Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 190 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Die letzte Entwicklung der Kolbendampfmaschine. Das
Streben der modernen Technik ist mehr denn je auf eine Verbesserung des
Wirkungsgrades und damit der Wirtschaftlichkeit von Kraftmaschinen gerichtet. Die
scharfe Konkurrenz, die der Kolbendampfmaschine, der einst fast allein herrschenden
Antriebsmaschine, durch die Dampfturbinen, Verbrennungsmaschinen und die
Elektromotoren entstanden ist, hat die Dampfmaschinenkonstrukteure die
mannigfachsten Verbesserungen ersinnen lassen mit dem Erfolg, daß auch heute noch
die Kolbendampfmaschine in vielen Fällen anderen Antriebsmaschinen überlegen ist.
Die ersten Verbesserungen erstrecken sich vor allem auf den mechanischen Teil der
Maschine, aber bald waren davon nicht mehr besondere Fortschritte zu erwarten, und
man wendete deshalb sein Augenmerk auf den wärmetechnischen Teil. Schon sehr früh
hatte man den ungünstigen Einfluß des schädlichen Raumes erkannt, in welchem dadurch
ein Verlust auftritt, daß er bei jedem Hub zuerst mit Frischdampf höherer Spannung
und Temperatur, als die des Restdampfes ist, angefüllt werden muß. Die Einführung
der Ventilsteuerungen, namentlich auch der schwingenden
Corliss-Rundschiebersteuerung, mit ihren kleinen schädlichen Räumen brachte hier
Verbesserung. Aber diese blieb doch erheblich hinter den Erwartungen zurück, so daß
man heute sogar von der konstruktiv etwas schwierigen Corliss-Steuerung wieder fast
ganz abgekommen ist. Ein viel größerer Verlust an Wärme tritt nämlich dadurch auf,
daß Frischdampf und Auspuffdampf bei Schiebersteuerungen durch die gleichen Kanäle
geleitet werden. Der Auspuffdampf hat eine so erheblich niedrigere Temperatur als
der Frischdampf, daß die Wandungen sehr stark abgekühlt werden. Geht nun der
Frischdampf durch die gleichen Kanäle, so verliert er sofort einen Teil seiner hohen
Temperatur und damit seiner Spannung, was einen großen Verlust bedeutet. Dieser ist
besonders groß bei Kondensationsmaschinen, wo die Austrittstemperatur nur ca. 45°
beträgt. Diese Verluste treten im Indikatordiagramm nicht in Erscheinung, im
Entropie-Temperatur-Diagramm lassen sie sich jedoch sehr gut verfolgen. Prof. P. Stephan (Altona) berichtet hierüber ausführlich im 15.
Heft 1923 der Zeitschrift „Die Wärme“. Die Kenntnis der genannten
Entropie-Diagramme darf hier wohl vorausgesetzt werden. Es ist offensichtlich, daß
es einen Verlust bedeutet, wenn man den Kessel mit kaltem Wasser speist, dem die
große Flüssigkeitswärme erst noch zugeführt werden muß. Das hat dazu geführt, in die
Rauchgaswege Speisewasservorwärmer einzubauen, wodurch eine große Ersparnis an
den Dampfkosten erzielt wird. Nachdem der Einfluß der Wandabkühlung erkannt war,
suchte man auf verschiedene Weise, diese Verlustquelle zu beseitigen. Der eine Weg
war die, Heizung des Zylinders, der andere die Verteilung der Expansion auf mehrere
Zylinder und ein dritter, den man allerdings erst ziemlich spät beschritten hat, die
Trennung der Dampfzu- und -abführung. Durch die Zylindermantelheizung erreicht man
ohne Schwierigkeiten das erstrebte Ziel, die Eintrittskondensation zu vermeiden,
aber der Aufwand an Frischdampf hierfür ist so groß, daß er die
Kondensationsverluste kaum aufwiegt. Das erkannte man jedoch erst nach längeren
Versuchen, zumal durch die fast gleichzeitige Einführung der Mehrfachexpansion die
Verhältnisse etwas unübersichtlich geworden waren. Bei dieser heute noch viel
angewandten Bauart wird das Wärmegefälle auf mehrere Zylinder verteilt und dadurch
der Temperaturunterschied zwischen Eintritts- und Austrittsdampf verkleinert. Das
verringert natürlich die Abkühlung des eintretenden Dampfes und damit die
Kondensationsverluste. Oft wurden früher beide Mittel, Mehrfachexpansion und Heizung
der Zylinder und der Ueberstromrohre angewandt, und man erreichte, daß der
Eintrittsdampf in jedem Zylinder nahezu trocken gesättigt war. Aber bald zeigte sich
die Unwirtschaftlichkeit dieser Methode, bei der die Verluste nur an eine andere
Stelle verschoben wurden, und so ist heute die Mantelheizung wohl völlig verlassen
worden. Auch die vielfache Expansion in mehr als zwei Zylindern wird heute kaum noch
angewandt, dagegen hat sich die zweifache Expansion noch immer als vorteilhaft
erwiesen. Ein großer Schritt in der Entwicklung der Dampfmaschine war erst die
Einführung der Dampfüberhitzung durch Schmidt (Kassel),
nachdem Hirn auf deren Vorteile hingewiesen hatte.
Bekanntlich verlaufen im Entropie – Temperatur – Diagramm die Drucklinien innerhalb
des Sättigungsgebietes horizontal, um von der Grenzkurve ab steil anzusteigen. Man
kann also trocken gesättigten Dampf bei konstantem Druck mit verhältnismäßig
geringem Wärmeaufwand auf hohe Temperatur überhitzen. Dadurch entfernt sich der
Zustandspunkt so erheblich vom Sattdampf-Gebiet, daß eine Eintrittskondensation
vollständig ver mieden wird. Die Ueberhitzung erfolgt in Rohrschlangen, die in die
Rauchgaskanäle eingebaut sind. Der Mehraufwand an Brennstoffen zur Erzielung einer
höheren Temperaturdifferenz zwischen Dampf und Feuerungsgasen ist nur gering. Hinter
dem Ueberhitzer wird fast ausnahmslos noch ein Speisewasser-Vorwärmer (Economiser oder Wärmefang)
eingebaut, um die aufgewendete Wärme möglichst voll auszunutzen. Interessant ist,
daß man die Heizung mit Dampf in einer neuen Form bei Verbundmaschinen wieder
aufgegriffen hat. Nach Schmidt (Hirschberg) wird der hoch überhitzte Frischdampf dem
Hochdruckzylinder durch den Heizmantel des Ueberstromrohres (Aufnehmers) zugeführt.
Hierbei verliert er seine Ueberhitzung und tritt nahezu trocken gesättigt in den
Hochdruckzylinder ein. Durch die Expansion verläßt der Dampf den Zylinder als
Naßdampf, wird aber im geheizten Aufnehmer wieder bis etwa zur Sättigungstemperatur
erwärmt, so daß auch im Niederdruckzylinder der Kondensationsverlust nur gering ist.
Der Vorteil dieser Maßnahme liegt weniger in einer Verbesserung des
Dampfverbrauches, denn Kondensationsverlust und Heizdampfverbrauch halten sich
ungefähr die Wage; vielmehr erreicht man auf diese Weise eine gleichmäßigere
Verteilung des Wärmegefälles auf beide Zylinder und dadurch eine leichtere
Beherrschung der Temperaturspannungen.
Die Einführung des Heißdampfes war nicht einfach, denn die alten Stopfbüchsen,
Schmiermittel wie auch die Schiebersteuerungen waren den hohen Temperaturen nicht
gewachsen. Heute jedoch sind diese Schwierigkeiten überwunden, nachdem die
Kolbenschieber- und Ventilsteuerungen, wie die Metall-Labyrinth – Stopfbüchsen und
die hochtemperaturbeständigen Zylinderöle eingeführt sind. Die Ventilsteuerungen
bedeuten einmal konstruktiv, dann aber auch in wärmetechnischer Beziehung einen
Fortschritt. Denn bei ihnen sind Eintritts- und Austrittskanäle des Dampfes durch
getrennte Ventile gesteuert, so daß der Frischdampf nicht zugleich durch die kalten
Austrittsöffnungen eintritt. Die Eintrittskondensation wird dadurch natürlich
geringer. Noch weiter geht Prof. Stumpf mit seinem Gleichstromprinzip. Er verlegt
die Eintrittskanäle des Dampfes in die Deckel, den Auslaß in die Mitte des
Zylinders. Letzterer wird durch den Kolben selbst gesteuert, wodurch erstens die
Auslaßventile erspart werden, zweitens aber die kalten Auslaßschlitze während des
Einströmens und der Expansion verdeckt sind, so daß der Frischdampf sich nicht daran
abkühlen kann. Auf diese Weise ist eine ganz erhebliche Verbesserung der
Dampfverbrauchszahlen erreicht worden. Als ein konstruktiver Nachteil hat sich
jedoch teilweise die größere Baulänge des Zylinders und der schwere Kolben erwiesen.
Denn wegen der Auslaßsteuerung durch den Kolben muß dieser etwa 9/10 und der
Zylinder etwa 19/10 des Hubes lang sein. Für die Fälle, wo sich das besonders unangenehm
bemerkbar macht, hat die Hanomag eine neue Konstruktion geschaffen, bei der Kolben
und Zylinder die bei Wechselstrommaschinen übliche geringere Länge haben. Der
Dampfeinlaß im Deckel und der Auslaß in Zylindermitte ist grundsätzlich beibehalten,
doch werden die Auslaßkanäle durch ein Ventil gesteuert. Zwar kommt bei dieser
Bauart der Dampf während der Expansion mit den Auslaßschlitzen in Berührung, aber
der Nachteil ist nicht groß, da bis zum Freiwerden des Auslasses bereits der halbe
Hub zurückgelegt ist; außerdem wird er dadurch fast ganz wettgemacht, daß die
Kompression auch erst nach dem halben Rückwärtshub beginnt, wodurch das Diagramm
voller wird. Vielleicht wird es dieser neuen, leichteren Konstruktion gelingen, das
bisher von der Gleichstrommaschine vergeblich erstrebte Gebiet des Lokomotivbaues zu
erringen und damit auch hier der modernsten Entwicklung des Kolbendampfmaschinenbaus
Eingang zu verschaffen.
Parey.
Ausnutzung der Braunkohle in Deutschland. Die
„Engineering“ vom 16. 3. 23 (s. Nr. 8 der Auslands-Nachrichten d. S.S.W,
vom 30. 4. 23) bringen unter dieser Ueberschrift einen Aufsatz über die zunehmende
Verwendung der Braunkohlen in Deutschland. Nach den Zahlenangaben der „Coal
Ressources of the Word“ sind für Deutschland an 9315000000 metrische Tonnen
Braunkohlen anzunehmen, doch dürfte die wirklich vorhandene Braunkohlenmenge viel
größer sein. Der Heizwert dieser Braunkohle ist niedrig infolge ihres hohen
Wassergehaltes, wird aber nicht viel geringer, als der guter Steinkohle durch
Trocken der Braunkohle. In Ländern mit reichlich vorhandener Hartkohle sieht man
Braunkohle als minderwertigen Brennstoff an, Deutschland aber verwendet immer, trotz
reichlich vorkommenden Steinkohlen, seine Braunkohlen. Es förderte 1921 gegenüber
145601000 t bitimunöser Kohlen an 123011000 t Braunkohlen. Die englische Zeitung
hält es nun von Interesse festzustellen, für welche Zwecke sie verwendet wird und
nimmt einmal an, daß dies durch die Reparationsleistungen von Steinkohle an
Frankreich, Belgien und Italien notwendig geworden ist, dann aber scheine die
tatsächliche Wahrheit die zu sein, daß Deutschland erst in den letzten Jahren in
seinen Braunkohlenlagern die Bedeutung als wertvolles Brennmaterial erkannt hätte,
zumal es noch große Mengen flüchtiger Bestandteile enthält. Wie Deutschland bisher
seine Braunkohlen verwendet hat, ist wenig bekannt geworden, jetzt jedenfalls wird
sie sowohl im rohen wie im brikettierten Zustand verwendet und ist in der letzteren
Form ein ausgezeichneter Hausbrand zur Beheizung der Wohnhäuser, in pulverisierter
Form aber und als Staubkohle ein gutes Brennmaterial für die Industrie. In letzterer
Form findet die Braunkohle zahlreiche Nutzanwendungen für Dampferzeugung,
Zementbrennerei, als Brennstoff in Kraftwerken, zur Kalk- und Ziegelfabrikation usw.
Die Zentralkraftwerke wieder beliefern einen weiten Kreis von Industrien mit der
nötigen Energie, so auch mit Strom für zwei große Aluminiumfabriken, die ihn zur
Reduktion der Tonerde benötigen. Braunkohle dient ferner als Rohstoff für Benzin-
und Petroleum-Ersatzmittel. Deutschland kann sich unabhängig von fremder Zufuhr von
Benzin- und Petroleumprodukten machen, da sich 60000 t Oel aus jeder Million Tonnen
destillierter Braunkohlen gewinnen lassen. Schon scheinen die in Deutschland
erzeugten Materialien die Petroleumerzeugnisse zu ersetzen, denn die Einfuhr dieser
nach Deutschland betrug noch 1911 an 1215000 t, belief sich 1920 aber nur noch auf
425000 t. Entweder hat jetzt Deutschland einheimische Quellen von Petroleum oder
Petroleumersatzmittel, und davon dürfte die Hauptquelle die einheimische Erzeugung
in der Destillation der Braunkohle zu suchen sein. Unabhängig dürfte Deutschland
auch in Zukunft von eingeführten Nitraten werden, da das Ammoniaksulfat ein
wichtiges Nebenerzeugnis der Braunkohledestillation und Düngemittel ist.
Frankreich besitzt auch große Braunkohlenlager (ziemlich wenig Hartkohle), macht aber
wenig Fortschritte in der Ausbeutung seiner Braunkohlenquellen und fördert jährlich
weniger als 1 Million Tonnen im Vergleich zu den ungefähr 140 Millionen Tonnen
Deutschlands. Dieser Umstand veranlaßte den französischen Ingenieur A. Guiselin zu einer scharfen Kritik in „Chemie et
Industrie“ und dem Hinweis auf Deutschlands Forschungsarbeit in bezug seine
Braunkohle. Die Entdeckung des deutschen Bergius findet in der Braunkohle ein
ideales Rohmaterial, zwecks Umwandlung festen kohlenstoffhaltigen Materials in flüssige
Kohlenwasserstoffe durch mäßige Wärme in Gegenwart von hoch komprimiertem
Wasserstoff. Die sichergestellte erfolgreiche Weiterentwicklung dieses Verfahrens,
hält der Verfasser von tiefgehender Wirkung auf die Zukunft der Oelversorgung und
deren Nebenprodukte. Das Verfahren prüft auch der „Britsh Fuel Research
Board“ und hält die Anwendung von Braunkohle als Hochofenbrennstoff für
beachtenswert, ebenso den Halbkoks aus der Destillation der Braunkohle als guten
Brennstoff in Brikettform. Durchführbar wäre auch eine Form der elektrischen
Eisenerzschmelzung mit Brennstoff in Pulverform. Jedenfalls bietet die Braunkohle
viele Möglichkeiten zur Verwendung als Brennstoff und ist bereits als Basis für
große und blühende Industrie anzusehen. So wurde nach Jahrg. 32 des Jahrb. d. regew.
Naturwissenschaften (Verlag Herden & Co., Freiburg i. Br.) ein Verfahren zum
Patent angemeldet zwecks Oxydation des Paraffins aus Braunkohlenteer und Erdöl und
ihre Umwandlung in technische Seifen, wozu bisher die nötigen Fette aus dem Ausland
bezogen wurden. Ein anderes Verfahren bezweckt den glyzerinfreien Speisefettersatz,
die Erzeugung von Benzin, Leucht- oder Treiböl aus den Teerölen und
Extraktionsprodukten der Destillation der Braunkohle. Die Verwendbarkeit des
Braunkohlenteers ist eben so vielseitig, daß man in Zukunft immer vollkommenere
Verfahren zu seiner Ausnutzung erproben wird und in der Tat das erwähnte englische
Blatt Recht behalten wird mit seiner Prophezeiung von künftigen blühenden deutschen
Industrien aus den deutschen Braunkohlenlagern, die es in vielen Fällen von der
Zufuhr von Rohstoffen aus dem Ausland unabhängig machen.
Dr. Bl.
Die Eisenerzgewinnung der Welt in den Jahren 1918 bis
1920. Die nunmehr vorliegenden Zahlen über die Eisenerzgewinnung der
wichtigsten Länder geben ein anschauliches Bild von der tiefgreifenden Wirkung des
Weltkrieges auf die Gütererzeugung. Im Jahre 1920 betrug nämlich die
Eisenerzgewinnung der Welt nur 120911000 t gegenüber einer Menge von 176389000 t im
Jahre 1913; der Rückgang beträgt somit 31,5 v. H. Betrachtet man aber die
Eisenerzgewinnung von Europa allein, so ergibt sich gar eine Abnahme von fast 56 v.
H., denn im Jahre 1920 wurden in Europa nur 47,3 Mill. t Eisenerz gefördert,
gegenüber fast 107 Mill. t vor dem Kriege. Im Gegensatz zu Europa konnten Amerika,
ganz besonders aber Asien und Australien ihre Erzgewinnung erheblich vergrößern, wie
folgende Zahlentafel zeigt:
Erdteile und Länder
Erzgewinnung in Mill. t
+bzw. –1920 geg.1913
1913
1918
1919
1920
Deutschland
28,61
18,39
6,15
6,36
– 77,8 v.H.
Frankreich
21,92
1,67
9,43
13,85
– 36,6
England
16,25
14,85
12,45
12,91
– 20,6
Spanien
9,88
4,77
4,71
4,79
– 51,5
Rußland
9,21
?
?
0,15
– 98,4
Schweden
7,48
6,62
4,99
4,53
– 39,3
Luxemburg
7,33
3,13
3,11
3,70
– 49,5
Oesterreich
3,04
1,17
0,25
0,44
– 85,7
Europa
106,97
51,51
41,72
47,33
– 55,8
Ver. Staaten
62,97
70,77
61,95
68,69
+ 9,1
Neu-Fundland
1,46
0,77
0,45
0,59
– 59,8
Kuba
1,61
0,65
0,36
0,90
– 44,2
Amerika
66,32
72,39
62,43
70,45
+ 6,2
Asien
0,97
1,12
1,42
1,41
+ 45,5
Afrika
1,95
1,37
1,15
1,11
– 42,9
Australien
0,18
0,43
0,45
0,60
+236,5
Wie man aus diesen Zahlen ersieht, stand Deutschland 1913 mit seiner Erzförderung an
der Spitze sämtlicher Länder Europas, während es im Jahre 1920 infolge des
Verlustes der reichen lothringischen Erzlager noch nicht einmal ein Viertel der vor
dem Kriege erzeugten Erzmengen fördern konnte. Es ist bemerkenswert, daß Frankreich,
obwohl es nunmehr das an Eisenerzen reichste Land Europas ist, im Jahre 1920 noch
nicht zwei Drittel seiner Förderung vom Jahre 1913 erreichte und daß sich auch im
Jahre 1921 die Erzgewinnung nur auf 14 Mill. t erhöhte. Trotzdem fördert Frankreich
mehr Eisenerze, als es selbst verhütten kann, England, dessen Förderung an Eisenerz
seinen eigenen Bedarf nicht deckt, erzeugte im Jahre 1920 rund ein Fünftel weniger
als vor dem Kriege. Auch in Spanien, das hauptsächlich Erzausfuhrland ist, ging die
Förderung auf mehr als die Hälfte zurück, ebenso weist Schweden einen Rückgang von
fast 40 v. H. auf, der in gleicher Weise, wie bei Spanien auf Absatzschwierigkeiten
zurückzuführen sein dürfte. Rußlands ehemals bedeutende Eisenerzförderung liegt
vollkommen darnieder. Auch in Luxemburg hat die Erzförderung infolge seines
Ausscheidens aus dem deutschen Zollverband sowie infolge von Koksmangel stark
abgenommen; sie betrug 1920 nur noch die Hälfte der vor dem Kriege erzeugten Menge
und ist im Jahre 1921 noch weiter auf 3,03 Mill. t gesunken. Die Erzförderung
Oesterreichs ist durch die Abtrennung der Tschechoslowakei, die im Jahre 1913 etwas
mehr als die Hälfte der Gesamtförderung lieferte, gleichfalls stark zurückgegangen,
und selbst wenn man nur das Gebiet des heutigen österreichischen Staates betrachtet,
bleibt die Erzförderung des Jahres 1920 hinter der im Jahre 1913 auf dem gleichen
Gebiete erzeugten Menge weit zurück.
Unter allen Ländern der Welt weisen die Vereinigten Staaten von Amerika die
bedeutendste Eisenerzförderung auf, sie konnten ihre Erzeugung in den letzten Jahren
noch vergrößern und liefern heute über die Hälfte der Weltförderung; im Jahre 1921
erlitt die Erzgewinnung Amerikas allerdings einen starken Rückschlag, denn sie nahm
gegenüber 1920 um 56,7 v. H. ab. In China und Britisch-Indien zeigt die
Eisenerzgewinnung in den letzten Jahren eine nicht unbeträchtliche Zunahme und in
noch höherem Maße gilt dies für Neu – Süd-Wales und Süd-Australien, von denen
letzteres Gebiet im Jahre 1913 erst 62000 t, im Jahre 1920 dagegen 420000 t
Eisenerze lieferte. Aus diesen Zahlen erkennt man deutlich, in wie hohem Maße die
Eisenerzgewinnung der Welt durch den Krieg und seine wirtschaftlichen Folgen in
Mitleidenschaft gezogen worden ist. (Stahl und Eisen 1923, S. 18–19.)
Sander.
Technische Neuerungen in der deutschen Seeschiffahrt. Bei
dem steten Streben der deutschen Reedereien, ihre Schiffe mit allen technischen
Neuerungen auszustatten, haben in den letzten Monaten drei Neuerungen Eingang in
deutsche Schiffahrt gefunden, die ihre künftige Entwicklung beeinflussen dürften. Es
sind dies der Gegenpropeller und das Flettnerruder, die bedeutende
Betriebskostenersparnisse ermöglichen, und die neuartige Verbindung der sog.
formstabilen Anbauten mit den Frahmschen Schlingertanks, die neben erhöhter
Stabilität die Schlingerbewegungen fast aufheben und so auch bei bewegter See eine
ruhige Fahrt des Schiffes gewährleisten.
Der Gegenpropeller ist ein festes System von Leitschaufeln und am Ruderpfosten hinter
der rotierenden Schiffsschraube angebracht, die durch ihre Rotation einen sich
drehenden Wasserstrom erzeugt. Ein Leitapparat fängt diesen Wasserstrom auf und
setzt seine Energiemengen in zusätzlichen Schub um, der eine Erhöhung der
Wirtschaftlichkeit des Betriebes um 10 bis 15 v. H. bewirkt. Der Gegenpropeller gleicht den
Kostenaufwand infolge dieses Nutzens in einem Betriebsjahre wieder aus, denn die
damit versehene „Andalusia“ legte eine Reise von 8000 Seemeilen bei einem
Kohlenverbrauch von 510 Tonnen in 975 Stunden zurück, zwei Schwesterschiffe aber
brauchten dazu durchschnittlich 1045 Stunden und verfeuerten 574 Tonnen Kohlen. Das
bedeutet eine um 6,7 v. H. kürzere Reisedauer und ein um 11,2 v. H. geringerer
Kohlenverbrauch.
Wirtschaftlich vorteilhaft ist auch das Flettnerruder gegenüber dem bisherigen.
Dieses steuert das Schiff dadurch, daß sich das Ruderblatt um seine feste Achse
dreht, und so ein stärkerer Druck auf der einen, ein schwächerer auf der anderen
Seite entsteht und damit das Schiff seine Längsachsenlage, also seinen Kurs ändert.
A. Flettner baute nun in das Hauptruderblatt ein Hilfsruderblatt ein, das durch
Fernleitung von der Kommandobrücke her mit geringer Kraft von Hand gesteuert werden
kann. Dieses Hilfsruder wird von den hinter dem fahrenden Schiff abströmenden
Wassermengen getroffen und wirkt nun an einem langen Hebelarm auf das
Hauptruderblatt, indem es dieses in die gewünschte Lage stellt. So erforderte das
Motorschiff „Odenwald“ in Verbindung von Flettnerruder und
Anschütz-Kreiselkompaß-Selbststeuerer 95 bis 97 v, H. Steuerkraft weniger als ein
gewöhnliches Ruder und bedurfte keiner Rudermaschine. Zudem steuert der wachthabende
Offizier den Kreiselkompaß-Selbststeuerer und stellt den Kurs unter automatischer
Einschaltung eines halbpferdigen Motors ein. Die „Odenwald“ fährt also ohne
Rudermaschine und Rudersmann und ihre Steuerung erfolgt durch eine sehr geringe
menschliche und mechanische Kraft.
Die dritte technische Neuerung liegt in der Verbindung formstabiler Anbauten mit den
Frahmschen Schlingertanks. Die bisherigen Schlingertankanlagen waren an der Steuer-
und Backbordseite angebracht und bestanden aus teilweise mit Wasser gefüllten Tanks,
die durch Ueberlaufröhren mit einander verbunden waren. Mit dem Schlingern des
Schiffes pendelten auch die Wassermassen zwischen den beiden Tanks hin und her und
die größte Wassermasse, also die höchste Gegenkraft war immer an der den Impulsen
der See am meisten ausgesetzten Seite. Die stärkste Wirkung traf demnach immer auf
die größte Gegenwirkung und so trat ein gewisser Ausgleich dieser Kräfte ein und
eine Abdämpfung der Schlingerbewegung des Schiffskörpers. Statt dieser
Schlingertankanlage haben aber die neuerbauten Zweischraubenturbinendampfer
„Albert Ballin“ und „Deutschland“ an der Steuerbord- wie
Backbordseite wulstartige Anschwellungen, die sog. formstabilen Anbauten, dje dem
Schiff bei jedem Tiefgang eine gleichbleibende Stabilität sichern und dem Dampfer in
der Wasserlinie eine doppelte Sicherung gegen Leckungen gewähren. Dazu ist noch eine
innere Haut in der senkrechten Flucht der normalen Schiffslinie eingebaut, wodurch
der Raum zwischen den beiden Wänden in zahlreiche wasserdichte Zellen eingeteilt
werden konnte. Von diesen haben einige in der Mitte Schlitze in der Außenhaut, durch
die das Außenwasser in die Zelle eintreten kann. Beginnt nun der Dampfer in schwerer
See zu rollen, so fangen die Wassermassen in den Zellen an zu pendeln und die
Rollschwingungen des Schiffskörpers werden schon im Entstehen abgedämpft. Die
Ausnutzung eines Teils der Stabilitätsanschwellungen führt auf diese Weise zu
wirksamen Schlingertanks und gewährt einen ruhigen Schiffsgang auch bei stürmischem
Wetter.
Um ein Kentern oder Sinken von Schiffen unmöglich zu machen, baut man übrigens
in Amerika den Schiffskörper aus zwei mit einander verbundenen Stahlzylindern, die
durch wasserdichte Schotten in Abteilungen zerlegt sind. Nach Jahrg. 32 des Jahrbuchs der angewandten Naturwissenschaften (Verlag
Herder & Co., Freiburg i. Br.) sind solche Schiffe 100 m lang und haben 8535
Bruttotonnen Raumgehalt und 4240 t Ladefähigkeit, Sie sind mit zwei Dampfmaschinen
ausgestattet, deren jede eine Schiffsschraube treibt. Die Konstruktion dieser
unsinkbaren Schiffe ist von dem Ingenieur Leparmentier.
Dr. Bl.
Motorschiff „Phoebus“. Das für die
Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft erbaute Tankschiff „Phoebus“ hat
am 14, Juli seine Probefahrt erledigt. Das Schiff mit 14000 t Tragfähigkeit wurde
von den Howaldtwerken in Kiel erbaut. Die beiden Diesel- Zweitaktmaschinen von je
1600 PS und 85 Uml/min. sind von der Firma Sulzer geliefert. Bei der Probefahrt
konnte vorübergehend eine Gesamtmaschinenleistung von 4000 PS bei einer
Schiffsgeschwindigkeit von 12,6 Knoten erzielt werden. Durch Bremsversuche auf dem
Probierstand wurde festgestellt, daß das Zwertaktverfahren bei großer
Maschinenleistung den gleichen niedrigen Brennstoffverbrauch wie das
Viertaktverfahren erreicht. Die Versuchsmaschine lief dabei; 60 Stunden unter
Vollast, abwechselnd mit Gasöl und] Steinkohlenteeröl und 12 Stunden unter Ueberlast
und Teillast mit Gasöl, Die Höchstleistung betrug 2225 PS bei 95 Uml/min. Der
mittlere nutzbare Druck wurde dabei zu 6,6 at bestimmt. Die Nutzarbeit der
Hilfsdieselmaschine wurde mit einem Brennstoffverbrauch von 213 g/PSe h der
Nutzleistung der Hauptmaschine angerechnet Der auf diese Art festgestellte
Gasölverbrauch ergab zwischen ¾ Belastung und Vollast den außerordentlich geringen
Verbrauch von 183 g/PSe h, umgerechnet auf einen unteren Heizwert von 10000
WE/kg.
Wimper.
Motorschiff „Urano“. Auf der Werft in Kiel der
„Deutschen Werke A,-G.“ wurde kürzlich das Motor-Tankschiff von 8000 t
Tragfähigkeit fertiggestellt. Das Schiff besitzt acht große Tanks, die vom Kiel bis
zum Zwischendeck reichen. Die Maschinenanlage ist wie üblich im Hinterschiff
angeordnet, Sie besteht aus zwei einfach wirkenden sechszylindrigen Viertaktmotoren
von je 950 PS bei 130 Uml/min, Die dabei erzielte Geschwindigkeit des vollbeladenen
Schiffes ist 10 Knoten. Die Luftverdichter für die Einspritzluft werden mittels
Schwinghebel von den Hauptmaschinen angetrieben. Ebenso werden von den
Hauptmaschinen die Zylinderkühlwasserpumpe, Kolbenkühlwasserpumpe, Schmierölpumpe
und Maschinenraumlenzpumpe angetrieben. Ein Hilfsluftverdichter, der sowohl
hochgespannte Einspritzluft, Luft zum Anlacht und Umsteuern wie auch niedrig
gespannte Luft zum Antrieb der Hilfsmaschinen und Pumpen liefern kann, wird von
einem Dreizylindermotor von 180 PSe bei 300 Uml/min. angetrieben. Außerdem ist noch
ein Notkompressor vorhanden, der von einem die Lichtmaschine antreibenden 16
PS-Glühkopfmotor betrieben werden kann. Die Schiffshilfsmaschinen werden mittels
Druckluft betätigt, die von dem Hauptluftverdichter geliefert wird. Zum Hafenbetrieb
dient Dampfkraft.
Wimplinger.
Löschen und Verhüten von Grubenbränden unter Tage. Im
Bergbau ist in letzter Zeit ein neues Verfahren zum Löschen von Grubenbränden zur
Einführung gelangt, bei dem Lösungen von doppelkohlen-saurem Natron in den Brandherd
eingespritzt werden: aus dieser Lösung werden in dem Feuer große Mengen von Kohlensäure frei, die
den Brand ersticken. Zum Ausspritzen der Salzlösung benutzt man verflüssigte
Kohlensäure, die gleichfalls an der Löschung des Feuers teilnimmt. Zur Ausführung
des neuen Verfahrens sind Kesselwagen in der Spurweite der Fördergleise gebaut
worden, die verflüssigte Kohlensäure in Stahlbehältern enthalten und die in
Verbindung mit einem zweiten, die Salzlösung aufnehmenden und mit Spritzen
ausgerüsteten Wagen an den Brandherd herangefahren werden können. Auch kleinere
Apparate für Handgebrauch sind in Benutzung. Das Verfahren hat sich namentlich auch
zur Erstickung von Transformatorbränden unter Tage gut bewährt.
Zur Verhütung von Grubenbränden eignet sich besonders das Torkret-Verfahren, bei dem
alle brennbaren Teile des Grubenausbaues mit einer mehrere Zentimeter dicken
Betonschicht überzogen werden, und zwar wird hierbei der Beton mit Hilfe von
Preßluft auf die Unterlage aufgespritzt. Dieses Verfahren bietet außer dem
Brandschutz noch manche andere Vorteile, wie z.B. erhöhte Festigkeit der überzogenen
Materialien und größere Stabilität gegen Biegung. Wie die „Braunkohlen- und
Brikett-Industrie“ 1922, S. 1448, berichtet, ist dieses Verfahren in
Nordamerika bereits sehr verbreitet, und es ist dort gelungen, mit 2 Mann in einer
Stunde 8 qm Fläche mit einer 2–4 cm dicken Betonschicht zu bespritzen.
Sander.
Betriebswirtschaft. Bis zum Weltkrieg verstand man unter
einer gesunden Betriebswirtschaft den wirtschaftlichen Ausbau des Dampf- und
elektrischen Betriebs. Man suchte durch Konstruktionsverbesserungen und durch gute
Führung der Antriebsmaschinen, bzw. Kraftmaschinen, an Brennstoffen zu sparen. Erst
in den letzten Jahren setzte daneben auch eine sehr erhebliche Arbeit zur
Vervollkommnung der eigentlichen Produktion ein. Diese Bewegung ging von Amerika
aus. Man erkannte, daß infolge der gestiegenen Arbeitslöhne, ferner zur Förderung
erhöhter Produktion und genauester Arbeit Maßnahmen notwendig waren, die sich nicht
mehr innerhalb der alten Forderungen, die sich nur mit den Kraftmaschinen befaßten,
deckten. So entstand die neuzeitliche Betriebswirtschaft und daraus die
Betriebswissenschaft. Vor allem war es Deutschland, welches sich den Ausbau dieser
neuen Wissenschaft angelegen sein ließ. Besondere Anregungen erhielt man dort unter
anderem durch das vorzüglich ausgebaute Ausstellungs- und Messewesen, das jedes Jahr
zwei Mal seinen Höhepunkt in der Leipziger Messe findet. Dadurch, daß vor allem die
Leipziger Technische Messe immermehr eine Veranstaltung der gesamten deutschen
Produktionsmittel herstellenden Industrie geworden ist und von vornherein zielbewußt
darauf ausging, nur die allerbesten Maschinen der Welt darzubieten und deren
Verwendung vorzuführen, wurde unter den beteiligten Firmen ein Wettbewerb
hervorgerufen, der zur Erfindung immer neuer, besserer Betriebsmittel führte. Da die
Leipziger Technische Messe nicht nur den deutschen Abnehmern, sondern auch den
Interessenten der ganzen Welt zum Studium offensteht, hat sie auch zur
Vervollkommnung der Produktion außerhalb Deutschlands wertvolle Winke gegeben. Um
nur ein Beispiel anzugeben, sei auf das Gebiet der Transportmittel, die in Leipzig
in einer großen Hille in besonders großer Anzahl und Mannigfaltigkeit ausgestellt
sind, hingewiesen. Diese Ausstellung dürfte wesentlich zur Erweiterung der
Erkenntnis beigetragen haben, daß es sich bei dem Wiederaufbau der Wirtschaft nicht
nur um die Herstellung der besten Maschinen handelt, sondern daß in großem
Umfange auch die Einrichtungen in Frage kommen, die den Verkehr von Maschine zu
Maschine und von Mensch zu Mensch vermitteln. Was von den Fördermitteln gilt, könnte
von vielen anderen Gebieten der Technik gesagt werden. Selbstverständlich hat die
Not, in der sich große Teile der deutschen Industrie befinden, dazu beigetragen, die
Arbeit durch Vervollkommnung der Maschinen immer sparsamer zu gestalten. Darin liegt
natürlich der Hauptgrund, warum die deutsche Industrie auf dem Gebiet der modernen
Betriebswirtschaft an der Spitze marschiert. Aller Voraussicht nach werden in den
nächsten Jahren in der Vervollkommnung der gesamten Betriebsführung von Deutschland
noch manche Ueberraschungen zu erwarten sein. Da sie auf der Leipziger Technischen
Messe ihren ersten Niederschlag zu finden pflegen, wird diese Veranstaltung
sicherlich weit über Deutschland hinaus die Aufmerksamkeit wachhalten.
Vom 20. bis 25. September fand in Marburg die erste Jahresversammlung der Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik
zusammen mit der der Deutschen Mathematiker -Vereinigung statt.
Während die ersten Tage den Vorträgen aus dem Gebiete der reinen Mathematik gewidmet
waren, waren an den beiden letzten Tagen die Vorträge aus dem eigentlichen
Arbeitsgebiet der Gesellschaft zusammengefaßt, um so Herren, die nur für diese
Vorträge Interesse hatten, die Teilnahme zu erleichtern.
Dem Interesse, das neuerdings dem Verhalten plastischer Körper bei der Beanspruchung
entgegengebracht wird, wurden drei Vorträge von Professor Prandtl (Göttingen), Dr. Nadai (Göttingen) und
Professor Trefftz (Dresden) gerecht. Professor Prandtl
gab einige Beispiele von statischen Gleichgewichtszuständen in plastischen Körpern
im Anschluß an eine Arbeit von Hencky. Er behandelte das
Eindringen eines an der Druckfläche abgerundeten Stempels in einen unendlich
ausgedehnten Halbraum, das Eindringen eines ebenen Stempels in eine Platte von
endlicher Dicke und die Zerdrückung eines würfelförmigen Körpers, wie sie beim
Druckversuch erfolgt. Besonders bei dem letzten Beispiel zeigte sich eine sehr
erfreuliche Uebereinstimmung zwischen den Ergebnissen der Versuche und der
Theorie.
Dr. Nadai sprach über die Torsion von Stäben aus
plastischem Material. Der Vortragende zeigte, daß die Gebiete, in denen plastische
Deformationen eintreten, sich ermitteln lassen, indem man über dem Querschnitt des
Stabes eine Böschungsfläche errichtet und weiterhin sich die als Loch gedachte
Querschnittsfläche mit einer Membran bespannt denkt. Bringt man die Membran durch
gleichmäßigen Druck zur Durchbiegung nach der Seite der Böschungsfläche hin, dann
legt sie sich teilweise gegen die Böschungsfläche. Diese Stelle, wo das Anlegen
stattfindet, entsprechen den Stellen der plastischen Deformation.
Die Ausführungen von Professor Trefftz bezogen sich auf
das gleiche Thema. Ueber die qualitativen Ergebnisse des Nadaischen Vortrages
hinausgehend gab er eine rechnerische Lösung des Problems für die Torsion des
Winkeleisens. Unter der Annahme, daß die über den Schenkeln des Winkeleisens
errichteten Böschungsflächen an der Innenecke des Winkels durch einen Kegelmantel
ineinander übergehen, zeigte er, daß sich dann an dieser Ecke ein Gebiet plastischer
Deformationen abgrenzen läßt und daß man die übrige Querschnittsfläche konform auf
einen Kreisquadranten abbilden kann. Da für diesen das Torsionsproblem gelöst ist, so ist es auch
für das Winkeleisen.
Die vorstehenden Untersuchungen stellen wesentliche Schritte dar auf einem Wege, der
schließlich zur vollständigen Beherrschung des für den Maschinenbau äußerst
wichtigen Premblems führen kann. Im besonderen werden sich daraus wertvolle Schlüsse
für die Lösung des Problems der Kerbfestigkeit ziehen lassen.
Eine seit langem in Angriff genommene Aufgabe der Baumechanik löste Professor von Mises (Berlin) durch die Untersuchung der Stabilität
ebener Stabverbindungen. Ausgehend von zwei Grenzfällen, einerseits dem
biegungssteifen Fachwerk, dessen Stäbe nur Längenänderungen zulassen und in den
Knotenpunkten gelenkig miteinander verbunden sind, und andererseits dem Rahmen,
dessen Stäbe durch starre Knotenpunktsverbindungen miteinander vereinigt sind und
gegen Längsänderungen als starr vorausgesetzt werden, so daß sie nur Biegungen
erleiden können, zeigte der Vortragende, daß bereits für sehr einfache Vertreter
dieser beiden Gattungen Fälle der Instabilität eintreten können. Er gab eine
vollständige Lösung des Problems und zeigte, daß sich der allgemeine Fall aus einer
Kombination beider Annahmen über die Steifigkeits-Verhältnisse der Stabverbindungen
ergibt. Der Anschluß an die bisher vorhandenen Ergebnisse der Theorie, die Eulerschen Knickformeln, bietet sich zwanglos.
Weitere Probleme aus dem Gebiete der Mechanik der elastischen Körper behandelte
Professor Grammel (Stuttgart), der über
Kipp-Erscheinungen bei elastischen Ringen sprach, und Dr. Schwerin (Berlin), der die Knicksicherheit von Blechen unter dem Einfluß
ungleichmäßig über den Rad verteilter Belastungen untersuchte. Professor Grammel gelang es mit sehr einfachen mathematischen
Hilfsmitteln, die interessanten Erscheinungen an elastischen Ringen darzustellen,
die darin bestehen, daß bei Beanspruchung der Ringe in ihrer Symmetrie-Ebene ein
Ausbiegen der Ringe aus dieser Ebene erfolgt (Flanschringe). Außerdem trug Dr. Alt (Dresden) über die Bestimmung der Bewegung eher Ebene
vor, wenn die Geschwindigkeiten dreier ihrer Punkte gegeben sind.
Professor Knoblauch (München) gab einen eingehenden
Bericht über die theoretischen und experimentellen Arbeiten, die in den letzten
Jahren in München unter seiner Leitung ausgeführt worden sind, um neue Tabellen für
das thermodynamische Verhalten des Wasserdampfes herzustellen und seine
Instandsgleichung zu ermitteln, während Professor Zerkowitz (München) über die neueren Bestrebungen, die Dampfdrücke bei
Kolbendampfmaschinen und Turbinen bis auf 100 Atm. zu erhöhen, sowie über die
gleichzeitige Verwendung des Dampfes zu Heizzwecken, sprach.
In das Gebiet der Elektrotechnik führten Vorträge von Professor Rüdenberg (Berlin), Professor Emde
(Stuttgart), Dr. Pflieger-Härtel (Berlin) und Dr. Doery (Chemnitz).
Professor Rüdenberg berichtete über eine Lösungsmethode,
um unharmonische Schwingungen mit großer Amplitude, bei denen der Kraftverlauf
graphisch gegeben ist, zu behandeln und gab dafür eine große Reihe von
Beispielen.
Professor Emde trug über den Gebrauch komplexer
Phasenverschiebungsstrecken in der Elektrotechnik vor, wobei er als Beispiel die
Stromverteilung längs einer langen Leitung behandelte.
Dr. Pflieger-Härtel sprach über
die Anwendbarkeit der Sätze der konformen Abbiödung auf die Theorie der
Kreisdiagramme elektrischer Maschinen und über die dadurch zu erzielenden
Vereinfachungen dieser Theorie.
Weiter gab Dr. Doery (Chemnitz) einen Ueberblick über die
bei elektrischen Lokomotiven auftretenden Schüttelerscheinungen und die Erklärung
hierfür, die in dem Lagerspiel des Kurbelgetriebes und in der wechselnden
Elastizität der Kurbelstangen zu suchen ist.
Eine Reihe von Vorträgen von vorwiegend mathematischem Interesse, und zwar von
Professor Noether (Breslau) über die Randwertaufgabe des
Turbulenzproblems, von Dr. Dötsch (Halle) über Probleme
der Wärmeleitung sowie von Professor Pöschl (Prag) über
die ebene Strömung eines Gases in einer Düse mit Berücksichtigung der Reibung,
endlich ein Vortrag von Dr. Basch (Wien) über
Ausgleichsrechnung und ein Bericht von Studienrat Luckey
(Elberfeld) über Nomographie vervollständigten das Programm.
Pflieger Härtel.
Persönliches. Am 15. September feierte Geheimer
Regierungsrat Max Geitel seinen 70. Geburtstag. Eine
reichhaltige Tätigkeit auf dem Gebiete der Technik und allgemeinen Wissenschaften
liegt hinter ihm. Den Kindern seiner Muse war es beschieden, überall Freude zu
erwecken, belebend zu wirken und neue Gedanken anzuregen. Als Mitglied des
Reichspatentamtes füllte er seine Musestunden durch Schriftstellerei und Poesie aus.
Max Geitel hat nicht nur eine Reihe von Schriften und Werken herausgegeben, sondern
auch selbst verfaßt. In reichhaltigen Vorträgen, geschichtlichen Abhandlungen und
Untersuchungen strebte er danach, die durch die mechanischen und mathematischen
Bedingungen schroff erscheinenden Gebilde der Technik poetischer zu gestalten. Seine
Arbeiten waren stets von Erfolg begleitet, gleichgültig, ob es sich um den Preis
einer Beuth-Aufgabe, um den Wettbewerb für ein Moselweinlied oder um eine Abhandlung
über Goethes Beziehungen zur Technik handelte. Ueberall war er zu Hause. Die
Deutsche Maschinentechnische Gesellschaft Berlin ehrte ihr langjähriges Mitglied
durch Ernennung zum Ehrenmitgliede und verlieh ihm die Beuth-Denkmünze in Gold.