erheblichen
Griesbildung. Trotzdem werden sie auch heute noch für die Zerkleinerung von
Braunkohle und in Gasanstalten zum Brechen der Gaskohle verwendet, da sie sehr große
Stücke aufnehmen können. In kleiner Ausführung nach Abb.
2 kommen ähnliche Brecher zum Brechen von Zechenkoks für Zentralheizungen
zur Anwendung. Ein Produkt mit sehr geringem Griesabfall erhält man durch die
Anwendung von Walzenbrechern nach Abb. 3. Bei diesen
Brechern erfolgt die Zerkleinerung des Brechgutes durch 2 Walzen, die aus einzelnen
Hartguß-Brechringen zusammengesetzt sind, und zwar reiht sich an eine mit Spitzen
immer eine mit Schneiden. Dadurch wird bewirkt, daß der Brennstoff nicht
zerquetscht, sondern zur Vermeidung von Griesbildung nur gesprengt wird. Im übrigen
eignen sich diese Brecher ebenso gut für Kohle als auch für Koks. Eigenartig ist der
Arbeitsvorgang bei den sehr in Aufnahme gekommenen Doppelschwingenbrechern (Abb. 4), bei denen die beiden beweglichen Brechbacken,
die jede für sich an einem Schwinghebel gelagert sind und durch einen Exzenter
angetrieben werden, sowohl eine zangenartige Oeffnung mit Schließbewegung, als auch
eine solche in senkrechter Richtung, d.h. also eine einziehende Bewegung ausführen.
Es werden diese Brecher vorzugsweise zum Brechen von Zechenkohle benutzt, sie eignen
sich aber auch für Steinkohle. Für Lignitkohle, in der häufig größere Holzstücke
vorkommen, verwendet man den Lignitkohlenbrecher nach Abb.
5. Bei diesem Brecher fällt das aufgegebene Gut, das stets bereits einen
großen Prozentsatz von genügend kleinstückigen Brocken enthält, zunächst auf 2 sich
in derselben Richtung drehende Speisewalzen, durch deren Spalt die kleineren Brocken
unzerkleinert hindurchfallen, während die gröberen Stücke und insbesondere die
holzigen Teile den eigentlichen Brechwalzen zugeführt werden. Diese bestehen aus
einzelnen, mit starken Brechzähnen versehenen Brechringen. Jede Walze wird für sich
durch eine Schwungradriemenscheibe angetrieben.
Textabbildung Bd. 338, S. 167
Abb. 4. Doppelschwingenbrecher.
Textabbildung Bd. 338, S. 167
Abb. 5. Lignitkohlenbrecher.
Viele Betriebe sind in letzter Zeit auch dazu übergegangen, Torf in größerer Menge
als Brennstoff zu verwenden und für diesen möge auf den Messerbrecher (Abb. 6) aufmerksam gemacht werden, der dazu dienen
soll, die Torfsoden in etwa Eiergröße zu zerschneiden. Derartige Brecher bestehen
aus einem trogartigen Gehäuse, in welchem sich eine mit Stahlmessern versehene Welle
dreht. Das in den Trichter des Brechers geworfene Gut wird in der Drehrichtung der
Achse auf das gegenüberstehende Messersystem geworfen und hier scherenartig
zerschnitten.
Textabbildung Bd. 338, S. 167
Abb. 6. Messerbrecher.
Textabbildung Bd. 338, S. 167
Abb. 7. Großhammermühle.
Schließlich sei noch auf die Groß-Hammermühlen (Abb.
7) verwiesen, die für Massenleistungen im Braunkohlenbergbau und für die
Zerkleinerung von Kohle für Verkokungsanlagen sowie für Brikettierungszwecke
bestimmt sind. Die hauptsächlichsten Bestandteile dieser Zerkleinerungsmaschine sind
ein rotierendes Schlägerwerk mit gelenkig aufgehängten Schlägern, das sich in einer
Mahlkammer mit großer Geschwindigkeit dreht. Dabei stellen sich die Schläger infolge
der Betriebskraft starr nach außen ein und zertrümmern das aufgegebene Mahlgut auf
einer nachstellbaren Hammerplatte, worauf es durch einen der gewünschten Korngröße
angepaßten Rost die Mahlkammer verläßt. (Die Abbildungan zeigen Ausführungen der
Alpine-Maschinen-Fabrik-Gesellschaft, Augsburg.)
Die Verwendung schwerer Brennstoffe bei Fahrzeugmotoren.
Die Schwierigkeiten, für den Betrieb von Leichtmotoren geeignete Brennstoffe zu noch
wirtschaftlichen Preisen zu erhalten, werden von Tag zu Tag größer. Deshalb ist man
in allen Ländern und im erhöhten Maße bei uns bestrebt, für Leichtmotoren billige
Brennstoffe zu beschaffen. Innerhalb eines Jahres sind die Preise für die
gebräuchlichen Brennstoffe, wie Benzin und Benzol, etwa um das 30fache gestiegen,
wie die folgende Preistabelle für 1 Liter zeigt:
Benzin
Benzol
1. 1. 1922:
17 Mk.
25 Mk.
1. 3. 1922:
19 Mk.
27 Mk.
1. 6. 1922:
24 Mk.
30 Mk.
1. 9. 1922:
132 Mk.
150 Mk.
1. 12. 1922:
690 Mk.
488 Mk.
1. 1. 1923:
690 Mk.
680 Mk.
Neue Brennstoffarten für Fahrzeugmotoren lassen sich nur dann dauernd einführen, wenn
die vorhandenen Motoranlagen ohne große Aenderungen dem neuen Brennstoff angepaßt
werden können. Dabei genügt es aber nicht, den Vergaser allein für den betreffenden
schwerer Brennstoff entsprechend abzuändern, um einen störungsfreien Betrieb zu
erreichen. Unsere jetzigen Vergaserbauarten zerstäuben auch schwere Brennstoffe in
genügendem Maße und erzeugen ein gleichbleibendes Brennstoff-Luftgemisch bei allen
Motorbelastungen. Dieses Gemisch aus schweren Brennstoffen mit hohem Siedepunkt kann
aber nicht ohne weiteres störungsfrei in allen Motoren in jedem Betriebzustande
verbrannt werden. Die Vergasung der im Vergaser fein zerstaubten höher siedenden
Brennstoffsorten erfolgt erst im Motor. Die mit dem Brennstoff in Berührung
kommenden Motorteile, besonders die Zylinderwände, müssen deshalb stets so heiß
gehalten werden, daß sich der fein zerstäubte Brennstoff an diesen Flächen nicht
kondensieren kann.
Bei Verwendung von Brennstoffen mit Siedegrenzen bis zu 300 Grad hat man deshalb
bereits versucht, sie durch Abgase stark vorzuwärmen und dann in einem mit heißem
Kühlwasser beheizten Vergaser zu zerstäuben, der stark vorgewärmte Luft ansaugt.
Außerdem muß das Kühlwasser annähernd auf Siedetemperatur gehalten werden, damit die
Zylinderwände möglichst gleichmäßig heiß bleiben. Von wesentlicher Bedeutung ist
hier auch eine sicher wirkende Zündung, wobei darauf zu achten ist, daß ein Verölen
der Zündkerzen vermieden wird. Auf diese Weise ist es bereits gelungen,
Lastkraftwagen mit Teeröl zu betreiben, wobei beim Anlassen des Motors Benzol
verwendet wird. Erst wenn der Motor genügend warm ist, kann auf Teeröl umgeschaltet
werden. Da aber beim Lastwagenbetrieb der Motor nicht stets gleichmäßig belastet
ist, und dementsprechend die Wandungstemperatur schwankt, so hat sich als zweckmäßig
erwiesen, neben dem Hauptvergaser, der nur Teeröl verarbeitet, einen kleinen
Vergaser zu schalten, der mit Benzol gespeist wird. Weitere Versuche mit
Steinkohlenteerölen ergaben, daß diese im warmen Motor gut verbrannt wurden, wobei
die Zündkerzen nicht verrußten und der Auspuff klar blieb. Jedoch zeigte sich bei
diesen Versuchen, daß sich an den Einlaßventilen eine klebrige Schicht von
Kohlenwasserstoffen aus dem Brennstoffe ansetzte, die schließlich ein Hängenbleiben
der Einlaßventile zur Folge hatte. Die Erhöhung der Verdichtungsspannung bis zu
einem Verdichtungsverhältnis von 6,5 ergab keine weitere Verbesserung, sondern
verursachte Klopfen und Selbstzündung.
Um Kraftwagen mit schweren Brennstoffen betreiben zu können, verwendet man neuerdings
wiederum Doppelvergaser, die mit zweierlei Brennstoffsorten gespeist werden. Die
Deutsche Reichspost befaßt sich neuerdings mit solchen Versuchen. Vergaser dieser
Bauart haben zwei Schwimmerbehälter mit entsprechender, für schweren bzw. leichten
Brennstoff einregulierter Zerstäubungsvorrichtung, wobei dann das
Brennstoffluftgemisch noch durch einen Vorwärmer geleitet wird, der durch Abgase
erhitzt wird. Auf diese Weise bietet sich die Möglichkeit, die Kraftwagen mit ⅓
Leichtbrennstoff und ⅔ Gasöl zu betreiben.
Um Petroleum rauchlos verbrennen zu können, hat man die Zündkerze in eine
Hilfszündkammer eingebaut, die aus einem kleinen Hilfsvergaser ein Benzolluftgemisch
oder dergl. ansaugt, so daß die Zündung durch das leicht entzündbare Benzol
eingeleitet wird und dann schnell die Rohöldämpfe zur Verbrennung bringt. Man hat
auch bereits versucht, an Stelle der Hilfszündkammer, in die Benzolluftgemisch
eingeführt wird, Azetylen durch eine entsprechende Vorrichtung in kleinen Mengen in
den Zylinder einzuführen. Die leichte Entzündbarkeit dieses Gases soll eine sichere
und schnelle Entzündung der Schweröldämpfe herbeiführen. Mit einem Lastwagen sind
damit bereits längere Versuchsfahrten ausgeführt worden. Man hat auch wiederholt
versucht, besonders in den letzten Jahren in der Schweiz, den reinen Azetylenbetrieb
(also ohne Verwendung noch anderer Brennstoffe) für Kraftwagen einzuführen, doch ist
bis jetzt ein bleibender Erfolg nicht zu verzeichnen gewesen.
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß eine einwandfreie Verbrennung schwerer
Brennstoffe durch erhöhte Temperaturen herbeigeführt werden kann, so z.B. durch
heiße Zylinderwandungen oder durch erhöhte. Verdichtung. Die widerspenstigen
schweren Brennstoffe haben während der Verbrennung im Motor unangenehme
Begleiterscheinungen im Gefolge. Es treten bei großer und lang anhaltender Belastung
des Motors, wobei sich dieser naturgemäß stärker erhitzt, Unregelmäßigkeiten während
der Verbrennung ein, die die Verbrennungsspannung wesentlich erhöhen. Der Motor
fängt dann an zu klopfen, wodurch eine starke Beanspruchung des Getriebes entsteht.
Schon aus diesem Grunde ist das Klopfen für den Motor sehr nachteilig. Die
Drucksteigerung hat naturgemäß eine Temperatursteigerung des Motors zur Folge, er
überhitzt sich. Deshalb treten beim Klopfen des Motors meistens bereits nach kurzer
Zeit Frühzündungen auf, die die Motorleistung wesentlich verkleinern. Wie in D. p.
J. 338, Ste. 100 ausgeführt wurde, sind Untersuchungen im Gange, um festzustellen,
auf welche Weise schwere Brennstoffe einwandfrei bei Leichtmotoren verwendet werden
können. Diese Versuche haben bereits ergeben, daß durch einen geringen Zusatz
gewisser Metallverbindungen usw. auch widerspenstige Brennstoffe ohne Klopfen im
Motorzylinder verbrennen.
Wimplinger.
Kritische Betrachtungen über Anlagen mit Wärmespeichern.
Es gibt Dampfspeicher, die unregelmäßig zur Verfügung stehende Abdampfmengen
aufnehmen und als gleichmäßig fließenden Dampfstrom abgeben, Dampfspeicher, die
Frischdampf empfangen und ihn im Bedarfsfall dem Kesseldampf wieder beimischen,
Dampfspeicher, die Frischdampf erhalten und bei starker Belastung der Anlage ihren
heißen Wasserinhalt dem Kessel zuführen, sowie schließlich Dampfspeicher, die
gleichmäßig fließende Abdampfmengen sammeln und nach Bedarf in stärkerem oder
schwächerem Strom zurückliefern. Zu der an erster Stelle genannten Art gehört der
Rateau-Speicher, den man etwa seit dem Jahre 1901 verwendet. In diesen läßt man den
Abdampf von Fördermaschinen der Bergwerke oder Walzenzug-Reversiermaschinen der
Hütten treten, die mit Auspuff arbeiten. Der Speicher sammelt die ihm unregelmäßig
zufließende Energie und versorgt mit ihr eine Abdampfturbine. Die Temperatur- und
Druckschwankungen, die in dem Speicher auftraten, sind gering, da eine Unterbrechung in der
Abdampfzufuhr nur minutenlang andauert. Durch Anwendung der Vorrichtung wurde die
Ausnutzung des Dampfes beträchtlich erhöht, indessen auf die Kesselanlage keinerlei
ausgleichende Wirkung erzielt. Ein Wärmespeicher der zweiten Art ist bereits im
Jahre 1897 in Shoreditch, einem Stadtteil von London, auf Vorschlag von
Druitt-Halpin in Betrieb gesetzt worden. Die Kessel einer dortigen
Müllverbrennungsanlage waren ungefähr für den mittleren Verbrauch der Maschine
bemessen. Diese hatte man für eine Spannung von 14 at eingerichtet. Sie konnte
indessen auch noch bei 8,5 at Druck die volle Leistung erzeugen. Stieg bei geringem
Kraftbedarf die Kesselspannung, so entwich der Dampfüberschuß in den Speicher, der
voll aufgeladen war, wenn man einen Druck von 14 at erreichte. Nahm die Belastung
der Maschine zu, so sank die Spannung im Kessel, ein Teil vom Inhalt des Speichers
verdampfte und unterstützte die Energiezufuhr. Wenn die untere Druckgrenze von 8,5
at erreicht wurde, hörte die zusätzliche Verdampfung auf. Die Brennstoffausnutzung
erfuhr eine Steigerung. Die oben an dritter Stelle genannte Lösung der
Dampfspeicherungsfrage kann in nachstehender Weise erfolgen. Die
Speisewasser-Rohrleitung führt in das Speichergefäß, und außerdem ist dessen
Wasserraum mit dem Wasserraum des Kessels durch ein Rohr verbunden, welches
vollkommen im Innern des Kesselsystems angeordnet und auf der ganzen Länge innen und
außen dem gleichen Druck ausgesetzt ist. Es läßt sich durch ein Ventil absperren,
das von außen bedient werden kann. Unmittelbar nach einer sehr starken
Inanspruchnahme des Kraftwerkes ist der Dampfspeicher fast ganz entleert. Es wird
jetzt die Speiseleitung geöffnet und kühles Wasser in den Speicher eingelassen. Das
Ventil der zum Kessel führenden Rohrleitung ist so eingestellt, daß dem Kessel nur
so viel Speisewasser zufließt, wie der augenblicklichen Verdampfung entspricht. Der
Wärmespeicher füllt sich aber mit Wasser, während der überschüssige Kesseldampf
durch einen Kanal, der am Dampfraum des Kessels seinen Anfang nimmt, ebenfalls zum
Speicher gelangt und das Speisewasser vorwärmt. Bei steigendem Dampfverbrauch wird
die Speiseleitung abgesperrt, und zur Versorgung des Kessels dient das heiße Wasser
im Speicher. Der gesamte erzeugte Dampf steht zur Deckung des Bedarfes zur
Verfügung. Eine Anlage der beschriebenen Art wurde im Kraftwerk der Hampstead
Corporation Electric Light Station errichtet. Es soll durch diese Maßnahme möglich
geworden sein, die Dampferzeugung auf das Doppelte und Dreifache zu erhöhen. Der
Grund dieses Erfolges ist nach Angabe des Erfinders darin zu suchen, daß sich der
Wärmedurchgang durch eine Fläche erheblich günstiger gestaltet, wenn dieselbe nur
zum Verdampfen benutzt wird und von der Vorwärmung des Wassers entlastet ist. Man
wird dessenungeachtet nicht in Abrede stellen können, daß die erwähnte Behauptung
reichlich unwahrscheinlich klingt. Der Ruths-Speicher sammelt eine gleichmäßig
fließende Abdampfmenge und gibt sie nach Bedarf ab. Der Kesseldruck ändert sich
nicht. Der gesamte erzeugte Dampf durchströmt die Hochdruckmaschine, welche die
Grundbelastung der Anlage deckt. Ihr Abdampf fließt zum Speicher und von dort aus zu
den Heiz- und Kochapparaten bzw. zur Niederdruckmaschine. Im Kessel ist die Spannung
somit höher als im Speicher. Ausnahmsweise kann auch Frischdampf vom Kessel durch
eine Drosselverrichtung unmittelbar zum Speicher strömen.
Schwankungen im Kraft- und Heizbetrieb können durch Zentralisierung gemildert
werden. Zum weiteren Ausgleich dient der Wärmespeicher. Die Vor- und Nachteile der
verschiedenen Systeme lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Handelt es sich nur
um Schwankungen im Kraftverbrauch, so fällt ein Vergleich zugunsten der
Frischdampfspeicher aus. Betrachtet man eine Anlage mit 1125 Kw mittlerer Leistung,
die im Höchstfalle um 50 v. H. schwankt, so muß die Rohrleitung bei den
Frischdampfspeichern 330 m3/St., bei den
Ruthsspeichern 20000 m3/St. hindurchlassen. Das
Volumen der Vorrichtungen, die lediglich den Kessel mit heißem Speisewasser
versehen, ist am kleinsten. Es beträgt 9,4 m3
gegenüber 49,5 m3 bei den Frischdampfspeichern mit
Dampfentnahme und 80 m3 bei den Ruthsspeichern.
Ueber die zu wählende Art von Dampfsammler besteht somit kein Zweifel. Allerdings
darf nicht unerwähnt bleiben, daß die Ruthsspeicher infolge des geringen
Innendruckes verhältnismäßig leicht ausfallen. Dieser Vorzug geht indessen dadurch
verloren, daß sie viel größere Abmessungen erhalten, wodurch die Blechstärke stark
zunimmt, da sie bekanntlich proportional dem Durchmesser wächst. Ueberdies bekommen
umfangreiche Kessel zwecks Erzielung einer hinreichenden Steifigkeit eine größere
Wandstärke, als aus Festigkeitsrücksichten geboten ist. Die Wärmeverluste sind
natürlich wegen der kleinen Oberfläche bei Frischdampfspeichern am geringsten. Bei
ihnen steht fernerhin immer die ganze Kesselspannung und damit das volle
Wärmegefälle für die Energieausnutzung zur Verfügung, während bei Ruths – Speichern
der Druck schwankt. Die hierdurch verursachten Verluste lassen sich zwar verringern,
indem man den Dampf entsprechend der Spannungshöhe im Speicher nach der ersten,
zweiten oder dritten Druckstufe der Turbine strömen läßt. Diese Einrichtung ist aber
konstruktiv lästig und ermöglicht überdies nicht die Vermeidung von Dampfwirbelungs-
und Reibungsverlusten usw. in den ersten Druckstufen, die entweder gar nicht oder
mit schlechtem Wirkungsgrad in geringem Maße mitarbeiten.
Ein anderes Bild erhält man beim Vergleich der Speicher, wenn diese nur zum Ausgleich
von Schwankungen im Heizdampfverbrauch herangezogen werden. In diesem Falle ist die
gleiche Größe für alle Speicher erforderlich, und wegen ihrer leichteren Bauart sind
die Dampfsammler von Ruths am vorteilhaftesten. Dieselben halten überdies infolge
ihrer Pufferwirkung alle Heizdampfschwankungen von der Kraftmaschine fern.
Unangenehm bemerkbar macht sich bei Frischdampfspeichern die fehlende Ueberhitzung
des Dampfes und das Abfallen der normalen Spannung in der Kesselanlage. Diese Mängel
können folgendermaßen vermieden werden: Man ordnet den Frischdampfspeicher zwischen
zwei Kesselanlagen von hohem und niedrigem Druck an. Bei wechselnder Belastung
schwankt der Druck nur in der vorgeschalteten Teilanlage. Sind als Betriebsmaschinen
Turbinen vorhanden, so fließen der ersten Hochdruckstufe die unter verschiedener
Pressung stehenden Dampfmengen vermittelst getrennter Düsengruppen zu. Sie
expandieren bis zum gleichen Druck, um sodann gemeinsam den Niederdruckteil zu
durchströmen. Leitet man den Speicherdampf vor dem Ueberhitzer in das Rohrnetz, so
tritt auch bei ihm die erwünschte Umwandlung in Heißdampf ein. Gelangen
Frischdampfspeicher mit Heißwasserkesselspeisung zur Verwendung, so kann der
Unterschied zwischen der maximalen und normalen für das Rohrnetz zur Verfügung
stehenden Dampfmenge bei gleichbleibendem Brennstoffverbrauch dadurch vergrößert
werden, daß man
wahlweise den Kessel mit schwach vorgewärmtem Wasser aus dem Oekonomiser, mit heißem
Wasser oder mit einem Gemisch von Beiden speist. Treten sowohl Kraft- wie auch
Kochdampfschwankungen auf, so empfiehlt es sich, der Maschine einen
Frischdampfsammler vor- und einen Ruths-Speicher nachzuschalten. Bei großem
Kraftbedarf leert sich der erstere, während letzterer gefüllt wird, da überreichlich
Abdampf zur Verfügung steht. Bei geringem Energieverbrauch entnimmt man dem
Ruths-Sammler die fehlende Heizdampfmenge, während sich der Frischdampfspeicher
füllt. Der von Dr. Schreber gemachte Vorschlag, nicht Dampf, sondern überschüssige
Wärme aus Feuergasen in sogenannten Osmose-Energiespeichern zu sammeln und später
zur Dampferzeugung zu verwenden, dürfte zunächst nicht zur Schaffung von
Vorrichtungen führen, die mit den beschriebenen Anlagen in Wettbewerb treten können.
(W. Pape in Nr. 3 und 4 von Brennstoff und Wärmewirtschaft.)
Schmolke.